Auf ein Glas mit … Hannes Jaenicke

Hannes Jaenicke ist nicht nur ein gefragter deutscher Schauspieler, er ist auch engagierter Umwelt- und Klimaaktivist. Als Delinat-Botschafter setzt er sich auch für mehr Artenvielfalt im Weinbau ein. Wir trafen ihn auf dem Ostschweizer Weingut von Roland Lenz zum Interview bei einem Glas Wein.

Hannes Jaenicke in den Rebbergen des Weingut Lenz

Hannes Jaenicke, wie hast du Delinat kennengelernt?
Hannes Jaenicke: Das war vor einem knappen Jahr. Durch einen ehemaligen Mitarbeiter der Allianz Umweltstiftung, für die ich eine Zeit lang sehr aktiv war, bin ich auf Delinat gestossen. Da ich mich sehr für nachhaltige Landwirtschaft und Permakultur interessiere, war sofort meine Neugier geweckt. Mit Delinat habe ich ein Musterunternehmen gefunden, bei dem eine Art von Agrarwirtschaft betrieben wird, die für mich vorbildlich und beispielhaft ist.

Was hattest du zuvor für ein Bild vom Weinbau?
Ich selbst komme aus Frankfurt. Die nahegelegenen Weinanbaugebiete, die ich seit meiner Kindheit kenne, also Rheinhessen, Pfalz oder Franken, sind oft einfach mit dem Lineal gezogene Monokulturen von Weinreben. Es ist das genaue Gegenteil eines Delinat-Weinbergs, wo überall Bäume und Hecken stehen, Totholz für Insekten und Kleintiere herumliegt und die Biodiversität im und über dem Boden gefördert wird. Als ich den Delinat-Winzer Roland Lenz in der Schweiz besuchte, sah ich zum ersten Mal, wie man Weinbau betreibt, ohne der Natur zu schaden, sondern ihr Gutes zu tun.

Was ist dir vom Besuch beim Weingut Lenz sonst noch in Erinnerung geblieben?
Ich konnte unglaublich viel lernen. Im Weinberg sahen wir viele Tiere, dauernd kreisten Milane und andere Raubvögel über uns. Es gab viele Insekten, und im Weinberg flogen Schmetterlingsarten, die man in Deutschland kaum noch sieht. Ich sah, wie wichtig Bäume in den Reben sind, also das, was man unter Agroforst versteht.

Das Delinat-Weingut Lenz ist ein Pionierbetrieb, vor allem wenn es um PIWI-Rebsorten geht. Sind diese neuen robusten Sorten für dich ebenfalls ein Thema?
Ehrlich gesagt kannte ich PIWI-Weine vor dem Besuch bei Lenz noch gar nicht. Dort habe ich gelernt, dass man Rebsorten so züchten kann, dass sie dem Klimawandel standhalten und resistent gegen gewisse Schädlinge und Krankheiten sind. Und das ohne Genmanipulation, lediglich durch das klassische Kreuzen einer europäischen Rebsorte mit einer robusten Wildrebe. So kann man ohne Pflanzenschutzmittel gesunde Trauben ernten. Roland Lenz hat mir erzählt, dass dadurch bei ihm auch viele Arbeitsstunden wegfallen, was sicher ein weiterer Pluspunkt ist.

Persönlich
Hannes Jaenicke wurde 1960 in Frankfurt am Main geboren. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er mit seiner Familie in den Vereinigten Staaten, wo sein Vater an der Universität Pittsburgh einen Forschungsauftrag hatte. 1969 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. In Regensburg besuchte Hannes Jaenicke das Gymnasium und schloss es mit dem Abitur ab. Später liess er sich in Wien zum Schauspieler ausbilden.

Heute gehört Jaenicke zu den gefragtesten deutschen Schauspielern. Er spielte in über 70 Kinofilmen und Fernsehproduktionen (u.a. im «Tatort» und in anderen Krimiserien) mit. Darüber hinaus betätigt er sich als Dokumentarfilmer, Buchautor und Umweltaktivist. In diesen Rollen kämpft er gegen die Ausrottung bedrohter Tierarten und für ein Umdenken bezüglich Klimaschutz. Für diesen Einsatz wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er ist Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit rund einem Jahr engagiert er sich als Delinat-Botschafter auch für mehr Artenvielfalt in den Weinbergen.

