«Im Boden schlummert die Lösung für den Klimawandel»

In vielen Weinregionen Europas hat der Klimawandel eine neue Dimension erreicht. Zu viel Feuchtigkeit oder extreme Trockenheit stellen auch Delinat-Winzer vor immer grössere Herausforderungen. Unser Interviewpartner, der Physische Geograf Stefan Schwarzer ist Experte für eine ressourcenaufbauende Landwirtschaft. Für ihn birgt der Boden die Lösung für den Klimawandel.

Wetterextreme wie Starkregen und Trockenperioden stellen Landwirtschaft und Weinbau vor grosse Herausforderungen. Wie konnte es so weit kommen? Was ist falsch gelaufen?
Stefan Schwarzer: Es gibt zwei Ebenen. Zum einen spielt der menschengemachte Klimawandel durch Treibhausgasemissionen eine wesentliche Rolle. Zum anderen sind es aber auch die Landnutzungsänderungen, denen meiner Meinung nach eine weit grössere Rolle zukommt, als ihnen bisher zugestanden wird.

Meinen Sie damit Fehlentwicklungen in der Agrarwirtschaft?
Genau. Landnutzungsveränderungen, aber eigentlich ja Landzerstörungen für Landwirtschaft und Siedlungen, haben sowohl Einfluss auf das Klima wie auch auf das Wasser und den Wasserhaushalt. Beides hängt eng miteinander zusammen. Wenn wir überall das Wasser mittels Drainagen, Gräben und Kanalisation wegführen, dann sollten wir uns nicht wundern, dass das Land langsam austrocknet.

Die Umwelt, ein Kreislauf

Wie hängen denn Wasser- und Energiekreislauf zusammen, und warum ist das wichtig in der Landwirtschaft und in der Diskussion um den Klimawandel?
Der Energiekreislauf in der Atmosphäre ist stark mit dem Wasser gekoppelt. Wenn wir mit Vegetation bedeckte Böden haben, wird der grösste Teil der einfallenden Sonnenenergie genutzt, um flüssiges Wasser in Wasserdampf umzuwandeln, was ein recht energieintensiver Prozess ist. Diese nun als Wasserdampf gebundene Energie transportiert der Wind in höhere Schichten der Atmosphäre und führt dort zur Wolkenbildung.

Hierbei wird die gespeicherte Energie wieder freigesetzt, ein Teil davon kann im Weltall diffundieren. Die entstehenden Wolken führen dazu, dass ein Teil der einfallenden Sonnenenergie reflektiert wird. Alle drei Effekte sind vorteilhaft für eine Klimakühlung. Wenn ich nun aber stattdessen offene Böden habe oder zubetonierte Flächen, dann wird ein grosser Teil der Energie der Sonneneinstrahlung nicht in diese latente Energie umgesetzt, sondern der Boden und die untere atmosphärische Schicht werden stark erwärmt. Da über trockenen und heissen Flächen weniger Wolken entstehen und somit auch weniger Regen fällt, erhitzen sich Boden und Atmosphäre zusätzlich. Wir verstärken also mit unbedeckten und versiegelten Böden den natürlichen und menschengemachten Treibhauseffekt.

Monatelange Dürren und dann plötzlich sintflutartige Regenfälle: Diese zerstörerischen Wetterextreme sind in Spanien schon fast normal geworden. Auch der Delinat-Winzer Carlos Laso hat auf seinem Weingut Pago Casa Gran in der Nähe von Valencia in den letzten Jahren immer stärker die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen. Gemeinsam mit Delinat hat er sich entschlossen, seine Weinberge gemäss Permakultur-Ansätzen so umzubauen, damit diese Wetterextreme so gut wie möglich abgefedert werden. Das Beispiel von Pago Casa Gran zeigt, wie Weinbau auch in klimatisch schwierigen Regionen funktionieren kann und wie man nachhaltig Wassermanagement betreibt.

Der Weinbau der Zukunft

Fokussieren wir diese Problematik auf den Weinbau, wo die klimabedingten Herausforderungen gerade in den vergangenen drei Jahren stark zugenommen haben. Was passiert mit dem Weinbau in Europa in den nächsten Jahren?
Der Weinbau wird sicherlich zunehmend schwieriger und kostspieliger werden. Die Extreme der Trockenheit und der Niederschläge werden weiter zunehmen. Gerade im Weinbau, oft in heissen und trockenen Gebieten verbreitet, ist es heutzutage ein Problem, wenn der Niederschlag nicht in den Boden eindringen kann und den Reben, vor allem aber auch dem Bodenleben, nicht zur Verfügung steht. Das führt nicht nur zu Trockenstress für die Rebstöcke, sondern automatisch auch zu einer Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit. Der Schlüssel für die Gesundheit der Reben ist ein intakter, lebendiger Boden.

Wie lösen wir das Problem?
Im Boden schlummert die Lösung für den Klimawandel. Der grösste Hebel ist meiner Meinung nach der Humusaufbau. Wir müssen dafür sorgen, dass die Böden wieder lebendig werden und wie ein Schwamm wirken können. Dies geschieht aber nur durch die Förderung der Mikroorganismen im Boden.

Damit sind wir beim Thema «Aufbauende Landwirtschaft», mit dem Sie sich intensiv beschäftigen. Was verstehen Sie genau darunter?
Grundsätzlich geht es darum, die überstrapazierten, verarmten und verdichteten Böden wieder aufzubauen. Es reicht nicht mehr zu bewahren und bloss nachhaltig zu wirtschaften, sondern es geht darum, etwas, das zerstört worden ist, wieder aufzubauen. Das Schöne daran ist, dass die Natur eine sehr starke regenerative Kraft ist, die wieder gesunde und fruchtbare Böden schafft, wenn man die entsprechenden Massnahmen ergreift. Mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie, lautet hier das Credo.

Zur Person

Stefan Schwarzer

Stefan Schwarzer

ist Physischer Geograf und Permakultur-Designer. Er arbeitete 21 Jahre lang für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in Genf, wo er sich mit globalen Umweltthemen beschäftigte. Die Verbindung globaler Interessen und Ziele mit lokalen Handlungen, vor allem in Form von einer aufbauenden Landwirtschaft in Anlehnung an die Permakultur, ist eines seiner Hauptanliegen. Er lebt seit Ende 2012 in der Lebensgemeinschaft Schloss Tempelhof in Baden-Württemberg, wo er aufbauende Methoden der Landwirtschaft mitgestaltet. Er ist Co-Autor des Buches «Die Humusrevolution» (2017) und «Aufbäumen gegen die Dürre» (2023).

Welche Massnahmen sind erfolgsversprechend?
Minimale Bodenbearbeitung, Untersaaten, Zwischenfrüchte, Kompostwirtschaft, Integration von Tieren in der Bewirtschaftung: Das alles fördert die so wichtige Biodiversität, insbesondere im Boden, was ganz zentral ist. Agroforst bringt mehr Vielfalt über dem Boden, Windschutz, besseres Kleinklima; Wasserretention und Keyline-Design, also höhenlinienparallele Bewirtschaftung, sind weitere wichtige Massnahmen.

Oft ist auch die Rede von «Regenerativer Landwirtschaft». Ist das dasselbe wie «Aufbauende Landwirtschaft»?
Der Begriff «Regenerative Landwirtschaft» verwenden heute zunehmend von Grosskonzernen, die diese Thematik nur sehr selektiv verstehen und sich bloss auf wenige konkrete Massnahmen beschränken. Mir ist der Begriff «Aufbauende Landwirtschaft» viel lieber, weil er die Problematik wirklich grundlegend und umfassend angeht.

