Nicholas Hänny aus der Schweiz gründete 2016 gemeinsam mit einem Freund NIKIN, ein Modelabel, das für jedes verkaufte Produkt einen Baum pflanzt. Damit setzt NIKIN ein starkes Zeichen in einer Branche, die sonst vor allem durch Überkonsum und Umweltbelastung auffällt.

Wie kam es zur Gründung von NIKIN? Gab es einen Schlüsselmoment, der dich motiviert hat, eine Modefirma mit Baumpflanzmission ins Leben zu rufen?
Die Idee zu NIKIN entstand 2016 bei einem Bier mit meinem Freund Robin. Ihren Ursprung hat sie aber tatsächlich schon 2013, als ich einen Turnsack mit dem Namen «NIKIT» entworfen habe. Meine Idee: stilvolle Produkte mit einem zusätzlichen Nutzen. Das Projekt blieb klein, doch meine Mutter hat mich immer wieder ermutigt, es nochmals zu versuchen. Einige Jahre später lebte ich in Winterthur und sah zufällig jemanden mit genau diesem Turnsack. Das hat etwas in mir ausgelöst. Ich dachte sofort an meine Mutter und rief Robin an. Wir beide hatten immer davon gesprochen, einmal gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.
Beim nächsten Treffen war die Idee plötzlich da: Eine Wintermütze, die mehr kann als nur warmhalten. Das Treeanie, eine Kombination aus Beanie und Baum, war geboren: Denn für jedes verkaufte Produkt wollten wir einen Baum pflanzen. Als langjährige Pfadfinder war für uns klar, dass wir der Natur etwas zurückgeben möchten. Was damals in der Schweiz noch sehr neu war, wurde für uns zur Herzenssache.
Weintipp
An einem schönen Sommerabend darf für Nicholas ein fruchtiger, frischer Rosé wie der Cantarana von Albet i Noya nicht fehlen. Kein Wunder, denn der nach dem Froschkonzert in den katalanischen Weinbergen benannte Wein passt irgendwie ganz gut zu einem Leben zwischen Bäumen, in der Natur und an der frischen Luft. «Am liebsten trinke ich ihn draussen, bei gutem Essen, unter freiem Himmel und in entspannter Gesellschaft.»
Albet i Noya Cantarana Penedès DO
Euer Motto lautet «Tree by Tree». Was bedeutet dieser Leitsatz für dich persönlich? Und wo kann man im NIKIN-Wald spazieren gehen?
«Tree by Tree» bedeutet für mich, Schritt für Schritt die Welt ein wenig besser zu machen. Jede Handlung zählt, auch ein einzelner Baum kann einen Unterschied machen. Dieser Gedanke begleitet uns seit Anfang an. Es geht nicht nur um Masse, sondern auch um Haltung. Jeder Baum, den wir pflanzen, und das, was wir kommunizieren und gegen aussen zeigen, inspiriert zudem auch viele Menschen und Firmen, sich ein bisschen mehr um die Natur zu kümmern. Bis heute pflanzen wir weiterhin für jedes verkaufte Produkt einen Baum, in nachhaltigen Aufforstungsprojekten weltweit. Viele davon befinden sich in Ländern wie Brasilien, USA oder Kenia. Aber auch in Europa gibt es NIKIN-Bäume, zum Beispiel in der Schweiz, in Deutschland, in Dänemark oder in Litauen.

