Gepflanzt und versorgt mit Wasser, Nährstoffen und Sonnenlicht – so gedeiht die Rebe als Pflanze
Die Rebe als Pflanze ist schon seit Jahrtausenden bekannt. Archäologische Funde aus Zentralchina belegen, dass dort bereits vor 9’000 Jahren vergorene Trauben von Wildreben als Zusatz für Getränke genutzt wurden. Vitis ist die lateinische Bezeichnung für die Gattung Weinrebe. Vitis vinifera lautet der Name der allermeisten heute eingesetzten Rebsorten.
Amerikanische Reben als Retter in der Not
Neben Vinifera gibt es jedoch noch weitere Arten der Gattung Vitis. Einige von ihnen haben sich im 19. Jahrhundert als Retter des europäischen Weinbaus erwiesen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Reblaus aus Amerika zunächst nach Frankreich eingeschleppt, wo sie die dort angepflanzten Reben nahezu vollständig zerstörte. Dies geschah durch das «Anzapfen» der Wurzeln, wodurch sich Schwellungen bildeten, die wiederum über den nachfolgenden Pilzbefall zum Absterben der Rebstöcke führten. Amerikanische Vitis-Arten wie Vitis riparia, Vitis rupestris, Vitis cinerea und Vitis berlandieri sind hingegen unempfindlich gegen die Reblaus, weil sie eine Korkschicht über den befallenen Stellen bilden.
Französische Wissenschaftler entdeckten in Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen diesen Zusammenhang. Da die Trauben von amerikanischen Reben jedoch für die Herstellung von Wein geschmacklich ungeeignet sind, entwickelte man das Verfahren der Unterlagsreben. Dafür nimmt man den Wurzelstock einer amerikanischen Rebe (oder mittlerweile daraus gezüchtete Hybriden) und pfropft auf ihn den Trieb einer gewünschten Vinifera-Rebsorte. Diesen Vorgang nennt man auch Veredeln. Auf diese Weise wird die Reblaus an ihrer Ausbreitung gehindert, sie existiert jedoch nach wie vor. Wurzelechte Reben – vor der Reblauskrise der Regelfall – sind deshalb sehr selten geworden, weil sie von der Reblaus befallen werden können. Erhalten haben sich wurzelechte Reben nur in einigen abgelegenen Regionen und Weinbergen oder sofern sie in sandigen Böden stehen, in denen die Reblaus nicht leben kann.
Die Organe der Rebe
Dass ausgerechnet die Wurzel die empfindlichste Stelle der Rebe ist, sollte nicht verwundern; denn über das Wurzelwerk nimmt der Rebstock Wasser und Nährstoffe aus dem Boden auf. Die Wurzeln verankern die Rebe auch im Boden und speichern Kohlenhydrate für das Überleben im Winter. Rebstock und Zweige transportieren Wasser und Nährstoffe in die oberen Bereiche der Rebe. Trauben wachsen übrigens nur an einjährigem Holz, also an denjenigen Trieben, die im letzten Jahr entstanden sind. Aus diesem Grund erfolgt auch der Rebschnitt, weil das überschüssige Holz entfernt werden muss.
Die Blätter dienen sozusagen als Maschinenraum der Rebe. Sie sind verantwortlich für die Photosynthese. Dabei wird die Energie des Sonnenlichts genutzt, um Wasser und CO2 in Glucose und Sauerstoff umzuwandeln. Glucose ist ein Zucker, der für das Wachstum der Rebe sorgt und später die reifen Beeren süss werden lässt.
Wie vermehrt man Rebsorten?
