Italienische Weine – Vielfalt vom Alltagswein bis zu den Klassikern aus der Toskana und dem Piemont
Bella Italia ist ein einzigartiges Weinland. Was die Grösse und die Produktionsmenge angeht, so gibt es ein beständiges Ringen mit Frankreich und Spanien um den ersten Platz. Doch beim Rebsortenreichtum kommt kein anderes Land an Italien heran. Rund 2’000 autochthone Rebsorten zählt man auf dem italienischen Stiefel. 400 davon werden offiziell genutzt. Mit Abstand am häufigsten taucht dabei der Sangiovese auf. Diese uritalienische Rebsorte sorgt teils für Masse, doch vor allem für Klasse in der Toskana und der Romagna, in den Abruzzen und den Marken.
Sangiovese ist Hauptbestandteil von Klassikern wie Chianti oder Brunello di Montalcino und ist ebenso zuständig für viele schöne Alltagsweine. Von den Alpen im Norden bis nach Noto und Avola auf Sizilien entsteht eine unglaubliche Vielzahl an Stilen, bei denen man wunderbare Entdeckungen machen kann. Dabei setzen immer mehr Betriebe auf den dringend notwendigen Schutz und die Vielfalt in ihren Weinbergen mit Hilfe von naturnaher und biologisch-organischer Bewirtschaftung. Und es sind auch immer mehr Betriebe, welche die anspruchsvollen Delinat-Regeln befolgen, weil sie sehen, dass das der richtige Weg für die Natur und die Weinqualität ist.
Die Anfänge des Weinbaus in Italien
Als griechische Stämme um 1000 v. Chr. das heutige Sizilien, die Basilikata, Kalabrien und Kampanien besiedelten, fanden Sie bereits Weinbau vor. Und den in einer Art, der ihnen zuvor unbekannt war; denn die Etrusker, die dort lebten, hatten Weinreben bereits kultiviert und an Stämmen erzogen. Dies dürfte den Ausschlag dafür gegeben haben, dass die Griechen das Land Oinotria nannten, das Land der an Pfählen erzogenen Reben.
Man kann heute aufgrund von Genanalysen feststellen, dass einige der in Süditalien verbreiteten Rebsorten ihren Ursprung in Griechenland hatten. Die Griechen brachten also ihre Reben mit nach Italien. Auch Phönizier kamen nach Sizilien und hinterliessen ebenfalls im Weinbau Spuren. Später, ab dem 6. Jahrhundert v. Chr., waren es keltische und rätische Stämme, die regen Handel mit den südlichen Stämmen trieben. Bei den Rätern und Kelten wurden die Weine teilweise sogar schon in Fässern ausgebaut.
Mit der Expansion des Römischen Reiches entwickelte sich der Weinbau deutlich weiter. War bei Etruskern und Griechen der Wein vor allem der Oberschicht und den kultischen Handlungen vorbehalten, wurde der Wein im Römischen Reich zum Alltagsgetränk. Das lag auch daran, dass alle weinbaulichen Erkenntnisse zusammengeführt wurden. Viele Texte damaliger Geschichtsschreiber legen davon Zeugnis ab. Das bekannteste Zeugnis ist wohl De re rustica, ein Werk in zwölf Bänden über die Landwirtschaft, des im spanischen Cádiz geborenen Columella. Dieser erwähnt unter anderem auch die Züchtung vieler unterschiedlicher Rebsorten, von denen auch heutige Rebsorten abstammen.
Nach dem sich lange hinziehenden Verfall des Römischen Reiches und wegen der Wirren der Völkerwanderung dauerte es bis ins 14. Jahrhundert, als Papst Paul III. den populären französischen Wein verbannte und den italienischen Weinbau massiv förderte. Eines der Zentren des Weinbaus, aber auch der Wissenschaften und der Künste wurde die Toskana, wo Familien wie die Antinori, Ricasoli oder Frescobaldi bereits seit inzwischen rund 800 Jahren Weinbau betreiben.
Mit dem Beginn der Industrialisierung begann ein steter Niedergang des italienischen Weinbaus, der auch durch Entwicklungen bekannter Weintypen wie Barolo, Brunello, Chianti, Prosecco oder Amarone nicht aufgehalten wurde. Italienischer Wein wurde vor allem in den 1970er Jahren mit Bastflaschen und Kopfschmerzen durch allzu viel Lambrusco gleichgesetzt. Es bedurfte der Impulse von aussen und internationaler Stile, um den italienischen Weinbau wieder aus der Versenkung zu holen.