Wo ordnen Sie den Begriff «Permakultur» ein?
Permakultur gehört wie die aufbauende Landwirtschaft zu den Überbegriffen für ganzheitliche Lösungen. Untergeordnet gibt es in beiden Fällen,wie oben erwähnt, Massnahmen und Methoden, die jeder Landwirt angepasst auf seine individuellen Bedürfnisse anwenden kann. Permakultur ist für mich ein Gestaltungskonzept für eine ganzheitliche Landwirtschaft. Die aufbauende Landwirtschaft sieht in der Permakultur ein wichtiges Werkzeug für die Entwicklung von Lösungen.

Wie weit entspricht die Delinat-Methode, welche eine grosse Biodiversität anstrebt und dem Klimawandel mit Massnahmen der Permakultur, Agroforst und der Züchtung neuer, robuster Rebsorten begegnet, der von Ihnen propagierten aufbauenden Landwirtschaft?
Mein Eindruck ist, dass Delinat hier eine super Arbeit macht. Biodiversität und zunehmend eben auch Wasserretention und Agroforstwirtschaft, wie sie jetzt beispielweise auf Château Duvivier vorherrscht, sind neben dem Humusaufbau wichtige Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft und des Weinbaus.

Aufbäumen gegen die Dürre, ein Buch  von Stefan Schwarzer und Ute Scheub

Aufbäumen gegen die Dürre
Stefan Schwarzer, Ute Scheub
oekom verlag 2023, auch als E-Book erhältlich

Carlos Laso und seine Lösung gegen Wetterextreme

In den Küstengebieten Spaniens wird «La gota fría» (der kalte Tropfen) gefürchtet, ein Wetterphänomen, das im Herbst erhebliche Schäden anrichten kann. Dieses Ereignis tritt vor allem im September auf, wenn das Mittelmeer hohe Temperaturen erreicht und das verdampfende Wasser in Form von Unwetterwolken im Landesinneren zu massiven Niederschlägen führt. Mit der Klimaerhitzung treten diese Ereignisse immer häufiger auf, begleitet von zerstörerischen Stürmen, Überschwemmungen und Erdrutschen.

Das vollständige Video zum innovativen Wassermanagmentsystem auf Pago Casa Gran finden Sie auf www.weinbau-der-zukunft.com.

Für die Landwirtschaft, insbesondere den Weinbau, sind solche Wetterextreme verheerend. Carlos Laso, Winzer des Delinat-Weinguts Pago Casa Gran, hat bereits vor einigen Jahren Massnahmen ergriffen, um sich gegen diese Herausforderungen zu wappnen. Dank eines innovativen Wassermanagementsystems, das er gemeinsam mit unserem Winzerberater Daniel Wyss entwickelt hat, kann er heute zuversichtlicher in die Zukunft blicken.

Sein Wasserretentionskonzept, inspiriert von Permakultur-Prinzipien, verfolgt das Ziel, bei Starkniederschlägen die Erosion zu verhindern und das Wasser in Teichen zu speichern, um es langsam versickern zu lassen. Dies ermöglicht selbst in trockenen Perioden eine nachhaltige Wasserversorgung für die Reben und trägt zur Anhebung des Grundwasserspiegels bei.

Carlos Laso hat auf seinem Weingut mittlerweile etwa 20 Versickerungsgruben und Teiche eingerichtet, um Regenwasser aufzufangen. Durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem gelangt das Wasser in diese Reservoirs und steht so den Reben zur Verfügung. Dank dieser Massnahmen hat Carlos Laso die Erosion erheblich reduziert und die Wasserressourcen in seinen Weinbergen verbessert. Sein Fazit: «Ich kann dieses System uneingeschränkt empfehlen, vor allem in den Mittelmeerregionen.»

Auf ein Glas mit … Katharina Beck

Seit 2021 ist die grüne Politikerin Katharina Beck (40) Mitglied des Deutschen Bundestags. Wir trafen die ausgewiesene Sustainable-Finance-Expertin und Delinat-Weinliebhaberin in Hamburg an einem heissen Sommertag zum Interview bei einem Glas Wein.

Frau Beck, wie war Ihr Sommer?
Katharina Beck: Es war ein Sommer mit Wohnungsumgestaltung, ein bisschen Urlaub, viel politischer Arbeit, zum Beispiel zum dritten Entlastungspaket, und dem Schreiben eines Buchs. Mit dem Buch habe ich zusammen mit einem Kollegen schon vor zwei Jahren angefangen. Es ist ein Werk über konsequent nachhaltiges Wirtschaften, das wir nun finalisiert haben.

Katharina Beck lebte eine Zeit lang in St. Gallen und hatte eine gute Zeit mit Delinat-Weindegustationen.
Katharina Beck lebte eine Zeit lang in St. Gallen und hatte eine gute Zeit mit Delinat-Weindegustationen.

Europaweit war es ein Sommer, der bezüglich Klimawandel Angstgefühle weckt: Ist die Welt noch zu retten?
Ich bin jetzt 40 Jahre alt und habe vielleicht nochmals etwa so viele Jahre vor mir. Ich kann mich von negativen Schlagzeilen und Entwicklungen erschlagen lassen und resignieren oder aber sie erkennen und dann meine Energie nutzen und mich für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen. Ich habe mich für das Zweite entschieden und möchte mit meiner politischen Arbeit einen Beitrag leisten für eine gesellschaftliche Entwicklung, die positiv ist.

Klimaschutz ist schon lange ein Thema, wird aber von anderen Themen wie Pandemie und Krieg immer wieder verdrängt. Was tun?
Wir wissen heute, dass sich der Klimawandel auch bei uns schon viel früher auswirkt, als wir lange Zeit angenommen haben. Einfach alles mit Geld zu reparieren, funktioniert nicht. Wir brauchen einen anderen Bezug zu unseren planetaren Grenzen. Wir müssen unser Wirken global und national so ausrichten, dass die Wertigkeit der Natur gebührend mit einbezogen wird. Sonst erreichen wir eine positive Zukunftsvision für die bald acht, neun, zehn Milliarden Menschen weltweit nicht. Ganz grundsätzlich wünsche ich mir ein besseres Verständnis des Systems, wie Mensch und Natur im Einklang funktionieren.

Persönlich
Katharina Beck, geboren 1982 in Düsseldorf, wuchs in Duisburg als Tochter einer Opernsängerin und eines Diplom-Ingenieurs auf. Die Ursprünge ihrer Familie liegen im Bäckerhandwerk. Katharina Beck studierte zwischen 2001 und 2007 in Köln und Tucumán Diplom-Regionalwissenschaften mit Schwerpunkt Lateinamerika. Darüber hinaus absolvierte sie von 2012 bis 2014 ein Fernstudium zur Finanzbetriebswirtin und schloss Weiterbildungen in «Leadership», «Sustainability» und «Executive Management » mitunter an der University of Yale und der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin ab. Seit 2011 lebt sie in Hamburg und seit 2021 auch in Berlin. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Seit 2021 ist sie als grüne Politikerin Mitglied des Deutschen Bundestags und dort stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses und finanzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Schönes geniessen, Freunde und Gespräche, Berge erklimmen, Musik hören und machen, über die Nordsee surfen, Bücher und Filme erkunden, Tischtennis spielen und Yoga gehören zu ihren Vorlieben in der Freizeit.

