Biodiversitätswinzer 2023: Roland Lenz rockt den Schweizer Weinbau

Seit zehn Jahren arbeiten Roland Lenz und Delinat zusammen und treiben in der Schweiz den Weinbau der Zukunft voran. Schon früh hat der Ostschweizer Winzer die Bedeutung der Artenvielfalt erkannt. Bereits zweimal ist er zum Schweizer Biowinzer des Jahres gewählt worden. Jetzt hat Delinat ihn zum Biodiversitätswinzer 2023 gekürt. Im Gespräch erklärt er seine Philosophie.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Delinat?
Roland Lenz: Wir waren schon länger mit Weineinkäufer David Rodriguez im Austausch. Nach einem gemeinsamen Treffen mit Delinat-Gründer Karl Schefer kamen wir zum Schluss, dass wir gemeinsam in der Schweiz etwas bewegen wollten. Und weil wir schon ziemlich weit waren in der Umsetzung einzelner Biodiversitätsmassnahmen, nahm das Ganze rasch Fahrt auf.

Roland Lenz im Weinberg
Roland Lenz: «Wir haben schon früh erkannt, dass Monokultur im Rebberg der falsche Weg ist.»

War es schwierig, die strengen Delinat-Richtlinien sofort vollumfänglich umzusetzen?
Wir haben zum Glück schon früh erkannt, dass Monokultur im Weinberg der falsche Weg ist. Schon vor der Zeit mit Delinat hatten wir begonnen, Biodiversitäts-Streifen mit einheimischen Büschen und Bäumen in den Rebbergen anzupflanzen. Wir haben stets Wert darauf gelegt, den Insekten wieder ein grösseres Nahrungsangebot zu bieten. So war es für uns verhältnismässig einfach, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.

Welche Bereiche waren für euch damals neu?
Die konkreten Vorgaben mit Zahlen. Zum Beispiel, dass eine Rebe nicht weiter als 80 Meter von einem Baum entfernt sein sollte. Das sind wissenschaftliche Anhaltspunkte, die sich als nützlich erwiesen haben. So ist es auch sinnvoll, mindestens 40 einheimische Büsche wie etwa Wildrosen pro Hektar zu pflanzen. So lässt sich die intensive Kultur der Rebe ideal mit einheimischer Biodiversität kombinieren.

Hat sich der eingeschlagene Weg als richtig erwiesen?
Ja, denn man musste nur genau beobachten: Dort, wo die Biodiversität über dem Boden höher ist, sind sofort auch mehr Tiere unterwegs. Vögel, Insekten und sogar grössere Wildtiere. Im Rebberg beginnt es zu leben. Auch stellen wir fest, dass es der Hauptpflanze – der Rebe – so besser geht. Und das Leben unter der Erde ist viel aktiver. Je monotoner es über dem Boden zu und her geht, desto monotoner ist auch das Bodenleben. Fruchtbarer Boden entsteht nicht nur durch Düngung mit Mist oder Gülle, sondern vor allem durch Biodiversität. Der Beweis: Unsere Erträge sind heute stabiler, egal, ob es ein trockenes oder ein feuchtes Jahr ist.

Was war die grösste Hürde auf dem Weg zum Delinat-Weingut?
Die Forderung, 12 bis 15 Prozent der nutzbaren Fläche der Natur zu überlassen. Es ist immer so: Einen Winzer schmerzt es ein bisschen, wenn er Reben ausreissen muss, um diese Fläche zu renaturieren. Das war bei uns zuerst nicht anders – bis wir gemerkt haben, dass die Erträge unter dem Strich genau gleich bleiben oder sogar noch steigen.

Du setzt fast vollständig auf neue, robuste Rebsorten. Wie sind die Erfahrungen damit?
Ja, das ist sicher ein wichtiger Punkt. Wir dokumentieren für Delinat sämtliche Pflanzenschutzbehandlungen, und heikel sind dabei vor allem die Kupfer- und Schwefeleinsätze. Mit pilzwiderstandsfähigen Sorten kann man Pflanzenschutzbehandlungen mit Kupfer- und Schwefellösungen stark reduzieren oder sogar ganz weglassen. Die neuen Sorten helfen uns auch, Arbeitsstunden einzusparen und die Bodenbelastung weiter zu senken, weil weniger Durchfahrten nötig sind. Wir haben festgestellt, dass so das Bodenleben noch einmal massiv besser geworden ist.

Was sind aktuelle Projekte, die euch betreffend Biodiversität derzeit beschäftigen?
Derzeit setzen wir uns stark mit Agroforst– und Mischkultur-Systemen im Weinberg auseinander. Betreffend Agroforst haben wir konkrete Projekte am Laufen, aber es braucht lange, um diese zu realisieren. Bis ein Baum eine gewisse Höhe erreicht, dauert es locker zehn Jahre. Ahorn, Linden und Ulmen eignen sich sehr gut, und sie wachsen super in unseren Weingärten. Aber auch Hochstamm- Obstbäume wie Äpfel oder Birnen sind super, oder Aprikosen und Haselnusssträucher. Unsere Parzellen erkennt man schon von Weitem, weil nun überall Bäume über die Reben hinausragen, was ziemlich schön aussieht.

Gibt es auch kurzfristigere, kleinere Projekte, um die Biodiversität im Weinberg zu fördern?
Derzeit arbeiten wir an einem Fledermaus-Projekt: Wir haben 100 Reben ausgerissen und alles so umgebaut, dass die Fledermäuse während der Jagd nach Schädlingen im Weinberg im Flug Wasser schnappen können. Unser Ziel ist es, alle Weingärten schrittweise weiter zu renaturieren und zu eigentlichen Lebensräumen umzugestalten. Wenn man mit der Natur arbeitet und genau beobachtet, erhält man immer wieder neue Impulse.

Biodiversitätswein 2023
Rechtzeitig zum Internationalen Tag der biologischen Vielfalt vom 22. Mai 2023 beliefert uns Biodiversitätswinzer Roland Lenz mit einer Spezialabfüllung. Es handelt sich um eine Weisswein-Cuvée aus den pilzresistenten Sorten Sauvignac, Souvignier Gris und Johanniter. Dieser strohfarben funkelnde Wein verführt in der Nase mit Aromen von tropischen Früchten sowie Anklängen von Mirabelle und Eichenwürze. Am Gaumen präsentiert er sich geschliffen, mit eleganter Balance und Spannkraft, unterlegt mit fruchtig-herbalen Geschmacksnoten und feiner Mineralität. Er widerspiegelt aufs Schönste die grosse Vielfalt in den Weinbergen des Weinguts Lenz und passt zum Apéro genauso wie zu raffinierten Fischgerichten oder zur asiatischen Küche.