Wie wichtig ist dir Nachhaltigkeit generell bei Lebensmitteln?
Ich kaufe seit Jahrzehnten nur noch Bio – im Wissen, dass ganz viele Biolabels viel zu lasch und viel zu verwässert sind. Da wird viel Schindluderei getrieben. Aber es gibt eben Labels und Betriebe, wo die Auflagen streng sind und nicht gemogelt wird. Ich habe mich die letzten Jahre – bevor ich Delinat kennengelernt habe – meistens am Demeter-Label orientiert. Je strenger das Biosiegel, desto glücklicher bin ich als Verbraucher. Ich wundere mich ein bisschen, dass viele Leute erst mal beim Essen sparen und billiges, ungesundes Essen kaufen, weil sie glauben, so Geld zu sparen. Persönlich gebe ich lieber mehr Geld aus für gesundes, hochwertiges Bioessen als für Elektro-Schnickschnack, teure Autos oder Klamotten.

Hannes Jaenicke auf dem Delinat-Weingut Lenz in der Ostschweiz: «Hier habe ich gelernt, wie man nachhaltig sehr hochwertigen Wein herstellen kann.»
Hannes Jaenicke auf dem Delinat-Weingut Lenz in der Ostschweiz: «Hier habe ich gelernt, wie man nachhaltig sehr hochwertigen Wein herstellen kann.»

Der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein liegt in deutschen Supermärkten bei deutlich unter 5 Euro. Viele Leute sind nicht bereit, für umweltfreundliche Produkte ein bisschen mehr Geld auszugeben …
Auch ich war früher vom Vorurteil, dass Bioweine nicht schmecken und teuer sind, betroffen. Meine Meinung hat sich aber komplett geändert. Delinat beweist, dass es möglich ist, bezahlbare Weine auf allerhöchstem Qualitätsniveau in völliger Harmonie mit der Natur zu erzeugen. Ich glaube, dass jeder Mensch, der für 2 Euro eine Weinflasche kauft, weiss, dass das nicht wirklich sauber produziert sein kann. Aber es wird einfach ausgeblendet, weil am Schluss der Geldbeutel regiert.

Wie viel sollte denn eine Flasche Wein aus deiner Sicht kosten?
Ich habe viel Glück gehabt im Leben, habe aber in meinen Anfängen beim Theater auch mit sehr schmalen Budgets leben müssen. Eine Flasche Wein für 20 Euro aufwärts konnte ich mir schlicht nicht leisten. Das hat sich mittlerweile geändert. Meine Devise heute: lieber ein bisschen weniger und qualitativ hochwertig, als mehr, dafür billig und schlecht. Das ist für meine eigene Gesundheit gut und auch für jene der Natur.

Abgesehen vom Preis: Nach welchen Kriterien wählst du einen Wein aus?
Bis vor Kurzem habe ich Weine aus Traubensorten gekauft, die gerade in Mode sind, die ich kannte und mochte. Ich wusste nicht, dass es weit über 1000 Traubensorten gibt. Ich dachte immer, es gibt nur so 20 bis 30 verschiedene Sorten. Seit ich Delinat kenne, hat sich das radikal geändert, denn mit dem Weinabo lerne ich jetzt ständig neue Sorten und Weine kennen. Es ist für mich eine richtige Entdeckungsreise.

Weintipp Hannes Jaenicke

Weine aus pilzresistenten Sorten kannte ich vor meinem Besuch bei Roland Lenz gar nicht. Am KOO KUU Edelweiss gefallen mir der moderate Alkoholgehalt, das frisch-fruchtige Bukett und die verführerische Süsse am Gaumen.

KOO KUU Edelweiss, Schweizer Landwein 2022

Alle Beiträge der WeinLese 71

Auf ein Glas mit … Franco Supino

Das verheerende Erdbeben rund um Neapel im Jahr 1980 war schuld, dass Franco Supino mit seinen Eltern nicht nach Süditalien zurückkehrte, sondern in der Schweiz Karriere als Hochschullehrer und Schriftsteller machte. Wir trafen ihn in Solothurn und sprachen mit ihm über seinen neuen Roman «Spurlos in Neapel» und seine Weinvorlieben.