Nachhaltige Mode hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile versuchen sogar Fast Fashion Labels, sich einen grünen Anstrich zu geben. Wie geht ihr damit um?
Es ist erfreulich, dass Nachhaltigkeit zu einem Thema geworden ist, das viele Menschen und Unternehmen bewegt. Gleichzeitig sehen wir, dass Begriffe wie «nachhaltig» oder «umweltfreundlich» oft sehr inflationär und leider nicht immer ehrlich verwendet werden. Greenwashing untergräbt das Vertrauen von Konsumentinnen und Konsumenten.
Auch wir haben uns weiterentwickelt. Anfangs lag unser Fokus auf dem Bäume pflanzen. Heute denken wir ganzheitlich. Unser Ziel ist es, bis 2030 100 Prozent zirkulär zu werden. Denn nur wenn Produkte von Anfang bis Ende im Kreislauf gedacht werden, kann die Umwelt langfristig geschont werden. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit, Verantwortung in jeder Phase zu übernehmen. Von der Materialwahl über die Produktion bis hin zur Rücknahme der Produkte. Alles andere wäre nicht glaubwürdig.
Gibt es einen besonderen Moment in der Unternehmensgeschichte, an dem du gespürt hast: Ja, wir sind auf dem richtigen Weg?
In den ersten Jahren haben wir viel positive Rückmeldung bekommen, aber mit der Zeit gab es auch vermehrt skeptische Stimmen. Manche Menschen reduzierten uns auf das Bäume pflanzen. Umso besonderer war für mich ein Moment im letzten Jahr: Als wir unsere ersten zirkulären Produkte und ein Rücknahme-Modell eingeführt haben, kam auf einmal viel Anerkennung – auch aus der Nachhaltigkeitsszene, die uns sonst sehr genau beobachtet. Menschen, die uns bisher eher mit Vorbehalten begegnet sind, sagten plötzlich: «Man sieht, dass ihr es wirklich ernst meint.»
Worauf seid ihr bei euren Produkten besonders stolz? Gibt es ein Lieblingsstück, das dir besonders am Herzen liegt, und warum?
Im Moment bin ich besonders stolz auf unsere zirkulären T-Shirts und Hoodies. Sie bestehen aus dem innovativen Material naNea, das speziell für Kreislauffähigkeit entwickelt wurde und höchste Standards in Sachen Materialgesundheit erfüllt. Das ist weltweit einzigartig. In Kombination mit unserem Rücknahmeprogramm «Circular Cashback», das eine Belohnung bei Rückgabe bietet, machen wir damit einen wichtigen Schritt in Richtung zukunftsfähige Textilien.
Ein weiteres Lieblingsstück von mir ist unsere Regenjacke. Sie besteht aus einem hochwertigen, funktionalen Material, das zudem recycelbar ist. Sie ist dreilagig, wird in Europa produziert und bietet einen sehr hohen Regenschutz. Ich finde, sie vereint auf ideale Weise Nachhaltigkeit, Funktion und Design.

Die Modeindustrie ist aktuell eine der grössten Umweltsünderinnen. Was muss sich verändern, was wünschst du dir für die nächsten zehn Jahre?
Die Modebranche muss sich komplett verändern. Wir haben längst zu viele Kleider auf der Welt, viele davon landen ungetragen im Müll oder auf riesigen Deponien im globalen Süden. Es reicht nicht mehr, einfach nur nachhaltiger zu produzieren.
Was es braucht, ist ein neues Verständnis von Konsum. Weniger kaufen, bewusster wählen, langlebige und kreislauffähige Produkte bevorzugen. Kleidung muss von Anfang an so designt sein, dass sie recycelt oder biologisch abgebaut werden kann. Gleichzeitig freut es mich, dass Second Hand in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Aber der Weg zu einer wirklich nachhaltigen Textilindustrie ist noch weit – und wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen
Ein Baum pro NIKIN-Produkt, ein Stückchen Biodiversität in Europas Weingärten pro Flasche Delinat Wein. Wo seht ihr weitere Parallelen zwischen eurer Arbeit und der von Delinat?
Delinat ist für mich ein inspirierendes Beispiel dafür, wie man konsequent neue Wege geht. Ihr zeigt, dass nachhaltiges Wirtschaften mehr bedeutet, als einfach nur ein paar Regeln zu befolgen. Eure Rücknahme von Kartonverpackungen, das Wiederauffüllen von Flaschen und euer Fokus auf Biodiversität in den Rebbergen sind beeindruckend.
Was uns verbindet, ist der Wille, Dinge besser zu machen, nicht weil es trendy ist, sondern weil es notwendig ist. Wir beide stellen das klassische Wirtschaften infrage und wollen durch unser Handeln auch andere motivieren, mitzumachen. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Ehrlichkeit, Innovationsgeist und echten Impact.
Zum Schluss: Bei welchem Anlass öffnest du persönlich gern eine Flasche Wein?
Eine gute Flasche Wein gehört für mich zu besonderen Momenten, sei es ein schöner Abend mit Freunden, ein gutes Essen oder einfach ein Grund zum Feiern. Ich mag kräftige Rotweine wie Cabernet Sauvignon oder auch einen eleganten Nebbiolo aus dem Piemont. Diese Weine passen wunderbar zu intensiven Gesprächen oder festlichen Anlässen.
Inzwischen schätze ich aber auch die Pinot Noirs aus der Bündner Herrschaft sehr und bewundere auch die Innovation und den Nachhaltigkeitsgedanken von vielen Winzerinnen und Winzern.
Noch auf der Suche nach nachhaltiger Mode?
Zirkuläre Shirts, gepflanzte Bäume und jetzt sogar ein Shirt aus Kaffeesatz – bei NIKIN gibt es immer wieder spannende Ideen, die zeigen, wie Mode auch anders gehen kann. nikin.ch