Biodiversitätswein 2023

Lenz Biodiversität
Schweizer Landwein 2022
www.delinat.com/5932.22

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Primitivo di Manduria: nachhaltige Klasse statt Masse

Sein Vater hat in den 70er- und 80er-Jahren viele Millionen Liter billigen Offenwein ins Ausland exportiert. Doch diese Zeiten sind vorbei auf dem Delinat-Weingut Felline in Apulien, die Produktionsmengen um das Hundertfache reduziert. Seit Jahrzehnten schon setzt Winzer Gregory Perrucci konsequent auf Qualität und Nachhaltigkeit. Die Reben werden seit Jahren nach den Delinat-Bio-Richtlinien bewirtschaftet, inmitten von Oliven-, Mandel- und Fruchtbäumen. Zwischen den Rebzeilen wachsen wilde Kräuter und im Frühling blüht eine reiche Blumenvielfalt.

Mit finanzieller Unterstützung von Delinat wurde jetzt eine grosse Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Weinkellers installiert. Die süditalienische Sonne scheint oft und produziert so eine Menge Energie. Begeistert erzählt Gregory Perrucci von dieser erfolgreichen Investition, die neue Photovoltaik-Anlage kam gerade rechtzeitig: Auch in Süditalien sind die Energiepreise in den letzten Monaten enorm gestiegen. Da nun ein Grossteil des benötigten Stromes auf dem eigenen Dach produziert wird, kann das Delinat-Weingut hohe Kosten sparen und schont gleichzeitig die Umwelt.

Weniger Trockenstress dank Agroforst

Nach dem nassen Jahrgang 2021 war der Sommer 2022 das komplette Gegenteil: Die andauernde Trockenheit und flächendeckende Dürren stellten den Weinbau in ganz Europa vor grosse Herausforderungen. Das Beispiel des Ostschweizer Delinat-Winzers Roland Lenz zeigt, wie Agroforst bei Trockenheit wirkt.

Bäume und Sträucher auf dem Weingut Lenz.

Roland und Karin Lenz haben bereits vor Jahren begonnen, ihre Weinberge mit dem Pflanzen von Bäumen und Hecken im Sinne von Agroforst auf trockene Perioden vorzubereiten. «Nebst einer reichen Begrünung haben die gepflanzten Bäume und Hecken entscheidend mitgeholfen, den Wasserhaushalt in meinen Weingärten zu verbessern», sagt Roland Lenz. Insbesondere die Bäume seien bei Trockenheit in der Lage, tief im Boden an Wasser heranzukommen und es auch den Reben verfügbar zu machen.

Qualität und Quantität

Dies hat sich im trockenen Sommer 2022 ausgezahlt: Im Herbst waren seine robusten PIWI-Reben noch kerngesund und zeigten keine Anzeichen von Trockenstress. Auch die Begrünung zwischen den Rebzeilen präsentierte sich noch saftig grün. So konnte er eine erfreuliche Menge an qualitativ einwandfreien Trauben ernten, denn auch der Krankheitsdruck war aufgrund des trockenen Wetters nicht sehr gross. Andere Schweizer Weingüter waren da weniger gut gerüstet. Dort, wo das Wasserrückhaltevermögen des Bodens geringer und die Niederschläge noch kleiner waren, hatten die Reben ihr Wachstum und den Reifeprozess der Trauben eingestellt. Wenn die Reben über mehrere Wochen hinweg zu wenig Wasser haben, reifen die Trauben nicht optimal. Sie bilden zwar noch Zucker, aber die Phenole und die Säure können nicht bei der Reifung mithalten. Dies führte da und dort zu grösseren Ertrags- und teilweise auch zu Qualitätseinbussen.

Agroforst wird laufend ausgebaut

Bezüglich des Pflanzens von Bäumen ist Roland Lenz noch nicht am Ende angelangt: Derzeit macht er Versuche, die in Richtung Mischkultur gehen. Der Winzer aus Iselisberg hat in die Rebzeilen Haselnusssträucher gepflanzt. Aber auch Fruchtbäume wie Pfirsiche, Mandeln oder Maulbeeren erachtet er als geeignete Ergänzungen in seinen Weingärten. «Wichtig ist, dass Bäume gepflanzt werden, die nicht zu massig sind und sich gut mit den Reben vertragen.» Dass sein zukunftsweisendes Anbausystem (noch) nicht ganz gesetzeskonform ist, nimmt er in Kauf. Leider hinkt die Schweizer Gesetzgebung einem fortschrittlichen Weinbau noch immer hinterher, denn streng genommen dürfen gemäss Rebbau-Kataster im Weinberg nur Reben und nichts anderes gepflanzt werden. Roland Lenz hat den zuständigen Bundesrat Guy Parmelin und das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf diese Problematik hingewiesen. Bleibt zu hoffen, dass die veraltete Gesetzgebung bald korrigiert wird.

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Wo bleibt die Sortenvielfalt im Rebberg?

Unter den tausenden von Rebsorten nehmen rund ein Dutzend die Hälfte der weltweiten Rebfläche ein. Diese geringe Vielfalt ist problematisch, zumal es sich um wenig robuste, krankheitsanfällige Sorten handelt. Eine gute Alternative für mehr Sortenvielfalt bieten neue, robuste Sorten, die sich selbst gegen Krankheiten und Wetterextreme zu wehren wissen.

Rund ein Dutzend Rebsorten nehmen die Hälfte der weltweiten Rebfläche ein.

Wie viele verschiedene Rebsorten es weltweit gibt, weiss niemand genau. Die Schätzungen von Wissenschaftlern liegen zwischen 5000 und 10’000 Sorten. Tatsache aber ist: Es werden immer öfter dieselben Rebsorten angebaut und die Vielfalt schwindet. Mittlerweile nehmen nur gerade zwölf Sorten 50 Prozent der weltweiten Weinbaufläche ein. Oben auf dem Podest: die Rotweinsorten Cabernet Sauvignon, Merlot und Tempranillo. Diese Reduzierung der Rebsorten-Diversität bewirkt nicht nur eine Abnahme der Geschmacksvarianten, sie hat auch Folgen für den Weinbau, denn Reben werden heute fast ausschliesslich geklont, wodurch die genetische Vielfalt zunehmend verloren geht. Bedenklich ist diese Entwicklung auch vor dem Hintergrund, dass Reben meist für eine Lebensdauer von mindestens 20 bis 30 Jahren gepflanzt werden. Da stellt sich nämlich die Frage: Kann die geringe Sortenvielfalt den durch den Klimawandel verursachten Veränderungen und dem steigenden gesellschaftlichen Druck für eine pestizidfreie Landwirtschaft längerfristig noch standhalten? Da es sich bei den verbreiteten Sorten um Reben handelt, die wenig resistent gegen Pilzkrankheiten und Wetterextreme sind, liegt die Antwort auf der Hand.

Das Potenzial robuster Neuzüchtungen

Es ist deshalb ein Gebot der Stunde, im Rebberg nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Sortenvielfalt zu fördern. Denn: Je höher die Vielfalt, desto resilienter das Ökosystem. Nur so sind die Winzer künftig in klimatisch schwierigen Jahren vor Totalausfällen geschützt. Einiges an Potenzial zur Problemlösung bieten neu gezüchtete, robuste PIWI-Rebsorten. Diese pilzwiderstandsfähigen Sorten sind zwar nicht deutlich hitzeresistenter als «normale» europäische Reben, aber sie können anderen Klimaextremen wie Frost oder Nässe deutlich besser trotzen. Das ist vor allem für nördliche Lagen wertvoll. Klimabedingt wandert der Weinbau bekanntlich immer mehr nordwärts. Robuste Sorten dürften hier künftig eine Schlüsselrolle spielen. Aber auch in warmen südlichen Regionen können PIWI-Reben noch deutlich an Relevanz gewinnen: Ein gutes Beispiel ist das aktuelle Forschungsprojekt auf dem Delinat-Weingut Albet i Noya. Dort kreuzen Winzer Josep Maria Albet i Noya und der Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner robuste Rebsorten mit regionaltypischen Traubensorten wie Macabeo oder Parellada. Das Resultat sind Trauben, die resistent gegen Mehltau sind und geschmacklich gleichwohl an die autochthonen Ursprungssorten erinnern.

Langer Züchtungsprozess lohnt sich

Valentin Blattner und Josep Maria Albet i Noya setzen gemeinsam ein ambitiöses PIWI-Projekt um.
Valentin Blattner und Josep Maria Albet i Noya setzen gemeinsam ein ambitiöses PIWI-Projekt um.

Der Züchtungsprozess von der Kreuzung autochthoner Sorten mit resistenter Genetik dauert zwar mehrere Jahre. Das Ergebnis ist jedoch die Mühe wert, weil somit Sorten gezüchtet werden, die optimal an die lokalen Verhältnisse angepasst sind und sich gegen externe Einflüsse wehren können. Und es ist gut möglich, dass in ein paar Jahren auch speziell hitzebeständige Sorten gezüchtet werden können, die in den südlichsten Weinbauregionen weiterhin gut gedeihen. Eine möglichst breit aufgestellte Genetik der Reben, die für eine höhere Resilienz sorgt, ist letztlich das Ziel einer reichen Diversität.

Aktuelle Videos zum Thema Rebenzucht finden Sie auf unserem Video-Blog: www.weinbau-der-zukunft.com

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Rückblick auf 2022: Streifzug durch die Delinat-Weinberge

Auch im Jahr 2022 hat Delinat mit den Winzern wieder intensiv am Weinbau der Zukunft gearbeitet. Als Videoblogger durfte ich hautnah dabei sein. Dieser kurze Film zum Jahresende bietet einen Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten unseres Teams und unserer Winzer. Viel Vergnügen!

Gleich zum Frühlingsbeginn erwartete uns ein intensives Programm: Nebst Besuchen von verschiedenen Weingütern in Spanien fand ein Delinat-Winzerseminar bei Albet i Noya im Penedès  statt. Die Themen der Weiterbildung waren robuste Rebsorten und regenerative Landwirtschaft. Inputs und Workshops lieferte der katalanische Agrarökologe Francesc Font. Direkt anschliessend gab es in Bordeaux für die französischen Delinat-Winzer ein Seminar zum Thema Agroforst. Benoît Vinet vom Weingut Emile Grelier zeigte die vielen Vorteilen von Bäumen zwischen den Reben auf. 

Im Mai wartete nebst Winzerbesuchen in Italien ein weiteres Highlight: Die jährliche Weiterbildungsreise unserer Kundenberater. Dieses Jahr ging es nach Deutschland, wo wir zuerst die Korkindustrie in Trier besichtigten. Die vielen Schritte, die ein Naturkorken durchläuft, bis er auf die Flasche eines Delinat-Weins kommt, versetzte unser Berater-Team ins Staunen. Nicht fehlen durften auch die Besuche bei unseren deutschen Winzern: Von den vielfältigen Weinbergen bei Timo Dienhart an der Mosel ging es weiter zur Familie Zimmer vom Weingut Hirschhof in Rheinhessen. Abgeschlossen wurde die Beraterreise beim Winzer Alex Pflüger in der Pfalz.

Die Ernte nach dem trockenen Sommer 2022 war in vielen Regionen eine Herausforderung und führte teils zu Ertragsverlusten. Delinat-Winzer Roland Lenz aus dem Thurgau war jedoch sehr zufrieden und blickte im Herbst auf eine erfolgreiche Ernte mit bester Traubenqualität zurück. Auch beim Delinat-Weingut San Giovanni in den Marken herrschte eine heitere Stimmung während der Ernte und es wurden Trauben von hervorragender Qualität geerntet. Wir sind gespannt, was unsere Winzerinnen und Winzer beim Jahrgang 2022 wieder in die Flaschen zaubern!

Eine kleine Auswahl der besten Videos des letzten Jahres auf «Weinbau der Zukunft»: 

Roland Lenz: Kein Trockenstress dank Agroforst und Begrünung

William Savian: Die Vision vom klimaneutralen Weingut

Alex Pflüger: Vielfalt statt Monokultur

Timo Dienhart: Guter Wein braucht lebendigen Boden

Albet i Noya: Trockensteinmauern als Teil des Ökosystems

Château Duvivier: Mit Permakultur gegen den Klimawandel

Château Couronneau: Ökologische Vorreiter bei Bordeaux

Die Dürre ist ein leiser Killer

Der Hitzesommer 2022 stellte viele Winzer in ganz Europa vor grosse Herausforderungen. Einmal mehr zeigte sich: Delinat-Winzer sind häufig etwas besser gewappnet – die reiche Biodiversität, ein lebendiger Boden mit hohem Humusanteil und tief wurzelnde Reben helfen, das wenige Wasser im Boden zu halten und das Allerschlimmste zu verhindern.