Solothurn oder Neapel: Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Franco Supino: An beiden Orten. Neapel war für mich immer ein Teil von Solothurn, weil meine kampanische Familie hier lebte.

Ihre Eltern wollten ursprünglich nicht in der Schweiz bleiben, sondern wieder zurück nach Neapel?
Ja, meine Eltern kamen als Migranten in die Schweiz. Sie kamen nicht, um zu bleiben, sondern, weil sie hier Arbeit fanden. Die Idee war, möglichst rasch ein Grundkapital zu erarbeiten und dann wieder nach Hause zu gehen.

Der Solothurner Schriftsteller Franco Supino entdeckte schon früh das Delinat-Weinabo und lernte so viele verschiedene Bioweine kennen.
Der Solothurner Schriftsteller Franco Supino entdeckte schon früh das Delinat-Weinabo und lernte so viele verschiedene Bioweine kennen.

Die Rückkehr war geplant, als Sie im jugendlichen Alter waren. Haben Sie sich darauf gefreut?
Nein, gar nicht. Ich wurde in der Schweiz geboren, hatte hier meine Freunde, und es gefiel mir gut. Doch meine Eltern wollten unbedingt zurück. Sie hatten in der Nähe von Neapel mit dem Ersparten ein Haus errichtet, und meine Mutter freute sich darauf, ein Business mit handgemachten, frischen Teigwaren aufzubauen.

Dann kam alles anders …
Im November 1980 passierte in der Region um Neapel dieses verheerende Erdbeben, an das sich noch viele Leute – auch aus der Schweiz und Deutschland – erinnern können. Unser Haus, das wir gebaut hatten, war danach nicht mehr bewohnbar, es herrschte eine katastrophale Situation und ein riesiges Chaos. Als Migrant war es naheliegend, in der Schweiz zu bleiben.

Sie wurden dann in der Schweiz Hochschuldozent und Schriftsteller. Was wäre aus Ihnen wohl in Neapel geworden?
Wahrscheinlich wäre ich als Erwachsener wieder weggezogen, wie das viele Leute machen – damals wie heute. Oder vielleicht wäre ich Camorrista geworden, wie der Protagonist in meinem neuen Roman «Spurlos in Neapel» – ich meine das natürlich ironisch.

Wenn man diesen Roman liest, hat man fast ein bisschen das Gefühl, die Mafia von Neapel sei nichts Schlimmes. Haben Sie gewisse Sympathien für die Camorra?
Sympathie ist der falsche Ausdruck. Aber wer dort lebt, bekommt ein gewisses Verständnis dafür, warum die Camorra so schwer zu bekämpfen ist. Wenn der Staat schwach ist, tritt die Mafia in entstehende Nischen und garantiert in gewissen Bereichen Ordnung. Eine Ordnung, die auf Willkür und Gewalt beruht. Deshalb würden die Neapolitaner die Camorra lieber heute als morgen loswerden.

Persönlich
Franco Supino wurde 1965 in Solothurn geboren und wuchs als Kind italienischer Eltern zweisprachig auf. Er studierte an den Universitäten Zürich und Florenz Germanistik und Romanistik. Heute ist er Schriftsteller und Dozent an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz und lebt mit seiner Familie in Solothurn.
Schon als Schüler veröffentlichte Supino erste Texte in Anthologien, Zeitschriften und am Radio. Zwischen 1983 und 1990 verfasste er mehrere Features, Rundfunkerzählungen und ein Hörspiel für das Schweizer Radio DRS. Sein erster Roman «Musica Leggera » erschien 1995. Seither sind fünf weitere erschienen, darunter im vergangenen Jahr «Spurlos in Neapel». Auf seiner Spurensuche in der Heimat seiner Eltern stösst Franco Supino auf den Namen Antonio Esposito. Im Roman verarbeitet er das mögliche Schicksal des gestohlenen Migrantenkinds aus Westafrika, das eine kriminelle Karriere als Camorrista machte und dann spurlos verschwand.
Franco Supino, Spurlos in Neapel, Roman, 2022, Rotpunktverlag, 256 Seiten, ISBN 978-3-85869-958-9

Im Zusammenhang mit ihrem jüngsten Roman sind Sie oft nach Neapel gereist. Was fasziniert Sie an dieser Stadt?
Die Gegensätze. Zum einen ist da der enorme kulturelle Reichtum, zum andern die bittere finanzielle Armut. Hier trifft man auf die grösste Herzlichkeit, aber auch auf die grösste Brutalität, weil es einfach darum geht, zu überleben. Eine völlig andere Welt und doch so nahe.