Umdenken ist das eine, handeln das andere …
Ja, es braucht auch Neuregulierungen und konkrete Massnahmen, um in die angestrebte Richtung zu gehen. Es gibt zudem neue Technologien, die wir nutzen müssen. Eine davon zeigt, wie wir mit viel weniger Wasser klarkommen, als wir uns bisher gewohnt sind. Ich möchte ein Beispiel aus Israel erwähnen, wo in der Wüste dank klugen Befeuchtungsanlagen und Speichersystemen Erdbeeren gedeihen. Landwirtschaft in der Dürre – auch das kann funktionieren. Weltweiter Technologietransfer hilft uns bei neuen, innovativen Lösungen weiter.

Delinat propagiert seit Jahrzehnten einen Bioweinbau mit reicher Biodiversität, robusten Rebsorten und Permakultur. Gleichwohl dominiert weltweit noch immer industrieller Weinbau mit Monokultur und Chemiekeule. Weshalb ist das so?
Mit Kreislaufwirtschaft und Permakultur beschäftige mich ebenfalls intensiv. Permakultur halte ich für die bodenproduktivste Anbaumethode. Sie ist sogar deutlich produktiver als industrielle Anlagen. Bezüglich Ertragsmenge und Nahrungsproduktion für die ganze Weltbevölkerung ist Permakultur also bestens geeignet. Zusätzlich stärkt sie die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten. Das Problem ist, dass viele Leute gar nicht verstehen, was Permakultur ist. Manche denken dabei eher an «Permafrost». Dass es aber eine tolle, vielfältige und ertragsreiche Anbaumethode im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist, wissen die wenigsten.

Ihre erste Begegnung mit Delinat?
Ich habe 2008/2009 in St. Gallen gelebt und war dort mit einem Menschen aus der Delinat-Marketingabteilung zusammen. Es war eine sehr schöne Zeit mit spannenden Weinverkostungen. Als ich dann nach Köln gezogen bin, habe ich den DegustierService abonniert. Das blieb auch so, als ich weiter nach Hamburg gezogen bin. Ich kenne Delinat also schon recht lange.

Kommt Ihre Beziehung zu Wein aus dieser Zeit oder war das schon vorher ein Thema?
Wein fand ich schon immer ein spannendes Thema. Mein Vater ist ein Weingeniesser, er hat mich und meine Schwester für Wein sensibilisiert und wohl insgeheim sogar davon geträumt, dass eine von uns Önologie studieren würde. Daraus ist dann aber nichts geworden. Wein ist für mich ein Genuss- und Kulturgut, das ich mir nicht jeden Tag gönne. Seit vielen Jahren aber kaufe ich aus Überzeugung biologischen Wein.

Weintipp Katharina Beck

Der La Tradition de Beaurenard der Familie Coulon aus Südfrankreich hat eine wunderbare Samtigkeit und Tiefe. Er passt exzellent zur Adventsund Weihnachtszeit.

La Tradition de Beaurenard
Rasteau AOP 2019
www.delinat.com/tradition-beaurenard

Die Dürre ist ein leiser Killer

Der Hitzesommer 2022 stellte viele Winzer in ganz Europa vor grosse Herausforderungen. Einmal mehr zeigte sich: Delinat-Winzer sind häufig etwas besser gewappnet – die reiche Biodiversität, ein lebendiger Boden mit hohem Humusanteil und tief wurzelnde Reben helfen, das wenige Wasser im Boden zu halten und das Allerschlimmste zu verhindern.

Nach dem aussergewöhnlich nassen Jahrgang 2021 war der Sommer 2022 das genaue Gegenteil: In grossen Teilen Europas war es aussergewöhnlich trocken und zuweilen auch sehr heiss. Grossflächige Brände, ausgetrocknete Gewässer und Dürren waren die Folge. Dies stellt die Landwirtschaft vor riesige Herausforderungen. Die Winzer in Europa litten unter der extremen Trockenheit und mussten Ernteausfälle wegen der Hitze und Trockenheit hinnehmen. Wie erlebten Delinat-Winzer den Hitzesommer 2022?

Südliches Klima in Deutschland

Hirschhof-Winzer Tobias Zimmer traf im Hitzesommer 2022 auf Verhältnisse, wie sie sonst nur im tiefen Süden anzutreffen sind.
Hirschhof-Winzer Tobias Zimmer traf im Hitzesommer 2022 auf Verhältnisse, wie sie sonst nur im tiefen Süden anzutreffen sind.

«Bei uns in Rheinhessen hat es in diesem Jahr bereits im Winter und im Frühjahr deutlich weniger Niederschläge gegeben als sonst», sagt Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof. Ab Juni gab es praktisch keine nennenswerten Regenmengen mehr. «Über den ganzen Sommer hinweg herrschten beständige Temperaturen zwischen 26 und 37 °C», so der Delinat-Winzer. Die Reben, speziell die jüngeren Anlagen, seien über den Sommer hinweg sehr kleinwüchsig gewesen. Die Trauben blieben bis Ende August ebenfalls klein und nur mässig mit Saft gefüllt. Man habe auch schon früh vertrocknende Blätter in der Traubenzone gesehen. Tobias Zimmer hat die Junganlagen so gut es ging bewässert, doch für komplette Bewässerungsmassnahmen ist das Weingut Hirschhof nicht eingerichtet. Was erfreulich ist: Die Qualität der Trauben verspreche trotz allem einen tollen Jahrgang. Laut Tobias Zimmer sollte die Klimaveränderungen bereits bei der Rebenzüchtung vermehrt berücksichtigt werden: «Die Sommer werden wahrscheinlich in Zukunft ähnlich trocken und heiss ausfallen, und dafür sollten tolerante Sorten gezüchtet werden.»

Sehr ausgeprägt war die Dürre auch an der Mosel, wo Timo Dienhart seine Reben bewirtschaftet. «Ich fühlte mich diesen Sommer wie ein spanischer Winzer», sagt Timo. Das sei für die Mosel nicht normal und habe dazu geführt, dass ganze Waldabschnitte förmlich vertrockneten. «Die Dürre ist ein leiser Killer», so der Delinat-Winzer. Man habe langsam mit ansehen müssen, wie auch die Reben immer stärker um ihr Überleben kämpften. In solchen Zeiten zahlt sich eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung aus: Der humusreiche Untergrund seiner Rebberge konnte Wasser speichern und in extremen Trockenphasen an die Rebstöcke abgeben. Trotzdem musste Timo Dienhart vor allem junge Pflanzen zum Teil bewässern, ansonsten hätte stellenweise ein Totalausfall gedroht. Der positive Aspekt eines solch trockenen Sommers ist der verminderte Krankheitsdruck auf die Reben: «Pilzkrankheiten waren bei mir 2022 kein Thema.» Den Erntezeitpunkt schätzte Timo Dienhart auf rund zwei Wochen früher als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre. Wenn man 40 bis 50 Jahre zurückblicke, habe man dieses Jahr sogar rund einen Monat früher geerntet als damals.

Prekäre Lage in Spanien

Josep Maria Albet i Noya rechnet mit Ertragseinbussen von rund 20 Prozent.
Josep Maria Albet i Noya rechnet mit Ertragseinbussen von rund 20 Prozent.

