«Reben müssen sich selber wehren können»

Für Valentin Blattner sind Pinot Noir, Merlot, Chardonnay & Co. in Europa eigentlich fehl am Platz. Weil sie krankheitsanfällig sind, müssen sie zu oft gespritzt werden. «Reben müssen sich selber wehren können», sagt er. Deshalb züchtet er seit mehr als 30 Jahren resistente Rebsorten.

Valentin Blattner in seinem Wintergarten im Jura, wo er neue, resistente Sorten züchtet.

Valentin Blattner ist ein friedliebender, naturverbundener Mensch. Doch er kann auch ganz schön poltern und polarisieren, besonders, wenn es um die Wahl der richtigen Rebsorten im europäischen Weinbau geht. «All die bekannten europäischen Reben wie Cabernet Sauvignon, Pinot Noir, Merlot und Chardonnay passen eigentlich nicht hierher. Sie vertragen unser Klima nicht und sind deshalb krankheitsanfällig. Trauben geben sie nur, wenn man sie mit chemisch-synthetischen oder biologischen Mitteln spritzt», sagt Blattner und versteht nicht, weshalb noch immer an solchen Sorten festgehalten wird. Umso mehr, weil es Alternativen in Form von neuen, pilzresistenten Rebsorten gibt, die kaum oder nur minim behandelt werden müssen. Bis heute haben solche PIWI-Sorten den grossen Durchbruch nicht geschafft. Aber die Akzeptanz wird immer besser, die Auswahl an resistenten Sorten immer grösser. Das ist insbesondere Valentin Blattner zu verdanken.

In jungen Jahren hat der gebürtige Basler in der Westschweiz im Weinberg gearbeitet. «Hier wurde mir bewusst, dass Reben etwas Tolles sind, das Spritzen aber nicht.» Als Sohn eines Biologielehrers habe er schon damals gewusst, wie das laufe in der Natur. Für ihn war klar: «Es gibt nur eine Lösung – es braucht Reben, die sich gegen drohende Krankheiten selber wehren können.» Der Mensch könne der Rebe dabei behilflich sein, indem er ihr jene genetischen Grundlagen gebe, die sie in ihrem Umfeld überlebensfähig machen: «Das macht man mit Züchtung, was nichts anderes ist, als die Selektion guter Gene.» Genau das tut er seit bald 30 Jahren auf seinem abgelegenen Weingut ausserhalb des jurassischen Dorfes Soyhières. Dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und nie zuvor Weinbau betrieben wurde, hat er 1991 für seine Familie nach eigenen Plänen ein Holzhaus mit grossem Wintergarten, eigener Wasserversorgung und Solarzellen auf dem Dach erstellen lassen. Seither tüftelt er hier an neuen Rebsorten, die ohne Hilfe von chemisch-synthetischen und biologischen Spritzmitteln wie Kupfer und Schwefel schmackhafte Trauben ergeben. Dass er dies in einem Gebiet tut, wo bisher niemand anders auf die Idee kam, Reben anzubauen, erachtet er für sein Vorhaben als ideal: «Reben, die in unserem feuchten Mikroklima ohne Krankheiten gedeihen, schaffen das in den meisten Weingebieten erst recht.»

Wie entsteht eine PIWI-Rebe?

«Ganz einfach», sagt Valentin Blattner. «Man kreuzt zwei Reben. Die eine muss ein Qualitätsgen haben, die andere ein oder mehrere Resistenzgene.» Als Beispiel: Cabernet Sauvignon (Qualitätsgen) wird mit einer amerikanischen oder asiatischen Sorte (Resistenzgen) gekreuzt. «Wichtig ist, dass verschiedene Abwehrmechanismen miteinander kombiniert werden, sonst bleibt die Rebe nicht lange krankheitsresistent», erklärt Blattner. Und ebenso wichtig: Die neue Rebe muss gute, geschmackvolle Trauben liefern. Im Verlaufe der Jahre sind ihm schon etliche erfolgreiche Neuzüchtungen gelungen, die heute von qualitäts- und umweltbewussten Winzern angepflanzt werden. Dazu gehören etwa Cabernet Jura, Pinotin, Cabernet Blanc oder Réselle, andere tragen neben Blattners Kürzel VB erst Zuchtnummern wie 32-7 oder 26-28.

Nach der Bestäubung wird die Traube in einen Papierbeutel «verpackt», um eine weitere spontane Befruchtung zu verhindern.

Valentin Blattner weist darauf hin, dass auch für eine PIWI-Rebe das Umfeld im Rebberg stimmen muss, damit sie frei von Krankheiten gedeihen kann. So wählt er in seinen Weinbergen beispielsweise eine hohe Erziehungsform, damit Blätter und Trauben möglichst geringer Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Zentral ist auch die Begrünung: «Damit die Rebe in der Balance bleibt, ist ein natürlicher Nährstoffkreislauf nötig, der Auswüchse bezüglich Nährstoffüberschuss oder -knappheit verhindert. Mit einer richtigen Begrünung kann die Ernährungssicherheit für die Rebe gesteuert und gesichert werden.»

Projekt bei Albet i Noya

Valentin Blattner und Josep Maria Albet i Noya setzen gemeinsam ein ambitiöses PIWI-Projekt um.

Zurzeit arbeitet Valentin Blattner auf dem Delinat-Weingut Albet i Noya in Katalonien an einem wegweisenden PIWI-Projekt. Josep Maria Albet i Noya hat auf seiner Bodega seit Längerem mit Belat und Rión zwei alte Rebsorten, die gute Resistenzen gegen Pilzkrankheiten aufweisen. «Wenn du siehst, was für hervorragende Weine aus diesen Sorten möglich sind, willst du keine Reben mehr, die nicht resistent sind», sagt der Schweizer PIWI-Züchter, der regelmässige wochenweise ins Penedès fährt und zusammen mit dem Winzer das Projekt vorantreibt. «Konkret kreuzen wir die bekannten und beliebten spanischen Weissweinsorten Xarello, Macabeu und Parellada mit den resistenten Genen von Belat und Rión», verrät Blattner. Wie die dadurch entstehenden neuen Rebsorten dereinst heissen werden, ist noch nicht klar. «Vielleicht nennen wir sie Pep Macabeo, Pep Xarello und Pep Parellada», schmunzelt Josep Maria Albet i Noya. Pep ist die spanische Kurzform von Josep.

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Hans Wüst
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