Einen Schriftsteller stellt man sich auch als Weinliebhaber vor. Wie ist das bei Ihnen?
Das ist auch bei mir so, wobei das primär nichts mit der Schriftstellerei zu tun hat. Die Liebe zum Wein kommt bei mir von Haus aus. Ich war oft mit meinem Grossvater in seinen Reben und seinem Keller unterwegs, wo er seinen eigenen Wein gemacht hat. Auch mein Vater hat seinen eigenen Wein gekeltert.

Regt ein Glas Wein auch Ihre Fantasie beim Schreiben an?
Nein, nein. Ein Glas Wein trinke ich am liebsten am Abend, es macht mich einfach zufrieden. Wein nimmt mir jede Ambition, wichtig und fleissig sein zu wollen.

Wo liegen Ihre Vorlieben?
Eher leichte Weine. Ich mag sehr gerne Pinot Noir oder auch Nebbiolo, Traubensorten, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Aglianico haben, eine Sorte, die in der Region Kampanien zu Hause ist.

Stichwort «Delinat»?
Delinat war und ist der Pionier beim Biowein. Wir hatten schon früh ein Weinabo und haben so viele verschiedene Bioweine kennengelernt.

Wie wichtig ist Ihnen eine nachhaltige Produktion?
Wein muss in erster Linie schmecken. Aber Nachhaltigkeit ist bei mir klar ein wichtiges Kriterium. Heute gibt es zum Glück eine grosse Auswahl an solchen Tropfen, die geschmacklich überzeugen. Mich interessieren auch neuartige Weine wie Vin naturel oder Weine aus neuen, robusten Sorten, die nicht mehr gespritzt werden müssen. Ich glaube, solchen Weinen gehört die Zukunft.

Weintipp Franco Supino

In Süditalien trinke ich am liebsten einen Weisswein, weil hier die Rotweine in der Regel zu warm serviert werden. Ich bevorzuge Weine aus regionalen Sorten. Der Rasula vom Weingut Maggio ist ein fruchtig-mineralischer Tropfen aus der klassischen sizilianischen Sorte Grillo. Ein erfrischender, eleganter Weisswein!

Rasula Grillo
Sicilia DOP 2022
www.delinat.com/grillo-zibibbo

Lust auf Neapel und Süditalien?
Kommen Sie mit auf unsere Weinund Genussreise im September 2023.
www.delinat.com/weinreisen

Alle Beiträge der WeinLese 70:

Auf ein Glas mit … Katharina Beck

Seit 2021 ist die grüne Politikerin Katharina Beck (40) Mitglied des Deutschen Bundestags. Wir trafen die ausgewiesene Sustainable-Finance-Expertin und Delinat-Weinliebhaberin in Hamburg an einem heissen Sommertag zum Interview bei einem Glas Wein.

Frau Beck, wie war Ihr Sommer?
Katharina Beck: Es war ein Sommer mit Wohnungsumgestaltung, ein bisschen Urlaub, viel politischer Arbeit, zum Beispiel zum dritten Entlastungspaket, und dem Schreiben eines Buchs. Mit dem Buch habe ich zusammen mit einem Kollegen schon vor zwei Jahren angefangen. Es ist ein Werk über konsequent nachhaltiges Wirtschaften, das wir nun finalisiert haben.

Katharina Beck lebte eine Zeit lang in St. Gallen und hatte eine gute Zeit mit Delinat-Weindegustationen.
Katharina Beck lebte eine Zeit lang in St. Gallen und hatte eine gute Zeit mit Delinat-Weindegustationen.

Europaweit war es ein Sommer, der bezüglich Klimawandel Angstgefühle weckt: Ist die Welt noch zu retten?
Ich bin jetzt 40 Jahre alt und habe vielleicht nochmals etwa so viele Jahre vor mir. Ich kann mich von negativen Schlagzeilen und Entwicklungen erschlagen lassen und resignieren oder aber sie erkennen und dann meine Energie nutzen und mich für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen. Ich habe mich für das Zweite entschieden und möchte mit meiner politischen Arbeit einen Beitrag leisten für eine gesellschaftliche Entwicklung, die positiv ist.