Auch in Spanien war die Lage angespannt, die Trockenheit aussergewöhnlich. Josep Maria Albet i Noya aus dem Penedès berichtet, dass es von Januar bis Ende August gerade einmal 180 Liter Niederschlag gab. Die grossen Retentionsbecken auf dem Weingut waren praktisch leer. Die Trockenheit trieb ausserdem die Wildtiere auf der Suche nach Wasser in die Weinberge. Eine Parzelle mit Trauben, die bereits eine gute Reife erreicht hatten, sei von den Wildschweinen kahl gefressen worden. In anderen Parzellen wurden lediglich die reifsten Trauben weggefressen. Josep Maria und sein Team versuchten das Problem zu mildern, indem sie den Tieren in ihrem Revier Tränken aufstellten, damit sie nicht in die Weinberge ausweichen. In Spanien war vor Erntebeginn im August allgemein von Ertragseinbussen von rund 20 Prozent die Rede.

Die grosse Ausnahme in Spanien war dieses Jahr das Weingut Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia. Winzer Carlos Laso kriegte im ersten Quartal so viel Regen (rund 550 Liter) wie sonst über das ganze Jahr. Zudem zahlten sich seine neu gebauten Rückhaltebecken gerade bei Starkregen aus. Er konnte viel Wasser für den Sommer speichern. «Der kleine Bach, der in ein Sammelbecken mündet, führte im August immer noch etwas Wasser», freut sich Carlos. Denn es war auch bei ihm ein heisser Sommer: Seit Mitte Juni verzeichnete er immer wieder Temperaturen um die 35 bis vereinzelt fast 40 Grad.

Die Permakultur-Massnahmen und Rückhaltebecken auf dem Weingut Pago Casa Gran machten sich dieses Jahr bezahlt.
Die Permakultur-Massnahmen und Rückhaltebecken auf dem Weingut Pago Casa Gran machten sich dieses Jahr bezahlt.

Vor dem Verdursten gerettet

Auch auf dem Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier in der Provence war es monatelang aussergewöhnlich trocken. Dies bekamen selbst die neuen, robusten Rebsorten zu spüren. Speziell auch die jüngeren Pflanzen mussten sporadisch mit einigen Litern Wasser vor dem Verdursten gerettet werden. Glücklicherweise gab es schliesslich Ende August rund 40 Millimeter Regen, was schlimmere Schäden verhinderte. Trotzdem reiften wegen der Dürre die Trauben sehr heterogen, das heisst, während einige Beeren bereits reif waren, zeigten sich andere Beeren an derselben Traube noch fast grün. Dies sorgte für eine schwierige Ernte und Ertragseinbussen.

Dramatische Lage in Norditalien

Der über 650 Kilometer lange Po, war dieses Jahr praktisch ausgetrocknet.
Der über 650 Kilometer lange Po, war dieses Jahr praktisch ausgetrocknet.

Italiens Norden registrierte die schlimmste Trockenperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 70 Jahren. Die wichtigste Lebensader, der über 650 Kilometer lange Po, war praktisch ausgetrocknet, in fünf Regionen wurde der Wassernotstand ausgerufen. Diese Extremsituation bekam auch Winzerin Cecilia Zucca vom Weingut Poggio Ridente im Piemont zu spüren. Bei bestimmten Rebsorten musste sie Ertragsausfälle von rund 30 Prozent hinnehmen. «Unsere wichtigste Rebsorte, die Barbera, hat stark gelitten. Der Nebbiolo scheint die Trockenheit etwas besser verdaut zu haben», sagt Cecilia. Und weiter: «Nach diesem Sommer sollte allen klar sein, dass wir Wasser, das im Winter vom Himmel fällt, sorgfältig speichern müssen, um es den Reben bei Trockenheit zugänglich zu machen.»

Nordschweiz kam glimpflich davon

Roland Lenz wurde vor grösseren Ertragsausfällen durch Trockenstress verschont.
Roland Lenz wurde vor grösseren Ertragsausfällen durch Trockenstress verschont.

Etwas erfreulicher ist der Sommer 2022 beim Schweizer Delinat-Winzer Roland Lenz verlaufen: Bei ihm im Kanton Thurgau hat es zum Sommerbeginn noch ein paar Mal geregnet, und auch im August haben noch einmal einzelne Gewitter für Niederschläge gesorgt. Vor grösserem Ertragsausfall durch Trockenstress wurde er somit verschont. Unterstützend wirkten dabei sicher auch seine vitalen Böden, die durch den hohen Humusgehalt das Wasser wie ein Schwamm speichern konnten. Dazu kommt die Begrünung, die sich auch im August immer noch saftig grün präsentierte. Die Begrünung hat Roland Lenz gewalzt. Die so entstandene Mulchschicht hielt den Boden auch an sehr heissen Tagen kühl und feucht.

Video-Reise zu Öko-Pionieren

Video-Blogger Olivier Geissbühler besuchte Delinat-Vorzeigeweingüter

In der WeinLese Nummer 61 haben wir im Februar 2021 die Vision vom ökologisch perfekten Weingut skizziert. Reiche Biodiversität, lebendige Böden, robuste Rebsorten und grüne Energie sind zentrale Elemente. Unser Video-Blogger Olivier Geissbühler hat jetzt mit seiner Kamera sechs Delinat-Winzer besucht, die in einzelnen Bereichen bereits nahe am perfekten Weingut sind. In den Video-Interviews erzählen die Winzer, in welchen Bereichen sie die Nase vorn haben.

Reiche Biodiversität

Trockensteinmauer auf dem Weingut Albet i Noya im Penedès

Josep Maria Albet i Noya, Penedès, Spanien
«Biodiversität bedeutet biologische Vielfalt. Es ist unser Ziel, möglichst viele verschiedene Pflanzen und Kleinlebewesen in unseren Rebbergen zu haben, um so einen natürlichen Kreislauf aufzubauen, bei dem Nützlinge Schädlinge in Schach halten. Das funktioniert schon ganz gut. Ein wichtiges Element sind die über acht Kilometer Trockensteinmauern, welche die Terrassen unserer Steillagen stützen. Sie bieten ein Habitat für vielerlei Lebewesen, die wir nicht alle kennen. Wir haben schon bis zu 60 Zentimeter lange Echsen beobachtet. Zwischen den Steinen hausen sogar kleine Frösche, die nachts zu singen beginnen.»

Lebendige Böden

Timo Dienhart setzt auf eine artenreiche Begrünung und lebendige Böden

Timo Dienhart, Mosel, Deutschland
«Wir legen grössten Wert auf natürliche Vielfalt und funktionierende Kreisläufe. Grundlage dafür ist ein lebendiger Boden. Wir säen gezielt unsere standortgerechte, artenreiche Begrünung mit 20 verschiedenen Komponenten, darunter zahlreiche Leguminosen. So erhalten und steigern wir den Humusaufbau, die Bodenfruchtbarkeit und schützen unsere Steillagen vor Erosion. Es entsteht ein lebendiger, blühender Teppich, der vielen Insekten und Vögeln Heimat bietet. Biodynamische Präparate und unser wertvoller Trester-Rebholz-Kompost helfen mit, die Bodenorganismen mit Futter zu versorgen, sodass diese ständig aktiv sind und ihrerseits die Reben mit Energie versorgen können.»

Biologische Hotspots

Ein Lebensturm dient in den Weinbergen des Weinguts Pflüger als Hotspot für Insekten und Vögel

Alexander Pflüger, Pfalz, Deutschland
«Leider ist auch bei uns in der Pfalz die biologische Vielfalt im Weinbau generell verarmt und einer Monokultur gewichen. Die Schaffung von biologischen Hotspots trägt dazu bei, die Artenvielfalt zu fördern und unsere Weinberge zu einem funktionierenden Ökosystem zu entwickeln. Einer unserer auffälligsten Bio-Hotspots ist der vier Meter hohe Lebensturms am Dürkheimer Herrenberg. Der Aufbau aus den verschiedensten Materialien wie Reisig, Hölzern, Steinen sowie das Anbringen von Nistkästen lockt Wildbienen, Wespen und unsere heimischen Singvögel an. Die Vitalität und die Balance dieses Systems spiegeln sich auch in unseren Weinen wider.»

Permakultur

Permakultur: Wasserretentionsbecken auf Château Duvivier

Erik Bergmann, Provence, Frankreich
«Auf Château Duvivier haben wir uns intensiv mit Lösungen für einen zukunftsgerichteten Weinbau in Zeiten des Klimawandels auseinandergesetzt. Wetterextreme wie Hitze, Trockenheit, Starkregen, Sturmwinde und Überschwemmungen stellen uns vor grosse Herausforderungen. Um diese zu meistern, bietet die Permakultur gute Ansätze. Dadurch können Ökosysteme gestärkt und die Bodenfruchtbarkeit erhöht werden. Durch das Anlegen von Teichen und Sickergruben konnten wir erreichen, dass Regenwasser nicht ungenutzt abgeschwemmt, sondern gesammelt und den Reben in Trockenperioden zugänglich gemacht wird.»

Grüne Energie

Solaranlage auf dem Dach der Azienda Le Contrade

William Savian, Veneto, Italien
«Unsere Azienda Le Contrade ist klimaneutral. Mittels Solaranlage erzeugen wir weit mehr Strom, als wir brauchen. Wir produzieren zwar noch nicht alle Energie selbst, denn für die Erzeugung von Dampf für die Sterilisation der Abfüllanlage sowie für den Traktor sind wir nach wie vor auf fossile Brennstoffe angewiesen. Diese kompensieren wir aber mit unserer überschüssigen Solarenergie. So gesehen sind wir energieautark. Aber klar: Unser Ziel ist es, nur noch erneuerbare Energien zu nutzen. Wir haben auch bereits einen Versuch mit einem Elektrotraktor gemacht. Allerdings fehlt den heutigen Modellen noch die Marktreife.»

Robuste Sorten

PIWI auf dem Vormasch: Auf dem Weingut Lenz setzt man auf robuste Rebsorten

Roland Lenz, Thurgau, Schweiz
«Eine zukunftsorientierte Bioweinproduktion ist in unserem Klima nachhaltig nur mit pilzresistenten Traubensorten (PIWI) zu realisieren. Weil wir zu dieser Einsicht gekommen sind, setzen wir seit einiger Zeit vollständig auf robuste Sorten, die nicht oder nur minimal gespritzt werden müssen. Wir haben damit nur gute Erfahrungen gemacht. Es braucht viel weniger Hilfsstoffe und Traktorfahrten, was den Boden schont und auch zu weniger Abfall durch Fäulnis führt. Zudem finden unsere Weine aus den neuen, noch wenig bekannten Sorten grossen Anklang.»

Starke Rebsorten, gesunder Boden und Agroforst

Damit sich die Winzer regelmässig austauschen und weiterbilden können, organisiert Delinat Seminare zu aktuellen und drängenden Themen. Regenerative Landwirtschaft, Permakultur und Agroforst waren nebst den neuen, robusten Traubensorten die Schwerpunkte bei den diesjährigen Seminaren in Spanien und Frankreich.

Die spanischen Delinat-Winzer trafen sich dieses Jahr auf der Bodega Albet i Noya im Penedès. Hier läuft in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner seit einigen Jahren ein für den biologischen Weinbau wegweisendes Projekt. Es werden neue pilzwiderstandsfähige Traubensorten (PIWI) gezüchtet, die den ökologischen und klimatischen Herausforderungen der Zukunft ohne oder mit nur geringem Einsatz von biologischen Pflanzenschutzmitteln (Kupfer- und Schwefellösungen) trotzen und einzigartige Weine hervorbringen.

Bald akzeptiert?

Josep Maria Albet i Noya führte die spanischen Delinat-Winzer durch
seinen Betrieb.
Josep Maria Albet i Noya führte die spanischen Delinat-Winzer durch seinen Betrieb.

Josep Maria Albet i Noya, spanischer Biopionier und langjähriger Delinat-Winzer, erklärte den Winzerkollegen die Fortschritte des Projekts und dessen Potenzial für die Zukunft. Bei einer Verkostung von entsprechenden Weinen konnten sich alle von den geschmacklichen Qualitäten dieser Tropfen überzeugen. Die Degustation der neuen Weine sorgte regelrecht für Begeisterung: Der eine oder andere Winzer, der zuvor vielleicht noch eine kritische Haltung (vor allem gegenüber roten PIWI-Weinen) hatte, dürfte nach der Degustation von Albet i Noyas neuem Wein «Aventurer» seine Meinung etwas geändert haben. Und auch politisch dürfte das Thema in Spanien dank diesem Forschungsprojekt nun Fahrt aufnehmen: Josep Maria Albet i Noya ist optimistisch, dass diese neuen Sorten bald auch offiziell für den grossflächigen Anbau erlaubt werden.

Gesunder Boden – das höchste Gut

Am zweiten Tag führte Josep Maria die Delinat-Winzer durch den Betrieb und durch die Weinberge. Besichtigt wurde auch der grosse Sortengarten, wo der Winzer und Valentin Blattner die vielversprechendsten Neuzüchtungen auswählen. Der Nachmittag stand dann im Zeichen der regenerativen Landwirtschaft und der Permakultur. Francesc Font ist ein Spezialist auf diesen Gebieten. Er besitzt selbst einen Landwirtschaftsbetrieb in Katalonien, wo er unter anderem auch Weinbau betreibt. Anhand unzähliger Fakten erklärte er die Relevanz des Humusaufbaus und eines gesunden Bodens für die kommenden Generationen. Bei Bodenanalysen in den Weinbergen von Albet i Noya wurde deutlich, dass es selbst in Delinat-Weinbergen noch reichlich Potenzial bezüglich Begrünung, Humusaufbau und Bodenqualität gibt.

Bodenanalyse bei Albet i Noya: Anhand der Pflanzen im Weinberg lässt sich viel über die Bodenbeschaffenheit herausfinden.
Bodenanalyse bei Albet i Noya: Anhand der Pflanzen im Weinberg lässt sich viel über die Bodenbeschaffenheit herausfinden.

Am letzten Tag des dreitägigen Seminars stand der Besuch des Landwirtschaftsbetriebs von Francesc Font in der Nähe von Girona auf dem Programm. Nebst Trauben wachsen dort unter anderem auch Olivenbäume in einer Intensivkultur. Francesc zeigte, wie er dort innert weniger Jahre mit einer Erhöhung der organischen Substanz und Mikroorganismen den Humusgehalt des Bodens von rund 1 auf über 4 Prozent steigern konnte, was eine eindrückliche Verbesserung der Bodenqualität bedeutet. Weitere Themen waren Begrünungen, Konkurrenz von Wasser und Nährstoffen zwischen Reben und anderen Pflanzen, CO2-Einsparungen, Maschinen für eine bodenschonende Bearbeitung und das Mulchen sowie der Beweis, dass sich regenerative Landwirtschaft auch finanziell lohnt. Obwohl sich einige Delinat-Winzer zuweilen kritisch zu den Methoden von Francesc Font äusserten, fiel das Feedback am Ende durchwegs positiv aus. Und was allen Teilnehmern klar wurde: Die regenative Landwirtschaft bietet auf sämtlichen Betrieben noch ein riesiges Potenzial für die Zukunft, weil der Boden durch diese Massnahmen auch für die kommenden Generationen fruchtbar bleibt.

