Im Schatten der berühmten Rioja begehrt die Nachbarregion Navarra mit Weinvielfalt und erstaunlicher Qualität auf. Zu den fortschrittlichsten Bodegas gehören die beiden Delinat-Weingüter Quaderna Via am spanischen Jakobsweg und Azul y Garanza am Rande der Halbwüste Bardenas Reales.
Es ist Mitte Mai. Das Team um Raúl und Jorge Ripa von den Bodegas y Viñedos Quaderna Via in Igúzquiza versprüht gute Stimmung. «Die ersten Pilger sind bereits unterwegs. Das ist ein gutes Zeichen», sagt Raúl, der Winzer. Alles, was das tägliche Leben des Weinguts erfordert, geht durch seine Hände. Rastlos und dynamisch, tausende Ideen fliessen ihm durch den Kopf, und er hört nicht auf, Neues zu organisieren und zu erschaffen. Ein neu erstellter, moderner Degustationsraum bietet einen offenen Blick auf die Reben. Seit über zwanzig Jahren werden diese auf Quaderna Via biologisch bewirtschaftet. Seit 2007 ist der Betrieb Delinat-zertifiziert.
Agriturismo auf Spanisch
Die Neuausrichtung zum gastfreundlichen Top-Biobetrieb in der Navarra ist kein Zufall. «Wir sprechen heute auch viele Kunden an, die als Pilger auf dem beliebten Jakobsweg nach Santiago de Compostela unterwegs sind», erklärt Raúl Ripa. Zum Konzept, den Leuten Weine schmackhaft zu machen, die in perfekter Harmonie mit der Natur entstehen, gehört auch die neu eröffnete Weinbar Parranda im Zentrum der Stadt Estella. Die Bar liegt direkt am Pilgerweg in einem tausendjährigen Haus mit imposanter Fassade und mächtiger Eichentüre. Raúl Ripa: «Wir haben hier diese kleine, elegante Weinbar für Leute eingerichtet, die Lust auf ein Glas Wein und Tapas oder Pinchos haben.» Auf den drei Stockwerken über der Bar wurde eine geschmackvolle Ferienwohnung für bis zu acht Personen eingerichtet. Die offizielle Pilgerherberge liegt nur etwa 100 Meter entfernt. «Aber es gibt viele Pilger, die zwischendurch eine Abwechslung zu den Massenunterkünften suchen», sagt Raúl. Ebenfalls in der Nähe der Bodega bieten die Gebrüder in der Casa del Cura, einem ehemaligen Pfarrhaus in unverbauter Landschaft, das sie von ihren Grosseltern übernommen haben, eine sanft renovierte Ferienwohnung zur Wochenmiete an.
Feminines Feingespür
Auch wenn die Gebrüder Ripa gerade beträchtliche Summen in Angebote des in Spanien noch wenig ausgeprägten Agriturismo investiert haben, schlägt ihr Herz weiterhin in erster Linie für einen ökologischen Weinbau, der qualitativ hochwertige Weine hervorbringt. Bei der Weinbereitung spielt das feine Gespür der langjährigen Önologin Yolanda Martínez eine zentrale Rolle. Davon zeugt der aus Tempranillo und Merlot gekelterte Alltagswein El Paseo genauso wie die aus denselben Sorten gekelterte und im Barrique ausgebaute filigrane Valdega Reserva. Die Parzelle La Balsa, von der ein gleichnamiger Rotwein stammt, wurde kürzlich komplett neu bestockt. Zum Zug kam vorwiegend Tinta Fina, die begehrte Tempranillo-Varietät aus dem Ribera del Duero. Der neu angelegte, zehn Hektar grosse Weinberg ist gleichzeitig zum Forschungsfeld geworden. Die Universität von Navarra will hier herausfinden, welchen Einfluss die verschiedenen Veredelungstechniken auf Holzkrankheiten haben.
