PIWIs – die Unbekannten

Im 19. Jahrhundert wurden mit Pflanzgut aus Nordamerika auch Pilzkrankheiten eingeschleppt. Seit dieser Zeit müssen Reben mehrmals jährlich gespritzt werden, um den Mehltau in Zaum zu halten. Ein Befall kann zu enormen Ernteausfällen und fehlerhaften Weinen führen. Der Pflanzenschutzmitteleinsatz pro Hektar und Jahr im Weinbau ist mit Abstand der grösste im Vergleich zu allen anderen landwirtschaftlichen Produkten, die in Europa produziert werden. Die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten dagegen sind durch klassische Zuchtmethoden, bei denen natürliche Pilzresistenzen aus Wildreben in die europäischen Rebsorten eingekreuzt werden, auf natürlichem Wege resistent gegen diese Krankheiten. So können die Eigenschaften für hohe Weinqualität mit der Widerstandsfähigkeit aus den Wildreben kombiniert werden. Durch diese gezielte Züchtung entstehen neue Rebsorten, die es ermöglichen, den Weinbau nachhaltiger zu gestalten und die Herausforderungen im Weinberg zu bewältigen. Der Winzer spart dabei zudem Zeit und Geld, weil er die Pflanzenschutzmittel weder kaufen noch ausbringen muss. Und damit wird auch noch der CO2-Ausstoss deutlich reduziert. Also ökologisch wie ökonomisch ein Quantensprung in der Weinproduktion.

Dr. Ruth Fleuchaus
Dr. Ruth Fleuchaus

Das Problem ist nur: Kaum jemand kennt die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten – kurz PIWIs genannt. Ihre Namen sind Cabernet Blanc, Souvignier Gris, Solaris, Monarch, Reberger, Regent und Pinotin – um nur einige zu nennen, und sie stehen bei Weinpreisverleihungen oft ganz oben auf dem Treppchen. Warum aber finden diese Rebsorten nur so schwerfällig ihren Weg in die Weinregale des Handels und in die Einkaufswagen der Verbraucher? Die Gründe sind vielschichtig: Zum einen ist da die Angst der Branche, die klassischen, nicht widerstandsfähigen Rebsorten in Verruf zu bringen wegen der hohen Pflanzenschutzaufkommen. Zum anderen sehen die Winzer grosse Schwierigkeiten in der Vermarktung, denn wie sollen sie dem Kunden die Vorteile dieser Rebsorten näherbringen, ohne deren besondere Eigenschaften zu erwähnen? Ganz einfach – mit Mut zum Neuen! Und indem sie über den Geschmack und die individuelle Geschichte der Rebsorten erzählen und das Produkt für sich sprechen lassen.

Es ist nicht ganz einfach, die richtigen Worte zu finden für die PIWIs, denn das Aromenspiel zumindest mancher PIWIs ist durchaus neu – oder zumindest ungewohnt. Vielleicht erklärt das, warum die Weine es am Markt noch immer schwer haben. Denn konservativer als ein Winzer, der nicht auf PIWIs setzen will, ist eigentlich nur noch der Weinkonsument.

Schön wäre es aber, wenn die Neuzüchtungen ihr Nischendasein endlich verlassen würden. So sind beispielsweise nur drei Prozent der deutschen Rebfläche mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten bepflanzt, und international sieht es nicht anders aus. Das muss sich ändern, denn im Zuge des Klimawandels und der nicht vorhersehbaren Klimaeinflüsse haben diese Rebsorten einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Zukunftssicherung des Weinbaus.

Wir an der Hochschule in Heilbronn im Studiengang Internationales Weinmanagement forschen deshalb in einem Verbundprojekt mit anderen Institutionen aus Weinbau und Züchtung daran, PIWIs marktfähig zu machen, um auch so die Produzenten vom Anbau dieser Rebsorten zu überzeugen. Unter www.zukunft-weinbau.de finden Sie alles, was Sie über PIWIs wissen sollten. Versuchen Sie es beim nächsten Weineinkauf mal mit PIWIs, und überzeugen Sie sich selbst! Angebot und Nachfrage regulieren den Markt; nicht selten kann die Nachfrage das Angebot beeinflussen.

Alle Artikel der WeinLese 51:

Dr. Ruth Fleuchaus
Letzte Artikel von Dr. Ruth Fleuchaus (Alle anzeigen)

1 comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert