Wo bleibt die Sortenvielfalt im Rebberg?

Unter den tausenden von Rebsorten nehmen rund ein Dutzend die Hälfte der weltweiten Rebfläche ein. Diese geringe Vielfalt ist problematisch, zumal es sich um wenig robuste, krankheitsanfällige Sorten handelt. Eine gute Alternative für mehr Sortenvielfalt bieten neue, robuste Sorten, die sich selbst gegen Krankheiten und Wetterextreme zu wehren wissen.

Rund ein Dutzend Rebsorten nehmen die Hälfte der weltweiten Rebfläche ein.

Wie viele verschiedene Rebsorten es weltweit gibt, weiss niemand genau. Die Schätzungen von Wissenschaftlern liegen zwischen 5000 und 10’000 Sorten. Tatsache aber ist: Es werden immer öfter dieselben Rebsorten angebaut und die Vielfalt schwindet. Mittlerweile nehmen nur gerade zwölf Sorten 50 Prozent der weltweiten Weinbaufläche ein. Oben auf dem Podest: die Rotweinsorten Cabernet Sauvignon, Merlot und Tempranillo. Diese Reduzierung der Rebsorten-Diversität bewirkt nicht nur eine Abnahme der Geschmacksvarianten, sie hat auch Folgen für den Weinbau, denn Reben werden heute fast ausschliesslich geklont, wodurch die genetische Vielfalt zunehmend verloren geht. Bedenklich ist diese Entwicklung auch vor dem Hintergrund, dass Reben meist für eine Lebensdauer von mindestens 20 bis 30 Jahren gepflanzt werden. Da stellt sich nämlich die Frage: Kann die geringe Sortenvielfalt den durch den Klimawandel verursachten Veränderungen und dem steigenden gesellschaftlichen Druck für eine pestizidfreie Landwirtschaft längerfristig noch standhalten? Da es sich bei den verbreiteten Sorten um Reben handelt, die wenig resistent gegen Pilzkrankheiten und Wetterextreme sind, liegt die Antwort auf der Hand.

Das Potenzial robuster Neuzüchtungen

Es ist deshalb ein Gebot der Stunde, im Rebberg nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Sortenvielfalt zu fördern. Denn: Je höher die Vielfalt, desto resilienter das Ökosystem. Nur so sind die Winzer künftig in klimatisch schwierigen Jahren vor Totalausfällen geschützt. Einiges an Potenzial zur Problemlösung bieten neu gezüchtete, robuste PIWI-Rebsorten. Diese pilzwiderstandsfähigen Sorten sind zwar nicht deutlich hitzeresistenter als «normale» europäische Reben, aber sie können anderen Klimaextremen wie Frost oder Nässe deutlich besser trotzen. Das ist vor allem für nördliche Lagen wertvoll. Klimabedingt wandert der Weinbau bekanntlich immer mehr nordwärts. Robuste Sorten dürften hier künftig eine Schlüsselrolle spielen. Aber auch in warmen südlichen Regionen können PIWI-Reben noch deutlich an Relevanz gewinnen: Ein gutes Beispiel ist das aktuelle Forschungsprojekt auf dem Delinat-Weingut Albet i Noya. Dort kreuzen Winzer Josep Maria Albet i Noya und der Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner robuste Rebsorten mit regionaltypischen Traubensorten wie Macabeo oder Parellada. Das Resultat sind Trauben, die resistent gegen Mehltau sind und geschmacklich gleichwohl an die autochthonen Ursprungssorten erinnern.

Langer Züchtungsprozess lohnt sich

Valentin Blattner und Josep Maria Albet i Noya setzen gemeinsam ein ambitiöses PIWI-Projekt um.
Valentin Blattner und Josep Maria Albet i Noya setzen gemeinsam ein ambitiöses PIWI-Projekt um.

Der Züchtungsprozess von der Kreuzung autochthoner Sorten mit resistenter Genetik dauert zwar mehrere Jahre. Das Ergebnis ist jedoch die Mühe wert, weil somit Sorten gezüchtet werden, die optimal an die lokalen Verhältnisse angepasst sind und sich gegen externe Einflüsse wehren können. Und es ist gut möglich, dass in ein paar Jahren auch speziell hitzebeständige Sorten gezüchtet werden können, die in den südlichsten Weinbauregionen weiterhin gut gedeihen. Eine möglichst breit aufgestellte Genetik der Reben, die für eine höhere Resilienz sorgt, ist letztlich das Ziel einer reichen Diversität.

Aktuelle Videos zum Thema Rebenzucht finden Sie auf unserem Video-Blog: www.weinbau-der-zukunft.com

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Olivier Geissbühler
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