Klimaschutz ist schon lange ein Thema, wird aber von anderen Themen wie Pandemie und Krieg immer wieder verdrängt. Was tun?
Wir wissen heute, dass sich der Klimawandel auch bei uns schon viel früher auswirkt, als wir lange Zeit angenommen haben. Einfach alles mit Geld zu reparieren, funktioniert nicht. Wir brauchen einen anderen Bezug zu unseren planetaren Grenzen. Wir müssen unser Wirken global und national so ausrichten, dass die Wertigkeit der Natur gebührend mit einbezogen wird. Sonst erreichen wir eine positive Zukunftsvision für die bald acht, neun, zehn Milliarden Menschen weltweit nicht. Ganz grundsätzlich wünsche ich mir ein besseres Verständnis des Systems, wie Mensch und Natur im Einklang funktionieren.

Persönlich
Katharina Beck, geboren 1982 in Düsseldorf, wuchs in Duisburg als Tochter einer Opernsängerin und eines Diplom-Ingenieurs auf. Die Ursprünge ihrer Familie liegen im Bäckerhandwerk. Katharina Beck studierte zwischen 2001 und 2007 in Köln und Tucumán Diplom-Regionalwissenschaften mit Schwerpunkt Lateinamerika. Darüber hinaus absolvierte sie von 2012 bis 2014 ein Fernstudium zur Finanzbetriebswirtin und schloss Weiterbildungen in «Leadership», «Sustainability» und «Executive Management » mitunter an der University of Yale und der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin ab. Seit 2011 lebt sie in Hamburg und seit 2021 auch in Berlin. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Seit 2021 ist sie als grüne Politikerin Mitglied des Deutschen Bundestags und dort stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses und finanzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Schönes geniessen, Freunde und Gespräche, Berge erklimmen, Musik hören und machen, über die Nordsee surfen, Bücher und Filme erkunden, Tischtennis spielen und Yoga gehören zu ihren Vorlieben in der Freizeit.

Umdenken ist das eine, handeln das andere …
Ja, es braucht auch Neuregulierungen und konkrete Massnahmen, um in die angestrebte Richtung zu gehen. Es gibt zudem neue Technologien, die wir nutzen müssen. Eine davon zeigt, wie wir mit viel weniger Wasser klarkommen, als wir uns bisher gewohnt sind. Ich möchte ein Beispiel aus Israel erwähnen, wo in der Wüste dank klugen Befeuchtungsanlagen und Speichersystemen Erdbeeren gedeihen. Landwirtschaft in der Dürre – auch das kann funktionieren. Weltweiter Technologietransfer hilft uns bei neuen, innovativen Lösungen weiter.

Delinat propagiert seit Jahrzehnten einen Bioweinbau mit reicher Biodiversität, robusten Rebsorten und Permakultur. Gleichwohl dominiert weltweit noch immer industrieller Weinbau mit Monokultur und Chemiekeule. Weshalb ist das so?
Mit Kreislaufwirtschaft und Permakultur beschäftige mich ebenfalls intensiv. Permakultur halte ich für die bodenproduktivste Anbaumethode. Sie ist sogar deutlich produktiver als industrielle Anlagen. Bezüglich Ertragsmenge und Nahrungsproduktion für die ganze Weltbevölkerung ist Permakultur also bestens geeignet. Zusätzlich stärkt sie die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten. Das Problem ist, dass viele Leute gar nicht verstehen, was Permakultur ist. Manche denken dabei eher an «Permafrost». Dass es aber eine tolle, vielfältige und ertragsreiche Anbaumethode im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist, wissen die wenigsten.

Ihre erste Begegnung mit Delinat?
Ich habe 2008/2009 in St. Gallen gelebt und war dort mit einem Menschen aus der Delinat-Marketingabteilung zusammen. Es war eine sehr schöne Zeit mit spannenden Weinverkostungen. Als ich dann nach Köln gezogen bin, habe ich den DegustierService abonniert. Das blieb auch so, als ich weiter nach Hamburg gezogen bin. Ich kenne Delinat also schon recht lange.

Kommt Ihre Beziehung zu Wein aus dieser Zeit oder war das schon vorher ein Thema?
Wein fand ich schon immer ein spannendes Thema. Mein Vater ist ein Weingeniesser, er hat mich und meine Schwester für Wein sensibilisiert und wohl insgeheim sogar davon geträumt, dass eine von uns Önologie studieren würde. Daraus ist dann aber nichts geworden. Wein ist für mich ein Genuss- und Kulturgut, das ich mir nicht jeden Tag gönne. Seit vielen Jahren aber kaufe ich aus Überzeugung biologischen Wein.

Weintipp Katharina Beck

Der La Tradition de Beaurenard der Familie Coulon aus Südfrankreich hat eine wunderbare Samtigkeit und Tiefe. Er passt exzellent zur Adventsund Weihnachtszeit.

La Tradition de Beaurenard
Rasteau AOP 2019
www.delinat.com/tradition-beaurenard

Auf ein Glas mit … Rebecca Clopath

Naturköchin Rebecca Clopath (34) kocht auf ihrem abgelegenen Biobauernhof Taratsch im Bündner Bergdorf Lohn mithilfe der Natur auf Sterne-Niveau. Wir unterhielten uns mit ihr bei einem Glas Wein über kulinarische Erlebnisse, die sie ihren Gästen in Form von Esswahrnehmungen anbietet.

Sie kommen gerade von einer Weiterbildung aus Dänemark zurück. Was kann eine gestandene, hochgelobte Schweizer Naturköchin dort noch lernen?
Rebecca Clopath: Man kann immer noch was dazulernen. Ich habe vier Wochen in einem Restaurant eines Freundes mitgearbeitet. Kochtechnisch ist für mich hier nicht gerade die Sonne aufgegangen. Aber ich bin ja nicht nur Köchin, sondern auch Unternehmerin. Neues zu sehen und Einblick in andere Strukturen zu haben, ist immer wertvoll.

Wollten Sie schon immer Köchin werden?
Ich habe immer gerne gut gegessen. Meine Mutter hat super fein gekocht und mir das Kochen beigebracht. Mit 14 hatte ich bereits meine Lehrstelle, sodass ich dann nach der Schule eine Ausbildung zur Köchin beim bekannten «Chrüter-Oski» in der Moospinte in Münchenbuchsee machen konnte.

Biobäuerin und Naturköchin Rebecca Clopath: «Ich finde es immer spannend, Wein mit Essen zu kombinieren.»
Biobäuerin und Naturköchin Rebecca Clopath: «Ich finde es immer spannend, Wein mit Essen zu kombinieren.»

Kochlehre bei Oskar Marti, später Köchin beim «Hexer» Stefan Wiesner im Entlebuch. Wie stark haben Sie diese beiden Spitzenköche, die in der Schweiz für gehobene Naturküche stehen, beeinflusst?
Das Interesse an der Natur wurde bei mir schon als Kind geweckt. Wir hatten keinen Fernseher, ich war viel draussen in der Natur, und meine Mutter hat vor allem mit Produkten vom eigenen Hof und Garten gekocht. Oskar Marti war damals für seine Kräuterküche bekannt. Deshalb habe ich mich beworben und bekam die Lehrstelle. Dort wurde das Interesse, mit saisonalen Produkten aus der Natur zu kochen, noch grösser. Später konnte ich das dann bei Stefan Wiesner in einer ganz neuen Art vertiefen und weiter ausleben.

Wie stark ist Ihre Küche von der Philosophie von Stefan Wiesner geprägt?
Stefan Wiesner ist ein Philosoph, ein Alchemist, ein Künstler. Das Kochen ist für ihn vor allem ein Ventil. Ich bin von ganzem Herzen Köchin. Mich interessiert, was geschmacklich auf dem Teller landet. Ich arbeitete ausschliesslich mit regionalen, biologischen Produkten, auch bei den Gewürzen. Aber natürlich bin ich geprägt von Wiesners Ansichten, weil seine Inputs, wie man die Parfümerie oder die Alchemie in die Küche integrieren kann, sehr spannend sind.