«Wir investieren weiterhin auch gerne in neue Rebberge und verfolgen mit grossem Interesse die Entwicklung auf dem Gebiet der resistenten Sorten, obwohl diese in Spanien noch in den Kinderschuhen steckt», sagt Raúl Ripa. Die neuste Errungenschaft sind 17 Hektar mit 30- bis 40-jährigen Reben der Sorten Garnacha, Tempranillo und Mazuelo, die man im gut 20 Kilometer entfernten Lerin einem pensionierten Weinbauern abkaufen konnte. Sofort wurde der neue Rebberg bei der Biozertifizierungsstelle angemeldet und befindet sich jetzt in Umstellung. Bio alleine genügt Raúl aber auch hier nicht. Zu sehr ist er von den Delinat-Richtlinien überzeugt. Derzeit liegt Quaderna Via bei den Delinat-Qualitätsstufen auf 2-Schnecken-Niveau. Raúl Ripa und seine Önologin Yolanda Martínez sind aber gewillt, auf die höchste Stufe mit 3 Schnecken aufzusteigen.
Blühende Halbwüste
Diese Stufe haben María Barrena und Daniel Sánchez auf ihrer Bodega Azul y Garanza in Carcastillo am Rande des Nationalparks Bardenas Reales bereits erklommen. In dieser Halbwüste sind keine Pilger unterwegs, dafür zunehmend Biker, die durch die bizarr-wilde Felslandschaft touren. María und Dani haben sich hier nach ihrem gemeinsamen Önologiestudium in Tarragona einen Traum erfüllt. Um die Jahrtausendwende haben sie die Bodega von Marías Vater und die alte, bereits 1980 geschlossene Kellerei der Genossenschaft Carcastillo übernommen. Sie nannten ihr Weingut fortan Azul y Garanza. Der ungewöhnliche Name bedeutet «Blau und Karminrot» und steht für die intensive Farbe ihrer Rotweine. «Als wir 2005 mit Delinat in Kontakt kamen, teilten wir sofort diesen Geist von einem geschlossenen ökologischen Kreislauf mit reicher biologischer Vielfalt», blickt María zurück. Winzerkollegen im eigenen Land hatten damals für diese «utopischen Traumtänzer» bloss ein müdes Lächeln übrig.
Mit Kreativität und Ausdauer haben es María und Dani allen gezeigt. Ihre Weingärten in einer steppenartigen Landschaft überraschen mit erstaunlicher Biodiversität. Diese führt dazu, dass sich im Rebberg und an den Trauben viele Wildhefen bilden, die für eine harmonische Spontangärung genutzt werden. Auch von den kargen Lehm- und Kalksteinböden, dem trockenen Klima und den grossen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht in den Bardenas Reales profitieren die Weine: Die Erträge sind zwar extrem gering, aber was in die Flasche kommt, ist dicht und konzentriert und zeigt in der Aromatik sowohl subtile blumige als auch feine mineralische Noten. Kurz: vinologische Kunstwerke zwischen üppiger Intensität und leichter Eleganz. So entstehen fruchtig-elegante Tropfen wie der aus Tempranillo und Merlot gekelterte Tres de Azul y Garanza oder der wuchtige, reinsortig aus Cabernet Sauvignon erzeugte Spitzenwein Desierto, dessen Name sich auf die wüstenähnliche Umgebung bezieht.
Amphoren statt Barriques
Ähnlich wie auf der 70 Kilometer entfernt gelegenen Bodegas Quaderna Via stehen die Zeichen auch bei Azul y Garanza auf Weiterentwicklung, wenn auch in etwas bescheidenerem Rahmen. Neues Prunkstück der Bodega ist ein Erweiterungsbau mit unterirdischem Keller, einem geräumigen, stilvollen Verkostungsraum mit Garten und Terrasse und drei Gästezimmern. Auf dem Dach liefert eine Photovoltaikanlage ein Drittel der benötigten Energie. Im Keller verabschieden sich María und Dani allmählich vom Ausbau im klassischen Barrique. Neben drei neuen grossen Holzfässern haben auch fünf Tonamphoren den Platz von kleinen Holzfässern eingenommen. Draussen auf den kargen, kalkhaltigen Lehmböden wurden fünf Hektar neu mit Buschreben (Gobelet) bestockt. Zum Zuge kamen regionstypische Sorten wie Garnacha Blanca, Moscatell, Malvasia, Garnacha Tinta, Mazuelo und Graciano. Zusätzlich wurde ein halbes Dutzend alter Sorten gepflanzt, die man wiederentdeckt hat, deren Namen aber niemand mehr kennt. Daraus entstand ein Projekt mit dem Forschungszentrum für Weinbau in Olite (EVENA).
