Delinat-Weinwissen
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Sauvignon blanc, der aromatische Verführer

Schaut man auf den internationalen Rebsorten-Spiegel, so kann man feststellen, dass sich der Anbau der Sorte Sauvignon blanc zwischen 2000 und 2010 nahezu verdoppelt hat und der Sauvignon blanc mit rund 115'000 Hektar nach dem Chardonnay die zweitwichtigste weisse Qualitäts-Rebsorte geworden ist. Was hat ihren Erfolg bedingt? Es dürfte die geradezu unschlagbare Kombination aus Frische, hellen, duftigen und expressiven Aromen, feiner erfrischender Bitterkeit und der Unkompliziertheit sein, mit der die meisten Weine punkten. Selbst die komplexesten Sauvignon blancs – und auch die gibt es – bieten immer grossen Trinkfluss und Trinkspass. Das schaffen nur wenige andere Sorten.

Sauvignon blanc, Fumé blanc oder Muskat-Silvaner?

Je älter die Rebe, desto mehr Namen besitzt sie – so sagt man, auch wenn es nicht immer stimmt. Beim Riesling zum Beispiel ist es anders. Aber der Sauvignon blanc hat tatsächlich rund 100 unterschiedliche Namen, von denen allerdings heute nur noch wenige eine Rolle spielen. Der Name Sauvignon blanc hat sich weltweit durchgesetzt und ist geradezu eine Qualitäts-Marke für einen bestimmten frischen Weinstil geworden. Trotzdem wird er von älteren Winzern in Sancerre und Pouilly-sur-Loire heute gerne noch als Blanc Fumé oder Fumé blanc bezeichnet und in seltenen Fällen auch mit seinem historischen Namen Fiers. Ebenso verfahren manche Winzer in Kalifornien. In Deutschland, Österreich und Slowenien wurde die Sorte lange Zeit als Muskat-Silvaner geführt, wohl deshalb, weil man unzutreffende Elternrebsorten vermutet hat. Dass die Sorte über ein Muskat-Aroma verfügt, ist allerdings auch anderen aufgefallen. So wird sie an der Loire nicht nur als Sauvignon Fumé, sondern manchmal auch als Sauvignon Musqué bezeichnet.

Von der Loire nach Bordeaux – und dann in die ganze Welt

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Sorte Sauvignon blanc im Bordelais entstanden sei. Dort wird sie gegen 1720 in Margaux zum ersten Mal als wichtigste weisse Rebsorte der Region genannt. Viel früher aber erwähnt sie François Rabelais in seinem 1534 erschienenen Roman Gargantua, der heute die wichtigste Quelle zu historischen Sorten der Loire-Region ist. Ende des 18. Jahrhunderts hatten sich in Sancerre und Pouilly die Namen Sauvignon Fumé und Blanc Fumé durchgesetzt – wohl wegen des Feuerstein-Charakters, den die Sorte durch die Quarz-Böden der Region erhält. Als wichtigste Rebsorte zwischen der Touraine und Sancerre hat sich der Sauvignon blanc allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt. Damals begann der Aufstieg des Sauvignon blanc, der in Bordeaux seinerzeit fast ausschliesslich als Cuvée mit Sémillon ausgebaut wurde – so wie es derzeit auch noch in Sauternes, Graves und Pessac-Léognan üblich ist. Bis heute kennt man nur einen Elternteil des Sauvignon blanc, den Savagnin bzw. Traminer. Der andere Elternteil ist unbekannt. Da Savagnin im Bereich Bordeaux kaum vorkam, kann man sich noch sicherer sein, dass der Sauvignon irgendwo zwischen dem Jura und der Loire entstanden ist – genauso wie der Chenin blanc, der ebenfalls Savagnin als Elternteil besitzt. Der Sauvignon blanc ist ein Elternteil des Cabernet Sauvignon. Der andere Elternteil ist der Cabernet Franc.