Waldweingarten in Frankreich

Nur wenige Tage später startete das Delinat-Winzerseminar in Frankreich. Schauplatz war die Domaine Emile Grelier in Lapouyade etwas ausserhalb von Bordeaux, wo Winzer Benoit Vinet die französischen Delinat-Winzer begrüsste. Auf rund acht Hektaren hat der Agroforst-Pionier zwischen seinen Merlot-Reben rund 1000 Bäume gepflanzt. Direkt daneben liegt ein Wald und zwischen den Weinbergen gedeihen Hecken und verschiedenste Biodiversitätsflächen. Die Vielfalt auf diesem kleinen, aber feinen Weingut sorgte selbst bei den Delinat- Winzern für Verblüffung und zeigte auf eindrückliche Weise, wie gut sich Bäume und Hecken mit einem ökologischen Weinbau ergänzen.

Auf der Domaine Emile Grelier in Lapouyade lernten die französischen Delinat-Winzer mehr über Agroforst im Weinbau.
Auf der Domaine Emile Grelier in Lapouyade lernten die französischen Delinat-Winzer mehr über Agroforst im Weinbau.

Am nächsten Tag war der französische Winzer, Autor und Permakultur-Spezialist Alain Malard zu Gast: Er erklärte den Delinat-Winzern die wichtige Rolle der Bäume in den Weinbergen, mögliche Konkurrenz für die Reben, Einfluss auf den Boden und die Funktion der Mykorrhiza, einer Lebensgemeinschaft von Bodenpilzen, die mit Pflanzenwurzeln in einer Symbiose leben. Der Pilz besiedelt das Feinwurzelsystem der Pflanze, versorgt die Pflanze mit Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff und macht Wasser leichter verfügbar, was gesündere und stärkere Pflanzen hervorbringt. Zudem gewährte Alain Malard einen Einblick in seine vielfältigen Permakultur- Projekte, die er bereits erfolgreich in Frankreich realisiert hat.

PIWI – auch Frankreich bewegt sich

Am letzten Tag stand ein Referat von Olivier Zekri auf dem Programm. Er ist Entwicklungs- und Innovationsmanager bei Frankreichs grösster Rebschule Mercier und massgeblich an der aktuellen Forschung zu pilzwiderstandsfähigen Rebsorten in Frankreich beteiligt. Dazu arbeitet Mercier auch eng mit Valentin Blattner zusammen. Im Referat wurde deutlich, welchen riesigen Stellenwert diese neuen Sorten im europäischen Weinbau in Zukunft haben werden und wie viel Geld Mercier bereits für diese Forschung investiert. Die Präsentation der beiden Studentinnen Ines und Maude, die bei einem Forschungsprojekt auf der Domaine Emile Grelier mithelfen, zeigte, welche Relevanz Fledermäuse bei der Schädlingsbekämpfung haben. Zum Abschluss des Seminars sprach der französische PIWI-Pionier Gabriel Cuisset über seine Erfahrungen mit resistenten Rebsorten in Bezug auf rechtliche Hürden, Kosten und Produktion. Auch in Frankreich fiel das Feedback zum Seminar positiv aus: Sowohl bezüglich Agroforst und Permakultur-Massnahmen wie auch bei robusten Rebsorten sind die Delinat-Winzer motiviert, den ökologischen Weinbau weiter voranzutreiben.

Wassermassen gebändigt

Drei Jahre nach den grossen Permakultur-Erdarbeiten auf Château Duvivier gab es im Oktober 2021 den ersten Härtetest. Ohne die Wasserretentions-Massnahmen wäre es vermutlich zu grossen Schäden gekommen.

Um die aktuellen Herausforderungen des Klimawandels mit langen Trockenperioden und sturzflutartigen Starkregen bewältigen zu können, wurde 2018 auf dem Delinat-Modellweingut Château Duvivier in der Provence ein Grossprojekt zur Wasserretention umgesetzt. Nicht nur sollen damit Überschwemmungen und Erosion, sondern vor allem auch das Wegfliessen des kostbaren Regens vermieden werden. Abgeschlossen wurden die Erdarbeiten mit dem Pflanzen von hunderten von Bäumen und Büschen, die der Biodiversität noch einmal einen Schub verliehen haben. Auch der Humusaufbau wurde dadurch gefördert – ein weiterer Schritt in Richtung regenerativer Landwirtschaft.

Wasserretentionsbecken auf dem Delinat-Weingut Château Duvivier

Nach dem Konzept der beiden österreichischen Permakultur-Spezialisten Josef Andreas Holzer und Jens Kalkhof wurden Seen, Teiche, Kanäle und Gräben angelegt, die verhindern, dass bei starken Niederschlägen das Regenwasser einfach abfliesst, sondern aufgefangen wird. Nach und nach kann das Wasser so im Boden versickern, den Grundwasserspiegel erhöhen und trotz kleiner Jahresmengen stabil halten. Auch in langen Trockenperioden finden die tiefen Wurzeln der Reben so genügend Feuchtigkeit.

Katastrophe verhindert

Der Herbst 2021 wurde für das neue Konzept zu einem ersten Härtetest. Nach zwei trockenen Jahren kam es Anfang Oktober auf Château Duvivier zu einem Starkregen. Innerhalb von 24 Stunden fielen 200 mm Regen, die Hälfte davon in nur einer Stunde – eine ausserordentliche Menge! Das führte in der Umgebung zu Überschwemmungen und Erosionsschäden auf den Feldern. Auf Château Duvivier hingegen konnte der grösste Teil der Wassermassen auf den Versickerungsflächen, den Kanälen, Teichen und im See zurückgehalten werden. Weil der Boden kaum bearbeitet und die Begrünung nur gewalzt statt geschnitten wird, war er durch trockene Wurzeln stabilisiert. Selbst diese Sturzflut konnte im Boden versickern und hat nur auf einigen Wegen kleine Erosionsfurchen hinterlassen. Die neuen Konzepte im Kampf gegen die zunehmenden Folgen des Klimawandels haben sich bestens bewährt.

Weil wegen der Corona-Pandemie schon das zweite Jahr kein wirtschaftlicher Ferienbetrieb möglich war, wurden die Delinat-Winzer aus ganz Europa auf Château Duvivier eingeladen, um ein paar Tage auszuspannen und sich von den Konzepten der Permakultur, des Agroforsts und der regenerativen Landwirtschaft zu überzeugen. Davon haben etwa zwanzig Winzer Gebrauch gemacht, und sie alle waren begeistert vom Fortschritt seit ihrem letzten Besuch. Voller Ideen und mit viel Mut und Motivation sind sie abgereist, und wir sind gespannt, wie sie die Anregungen zu Hause nutzen werden.