Nach dem aussergewöhnlich nassen Jahrgang 2021 war der Sommer 2022 das genaue Gegenteil: In grossen Teilen Europas war es aussergewöhnlich trocken und zuweilen auch sehr heiss. Grossflächige Brände, ausgetrocknete Gewässer und Dürren waren die Folge. Dies stellt die Landwirtschaft vor riesige Herausforderungen. Die Winzer in Europa litten unter der extremen Trockenheit und mussten Ernteausfälle wegen der Hitze und Trockenheit hinnehmen. Wie erlebten Delinat-Winzer den Hitzesommer 2022?

Südliches Klima in Deutschland

Hirschhof-Winzer Tobias Zimmer traf im Hitzesommer 2022 auf Verhältnisse, wie sie sonst nur im tiefen Süden anzutreffen sind.
Hirschhof-Winzer Tobias Zimmer traf im Hitzesommer 2022 auf Verhältnisse, wie sie sonst nur im tiefen Süden anzutreffen sind.

«Bei uns in Rheinhessen hat es in diesem Jahr bereits im Winter und im Frühjahr deutlich weniger Niederschläge gegeben als sonst», sagt Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof. Ab Juni gab es praktisch keine nennenswerten Regenmengen mehr. «Über den ganzen Sommer hinweg herrschten beständige Temperaturen zwischen 26 und 37 °C», so der Delinat-Winzer. Die Reben, speziell die jüngeren Anlagen, seien über den Sommer hinweg sehr kleinwüchsig gewesen. Die Trauben blieben bis Ende August ebenfalls klein und nur mässig mit Saft gefüllt. Man habe auch schon früh vertrocknende Blätter in der Traubenzone gesehen. Tobias Zimmer hat die Junganlagen so gut es ging bewässert, doch für komplette Bewässerungsmassnahmen ist das Weingut Hirschhof nicht eingerichtet. Was erfreulich ist: Die Qualität der Trauben verspreche trotz allem einen tollen Jahrgang. Laut Tobias Zimmer sollte die Klimaveränderungen bereits bei der Rebenzüchtung vermehrt berücksichtigt werden: «Die Sommer werden wahrscheinlich in Zukunft ähnlich trocken und heiss ausfallen, und dafür sollten tolerante Sorten gezüchtet werden.»

Sehr ausgeprägt war die Dürre auch an der Mosel, wo Timo Dienhart seine Reben bewirtschaftet. «Ich fühlte mich diesen Sommer wie ein spanischer Winzer», sagt Timo. Das sei für die Mosel nicht normal und habe dazu geführt, dass ganze Waldabschnitte förmlich vertrockneten. «Die Dürre ist ein leiser Killer», so der Delinat-Winzer. Man habe langsam mit ansehen müssen, wie auch die Reben immer stärker um ihr Überleben kämpften. In solchen Zeiten zahlt sich eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung aus: Der humusreiche Untergrund seiner Rebberge konnte Wasser speichern und in extremen Trockenphasen an die Rebstöcke abgeben. Trotzdem musste Timo Dienhart vor allem junge Pflanzen zum Teil bewässern, ansonsten hätte stellenweise ein Totalausfall gedroht. Der positive Aspekt eines solch trockenen Sommers ist der verminderte Krankheitsdruck auf die Reben: «Pilzkrankheiten waren bei mir 2022 kein Thema.» Den Erntezeitpunkt schätzte Timo Dienhart auf rund zwei Wochen früher als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre. Wenn man 40 bis 50 Jahre zurückblicke, habe man dieses Jahr sogar rund einen Monat früher geerntet als damals.

Prekäre Lage in Spanien

Josep Maria Albet i Noya rechnet mit Ertragseinbussen von rund 20 Prozent.
Josep Maria Albet i Noya rechnet mit Ertragseinbussen von rund 20 Prozent.

Auch in Spanien war die Lage angespannt, die Trockenheit aussergewöhnlich. Josep Maria Albet i Noya aus dem Penedès berichtet, dass es von Januar bis Ende August gerade einmal 180 Liter Niederschlag gab. Die grossen Retentionsbecken auf dem Weingut waren praktisch leer. Die Trockenheit trieb ausserdem die Wildtiere auf der Suche nach Wasser in die Weinberge. Eine Parzelle mit Trauben, die bereits eine gute Reife erreicht hatten, sei von den Wildschweinen kahl gefressen worden. In anderen Parzellen wurden lediglich die reifsten Trauben weggefressen. Josep Maria und sein Team versuchten das Problem zu mildern, indem sie den Tieren in ihrem Revier Tränken aufstellten, damit sie nicht in die Weinberge ausweichen. In Spanien war vor Erntebeginn im August allgemein von Ertragseinbussen von rund 20 Prozent die Rede.

Die grosse Ausnahme in Spanien war dieses Jahr das Weingut Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia. Winzer Carlos Laso kriegte im ersten Quartal so viel Regen (rund 550 Liter) wie sonst über das ganze Jahr. Zudem zahlten sich seine neu gebauten Rückhaltebecken gerade bei Starkregen aus. Er konnte viel Wasser für den Sommer speichern. «Der kleine Bach, der in ein Sammelbecken mündet, führte im August immer noch etwas Wasser», freut sich Carlos. Denn es war auch bei ihm ein heisser Sommer: Seit Mitte Juni verzeichnete er immer wieder Temperaturen um die 35 bis vereinzelt fast 40 Grad.

Die Permakultur-Massnahmen und Rückhaltebecken auf dem Weingut Pago Casa Gran machten sich dieses Jahr bezahlt.
Die Permakultur-Massnahmen und Rückhaltebecken auf dem Weingut Pago Casa Gran machten sich dieses Jahr bezahlt.

Vor dem Verdursten gerettet

Auch auf dem Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier in der Provence war es monatelang aussergewöhnlich trocken. Dies bekamen selbst die neuen, robusten Rebsorten zu spüren. Speziell auch die jüngeren Pflanzen mussten sporadisch mit einigen Litern Wasser vor dem Verdursten gerettet werden. Glücklicherweise gab es schliesslich Ende August rund 40 Millimeter Regen, was schlimmere Schäden verhinderte. Trotzdem reiften wegen der Dürre die Trauben sehr heterogen, das heisst, während einige Beeren bereits reif waren, zeigten sich andere Beeren an derselben Traube noch fast grün. Dies sorgte für eine schwierige Ernte und Ertragseinbussen.

Dramatische Lage in Norditalien

Der über 650 Kilometer lange Po, war dieses Jahr praktisch ausgetrocknet.
Der über 650 Kilometer lange Po, war dieses Jahr praktisch ausgetrocknet.