Historisch gesehen ist der Sauvignon blanc an der Loire und in Bordeaux beheimatet, wird jedoch auch schon lange in diversen Appellationen in der Provence und im Languedoc angebaut. Der internationale Erfolg setzte erst im ausgehenden 20. Jahrhundert mit neuen Stil-Typen aus Marlborough in Neuseeland, Südtirol und der Steiermark ein.

Sauvignon blanc, die Sorte mit den grünen oder exotischen Aromen

Die weisse Sorte ist an Wuchskraft kaum zu überbieten. Setzt man sie auf fette Humusböden, dann bekommt man sie nicht in den Griff. Sie benötigt besondere Unterlagsrebstöcke, die nur wenig Wuchs haben, und ferner karge Böden, die den Wuchs auf natürliche Weise begrenzen. Um den Rest muss sich der Winzer kümmern. Die Sorte reift recht früh und ist sehr anfällig gegen Echten Mehltau und Botrytis. Das hat sie zu einer der beiden wichtigsten Rebsorten in der Bordelaiser Süssweinregion Sauternes und in Barsac gemacht. Auch in Österreich entstehen am Neusiedlersee grosse Süssweine aus Sauvignon blanc. Was die Rebsorte so aussergewöhnlich macht, ist zum einen die frische Säurestruktur und zum anderen der hohe Anteil des Aromastoffs Methoxypyrazin, meist kurz Pyrazin genannt. Diese «grüne» Note findet sich ebenso hoch dosiert in grünen Paprika, in Gras, Brennnesseln, Stachelbeeren oder Erbsen. Manchmal kann der Geruch so penetrant sein, dass er an «Katzenpisse auf einem Stachelbeerstrauch» erinnert. Tatsächlich ist pipi du chat, Katzenpisse oder cat’s pee eine gebräuchliche Umschreibung für dieses Aroma. Typisch sind zudem Cassis, Graprefuit und Limette, Zitronengras und – vor allem in der Marlborough-Stilistik – Maracuja und Guave. Der Sauvignon blanc reagiert aromatisch sehr deutlich auf die Kellerarbeit. Bestimmte Zuchthefen und Enzyme sowie das Wechselspiel von flüchtigen Säuren und Schwefelzugaben während der Gärung können den Charakter sehr stark beeinflussen. Hinzu kommt die Ausbauart im Edelstahl (üblich), in Holz oder Amphoren. Gerade der Ausbau im Holz kann aus dem meist unkomplizierten frischen Wein einen Cru von aussergewöhnlicher Reife und Substanz werden lassen, wenn das Terroir stimmt. So entstehen in Sancerre, Pouilly Fumé, der Steiermark und Südtirol einige alterungswürdige und hervorragende Weine.

Der Global Player mit starken französischen Wurzeln

Viel stärker als der Chardonnay zeigt der Sauvignon blanc, was er für ein Allrounder ist und mit welch unterschiedlichen klimatischen Varianten er zurechtkommt. Während der Chardonnay in warmen Regionen schnell ausdruckslos wird, kann der Sauvignon blanc dort seine Frische bewahren und auf der Aroma-Klaviatur spielen. Das merkt man besonders, wenn man Sauvignon aus dem Languedoc, dem spanischen Rueda oder aus Kalifornien und Südafrika probiert. Dort wird er exotisch und verbindet kühle mit warmen Noten. In Neuseeland hat sich in den 1990er Jahren bei Cloudy Bay ein ganz eigener Stil entwickelt, der zum weltweiten Erfolg der Sorte beigetragen hat. Heute werden aber vor allem auch wieder die kühleren Varianten von der Loire, aus Österreich und teilweise auch aus Deutschland geschätzt. Im Anbaugebiet Entre-deux-Mers in Bordeaux findet man Cuvées, die deutlich vom Sauvignon blanc geprägt sind. Bei einem Grand Cru Classé aus Graves dagegen halten sich Sauvignon blanc und Sémillon meist die Waage. Mit ihrer klaren Stilistik und ihrer einnehmenden Aromatik findet man die Rebsorte inzwischen wohl in jedem Weinbauland der Erde.

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