Für alle Rebsorten gelten die gleichen Prinzipien. Da die Anbaubedingungen in den verschiedenen Weinbaugebieten jedoch sehr unterschiedlich sein können, gibt es Rebsorten, die mit mehr oder mit weniger Wasser, mit niedrigeren oder mit höheren Temperatur auskommen und deren Beeren auch geschmacklich deutliche Unterschiede zeigen können. Die Rede ist von den unterschiedlichen Rebsorten, von denen weltweit etwa 10’000 bekannt sind. Ein grosser Teil dieser Rebsorten hat sich im Laufe der Jahrhunderte auf natürliche Weise über Mutationen entwickelt. Einige sind jedoch auch das Ergebnis gezielter Züchtungen. Wie werden aber Reben überhaupt gezüchtet und weiterentwickelt?
Rebzüchtung
Pflanzt man einen Kern ein und zieht daraus eine neue Rebe, nennt man das geschlechtliche Vermehrung. Die neue Rebe ist dabei gleichzeitig eine neue Sorte, weil sich das genetische Material von den Elternpflanzen unterscheidet. Pflanzt man jedoch beispielsweise einen Trieb ein und lässt ihn einwurzeln, handelt es sich um dieselbe Sorte. Dieses Vorgehen nennt man vegetative Vermehrung.
Über die geschlechtliche Vermehrung können auf folgende Weise Sorten neu gezüchtet werden. Die Blüte einer weiblichen Pflanze (Rebsorte 1) wird mit den Pollen einer männlichen Pflanze (Rebsorte 2) bestäubt. Aus der Blüte entwickelt sich eine Beere mit Kernen, und diese Kerne werden eingepflanzt.
Um wirklich stabile Sorten mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten, müssen diese Kreuzungen über einen langen Zeitraum durchgeführt werden. Neuzüchtungen müssen zudem angemeldet und zugelassen werden, sodass es oft erst viele Jahre nach dem ersten Züchtungsvorgang zur ersten grösseren Anpflanzung kommen kann. Die Rebsorte Regent, die der ersten Generation pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (PIWIs) angehört, wurde beispielsweise im Jahr 1967 gezüchtet, aber erst 1995 als Sorte zum Anbau zugelassen. Weitere bekannte neu gezüchtete Rebsorten sind Müller-Thurgau, Kerner oder Solaris. Die meisten Züchtungen erfolgen wegen des grossen Aufwandes in Weinbauinstituten.
Vegetative Vermehrung
Die vegetative Vermehrung findet hingegen primär in Rebschulen statt oder sogar bei den Winzern selbst. Will man nicht nur die Zahl der Rebstöcke vermehren, sondern gezielt bestimmte Eigenschaften verbessern, geschieht dies durch eine Auslese oder Selektion.
Rebstöcke einer Rebsorte, die besonders günstige Eigenschaften zeigen, werden dabei für die Selektion ausgewählt. Die Selektionsmerkmale können dabei je nach Präferenzen durchaus unterschiedlich sein. Mittlerweile geht es hier jedoch primär um Qualität und Robustheit gegenüber Krankheiten. Wenn diese Selektion über einen längeren Zeitraum durchgeführt wird, sodass sich bestimmte Eigenschaften verfestigt haben, spricht man von einem sogenannten Klon. Es ist möglich, eine gesamte Parzelle mit nur einem Klon neu zu bepflanzen. Da Vielfalt das Ökosystem Weinberg jedoch robuster macht, entschliessen sich besonders Biowinzer dafür, eine grössere Anzahl von Klonen zu verwenden.
Biodiversität im Ökosystem Weinberg
Das Ökosystem Weinberg wird in den Delinat-Richtlinien explizit angesprochen. Delinat-Winzer sollen dabei das Prinzip der Monokultur aufbrechen. Biodiversität gilt also nicht nur für die genetische Vielfalt der Reben selbst. Büsche, Bäume und ökologische Ausgleichsflächen lockern die Landschaft auf und bieten Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten. Sie vermindern auch die Ausbreitung endemischer Krankheiten wie die des Echten oder des Falschen Mehltaus, die dadurch sozusagen nicht mehr ungehindert von Rebe zu Rebe springen können.