Seit den 1980er Jahren allerdings hat sich die Weinwelt im Stiefel völlig verändert und ist auf allen Ebenen gleichauf mit dem französischen Nachbarn. Endlich schöpft das Land aus seinem grossen Rebsortenpotential, und es entstehen neben dem üblichen Massenwein immens viele unverwechselbare Charaktere. Dabei haben sich ebenfalls ab den 1980er Jahren viele Winzer dem ökologischen Anbau zugewandt, sodass es mehr als nur eine Revolution in den Weinbergen Italiens gab.
Mediterran, von Südtirol bis nach Sizilien
Auch wenn es das eine oder andere Tal im Alto Adige, also in Südtirol geben mag, wo das Alpenklima dominiert, so fällt doch schon in Meran oder Bozen der mediterrane Einfluss auf. Der spiegelt sich nicht nur in der Architektur und im Lebensgefühl wider, sondern konkret auch im Weinbau. Italien liegt lang gestreckt im Mittelmeer, das sich rund um Italien in das Ligurische, Tyrrhenische, Ionische und Adriatische Meer aufgliedert. Dieses Meer übt in grossem Masse seinen Einfluss aus. Insgesamt ist das Klima gemässigt. Warme bis heisse Sommer, lange, sonnige Herbste und moderate Winter sind typisch. Die Alpen schirmen die Weinberge im Norden vor kalten Nordwinden ab, und der Apennin bildet vom Piemont bis tief in den Süden hinein eine mehr als 1’500 Kilometer lange Wetterscheide. Die Weingärten liegen teilweise fast auf Meeresniveau, ziehen sich aber in Südtirol, im Aostatal und vor allem am sizilianischen Ätna bis auf 1’400 Meter hinauf.
Die 20 Weinbauregionen Italiens von Nord nach Süd
- Trentino-Südtirol (Trentino-Alto Adige) mit der Hauptstadt Trento, rund 15’500 Hektar
- Lombardei (Lombardia) mit der Hauptstadt Milano, rund 22’500 Hektar
- Aostatal (Valle d’Aosta) mit der Hauptstadt Aosta, rund 500 Hektar
- Friaul-Julisch-Venetien (Friuli-Venezia-Giulia) mit der Hauptstadt Trieste, rund 24’000 Hektar
- Piemont (Piemonte) mit der Hauptstadt Torino, rund 48’000 Hektar
- Venetien (Veneto) mit der Hauptstadt Venezia, rund 80’000 Hektar
- Emilia-Romagna (Emilia-Romagna) mit der Hauptstadt Bologna, rund 51’000 Hektar
- Ligurien (Liguria) mit der Hauptstadt Genua, rund 1’500 Hektar
- Toskana (Toscana) mit der Hauptstadt Firenze, rund 57’500 Hektar
- Marken (Marche) mit der Hauptstadt Ancona, rund 17’500 Hektar
- Umbrien (Umbria) mit der Hauptstadt Perugia, rund 13’000 Hektar
- Latium (Latio) mit der Hauptstadt Roma, rund 20’000 Hektar
- Abruzzen (Abruzzo) mit der Hauptstadt L’Aquila, rund 33’000 Hektar
- Molise (Molise) mit der Hauptstadt Campobasso, rund 5’500 Hektar
- Sardinien (Sardegna) mit der Hauptstadt Cagliari, rund 26’500 Hektar
- Kampanien (Campania) mit der Hauptstadt Napoli, rund 24’500 Hektar
- Apulien (Puglia) mit der Hauptstadt Bari, rund 89’000 Hektar
- Basilikata (Basilicata) mit der Hauptstadt Potenza, rund 4’000 Hektar
- Kalabrien (Calabria) mit der Hauptstadt Catanzaro, rund 9’000 Hektar
- Sizilien (Sicilia) mit der Hauptstadt Palermo, rund 101’000 Hektar
Der Norden – von den Alpen bis an den Gardasee
Die nördlichen Regionen Italiens halten traditionell Verbindungen zu den benachbarten Ländern. Es gibt enge Verbindungen; denn weite Teile Norditaliens waren immer wieder besetzt oder gehörten anderen Staaten an. Das ist bei Südtirol ganz offensichtlich, wo sogar noch die Sprache des Nachbarlandes Österreich gesprochen wird. Doch auch Friaul und Julisch gehörten zumindest in Teilen dem Österreich-Ungarischen Kaiserreich an, während beispielsweise das Piemont lange unter französischem Einfluss stand. So haben sich italienische und französische Weinbautradition vermischt, und italienische Rebsorten stehen neben ursprünglich französischen oder auch deutschen bzw. österreichischen. Wie in ganz Italien bestimmen grosse Kontraste diese Weinbauregionen. Während das Aostatal mit 500 Hektar recht klein ist, dort aber trotzdem 4.000 Winzer zu finden sind, gehört Venetien zu den grössten Anbaugebieten mit oft sehr grossen Flächen für einfachsten Pinot grigio, Soave oder Merlot.
