Priorat – grosse Weiss- und Rotweine entstehen in dem abgelegenen katalanischen Hinterland
Als Ende der 1980er Jahre ein Gruppe damals noch unbekannter junger Winzerinnen und Winzer wie Álvaro Palacios, René Barbier, Adrian Garsed, Daphne Glorian und Carles Pastrana dem Ruf des katalanischen Biologieprofessors Luis Pérez ins Priorat folgten, war das Gebiet völlig unbekannt. Es lag abseits der üblichen Reiserouten und war so ruhig und schön wie abgeschieden und rückständig. Dass es ideale Bedingungen für grosse Weine bieten würde, war eine Hoffnung, aber keinesfalls gesichert; denn grosse Weine wurden dort schon lange nicht mehr erzeugt – höchstens Dutzendware einiger weniger Genossenschaften. Doch es gab Potenzial in Form von teils mehr als 100 Jahre alten Garnacha- und Cariñena-Reben, die Pérez entdeckt hatte. Was dann folgte, war eine der grossen Erfolgsgeschichten im spanischen Weinbau.
Geschichte
Die Geschichte des Priorats ist vor allem eine der Abtei Priorato de Scala Dei, auf Deutsch Priorat der Himmelsleiter, das 1163 von Kartäusermönchen gegründet wurde. Nach dem Kloster wurde auch die Region benannt. Ein Hirtenjunge wollte damals gesehen haben, dass Engel eine Himmelsleiter herabgestiegen seien, und genau an diesem Platz wurde der Grundstein für eine 700-jährige Klostergeschichte gelegt, in der dem Weinbau eine bedeutende Rolle zukam. Als die letzten Mönche das Kloster verliessen, standen 17’000 Hektar unter Reben, und das Priorat war eines der bedeutendsten Anbaugebiete Spaniens. Doch noch schlimmer als der Weggang der Mönche war der Einfall der Reblaus in die Weingärten. Er vernichtete Ende des 19. Jahrhunderts fast den gesamten Rebenbestand. Nur wenige Hektar wurden später wieder bepflanzt.
Geografie, Klima, Böden und Rebsorten
So war es auch, als die Gruppe junger und ungebundener Weinmacher ins Priorat kam. Sie wirkten auf die alteingesessene Bevölkerung wie Hippies, die sich eine fixe Idee in den Kopf gesetzt hatten. Schnell wurde den jungen Idealisten klar, dass die Terrassen an der Sierra di Montsant mit ihren teils sehr steilen, bis 700 Metern Meereshöhe reichenden Weinbergen grossartige Bedingungen boten; denn es herrschte ein mildes Klima mit trockenen, aber nicht zu trockenen Sommern, und vom nahen Mittelmeer gab es stets Brisen mit Frische und leichter Feuchtigkeit. Der Riu de Siurana, ein Nebenfluss des Ebro, fliesst durch das Gebiet und sorgt zusätzlich für Wasser.
Das Einzigartige aber sind die verschiedenen Formen eines besonders kleinblättrigen dunklen Schieferbodens, der im Katalanischen Llicorella genannt wird. Er sorgt für die besondere Aromatik und auch für die extreme Mineralik und Spannung in den Weinen. Weil die Bedingungen zwar einerseits ideal, andererseits aber auch extrem sind, ist der Ertrag der alten Reben sehr niedrig. Er liegt bei 10 bis 25 hl pro Hektar. Dieser geringe Ertrag und der aufwendige Steillagenweinbau in Costers – den nicht terrassierte Hängen mit alten Rebbeständen – und Terrassen hat die Weine von Beginn an teuer gemacht.
Die Schieferböden sind Grundlage für alte Rebstöcke der Sorten Garnatxa (Garnacha, Grenache noir), Garnacha Peluda (Lledoner Pelut), Cariñena (Mazuelo, Carignan) sowie Garnatxa blanca (Grenache blanc), Macabeu (Macabeo) und Pedro Ximénez. Die Gruppe der jungen Wilden hat Ende der 1980er Jahre ausserdem Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot noir, Syrah, Chenin blanc und Viognier gepflanzt. Diese Sorten waren eine Zeitlang populär, doch besinnen sich die meisten Erzeuger heute wieder auf die alteingesessenen Rebsorten der Region. Der inzwischen neben der Rioja einzige als DOCa klassifizierte Bereich Spaniens, also eine Appellation mit dem höchsten Renommee, unterteilt sich in elf einzelne Bereiche mit eigenen Mikroklimata und unterschiedlichen Bodenvarianten. Die berühmtesten sind Gratallops, Falset, Poboleda, Porrera und Scala Dei. Dazu kommen La Morena de Montsant, La Vilella, Mola Lloá und Torroja.
Die Weine aus dem Priorat
Die Weine der jungen Wilden, die Ende der 1980er Jahre in den Verkauf kamen und Namen wie Clos Mogador, Finca Dofi, Costers del Siurana, Mas Martinet oder Cims de Porrera tragen, wurden schnell berühmt. Es war die Zeit, in welcher der spanische Weinbau modern wurde und konzentrierte Frucht, Extraktion und der Ausbau in geflämmten französischen Barriques populär wurden. So stieg etwa das Anbaugebiet Ribera del Duero auf, so verwandelte sich die Rioja vom traditionell oxidativen Ausbau hin zu modernen Weinen, und das war auch die richtige Zeit für das Priorat. Von Anfang an wurde der ökologische Anbau gross geschrieben. Der bietet sich im Priorat auch an; denn es gibt kaum Pilzdruck, und in den Costers und Terrasses ist Handarbeit erforderlich. Darüber hinaus ist der Priorat in hohem Masse ein in sich geschlossenes Ökosystem, das weitgehend intakt ist.
Die Rebsorten des Priorat
Rote Rebsorten | Weisse Rebsorten |
---|---|
Garnatxa (Garnacha oder Grenache) | Garnatxa blanca (Garnacha blanca, Grenache blanc) |
Garnacha Peluda (Lledoner Pellut) | Macabeu (Macabeo, Viura) |
Cariñena (Mazuelo, Carignan) | Pedro Ximénez |
Cabernet Sauvignon | Chenin blanc |
Merlot | Viognier |
Syrah | |
Pinot Noir |
Fazit
Zunächst kam der Aufstieg des Priorats, dann die Weiterentwicklung. Der Aufstieg erfolgte in der Zeit, als der Geschmack des Weinkritikers Robert Parker in der Weinszene dominierte und der Ausbau schwerer, von Bordeaux stilistisch geprägter Weine en vogue war. Heute ist das anders, und das sieht man auch im Priorat. Die führenden Winzer haben sich längst wieder auf die heimischen Rebsorten fokussiert und entfernen nach und nach Cabernet & Co. aus ihren Weingärten. Ebenso findet man in den Kellern immer mehr grosse Gebinde, Betontanks und Betoneier, statt kleiner Eichenfässer. Es geht den Winzern heute vor allem darum, Frische mit Eleganz zu verbinden. Kraft und Stärke kommen von allein; denn das Priorat ist im Sommer eine der heissesten Gegenden Spaniens.