Ab März 2022 sollen für Delinat-Kunden wieder Ferienwochen auf Château Duvivier angeboten werden. Alle Informationen dazu unter: www.chateau-duvivier.com

Alle Beiträge der WeinLese 65:

WeinLese 60: Kurz & bündig

Dem Klimawandel getrotzt

Genügend Wasser dank Wassermanagment nach dem Konzept der Permakultur auf dem Weingut Pago Casa Gran

Carlos Laso spürt auf seiner Bodega Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia den Klimawandel schon seit Jahren. Ausgedehnte Trockenperioden mit Wassermangel wechseln ab mit sintflutartigen Regengüssen, die für Überschwemmungen und Erosion sorgen. Vor vier Jahren begann er ein von Delinat-Winzerberater Daniel Wyss entwickeltes Bewässerungskonzept nach dem Konzept der Permakultur umzusetzen. Er legte Teiche und Versickerungsgräben an, die das Regenwasser speichern und nach und nach an die Reben abgeben. Nach einigen Rückschlägen funktioniert das Bewässerungskonzept jetzt gut und hat diesen Sommer sogar für eine freudige Überraschung gesorgt: Eine alte, während Jahren versiegte Grundwasserquelle sprudelt jetzt plötzlich wieder. Für Carlos ist klar, dass das Grundwasserreservoir einerseits durch die ausgehobenen Retentionsbecken und Gräben sowie durch die ausgiebigen Regenfälle in diesem Frühjahr aufgefüllt wurde.

Gold für Delinat-Wein

An der diesjährigen Sommerverkostung der Internationalen Weinprämierung MUNDUS VINI gab es für Delinat sieben Gold- und vier Silbermedaillen. Mit Gold prämiert wurden die Rotweine Albet i Noya Reserva Martí 2014 (Penedès); der Alagea 2018 von der Bodega Pago Casa Gran (Valencia); der Barbera La Luna del Rospo Bric Rocche 2017 von Renate Schütz (Piemont); der Mignechi Nero d’Avola 2017 von Massimo Maggio (Sizilien) und der Vale de Camelos Reserva 2017 vom gleichnamigen Weingut (Alentejo). Ebenfalls Gold gab es für den Weisswein Carcabo Blanco 2014 von Alberto Ramírez von der Bodega Las Cepas (Rioja) sowie für den Schaumwein Albet i Noya Espriu Brut 2017 (Penedès).
-> Hier finden Sie alle Medaillen-Weine aus unserem Sortiment.

Beharrlichkeit zahlt sich aus

Anne und Jean Lignières pflanzen Bäume zur Förderung der Biodiversität

In einer Welt, die wettermässig oft verrückt spielt, brauchen Winzer oft Geduld, bis sich Massnahmen zugunsten der Biodiversität auszahlen. Das ging auch Anne und Jean Lignières im südfranzösischen Languedoc nicht anders. Auf Anregung von Delinat haben sie 2012 rund um ihre Rebparzellen Bäumchen und Sträucher gepflanzt. Wildtiere, Schafe und Ziegen haben das als Einladung zu einem Festmahl betrachtet und sich mit grossem Appetit auf die jungen Schösslinge gestürzt. Übrig gebliebene junge Pflänzchen fielen später einer Dürreperiode zum Opfer. Doch die Familie Lignières hat nicht aufgegeben, Neupflanzungen vorgenommen und kann sich heute über viele prächtige und gut sichtbare Pflanzen freuen, die eine echte Bereicherung für Flora und Fauna rund um die Weinberge darstellen.

Nanas Bioladen bei Sepp Moser

Bioladen auf dem Weingut Sepp Moser

Das Weingut Sepp Moser in Rohrendorf im Kremstal wird von Andrea und Nikolaus (Niki) Moser biodynamisch und nach den strengen Delinat-Richtlinien geführt. Neben feinen Weinen gibt es hier seit Ende Mai 2020 auch ein Sortiment an liebevoll ausgewählten Bio-Lebensmitteln rund um Milch, Brot, Eier, Obst, Gemüse, Fleisch und Getreide. Tochter Mariana (Nana) Moser hat als Jungunternehmerin auf dem Familienweingut einen Bioladen eröffnet, mit dem die ökologische Produktion und die regionale Wertschöpfung gefördert werden. Die Produkte stammen grösstenteils direkt von Bio-Bauern aus der Umgebung. Geöffnet hat Nanas Bioladen am Dienstag und Freitag von 15 bis 19 Uhr sowie am Samstag von 9 bis 12 Uhr.

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Regenerative Landwirtschaft – die natürliche «Reparaturwerkstatt»

Regenerative Landwirtschaft – schon wieder so ein Begriff, der in Ökokreisen gerade die Runde macht. Was ist darunter zu verstehen? Kurz auf den Punkt gebracht: Regenerative oder aufbauende Landwirtschaft ist nichts anders als eine Reparaturwerkstatt für beeinträchtigte oder zerstörte Kulturflächen. Delinat-Winzerberater Daniel Wyss gibt einen vertieften Einblick ins Thema.

Permakultur, Agroforst, regenerative Landwirtschaft, worin unterscheiden sich diese nachhaltigen Methoden genau?
Daniel Wyss: Permakultur ist umfassend. Es geht darum, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe aus der Natur nachzuahmen. Bei der Agroforstwirtschaft werden Elemente des Acker- und Gemüsebaus mit Elementen der Forstwirtschaft kombiniert, etwa mehrjährige (Obst-)Bäume und Sträucher mit einjährigen Nutzpflanzen. Die regenerative Landwirtschaft greift auf Konzepte der Permakultur, der Agrarökologie und des holistischen (ganzheitlichen) Weidemanagements zurück. Es geht darum, den Boden zu regenerieren und ein widerstandsfähiges Anbausystem zu schaffen.

Bäume und Sträucher fördern die ökologische Vernetzung und steigern die Artenvielfalt im Weinberg.
Bäume und Sträucher fördern die ökologische Vernetzung und steigern die Artenvielfalt im Weinberg.

Was kann mit der regenerativen Landwirtschaft konkret bewirkt werden?
Sie kommt dort zur Anwendung, wo Kulturlandflächen durch Menschenhand über Jahrzehnte durch intensive, pestizidunterstützte Bewirtschaftung stark beeinträchtigt oder gar zerstört wurden. In solchen Fällen ist eine nachhaltige, strukturerhaltende Landwirtschaft nicht zielführend. Es geht viel mehr darum, durch gezielte und konsequente Verknüpfung von Faktoren wie Standortklima, Humusaufbau, Biodiversität und Wasserretention die Bodenfruchtbarkeit wieder herzustellen oder zu verbessern. Ziel ist ein pestizidfreies, effizientes und resilientes Anbausystem mit geschlossen Stoffkreisläufen.

Eine vielfältige Begrünung zwischen den Rebzeilen bietet nicht nur Nahrung für Insekten, sondern baut auch Humus auf und fördert ein gesundes Bodenleben.
Eine vielfältige Begrünung zwischen den Rebzeilen bietet nicht nur Nahrung für Insekten, sondern baut auch Humus auf und fördert ein gesundes Bodenleben.

Weshalb ist die regenerative Landwirtschaft ein grosse Chance für den Weinbau?
Viele Rebflächen Europas sind durch die bisherige Art der Bewirtschaftung und die klimabedingten Wetterextreme beeinträchtigt. Die regenerative Landwirtschaft baut Humus auf und verbessert die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. Letztlich ist sie ein Anbausystem, das sich durch hohe Widerstandskraft gegenüber klimatischen Extremsituationen, rasche Regenerierfähigkeit und hohe Pflanzengesundheit auszeichnet.