Italiens Norden registrierte die schlimmste Trockenperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 70 Jahren. Die wichtigste Lebensader, der über 650 Kilometer lange Po, war praktisch ausgetrocknet, in fünf Regionen wurde der Wassernotstand ausgerufen. Diese Extremsituation bekam auch Winzerin Cecilia Zucca vom Weingut Poggio Ridente im Piemont zu spüren. Bei bestimmten Rebsorten musste sie Ertragsausfälle von rund 30 Prozent hinnehmen. «Unsere wichtigste Rebsorte, die Barbera, hat stark gelitten. Der Nebbiolo scheint die Trockenheit etwas besser verdaut zu haben», sagt Cecilia. Und weiter: «Nach diesem Sommer sollte allen klar sein, dass wir Wasser, das im Winter vom Himmel fällt, sorgfältig speichern müssen, um es den Reben bei Trockenheit zugänglich zu machen.»

Nordschweiz kam glimpflich davon

Roland Lenz wurde vor grösseren Ertragsausfällen durch Trockenstress verschont.
Roland Lenz wurde vor grösseren Ertragsausfällen durch Trockenstress verschont.

Etwas erfreulicher ist der Sommer 2022 beim Schweizer Delinat-Winzer Roland Lenz verlaufen: Bei ihm im Kanton Thurgau hat es zum Sommerbeginn noch ein paar Mal geregnet, und auch im August haben noch einmal einzelne Gewitter für Niederschläge gesorgt. Vor grösserem Ertragsausfall durch Trockenstress wurde er somit verschont. Unterstützend wirkten dabei sicher auch seine vitalen Böden, die durch den hohen Humusgehalt das Wasser wie ein Schwamm speichern konnten. Dazu kommt die Begrünung, die sich auch im August immer noch saftig grün präsentierte. Die Begrünung hat Roland Lenz gewalzt. Die so entstandene Mulchschicht hielt den Boden auch an sehr heissen Tagen kühl und feucht.

Video-Reise zu Öko-Pionieren

Video-Blogger Olivier Geissbühler besuchte Delinat-Vorzeigeweingüter

In der WeinLese Nummer 61 haben wir im Februar 2021 die Vision vom ökologisch perfekten Weingut skizziert. Reiche Biodiversität, lebendige Böden, robuste Rebsorten und grüne Energie sind zentrale Elemente. Unser Video-Blogger Olivier Geissbühler hat jetzt mit seiner Kamera sechs Delinat-Winzer besucht, die in einzelnen Bereichen bereits nahe am perfekten Weingut sind. In den Video-Interviews erzählen die Winzer, in welchen Bereichen sie die Nase vorn haben.

Reiche Biodiversität

Trockensteinmauer auf dem Weingut Albet i Noya im Penedès

Josep Maria Albet i Noya, Penedès, Spanien
«Biodiversität bedeutet biologische Vielfalt. Es ist unser Ziel, möglichst viele verschiedene Pflanzen und Kleinlebewesen in unseren Rebbergen zu haben, um so einen natürlichen Kreislauf aufzubauen, bei dem Nützlinge Schädlinge in Schach halten. Das funktioniert schon ganz gut. Ein wichtiges Element sind die über acht Kilometer Trockensteinmauern, welche die Terrassen unserer Steillagen stützen. Sie bieten ein Habitat für vielerlei Lebewesen, die wir nicht alle kennen. Wir haben schon bis zu 60 Zentimeter lange Echsen beobachtet. Zwischen den Steinen hausen sogar kleine Frösche, die nachts zu singen beginnen.»

Lebendige Böden

Timo Dienhart setzt auf eine artenreiche Begrünung und lebendige Böden

Timo Dienhart, Mosel, Deutschland
«Wir legen grössten Wert auf natürliche Vielfalt und funktionierende Kreisläufe. Grundlage dafür ist ein lebendiger Boden. Wir säen gezielt unsere standortgerechte, artenreiche Begrünung mit 20 verschiedenen Komponenten, darunter zahlreiche Leguminosen. So erhalten und steigern wir den Humusaufbau, die Bodenfruchtbarkeit und schützen unsere Steillagen vor Erosion. Es entsteht ein lebendiger, blühender Teppich, der vielen Insekten und Vögeln Heimat bietet. Biodynamische Präparate und unser wertvoller Trester-Rebholz-Kompost helfen mit, die Bodenorganismen mit Futter zu versorgen, sodass diese ständig aktiv sind und ihrerseits die Reben mit Energie versorgen können.»

Biologische Hotspots

Ein Lebensturm dient in den Weinbergen des Weinguts Pflüger als Hotspot für Insekten und Vögel

Alexander Pflüger, Pfalz, Deutschland
«Leider ist auch bei uns in der Pfalz die biologische Vielfalt im Weinbau generell verarmt und einer Monokultur gewichen. Die Schaffung von biologischen Hotspots trägt dazu bei, die Artenvielfalt zu fördern und unsere Weinberge zu einem funktionierenden Ökosystem zu entwickeln. Einer unserer auffälligsten Bio-Hotspots ist der vier Meter hohe Lebensturms am Dürkheimer Herrenberg. Der Aufbau aus den verschiedensten Materialien wie Reisig, Hölzern, Steinen sowie das Anbringen von Nistkästen lockt Wildbienen, Wespen und unsere heimischen Singvögel an. Die Vitalität und die Balance dieses Systems spiegeln sich auch in unseren Weinen wider.»

Permakultur

Permakultur: Wasserretentionsbecken auf Château Duvivier

Erik Bergmann, Provence, Frankreich
«Auf Château Duvivier haben wir uns intensiv mit Lösungen für einen zukunftsgerichteten Weinbau in Zeiten des Klimawandels auseinandergesetzt. Wetterextreme wie Hitze, Trockenheit, Starkregen, Sturmwinde und Überschwemmungen stellen uns vor grosse Herausforderungen. Um diese zu meistern, bietet die Permakultur gute Ansätze. Dadurch können Ökosysteme gestärkt und die Bodenfruchtbarkeit erhöht werden. Durch das Anlegen von Teichen und Sickergruben konnten wir erreichen, dass Regenwasser nicht ungenutzt abgeschwemmt, sondern gesammelt und den Reben in Trockenperioden zugänglich gemacht wird.»