Bio und regional, das ist Ihr Markenzeichen?
Genau. Es geht mir aber nicht darum, die Globalisierung in der Küche zu verteufeln, sondern ich möchte zeigen, dass es bei uns fantastische Produzenten gibt, die viel Biodiversität in die Landschaft und verschiedene Geschmäcker auf den Teller bringen.»

Ist es der bessere Geschmack oder eher die Nachhaltigkeit, die für Bio-Produkte sprechen?
In erster Linie ist es für mich der Respekt vor der Natur, den ein biologischer Anbau mit sich bringen sollte und dies im Normalfall auch tut. Wir dürfen auf diesem Erdball leben und sollten dafür dankbar sein. Diese Überzeugung lebe ich. Gleichzeitig bin ich aber schon auch der Meinung, dass biologische Produkte geschmacklich besser sind.

Persönlich
Rebecca Clopath, Jahrgang 1988, ist auf dem Biohof Taratsch im Bergdorf Lohn in Graubünden aufgewachsen. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zur Naturküche. Nach Lehr- und Wanderjahren bei den bekannten Naturköchen Oskar Marti in Münchenbuchsee und Stefan Wiesner in Escholzmatt kehrte sie in ihre Heimat zurück und übernahm den elterlichen Biohof Taratsch. Hier begann sie, als Biobäuerin und Naturköchin Landwirtschaft und Kulinarik zu kombinieren. Aus regionalen und biologischen Rohstoffen stellt sie viele verschiedene Produkte her und bietet Esswahrnehmungen in Form von Mehrgangmenüs an. In Chur führt sie zusammen mit Romina Crameri den Feinkostladen Cramerei, wo ihre eigenen, aber auch andere Bioprodukte aus der Region angeboten werden.
www.rebecca-clopath.ch

Sie kochen nicht in einem Gourmettempel, sondern bieten auf Ihrem Biohof sogenannte Esswahrnehmungen an. Was ist darunter zu verstehen?
Fast alles, was wir als Biobauern auf unserem Hof produzieren und in der Natur an Essbarem finden, verarbeiten wir in der Küche zu feinen Gerichten. Weil Gourmetküche und Sternerestaurant nicht so mein Ding sind und auch nicht in unsere Umgebung passen würden, habe ich das Konzept der Esswahrnehmung entwickelt. Es geht darum, den Leuten ein kulinarisches Erlebnis mit fein komponierten Kreationen und spannenden Geschichten aus der alpinen Region zu bieten. Die Gäste sollen bewusst wahrnehmen können, wie das, was auf dem Teller präsentiert wird, entsteht, woher es kommt und welche Prozesse dahinterstecken.

Welche Beziehung haben Sie zu Wein?
Wein war für mich als Köchin recht lange Zeit kein sehr grosses Thema. Ich habe zwar immer gerne Wein getrunken und fand es auch immer spannend, Wein mit Essen zu kombinieren. Aber Hintergrundwissen zu Traubensorten oder Anbaumethoden war für mich lange Zeit sekundär. Heute beschäftige ich mich jedoch intensiver damit. Wie beim Essen beschränken wir uns auch beim Wein auf die alpine Region, womöglich aus biologischem Anbau.

Welchen Traum haben Sie, den Sie noch verwirklichen möchten?
Ganz viele, aber alles ist noch sehr vage. Vorerst sind wir am das Stabilisieren, was wir hier auf unserem Biohof in Lohn aufgebaut haben. Das heisst, wir sind zurzeit in einer sehr intensiven Planungsphase.

Weintipp von Rebecca Clopath

Von drei Delinat-Weinen, die ich kürzlich gemeinsam mit Freunden degustiert habe, hat sich der Südfranzose Les Hirondelles vom Château Duvivier als Favorit herauskristallisiert. Mit Luft und Zeit ein wunderbarer Wein zu einem schönen Mittag- oder Abendessen mit Freunden.

Duvivier Les Hirondelles
Pays du Var IGP 2019
www.delinat.com/1050.19

Auf ein Glas mit … Daniela Barthel

Die Berliner Rezeptentwicklerin und Foodbloggerin Daniela Barthel propagiert eine gesunde vegane Küche und liebt Delinat-Weine. Wir unterhielten uns mit ihr über die fleischlose Küche, ihre Backkunst und den konsequent ökologischen Weinbau.