Aufbauend oder regenerativ?

Aufbauende oder regenerative Landwirtschaft meint im Prinzip dasselbe. Der Begriff «Regenerative Landwirtschaft» wird aber zunehmend auch von Grosskonzernen verwendet, welche diesem nur selektiv und nicht umfassend nachleben. Deshalb haben wir uns entschieden, künftig den Begriff «Aufbauende Landwirtschaft» zu verwenden. Das hängt auch damit zusammen, dass der Natur eine beeindruckende Kraft des Aufbaus innewohnt, welche in diesem Begriff gut zum Ausdruck kommt. Die aufbauende Landwirtschaft schafft es mit verschiedenen Methoden und umfassenden Massnahmen überstrapazierte und verarmte Böden wieder so zu beleben, dass Fruchtbarkeit und Resilienz auf natürliche Art und Weise deutlich verbessert werden.

Welche Massnahmen kommen im Weinbau zur Anwendung?
Durch Einsaaten von vielfältigen Pflanzenmischungen, Zufuhr von Kompost oder Mulch sowie eine möglichst zurückhaltende und nur oberflächliche Bodenbearbeitung wird Humus aufgebaut und der Boden regeneriert. Dabei helfen auch weidende Schafe in den Rebflächen und das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern.

Schafe weiden in den begrünten Weinbergen und helfen dabei beim Humusaufbau.
Schafe weiden in den begrünten Weinbergen und helfen dabei beim Humusaufbau.

Auf verschiedenen Delinat-Weingütern ist die regenerative Landwirtschaft schon länger ein Thema. Wie sind die Erfahrungen?
Besonders eindrücklich ist das Beispiel unseres Partnerweingutes Vale de Camelos im Alentejo. In der Kornkammer Portugals ist die Bodenfruchtbarkeit auf riesigen Flächen durch eine jahrzehntelange intensive Getreidewirtschaft mit massivem Pestizideinsatz stark dezimiert worden. Als die Adega Vale de Camelos um die Jahrtausendwende begann, auf solchen Böden Reben zu pflanzen, versprach nur eine regenerative Landwirtschaft Aussicht auf Erfolg. Mittels Förderung der Biodiversität durch grossflächige Aufforstungen mit einheimischen Bäumen und Sträuchern, einer holistischen Weidewirtschaft mit Schafen, der Anlage von grossen Regenwasserseen und einem gezielten Humusaufbau gelang es, einen zunehmend in sich selber funktionierenden ökologischen Kreislauf anzustossen. Durch die im Alentejo ausgeprägten Extreme des Klimawandels (Hitze, Trockenheit, Starkregen), wurde es zu einer ganz besonderen Herausforderung. Aber es hat funktioniert.

Wasser-Management hat in der Permakultur einen hohen Stellenwert: Das Regenwasser wird während den regnerischen Monaten gesammelt und vermindert im Sommer den Trockenstress der Reben.
Wasser-Management hat in der Permakultur einen hohen Stellenwert: Das Regenwasser wird während der regnerischen Monate gesammelt und vermindert im Sommer den Trockenstress der Reben.

Gibt es andere gelungene Beispiele?
Ja. Auf unserem eigenen Weingut Château Duvivier in der Provence konnten die durch lange Trockenperioden bedingten Ernterückgänge dank Massnahmen aus dem Bereich der regenerativen Landwirtschaft gestoppt werden. Und auf dem Weingut Pago Casa Gran in der Region Valencia gelang es, eine während Jahren versiegte Quelle wieder sprudeln zu lassen.

Wie Carlos Laso dem Klimawandel dank Permakultur trotzt

Es war vor ziemlich genau vier Jahren, als ich Carlos Laso bei einem Beraterbesuch auf seinem Weingut Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia ein Bewässerungskonzept nach dem Konzept der Permakultur präsentiert habe. Carlos spürte in seinen Weinbergen schon damals die Auswirkungen des Klimawandels deutlich: Entweder herrschte während ausgedehnten Trockenperioden Wassermangel, was zu grossem Stress bei den Reben führte, oder es fiel sintflutartig Regen, der zu Überschwemmungen und Erosion im Weinberg führte.

Permakultur und Wassermanagment

Planung des ersten Retentionsbecken nach den Prinzipien der Permakultur.
Das Beobachten und Planen sind zwei zentrale Aspekte der Permakultur. Delinat-Winzerberater Daniel Wyss (Mitte) unterstützt Carlos Laso (rechts) bei der Umsetzung des Wassermanagements.

Carlos Laso ist ein innovativer Winzer mit einer unglaublichen Offenheit für neue Ideen. Innert kürzester Zeit setzte er das vorgeschlagene Bewässerungskonzept nach den Prinzipien der Permakultur um, legte Teiche und Versickerungsgräben an, die das Regenwasser speichern und dann nach und nach an die Reben abgeben. Das Ganze schien bestens zu funktionieren, bis sich im Herbst 2019 das spanische Wetterphänomen «La Gota Fría» über seinen Reben entlud: Sintflutartige Regenfälle, wie sie in den letzten drei Jahrzehnten nie vorgekommen waren, überfluteten die neu geschaffenen Rückhaltebecken, füllten sie mit Sedimenten und beschädigten sie teilweise erheblich. Carlos liess alles wieder instand stellen und hob weitere Becken und Gräben aus. Kaum war alles wieder im Lot, folgte im Januar dieses Jahres bereits der nächste Härtetest. Sturm Gloria, unüblich für diese Jahreszeit, füllte wiederum alle Becken. Dieses mal ohne Beschädigungen.

Retentionsbecken verhindern den Trockenheitsstress auf dem Weingut Pago Casa Gran
Verschiedene Retentionsbecken helfen dabei, dass Wasser langfristig auf dem Gelände zu speichern.

In Sommer dann eine freudige Überraschung: Eine Grundwasserquelle, die auf dem Familienbetrieb bis in die 1960er Jahre intakt war, dann aber versiegte, sprudelt jetzt wieder. Für Carlos ist klar, dass das Grundwasserreservoir einerseits durch die in den letzten Jahren ausgehobenen Retentionsbecken und Gräben sowie durch die ausgiebigen Regenfälle in diesem Frühjahr aufgefüllt wurde. Selbst jetzt im Hochsommer sprudelt noch Wasser aus der alten Quelle. Motiviert durch diesen Erfolg, treibt Carlos den Ausbau der Permakultur-Massnahmen immer weiter. Er verfügt jetzt über total neun Teiche, der grösste misst 30 x 60 m.

Üppige Vegetation dank Permakultur-Massnahmen
Die üppige Vegetation in den Weinbergen von Pago Casa Gran beweist, dass nicht nur die Reben von den den angelegten Retentionsbecken profitieren.

Das Beispiel von Pago Casa Gran zeigt, wie wichtig es ist, Wasser dann zurückzuhalten, wenn es verfügbar ist. Die Verfügbarkeit von Wasser in trockenen Regionen ist essenziell für die optimale Reifung der Trauben. Bei zu grossem Trockenstress zeigen sich überreife Aromen, zu tiefe Säurewerte und unreife Tannine. Kann kein Wasser zugeführt werden, bleibt oft nur die vorzeitige Ernte noch nicht optimal reifer Trauben. Die Verfügbarkeit von Wasser ist aber auch im Frühjahr von grosser Bedeutung für die gesamte Entwicklung der Rebe während des Vegetationszyklus.