Im Aostatal, das am besten vom Schweizer Wallis oder von Chamonix aus zu erreichen ist, wenn man einmal um den Mont Blanc herumfährt, bietet einige der höchsten Weinberge Europas und rund 20 unterschiedliche Rebsorten. Manche von ihnen wie Fumin, Petit Rouge oder Blanc de Valdigne findet man ausschliesslich dort.
Nicht ganz so hoch, aber stark beeinflusst vom Klima der Berge liegt das Anbaugebiet Trentino-Südtirol. Auch wenn man die Regionen offiziell zusammengefasst hat, so sind sie doch sehr unterschiedlich. In Südtirol herrschen ebenso wie im Aostatal die weissen Rebsorten vor und ebenfalls die oft sehr kleinen, durch Erbteilung entstandenen Flächen. Daher gibt es dort viele Genossenschaften, die allerdings zu den besten der Welt zählen.
Während Südtirol bis in die 1990er Jahre den Ruf hatte, vor allem restsüssen billigen Vernatsch bzw. Kalterersee Auslese in Tankwagen nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz zu exportieren, hat sich die Region rasant zu einem Qualitätsweinbaugebiet entwickelt. Neben mittlerweile sehr gutem roten Vernatsch, Lagrein und Pinot nero sind vor allem die weissen Rebsorten en vogue, allen voran Weissburgunder und Sauvignon blanc. Aber auch Traminer und Gewürztraminer, Müller-Thurgau oder Kerner führen kein Schattendasein. Auf dem Weg von Bozen oder Meran Richtung Gardasee fährt man durch das Trentino. Dort gibt es bereits deutlich mehr Rotwein. Merlot ist sehr präsent, aber auch autochthone Sorten wie der Teroldego. Eine grosse Besonderheit der Region ist der Trento DOC, ein Spumante, der nach traditioneller Methode ausgebaut wird.
Exzellente Schaumweine gibt es auch in der Lombardei. Die bekanntesten Weine dieser Region rund um das mondäne Mailand sind der Schaumwein Franciacorta, der mit dem Trento in direkter Konkurrenz steht. Das Anbaugebiet, dessen Weine aus Chardonnay, Pinot noir und Pinot blanc entstehen, liegt auf halbem Weg von Mailand an den Gardasse am Lago d’Iseo. Doch das ist nicht der einzige Spumante der Region. Mit dem Oltrepò Pavese gibt es einen weiteren Schäumer, der traditionell aus der Rebsorte Bonarda entsteht, in modernen Varianten sich aber auch in Cuvées mit Chardonnay, Riesling oder Spätburgunder findet. Der inzwischen populärste Wein der Lombardei ist wohl der Lugana. Dieser Weisswein aus der Trebbiano-Traube entsteht im lombardischen Teil des Gardasees. Dort findet man ausserdem den roten Marzemino, eine besondere Spezialität der Region.