Ein Hauch Frankreich in Spanien
Das Weingebiet DO Navarra liegt im zentralen Norden Spaniens. Es grenzt an die heute viel bekanntere Rioja. Das war nicht immer so: In der Zeit des unabhängigen Königreichs Navarra (824 bis 1841) waren Navarra-Weine in den Adelskreisen der Alten und der Neuen Welt hoch geschätzt. Diese Zeiten haben den Süden Frankreichs und auch den Norden Spaniens geprägt – kulturell und auch, was den Weinbau betrifft. Seit dem 11. Jahrhundert führt zudem der Jakobsweg, der Camino de Santiago, durch Navarra und seine Hauptstadt Pamplona, was einen weiteren intensiven Austausch bedeutete. Die Pilger haben nicht nur Weinwissen, sondern auch neue Rebsorten mitgebracht. Navarra gilt heute als das französischste der spanischen Anbaugebiete. Neben Weinen aus den einheimischen Sorten Garnacha und Tempranillo gibt es viele Cuvées mit französischen Sorten.
Die Rebfläche von gut 10’000 Hektar unterteilt sich in fünf Subregionen mit eigenständigem Charakter. Im Norden, in der Tierra Estella und in Valdizarbre, entstehen in Höhenlagen am Jakobsweg elegante Weine. In der zentralen Ribera Alta dominiert die Sorte Tempranillo. Die Baja Montaña im Osten gilt als Hochburg der alten Garnacha-Anpflanzungen, während in der Ribera Baja im Süden vor allem körperreiche Rotweine erzeugt werden. Während im Norden ein feuchtkühles Atlantikklima mit bis zu 700 Millimeter Regen pro Jahr vorherrscht, ist es im Süden merklich wärmer und trockener. Unterschiedlich sind auch die Bodenverhältnisse, das Spektrum reicht von rötlichem Lehm über Kies, Kalkmergel und Schwemmland bis hin zu wüstenähnlichen Sandböden im Süden.
Probierpaket Navarra
Das nordspanische Weinbaugebiet Navarra ist eine Rotweinregion. Weisswein gibt es auch, er spielt aber eine untergeordnete Rolle. Bei den Rotweinreben spielen die einheimischen Garnacha und Tempranillo die wichtigste Rolle – stark verbreitet sind aber auch französische Sorten wie Cabernet Sauvignon oder Merlot.
Die drei Navarra-Weine, die wir Ihnen in diesem Probierpaket anbieten, haben unsere Winzer aus diesen «Big Four» gekeltert. Während der El Paseo ganz auf die Frucht gebaut ist, werden die Fruchtaromen beim La Balsa und beim Tres de Azul y Garanza von dezenten Röstaromen begleitet, die durch die Reife im Barrique entstehen.
->Hier findet ihr das Probierpaket.
Tres de Azul y Garanza
Navarra DO 2020
Mit dieser fruchtig-eleganten Cuvée aus Tempranillo und Garnacha schaffen es María Barrena und Daniel Sánchez, die Magie der unvergleichlichen Natur der Bardenas Reales in die Flasche zu zaubern. Mit dazu trägt der subtile Ausbau im Barrique bei, der dem Wein feine Vanillenoten verleiht. Ideal zu Caladeretes, Navarras bekanntem Eintopfgericht mit viel Gemüse und etwas Fleisch – aber auch generell zu Gemüsegerichten.
La Balsa Crianza
Navarra DO 2017
Die Trauben für den Balsa reifen in ökologisch intakten Rebbergen von Quaderna Via auf 600 m ü. M. langsam und gleichmässig. Das sind ideale Voraussetzungen für elegante, fruchtbetonte Weine. Eleganz und Finesse werden hier zusätzlich akzentuiert durch die Traubenwahl: Cabernet Sauvignon, ergänzt mit etwas Tempranillo. Der barriquegereifte Tropfen harmoniert schön zu geschmorten Fleisch- und gratinierten Gemüsegerichten.
El Paseo
Navarra DO 2019
Der herrlich fruchtige, füllige und doch nicht schwere Wein passt zu fast allem, was im Sommer auf den Tisch kommt.
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