Der Gemischte Satz – Gegenentwurf zur Standardisierung im Weinbau
Der Gemischte Satz ist die Urform der Rebkultivierung in unseren europäischen Breiten. Es handelt sich dabei nicht nur um eine gemeinsame Anpflanzung unterschiedlicher Rebsorten auf demselben Rebland. Die Trauben dieser unterschiedlichen Rebsorten werden auch gleichzeitig geerntet und zu einem einzigen Wein verarbeitet. Den Begriff «Gemischter Satz» hat sich Österreich übrigens EU-weit schützen lassen. Mischsätze aus Deutschland oder der Schweiz, obgleich sie ebenso hergestellt werden, müssen sich bei der Vermarktung mit Ersatzbegriffen wie «Alter Satz» behelfen.
Warum Gemischter Satz?
In früheren Zeiten war eine gemeinsame Anpflanzung unterschiedlicher Rebsorten vor allem aus Gründen der Ertragssicherheit wichtig. Es gab Rebsorten, die eine wärmere Witterung brauchten, während andere auch mit kühleren Bedingungen zurechtkamen. Manche Rebsorten blühen früh und treiben früh aus, andere spät. Gibt es Spätfrost, können die frühen Sorten darunter leiden. Gibt es keinen, werden sie früher reif als die spät austreibenden Sorten. Kein Jahrgang läuft perfekt für alle Rebsorten in allen Weinbergen. Mit dem Gemischten Satz besassen die Winzer die überlebenswichtige Gewissheit, zumindest jedes Jahr eine Ernte einbringen zu können.
Mit der Einführung des modernen Weinbaus und seinen Kontrollmöglichkeiten gerieten die Gemischten Sätze ins Hintertreffen. Es wurde für die Winzer unattraktiv, Trauben von unterschiedlichen Reifegraden im Weinberg zu haben. Auf diese Weise konnte nie die optimale Reife für eine bestimmte Rebsorte abgewartet werden, sondern es musste bei der Ernte ein guter Durchschnitt für alle Rebsorten gefunden werden. Zudem gediehen beim Gemischten Satz die Rebsorten jedes Jahr auch unterschiedlich mit zum Teil erheblich voneinander abweichenden Erntemengen. Daher schmeckte der fertige Wein auch nie gleich, sondern immer stark nach den jeweils besonders ertragreichen Rebsorten. Es ergab sich also schlichtweg das Gegenteil einer (gewünschten) Standardisierung.
Was diese Mischsätze heute für den Weinbau tun können
Mittlerweile erleben Gemischte Sätze jedoch ein Revival, und das auch insbesondere beim ökologischen Weinbau. Dazu beigetragen hat sicher die Tatsache, dass die noch vorhandenen Gemischten Sätze in oft abgelegenen Weinbergen die ältesten noch intakten Zeugen einer Zeit vor der Reblauskrise sind. Der älteste bekannte deutsche Weinberg dieser Art mit wurzelechten Reben im Mischsatz befindet sich im fränkischen Rimbach und wurde im Jahr 1835 angelegt.
Auch die Überlegung, gemeinsam stark zu sein, lässt sich bei Gemischten Sätzen gut nachvollziehen. Darüber hinaus hat eine Vielfalt unterschiedlicher Sorten im Weinberg auch klare Vorteile, wenn es etwa um Robustheit gegenüber Krankheiten geht. Diverse Kulturen sind im landwirtschaftlichen Bereich weniger anfälliger als Monokulturen.
Die Tatsache, dass ein Wein aus einem Gemischten Satz in jedem Jahr anders schmeckt, kann zwar im Vergleich mit Produkten, die immer auf den gleichen Geschmack setzen, ein Nachteil sein. Andererseits folgt man dem seit Jahrtausenden geltenden, auf Euripides zurückgehenden Grundsatz, dass Veränderung erfreut, und lässt den Wein eine authentische Geschichte seines Jahrgangs erzählen.
Tradition Mischsatz im Dourotal
Sind die Gemischten Sätze im deutschsprachigen Kulturraum eher von historischer Bedeutung, gibt es andere Regionen, in denen diese Tradition bis heute Usus ist. Im portugiesischen Dourotal stammen sowohl die süssen Portweine als auch die trockenen Weine in aller Regel aus solchen Mischsätzen.
Auch in anderen Gebieten, vor allem im mediterranen Bereich, wird die Tradition der Gemischten Sätze gepflegt – wenngleich in geringerem Umfang als früher. Ein Merkmal dafür ist die Verwendung des Wortes complantation, das allerdings in den unterschiedlichen romanischen Sprachen jeweils leicht voneinander abweicht.