Auf der anderen Seite des Lago di Garda beginnt das Anbaugebiet des Veneto, das nach Sizilien das zweitgrösste des Landes ist. Die fruchtbare Landschaft erstreckt sich vom Gardasee, dem beliebtem Urlaubsgebiet, bis zur berühmten Lagune von Venedig, der Stadt, die der Region ihren Namen gab. Die Weine der Region haben sich mit zu den begehrtesten ganz Italiens entwickelt, allen voran der Prosecco, jener leichte Schaumwein aus der Glera-Traube, den es als Spumante mit zweiter Gärung oder als Frizzante, also als Perlwein gibt. Doch ähnlich populär sind die Rotweine des Valpolicella mit dem kräftigen Amarone, die Weine des Gardasees mit dem roséfarbenen Bardolino Chiaretto oder dem Bianco di Custoza. Auch der Soave, zwischenzeitlich recht unmodern, ist zu Recht wieder im Kommen.
Das oberhalb gelegene Gebiet Friaul-Julisch-Venetien trägt gleichfalls noch die Lagunenstadt im Namen. Hauptstadt ist jedoch Triest. In der Nähe der Hafenstadt, im Collio, ist in den 1970ern der moderne italienische Weisswein entstanden. Heute sind Collio, Friuli Grave, Colli Orientali del Friuli und Carso bekannt für einen frischen, aber auch komplexen Weisswein-Typus. Teilweise entsteht er aus vor langer Zeit zugereisten Sorten wie Sauvignon blanc, Pinot grigio und Chardonnay, oft aber auch aus alten Rebsorten wie Friulano, Ribolla Gialla oder Malvasia. Auch rote autochthone Sorten wie Pignolo, Schiopettino oder Refosco dal Peduncolo Rosso sind wieder im Kommen.
Auf die autochthonen Reben setzten auch ganz klar die Winzer im Piemont und in der Emilia-Romagna. Sie sind die Stars dieser Regionen. Zwar sind im Piemont schon lange der Pinot noir und der Chardonnay beheimatet und erbringen exzellente Ergebnisse, aber was wäre das Piemont ohne den Nebbiolo, der für die grossen Weine Barolo und Barbaresco sorgt? Was wäre die exzellente Küche ohne die Begleitung durch die roten Sorten Barbera d’Alba und Dolcetto d’Alba oder die weissen Roero Arneis und Cortese di Gavi? Hinzu kommen noch weitere lokale Spezialitäten wie Grignolino, Freisa oder Ruché, während der Moscato d’Asti immer wieder für saftig fruchtige Entspannung sorgt. Ja, im Piemont entstehen einige der besten, gefragtesten und auch teuersten Weine Italiens, die sehr zum Ruhm dieses Landes beitragen. Gerade das Piemont zeigt, dass es Rebsorten gibt, die nur dort zu Grossem führen, wo sie entstanden sind; denn keine der piemontesischen Sorten hat es ausserhalb der Region zu Berühmtheit gebracht.
Die Emilia-Romagna ist eine Boom-Region, nicht zuletzt wegen der Hauptstadt Bologna. Dort befindet sich nicht nur die älteste Universität Europas, Bologna ist auch die Schlemmerhauptstadt Italiens. Das berühmte Ragù alla Bolognese ist dort entstanden, auch wurden dort die Tortellini erfunden. Die Emilia-Romagna ist die Region des Parmigiano reggiano, ferner des Parma-Schinkens und des Aceto balsamico.
All diese Köstlichkeiten passen zu einem Wein-Typus besonders gut: Es ist der Lambrusco, vor allem der Lambrusco Sorbara und der Lambrusco Grasparossa. Diese leicht schäumenden roten bis rosafarbenen Weine haben sehr darunter gelitten, dass man sie in den 1970er Jahren in Massen und als restsüsse Varianten exportiert hat. Heute besinnen sich viele Winzer wieder auf die Vinifikation dieses exzellenten Tischweins, den es ganz klassisch von sehr trocken bis süss gibt. In der Romagna dagegen dominiert der Sangiovese. Wahrscheinlich, aber man weiss es nicht genau, ist er irgendwo im Apennin entstanden, dem Gebirge zwischen der Romagna und der Toskana. Jedenfalls hat sich in der Romagna ein eigener Sangiovese-Stil entwickelt, der gerade in den letzten Jahren immer populärer wird.
Auf gleicher Höhe, allerdings an der Mittelmeerküste, liegt Ligurien. Als Weinanbaugebiet ist es international kaum bekannt, obwohl es dort rund 100 unterschiedliche autochthone Rebsorten gibt. Dazu gehören zum Beispiel Albarola, Bianchetta Genovese, Bosco, Lumassina, Pigato oder Scimiscià. Diese Namen hat bislang kaum jemand gehört, der sich nicht schon intensiver mit der Region beschäftigt hat. Und tatsächlich werden die Weine auch vor allem in der Region selbst getrunken. Bekannter als die Rebsorten ist das kleine Fleckchen Cinque Terre. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis in die Toskana. Und auch dort spielt der Sangiovese eine wichtige Rolle.