Grüne Energie

Solaranlage auf dem Dach der Azienda Le Contrade

William Savian, Veneto, Italien
«Unsere Azienda Le Contrade ist klimaneutral. Mittels Solaranlage erzeugen wir weit mehr Strom, als wir brauchen. Wir produzieren zwar noch nicht alle Energie selbst, denn für die Erzeugung von Dampf für die Sterilisation der Abfüllanlage sowie für den Traktor sind wir nach wie vor auf fossile Brennstoffe angewiesen. Diese kompensieren wir aber mit unserer überschüssigen Solarenergie. So gesehen sind wir energieautark. Aber klar: Unser Ziel ist es, nur noch erneuerbare Energien zu nutzen. Wir haben auch bereits einen Versuch mit einem Elektrotraktor gemacht. Allerdings fehlt den heutigen Modellen noch die Marktreife.»

Robuste Sorten

PIWI auf dem Vormasch: Auf dem Weingut Lenz setzt man auf robuste Rebsorten

Roland Lenz, Thurgau, Schweiz
«Eine zukunftsorientierte Bioweinproduktion ist in unserem Klima nachhaltig nur mit pilzresistenten Traubensorten (PIWI) zu realisieren. Weil wir zu dieser Einsicht gekommen sind, setzen wir seit einiger Zeit vollständig auf robuste Sorten, die nicht oder nur minimal gespritzt werden müssen. Wir haben damit nur gute Erfahrungen gemacht. Es braucht viel weniger Hilfsstoffe und Traktorfahrten, was den Boden schont und auch zu weniger Abfall durch Fäulnis führt. Zudem finden unsere Weine aus den neuen, noch wenig bekannten Sorten grossen Anklang.»

Starke Rebsorten, gesunder Boden und Agroforst

Damit sich die Winzer regelmässig austauschen und weiterbilden können, organisiert Delinat Seminare zu aktuellen und drängenden Themen. Regenerative Landwirtschaft, Permakultur und Agroforst waren nebst den neuen, robusten Traubensorten die Schwerpunkte bei den diesjährigen Seminaren in Spanien und Frankreich.

Die spanischen Delinat-Winzer trafen sich dieses Jahr auf der Bodega Albet i Noya im Penedès. Hier läuft in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner seit einigen Jahren ein für den biologischen Weinbau wegweisendes Projekt. Es werden neue pilzwiderstandsfähige Traubensorten (PIWI) gezüchtet, die den ökologischen und klimatischen Herausforderungen der Zukunft ohne oder mit nur geringem Einsatz von biologischen Pflanzenschutzmitteln (Kupfer- und Schwefellösungen) trotzen und einzigartige Weine hervorbringen.

Bald akzeptiert?

Josep Maria Albet i Noya führte die spanischen Delinat-Winzer durch
seinen Betrieb.
Josep Maria Albet i Noya führte die spanischen Delinat-Winzer durch seinen Betrieb.

Josep Maria Albet i Noya, spanischer Biopionier und langjähriger Delinat-Winzer, erklärte den Winzerkollegen die Fortschritte des Projekts und dessen Potenzial für die Zukunft. Bei einer Verkostung von entsprechenden Weinen konnten sich alle von den geschmacklichen Qualitäten dieser Tropfen überzeugen. Die Degustation der neuen Weine sorgte regelrecht für Begeisterung: Der eine oder andere Winzer, der zuvor vielleicht noch eine kritische Haltung (vor allem gegenüber roten PIWI-Weinen) hatte, dürfte nach der Degustation von Albet i Noyas neuem Wein «Aventurer» seine Meinung etwas geändert haben. Und auch politisch dürfte das Thema in Spanien dank diesem Forschungsprojekt nun Fahrt aufnehmen: Josep Maria Albet i Noya ist optimistisch, dass diese neuen Sorten bald auch offiziell für den grossflächigen Anbau erlaubt werden.

Gesunder Boden – das höchste Gut

Am zweiten Tag führte Josep Maria die Delinat-Winzer durch den Betrieb und durch die Weinberge. Besichtigt wurde auch der grosse Sortengarten, wo der Winzer und Valentin Blattner die vielversprechendsten Neuzüchtungen auswählen. Der Nachmittag stand dann im Zeichen der regenerativen Landwirtschaft und der Permakultur. Francesc Font ist ein Spezialist auf diesen Gebieten. Er besitzt selbst einen Landwirtschaftsbetrieb in Katalonien, wo er unter anderem auch Weinbau betreibt. Anhand unzähliger Fakten erklärte er die Relevanz des Humusaufbaus und eines gesunden Bodens für die kommenden Generationen. Bei Bodenanalysen in den Weinbergen von Albet i Noya wurde deutlich, dass es selbst in Delinat-Weinbergen noch reichlich Potenzial bezüglich Begrünung, Humusaufbau und Bodenqualität gibt.

Bodenanalyse bei Albet i Noya: Anhand der Pflanzen im Weinberg lässt sich viel über die Bodenbeschaffenheit herausfinden.
Bodenanalyse bei Albet i Noya: Anhand der Pflanzen im Weinberg lässt sich viel über die Bodenbeschaffenheit herausfinden.

Am letzten Tag des dreitägigen Seminars stand der Besuch des Landwirtschaftsbetriebs von Francesc Font in der Nähe von Girona auf dem Programm. Nebst Trauben wachsen dort unter anderem auch Olivenbäume in einer Intensivkultur. Francesc zeigte, wie er dort innert weniger Jahre mit einer Erhöhung der organischen Substanz und Mikroorganismen den Humusgehalt des Bodens von rund 1 auf über 4 Prozent steigern konnte, was eine eindrückliche Verbesserung der Bodenqualität bedeutet. Weitere Themen waren Begrünungen, Konkurrenz von Wasser und Nährstoffen zwischen Reben und anderen Pflanzen, CO2-Einsparungen, Maschinen für eine bodenschonende Bearbeitung und das Mulchen sowie der Beweis, dass sich regenerative Landwirtschaft auch finanziell lohnt. Obwohl sich einige Delinat-Winzer zuweilen kritisch zu den Methoden von Francesc Font äusserten, fiel das Feedback am Ende durchwegs positiv aus. Und was allen Teilnehmern klar wurde: Die regenative Landwirtschaft bietet auf sämtlichen Betrieben noch ein riesiges Potenzial für die Zukunft, weil der Boden durch diese Massnahmen auch für die kommenden Generationen fruchtbar bleibt.

Waldweingarten in Frankreich

Nur wenige Tage später startete das Delinat-Winzerseminar in Frankreich. Schauplatz war die Domaine Emile Grelier in Lapouyade etwas ausserhalb von Bordeaux, wo Winzer Benoit Vinet die französischen Delinat-Winzer begrüsste. Auf rund acht Hektaren hat der Agroforst-Pionier zwischen seinen Merlot-Reben rund 1000 Bäume gepflanzt. Direkt daneben liegt ein Wald und zwischen den Weinbergen gedeihen Hecken und verschiedenste Biodiversitätsflächen. Die Vielfalt auf diesem kleinen, aber feinen Weingut sorgte selbst bei den Delinat- Winzern für Verblüffung und zeigte auf eindrückliche Weise, wie gut sich Bäume und Hecken mit einem ökologischen Weinbau ergänzen.

