Grauburgunder, der kraftvolle weisse Pinot
Zusammen mit dem Spätburgunder, dem Weissburgunder und auch dem Frühburgunder bildet der Grauburgunder die Pinot-Familie. Diese Familie unterscheidet sich genetisch nur marginal. Die Rebsorten sind also Spielarten einer Sorte. Entstanden sind sie durch natürliche Mutation im Weinberg. Man geht davon aus, dass aus der dunklen Pinot-noir-Traube der bronzefarbene Pinot gris entstanden ist und aus diesem dann der grüne Pinot blanc. Manchmal findet man die drei Varianten jedoch auch an ein und demselben Rebstock. Der Pinot gris ist eine sehr erfolgreiche Rebsorte, bei der vor allem die einfachen Varianten als Grauburgunder oder Grauer Burgunder in Deutschland angebaut werden und als Pinot grigio in Italien und Kalifornien, während vor allem im Elsass der Pinot gris höchste Weihen erhält, indem er in den besten Cru-Lagen angebaut und trocken, restsüss oder edelsüss ausgebaut wird.
Als Ruländer wurde die Sorte bekannt
Auch wenn der Grauburgunder ursprünglich einem burgundischen Weingarten entsprungen sein mag, so wurde die Sorte eher ausserhalb des Burgund bekannt. Erstmals erwähnt wurde sie 1711 als Ruländer, weil sie von dem Apotheker Johann Seger Ruland in einem verwilderten Weingarten in Speyer entdeckt wurde. Sicher ist die Sorte aber älter. Möglicherweise hat man sie im Norden Frankreichs schon im Mittelalter als Fromenteau bzw. Fourmenteau bezeichnet, wie man es teils heute noch macht. Doch damals hat man auch die Rebsorte Savagnin so bezeichnet, und entsprechend weiss man nicht, welche der beiden Sorten damals gemeint war. Der ebenfalls in Frankreich übliche Name Beurot bzw. Pinot Beurot wurde in der Variante Bureau erstmals 1770 benutzt. Der heute am weitesten verbreitete Name Pinot gris taucht erstmals 1783 an der Côte d’Or auf und ersetzt dort langsam den Namen Auvergnat gris d’Orléans. Lange Zeit wurde die Sorte im Elsass, wo sie in Frankreich am verbreitetsten ist, als Tokay bezeichnet, was aber seit 2007 verboten ist. Weshalb die Elsässer die Sorte mit diesem Namen bezeichnet haben, kann zwei Gründe haben. Der erste ist der, dass die Rebsorte mit Karl IV. 1375 von Frankreich aus nach Ungarn gelangte, von Zisterziensern am Balaton-See kultiviert wurde, um von dort aus 1568 mit Mönchen ins Elsass zu gelangen, wo sie als Tokay in der Domaine Weinbach 1750 erstmals erwähnt wird. Es kann aber auch sein, dass die Elsässer dem früher in ganz Europa berühmten ungarischen Süsswein namens Tokaji aus den Rebsorten Furmint und Hárslevelü Konkurrenz machen wollten – weshalb die Nutzung des Namens von der EU 2007 verboten wurde. Unter den rund 150 Synonymen der Sorte sind in den deutschsprachigen Regionen am bekanntesten Grauburgunder, Grauer Burgunder, Ruländer, Speyerer und Grauer Clevner. In Frankreich wird er geführt als Pinot gris, Auvernat gris, Auxerrois gris, Beurot, Pinot Beurot, Fromenteau (in der Champagne), Malvoisie, Noirien gris und im Elsass noch als Edelklevner. In Italien findet man ihn vor allem im Norden als Pinot grigio und als Rulander grigio, in der Schweiz als Griset und Musler. In Ungarn wird er bis heute als Szürkebarát bezeichnet, als Grauer Mönch, was auf die Zisterzienser hindeutet, auch als Hamvas Szoeloe.
Pinot gris – von pink bis rot
Der Grauburgunder ist recht weit davon entfernt, eine weisse Rebsorte zu sein. Allerdings unterscheidet man heutzutage üblicherweise nur rote und weisse Rebsorten. Tatsächlich ergibt der Grauburgunder graue bis kupferfarbene Weine, wobei die Farbe der Traubenhäute von leuchtendem Pink bis zu einem dem Pinot noir ähnlichem Rot reichen kann – und das manchmal sogar an einer einzelnen Traube. Belässt man den Saft etwas länger auf den Traubenhäuten, lässt man also den Grauburgunder auf der Maische gären, hat man schnell das, was heute als Orangewein bezeichnet wird, oder man könnte auch vermuten, man habe einen Rosé im Glas. Der Grauburgunder ist eine früh austreibende und auch früh reifende genügsame Sorte, die nicht übermässig viel Ertrag bringt, sondern sich vielmehr selbst reguliert. Sie ist anfällig für Echten und Falschen Mehltau wie auch für Botrytis, was sich die Elsässer für ihre edelsüssen Weine zunutze machen. Die Sorte reichert viel Zucker an, verfügt aber über eine eher moderate Säure.
Grauburgunder ist einer der grossen Aufsteiger der letzten Jahre
Die moderate Säure in Verbindung mit dem vollen Körper, der feinen Fruchtigkeit (Äpfel, Honig, Mandeln) und Würze führte zum grossen Erfolg des Grauburgunders, und zwar vor allem im Einstiegspreisbereich. Tatsächlich scheint wohl auch durchaus mit zum Erfolg beigetragen zu haben, dass der Grauburgunder ein recht neutraler und daher massenkompatibler Wein sein kann. Wird ihm jedoch vom Winzer Aufmerksamkeit geschenkt und wird beispielsweise nach Delinat-Methode im Weinberg gearbeitet, dann findet man schon im Gutswein-Bereich sehr schöne Beispiele etwa in Deutschland oder in Norditalien, dort vor allem in Friaul-Julisch Venetien. In diesen beiden Regionen hat sich der Grauburgunder eine immer größere Fläche erobert, die sich seit 1990 fast verdreifacht hat. Im Elsass, wo 90 % des französischen Pinot gris beheimatet sind, gilt die Sorte als würdig, in Grand-Cru-Lagen angebaut zu werden. Der Pinot gris wird sowohl trocken als auch halbtrocken, als restsüsse Auslese (vendange tardive) oder als Sélection de Grains Nobles ausgebaut, also als Beerenauslese mit einem Mindestzuckergehalt von 256 Gramm pro Liter. Einen ähnlichen Status geniesst er im benachbarten Baden und in der Pfalz, wo aus dem Grauen Burgunder trockene Grosse Gewächse entstehen und in seltenen Fälle auch restsüsse Weine, die dann oft noch als Ruländer bezeichnet werden.
Insgesamt wird der Grauburgunder weltweit heute auf rund 50'000 Hektar angebaut – im Jahr 1990 waren es noch knapp 19'000 Hektar.