In der Mitte herrscht der Sangiovese
Die Toskana, Umbrien und Latium, das Gebiet rund um die Hauptstadt Rom, bilden zusammen eine Rebfläche von rund 90’000 Hektar. Diese drei Anbaugebiete sind sicher so etwas wie das Herz des Weinbaulandes Italien. Die Toskana ist dort, wo Italien am italienischsten und schon deshalb immer ein Sehnsuchtsort ist: Renaissance-Städte, Kunstwerke, Hügel, die mit Zypressen, Olivenbäumen und Wein bewachsen sind, alte Landhäuser und ländliche Villen. Die Landschaft rund um Städte wie Florenz, Siena oder Grosseto ist die Heimat berühmter Weine wie des Chianti und Chianti Classico, des Vino Nobile di Montepulciano, des Brunello di Montalcino und des Morellino di Scansano. Dies sind die wichtigsten Appellationen für die berühmteste Rebsorte der Region. Aber es gibt noch andere, zum Beispiel kühlen Vernaccia di San Gimignano oder die modernen Klassiker aus französischen Rebsorten wie Sassicaia oder Ornellaia. Diese als Super-Tuscans bezeichneten Weine haben Italien ab den 1970er Jahren zurück auf die internationale Landkarte gebracht.
So manches grössere Weingut der Toskana hat sich im Laufe der letzten Jahre auch in Umbrien engagiert. Umbrien ist die einzige Weinregion Italiens, die keinen Zugang zum Meer hat. Dafür gibt es beeindruckend schöne Täler, Berge und abgeschiedene ursprüngliche Dörfer. Mit dem weissen Orvieto und dem roten Montefalco hat die Region zwei echte Klassiker zu bieten. Die ausgedehnten Tuff- und Kalkstein-Plateaus sowie ähnliche klimatische Bedingungen wie in der Toskana sorgen für ein sehr gutes Terroir. Das wird für die weissen Sorten Trebbiano Toscano, Grechetto und Malvasia, Drupeggio und Verdello genutzt sowie für den roten Sagrantino und natürlich ebenso für Sangiovese.
Latium ist das traditionelle Anbaugebiet für Rom. Es beliefert die Hauptstadt seit mehr als zwei Jahrtausenden mit Gemüse, Obst und Wein. Der bekannteste Wein im Latio ist der weisse Frascati, von dem man weiss, dass er schon im Mittelalter getrunken wurde. Dazu kommt der Orvieto, der an der Grenze zu Umbrien entsteht, und ausserdem ein Wein mit dem sehr ungewöhnlichen Namen Est!Est!!Est!!! di Montefiascone. Wenn die Legende wahr ist, dann war dieser Wein schon im 12. Jahrhundert der Wein im Latium.
Weit im Westen, an der Küste des Adriatischen Meeres, also eingebettet zwischen Adria, Apennin und den Abruzzen, liegen die Marken. Sie waren lange Zeit abgeschieden, ihre Bewohner waren bettelarm, und viele wanderten ab oder aus. Darunter waren auch die Familien Gallo, Mondavi und Catena, die später in Nord- und Südamerika berühmte Weine erzeugten. Mittlerweile sind die Marken ein Hightech-Zentrum und haben sich neu erfunden. Geblieben aber sind der Verdicchio dei Castelli di Jesi und der Verdicchio di Matelica. Der Verdicchio soll schon dem Westgotenkönig Alarich beim Kampf um Rom zugesagt haben. Der rote Wein der Gegend, der Rosso Cònero, soll schon Hannibal und seine müden Pferde beschwingt haben. Ausser dem Cònero gibt es eine feine Auswahl von in Barriques ausgebautem Sangiovese und zudem Montepulciano; denn die Abruzzen sind nicht mehr weit.