Auf der Domaine Emile Grelier in Lapouyade lernten die französischen Delinat-Winzer mehr über Agroforst im Weinbau.
Auf der Domaine Emile Grelier in Lapouyade lernten die französischen Delinat-Winzer mehr über Agroforst im Weinbau.

Am nächsten Tag war der französische Winzer, Autor und Permakultur-Spezialist Alain Malard zu Gast: Er erklärte den Delinat-Winzern die wichtige Rolle der Bäume in den Weinbergen, mögliche Konkurrenz für die Reben, Einfluss auf den Boden und die Funktion der Mykorrhiza, einer Lebensgemeinschaft von Bodenpilzen, die mit Pflanzenwurzeln in einer Symbiose leben. Der Pilz besiedelt das Feinwurzelsystem der Pflanze, versorgt die Pflanze mit Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff und macht Wasser leichter verfügbar, was gesündere und stärkere Pflanzen hervorbringt. Zudem gewährte Alain Malard einen Einblick in seine vielfältigen Permakultur- Projekte, die er bereits erfolgreich in Frankreich realisiert hat.

PIWI – auch Frankreich bewegt sich

Am letzten Tag stand ein Referat von Olivier Zekri auf dem Programm. Er ist Entwicklungs- und Innovationsmanager bei Frankreichs grösster Rebschule Mercier und massgeblich an der aktuellen Forschung zu pilzwiderstandsfähigen Rebsorten in Frankreich beteiligt. Dazu arbeitet Mercier auch eng mit Valentin Blattner zusammen. Im Referat wurde deutlich, welchen riesigen Stellenwert diese neuen Sorten im europäischen Weinbau in Zukunft haben werden und wie viel Geld Mercier bereits für diese Forschung investiert. Die Präsentation der beiden Studentinnen Ines und Maude, die bei einem Forschungsprojekt auf der Domaine Emile Grelier mithelfen, zeigte, welche Relevanz Fledermäuse bei der Schädlingsbekämpfung haben. Zum Abschluss des Seminars sprach der französische PIWI-Pionier Gabriel Cuisset über seine Erfahrungen mit resistenten Rebsorten in Bezug auf rechtliche Hürden, Kosten und Produktion. Auch in Frankreich fiel das Feedback zum Seminar positiv aus: Sowohl bezüglich Agroforst und Permakultur-Massnahmen wie auch bei robusten Rebsorten sind die Delinat-Winzer motiviert, den ökologischen Weinbau weiter voranzutreiben.

«Wir wollen weg vom Kupfer»

Das Bordeaux-Weingut Château Couronneau war schon beim biologischen Weinbau Pionier. In diese Rolle schlüpft man nun in Frankreich auch beim Anbau von neuen, pilzresistenten Rebsorten. Wir sprachen mit Grégoire Piat darüber, wie es dazu kam und welche Hürden es zu nehmen gilt.

Wann seid ihr bei Château Couronneau zum ersten Mal mit robusten Rebsorten in Berührung gekommen?
Grégoire Piat: Mein Vater wurde bereits in den 2000er-Jahren auf resistente Rebsorten aufmerksam. Zu dieser Zeit wurden die PIWIs in Frankreich jedoch aus regulatorischen Gründen noch sehr vernachlässigt. Im Jahr 2012 entdeckte mein Vater dann die ersten Veröffentlichungen von resistenten französischen Sorten. Er nahm an einigen Verkostungen teil und probierte unter anderem Cabernet Cortis, Cabernet Jura, Pinotin, Muscaris, Souvignier Gris, Monarch und viele andere.

Und dann hat er begonnen, solche robusten Sorten zu pflanzen?
Einige wenige Sorten hatten damals seine Aufmerksamkeit erregt, aber die ersten Annäherungen an die staatlichen Stellen liessen erkennen, dass die administrativen Schritte sehr schwerfällig waren. Die Profile der leichteren Weine, die aus diesen Rebsorten gewonnen wurden, standen im Gegensatz zu denen aus dem Bordelais. Diese Faktoren führten dazu, dass wir den Termin für die ersten Anpflanzungen bei uns damals noch verschoben. Jetzt haben wir das Thema auf Anregung von Delinat wieder aufgegriffen.

Grégoire Piat von Château Couronneau
Mit Grégoire Piat ist die neue Generation auf Château Couronneau aktiv. Zusammen mit Vater Christophe sucht er nach Lösungen, um auf biologische Spritzmittel zu verzichten. Neue, pilzresistente Rebsorten stehen im Vordergrund.

Warum sind robuste Rebsorten auch im Bordeaux ein wichtiges Thema?
Aus mehreren Gründen. Der erste ist, dass wir seit 30 Jahren versuchen, von Kupfer unabhängig zu werden. Wir wollen weg vom Kupfer; trotz aller Versuche gelang uns das bislang nicht. Die einzige Lösung, auf kupferbasierte biologische Pflanzenschutzmittel zu verzichten, ist momentan die Anpflanzung resistenter Rebsorten. Man muss nun den ersten Schritt machen, um gewisse Dinge in Bewegung zu bringen.

«Seit 30 Jahren versuchen wir,
von Kupfer unabhängig zu werden.»

Grégoire Piat

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Anpflanzung resistenter Rebsorten in Frankreich?
Die neuen Rebsorten werden von den Appellationen leider nicht anerkannt. Die Toleranz liegt bei fünf Prozent resistenter Rebsorten, die für einen AOP-Wein verwendet werden dürfen. Auf Couronneau dürften wir demnach bloss 15 Are anpflanzen, es sei denn, wir erzeugen einen spezifischen Wein ausserhalb der Appellation. Das werden wir auch tun.

Und die administrativen Hürden?
Bevor die Rebschule Mercier den Weinbauern Hilfe anbot, war es ein enormer Aufwand, ein Dossier für die Anpflanzung resistenter Rebsorten zu erstellen. Ich selbst habe vor zwei Jahren versucht, einen Antrag für die neuen Rebsorten 3184-1-9 N und 3160-11-3 N zu stellen. Die Rebsorten befanden sich in einer vorläufigen Klassifizierung, und ich fuhr wochenlang die Ellenbogen aus, um mit der Person in Kontakt zu kommen, die für die Entwicklung des Antrags zuständig war, bis sich schliesslich herausstellte, dass diese beiden Sorten fallengelassen werden.