Gehören die Abruzzen noch zu Mittelitalien? Für viele beginnt eigentlich dort bereits das Mezzogiorno, das südliche Italien. Das liegt wohl auch daran, dass die Abruzzen samt ihrem berühmten Berg Gran Sasso lange zum Königreich Sizilien gehörten. Das gilt auch für die kleine Region Molise, die sich direkt südlich an die Abruzzen schmiegt. Die Regionen in den Abruzzen sind bis heute sehr ursprünglich, und doch liegen dort fast 40’000 Hektar Weinberge. Bekannt sind vor allem der Trebbiano d’Abruzzo und der Montepulciano d’Abruzzo. Beide Weine, vor allem aber der rote Montepulciano, haben sich eine treue Fan-Gemeinde erworben; denn die Weine sind bodenständig, fruchtbetont, würzig und günstig.
Aufbruch im Süden
Lange Zeit war der Süden Italiens auch als Weinbauland völlig abgehängt. Tankwagen mit Wein fuhren vom Süden in den Norden, um die dortigen Weine mit reifen, südlich fruchtigen Aromen zu verbessern. Doch nach und nach hat sich das von Region zu Region völlig verändert, und seit den 1980er Jahren hat sich das Bild grundlegend gewandelt. So wurden in Kampanien und in der Basilikata die uralten, teils von den Griechen vor Jahrtausenden eingeführten Rebsorten wiederentdeckt.
Vor den 1980er Jahren kannte kaum jemand Aglianico, Bacca Bianca, Falanghina, Fiano di Avellino, Greco di Tufo oder Coda di Volpe. Es bedurfte einiger Winzer, die den Mut, das Können und auch das Gespür für das richtige Marketing hatten, um Kampanien wieder bekannt zu machen; denn das Land zwischen Neapel und Vesuv, von den Römern campania felix genannt, die fruchtbare Ebene, hatte einst einige der bekanntesten Weine der Antike hervorgebracht. Heute schliessen Winzer wie Dottor Paolo Cotroneo wieder daran an. Auf der Fattoria La Rivolta verbindet er die Liebe zu den autochthonen Sorten mit der zum speziellen Terroir, das er biologisch und nach Delinat-Richtlinien pflegt.
Was für Kampanien Taurasi, Avellino und Irpina sind, ist für die Basilikata der Monte Vulture. Dort wächst der Barolo des Südens. Der Aglianco fühlt sich sehr wohl auf dem Vulkangestein und erbringt tanninstarke und alterungsfähige Rotweine von grosser Komplexität. Kalabrien, im äussersten Südwesten in der Stiefelspitze Italiens gelegen, ist die dritte Region, in welcher der Aglianico eine Rolle spielt. Doch das Land wartet noch auf seine Entdeckung. Bekannter sind die Zitronat- und vor allem die Bergamotte-Zitronen, von deren Öl der Earl-Grey-Tee sein Aroma erhält.
Den wohl beeindruckendsten Aufstieg hat Apulien hinter sich. Rund 90’000 Hektar Weinberge verteilen sich auf das Land, das auch die Kornkammer Italiens ist. Hinzu kommen Olivenbäume, Mandelbäume, Feigen und viele Tomaten wie die bekannten Pomodori di San Marzano. Auf den eisenhaltigen Terra-Rossa-Böden von San Marzano reift auch der Primitivo besonders gut. Diese Sorte hat einen für uns eigentümlichen Namen, der mit Primitivität allerdings nichts zu tun hat. Der Primitivo reift sehr früh, ist primo, die Erste unter vielen weiteren dortigen Rebsorten, zu denen Negroamaro, Malvasia Nera, Bombino oder Uva di Troia gehören. Der Primitivo ist der Star Apuliens. Er wird sowohl trocken als auch mit Restsüsse oder sogar appassimento, also mit angetrockneten Trauben ausgebaut.
Die beiden grossen Mittelmeerinseln Sardinien und Sizilien sind ganz eigene Weinwelten. Sardinien ist stark geprägt von Frankreich und Spanien, weil die Insel von diesen Ländern zwischenzeitlich regiert wurde. Das zeigt sich auch am Rebsortenspiegel, in dem Cannonau (Grenache noir, Garnacha), Carignano (Carignan, Cariñena) und Vermentino (Rolle) vorherrschen, ganz so, wie man es auch in der Provence oder dem Languedoc findet, wobei die Grenache- und Carignan-Reben nach Sardinien wie in den Süden Frankreichs ursprünglich aus Spanien kamen. Eine eigene Rebsorte gibt es allerdings auch auf Sardinien. Es ist die Monica de Sardegna, die sich wieder zunehmender Beliebtheit erfreut – so wie alle Weine der Insel, die unkompliziert sind, geerdet und frisch.
Sizilien hat fast so viel Weinbaufläche wie Deutschland und verfügt über verschiedene völlig unterschiedliche Regionen. Am Ätna ist der Weinbau am extremsten. Immerhin ist der immer noch aktive Vulkan mehr als 3’000 Meter hoch. Bis auf 1’500 Meter findet man Weinbau, der seit Urzeiten auf Terrassen angelegt ist. Die Rotweine aus Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio erleben eine grosse Renaissance. Charakterlich werden sie als Mischung aus Barolo und Burgunder bezeichnet. Das völlige Gegenteil dieser Cool-Climate-Weine ist der Nero d’Avola aus Avola oder Noto, tief im Süden der Insel gelegen. Der Rotwein ist dicht und warm, dunkel und voll. Zusammen mit dem helleren Frappato bildet er den Cerasuolo di Vittoria, den einzigen DOCG-Wein der Insel. Auch im Inselinneren hat sich viel getan. Was jahrzehntelang nur für billigen Marsala oder für Destillate angebaut wurde, hat heute wieder einen eigenen Wert. Vor allem die weissen Weine aus Grillo, Inzolia oder Catarratto sind wieder beliebt. Dazu kommt teils süss und vor allem trocken ausgebauter Moscato, der auf der Insel Zibibbo genannt wird. Als Süsswein reüssiert er vor allem auf der vorgelagerten Insel Pantelleria, wo einige der besten Dessertweine Italiens entstehen.
Die fünf wichtigsten italienischen Rebsorten
- Sangiovese: ca. 72’000 Hektar. Angepflanzt vor allem in der Toskana, in den Marken, den Abruzzen und in der Romagna. Er heisst auch Brunello (di Montalcino), Prugnolo Gentile (Vino Nobile di Montepulciano), Morellino (di Scansano).
- Montepulciano: ca. 35’000 Hektar. Die rote Sorte der Abruzzen. Auch in den Marken und in Molise zu finden.
- Catarratto bianco: ca. 35’000 Hektar. Die wichtigste weisse Rebsorte Siziliens bringt meist einfache Weine hervor, kann bei sorgfältiger Arbeit im Weinberg aber auch interessante Weine von hoher Qualität ergeben. Oft wird sie auch für Wermut, für Marsala und für Destillate verwendet.
- Merlot: ca. 28’000 Hektar. Meist einfache, frische Rotweine aus Norditalien und teils grosse Crus aus der Toskana. Auch auf Sizilien zu finden.
- Trebbiano Toscano: ca. 22’000 Hektar. Die Sorte hat rund 120 unterschiedliche Namen und ist in Frankreich auch als Ugni blanc bekannt. Recht neutral, Anbau seit dem Jahr 2000 fast halbiert.
Fazit
Italien ist als Weinbauland wie Phönix aus der Asche gestiegen. Bis in die 1970er Jahre hinein tauchte kaum ein italienischer Wein auf internationalem Parkett auf. Was man bekam, war Chianti in Bastflaschen, Frascati und Soave in Anderthalbliterflaschen, der Kalterersee hatte damals schon einen Schraubverschluss, und der Lambrusco verursachte Kopfschmerzen. Heute zeigen sich unterschiedlichste Facetten. Es wird viel Massenwein hergestellt, vor allem in der Romagna, in Venetien, Sizilien und Apulien. Und gleichzeitig entstehen in denselben und in allen anderen Regionen hervorragende charakterstarke Weine. Viele davon, Massenweine wie in Handarbeit hergestellte, sind Bioweine. Und gerade da zeigen sich die Unterschiede. Während im Mezzogiorno sehr viel Bio mit EU-Biosiegel für die Masse und in Monokulturenhergestellt wird, was dann im Keller mit verschiedenen legalen Mitteln aufgewertet wird, gibt es gleichzeitig eine starke Bewegung, der die Zukunft gehört, weil sie ganzheitlich denkt und viel mehr Faktoren mit einbezieht – ganz im Sinne der Delinat-Methode.