Ihr habt den katalanischen Delinat-Winzer Josep Maria Albet i Noya besucht, um einige neue Rebsorten zu probieren. Kannst du uns etwas von euren Erfahrungen dort erzählen?
Diese Erfahrung war für uns eine Offenbarung. Zunächst haben wir dank der Arbeit auf dem Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier neue Hoffnung für resistente Rebsorten geschöpft. Das Treffen mit Valentin Blattner und die Entdeckung seiner Arbeit bei Albet i Noya haben uns endgültig überzeugt. Dies ist ein echter Durchbruch für die Welt des Weinbaus. Jahrelange akribische Arbeit hat zu resistenten Rebsorten ohne Behandlungen sowie zu Weinen mit sehr interessanten Profilen geführt.

Sauvignac
Dank resistenten Rebsorten wie z.B. Sauvignac kann der Verbrauch von Kupfer enorm gesenkt werden.

Habt ihr auf Couronneau bereits resistente Rebsorten gepflanzt?
Wir haben 6000 Sauvignac-Setzlinge bestellt, eine resistente Neuzüchtung von Valentin Blattner. Diese können aber erst 2024 gepflanzt werden. Auf unserem zweiten Weingut im französischen Baskenland hingegen setzen wir dieses Jahr auf gut zwei Hektar Sauvignac-Reben. Das ist ein ganz besonderes Projekt. Dieser neue Weinberg liegt mitten in den Bergen in einer wunderschönen Umgebung. Der Krankheitsdruck ist jedoch sehr hoch, und wir haben entschieden, das gesamte Weingut mit resistenten Rebsorten zu bepflanzen.

Ab wann gibt es von Château Couronneau Wein aus robusten Rebsorten?
Die ersten Weine mit den neuen Sorten möchten wir im Jahr 2024 produzieren.


Robuste Rebsorten
Nach jahrzehntelangem Nischendasein bricht nun das Zeitalter der robusten Rebsorten an. In unserem Videoblog www.weinbau-der-zukunft.com erfahren Sie alles über diese neuen Rebsorten: Von der langjährigen Züchtung, über die Vinifikation bis hin zu Best-Practice-Beispielen von innovativen Winzern.

WeinLese-Angebot: Probierpaket Château Couronneau

Aus den von Hand gelesenen Trauben erzeugen Christophe und Grégoire Piat authentische Bordeaux-Weine, die an internationalen Wettbewerben immer wieder ausgezeichnet werden. Nur wenige Châteaus schaffen es, im klimatisch schwierigen Bordelais Weine im Einklang mit der Natur zu erzeugen, die mit einem vergleichbaren Preis-Genuss-Verhältnis brillieren. Wir bieten Ihnen ein Probierpaket mit zwei Weinen an, die bereits über eine gute Trinkreife verfügen, aber auch noch einige Jahre gelagert werden können.

-> Zum Probierpaket

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Wassermassen gebändigt

Drei Jahre nach den grossen Permakultur-Erdarbeiten auf Château Duvivier gab es im Oktober 2021 den ersten Härtetest. Ohne die Wasserretentions-Massnahmen wäre es vermutlich zu grossen Schäden gekommen.

Um die aktuellen Herausforderungen des Klimawandels mit langen Trockenperioden und sturzflutartigen Starkregen bewältigen zu können, wurde 2018 auf dem Delinat-Modellweingut Château Duvivier in der Provence ein Grossprojekt zur Wasserretention umgesetzt. Nicht nur sollen damit Überschwemmungen und Erosion, sondern vor allem auch das Wegfliessen des kostbaren Regens vermieden werden. Abgeschlossen wurden die Erdarbeiten mit dem Pflanzen von hunderten von Bäumen und Büschen, die der Biodiversität noch einmal einen Schub verliehen haben. Auch der Humusaufbau wurde dadurch gefördert – ein weiterer Schritt in Richtung regenerativer Landwirtschaft.

Wasserretentionsbecken auf dem Delinat-Weingut Château Duvivier

Nach dem Konzept der beiden österreichischen Permakultur-Spezialisten Josef Andreas Holzer und Jens Kalkhof wurden Seen, Teiche, Kanäle und Gräben angelegt, die verhindern, dass bei starken Niederschlägen das Regenwasser einfach abfliesst, sondern aufgefangen wird. Nach und nach kann das Wasser so im Boden versickern, den Grundwasserspiegel erhöhen und trotz kleiner Jahresmengen stabil halten. Auch in langen Trockenperioden finden die tiefen Wurzeln der Reben so genügend Feuchtigkeit.

Katastrophe verhindert

Der Herbst 2021 wurde für das neue Konzept zu einem ersten Härtetest. Nach zwei trockenen Jahren kam es Anfang Oktober auf Château Duvivier zu einem Starkregen. Innerhalb von 24 Stunden fielen 200 mm Regen, die Hälfte davon in nur einer Stunde – eine ausserordentliche Menge! Das führte in der Umgebung zu Überschwemmungen und Erosionsschäden auf den Feldern. Auf Château Duvivier hingegen konnte der grösste Teil der Wassermassen auf den Versickerungsflächen, den Kanälen, Teichen und im See zurückgehalten werden. Weil der Boden kaum bearbeitet und die Begrünung nur gewalzt statt geschnitten wird, war er durch trockene Wurzeln stabilisiert. Selbst diese Sturzflut konnte im Boden versickern und hat nur auf einigen Wegen kleine Erosionsfurchen hinterlassen. Die neuen Konzepte im Kampf gegen die zunehmenden Folgen des Klimawandels haben sich bestens bewährt.

Weil wegen der Corona-Pandemie schon das zweite Jahr kein wirtschaftlicher Ferienbetrieb möglich war, wurden die Delinat-Winzer aus ganz Europa auf Château Duvivier eingeladen, um ein paar Tage auszuspannen und sich von den Konzepten der Permakultur, des Agroforsts und der regenerativen Landwirtschaft zu überzeugen. Davon haben etwa zwanzig Winzer Gebrauch gemacht, und sie alle waren begeistert vom Fortschritt seit ihrem letzten Besuch. Voller Ideen und mit viel Mut und Motivation sind sie abgereist, und wir sind gespannt, wie sie die Anregungen zu Hause nutzen werden.

Ab März 2022 sollen für Delinat-Kunden wieder Ferienwochen auf Château Duvivier angeboten werden. Alle Informationen dazu unter: www.chateau-duvivier.com

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