Ein grosses Stück Fleisch auf dem Teller – eine Horrorvorstellung für dich?
Ich esse bereits seit über zwanzig Jahren kein Fleisch mehr. Ich glaube, dass ich die Frage überhaupt nicht mehr neutral bewerten kann. Essen könnte ich es definitiv nicht mehr!

Weshalb hast du dich der veganen Ernährungsweise verschrieben?
Das hatte mehrere Gründe: Zum einen wollte ich kein Tierleid und die damit einhergehende Ressourcenverschwendung unseres Planeten mehr unterstützen. Zum anderen ging es mir um eine gesunde und ausgewogene Ernährung, die sich für meine Familie gut im Alltag umsetzen lässt. Wir leben mittlerweile seit mehr als zehn Jahren vegan und sind um viele Geschmackskomponenten und Gerichte reicher geworden. Sich vegan zu ernähren, bedeutet keinesfalls Verzicht.

«Wir leben seit mehr als zehn Jahren vegan und sind um viele
Geschmackskomponenten und Gerichte reicher geworden.»

Ist eine ausgeglichene, gesunde Ernährung mit veganen Gerichten überhaupt möglich?
Definitiv! Viele Menschen denken bei einer veganen Ernährung nur an Salat und Gemüse. Es gibt aber so viele leckere Dinge, die ich in unsere Ernährung einbaue, wie zum Beispiel Quinoa, Linsen, Jackfruit, Tempeh usw. Seit meiner veganen Lebensweise lasse ich alle zwei Jahre meine Blutwerte checken und bin nie im Mangel.

Daniela Barthel, vegane Foodbloggerin
Daniela Barthel macht mit ihren vielseitigen Rezepten Lust auf vegane Küche und Gebäck.

Wie kompensierst du mögliche Mängel an Nährstoffen, Vitaminen oder Proteinen?
Ich habe in den letzten Jahren viel gelesen und mich informiert. Bei uns stehen viel frisches Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und hochwertige Kohlenhydrate auf dem Speiseplan. Wer meinen Blog kennt, der sieht auch, dass bei uns der Genuss im Vordergrund steht. Leckere Kuchen, Kekse & Co. gibt es nämlich auch … An Nahrungsergänzungsmitteln nehme ich Vitamin B12 und Vitamin D. Allerdings haben hier auch Omnivore und Vegetarier häufig zu niedrige Werte.

Wie kommst du zu deinen Rezepten?
Ich lasse mich sehr gerne inspirieren! Wenn ich samstags über den Wochenmarkt schlendere und das saisonale Obst und Gemüse sehe, habe ich oft einen Gedankenblitz und sofort eine Idee für ein Gericht oder ein Kuchenrezept. Auch gibt es über Instagram und Pinterest viele Ideen, die mich zu eigenen Kreationen inspirieren. Ich habe ein ganzes Notizbuch voll mit Ideen, die alle mal umgesetzt werden möchten. Vielleicht sollte ich mal ein Backbuch herausbringen.

«Delinat zeigt, dass ein ganzheitliches Zusammenspiel
von Natur und Unternehmertum möglich ist.»

Alle Delinat-Weine sind vegan. Ist das der Grund, weshalb man auf deinem Blog neben einer grossen Vielfalt von veganen Rezepten auch immer wieder der Philosophie und den Weinen von Delinat begegnet?
Die Zusammenarbeit ist eine grosse Bereicherung für meine Leser und auch für mich selbst. Ich habe bisher so wundervolle Weine kennengelernt, mit denen ich aromatische Gerichte kreieren durfte. Es ist schön, immer weiter in die Delinat-Welt einzutauchen, mehr über Biodiversität zu erfahren und zu sehen, wie viele Winzer bereits mehr und mehr im Zusammenspiel mit der Natur ihre Weine anbauen.

Persönlich

Daniela Barthel ist Foodfotografin und Rezeptentwicklerin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Berlin. Auf ihrem Foodblog gluecksgenuss.de gibt sie Einblick in eine grosse Vielfalt von einfachen und gesunden Gerichten aus frischen und regionalen Zutaten. Diese lassen sich leicht nachkochen und bieten einen Einblick in die abwechslungsreiche vegane Küche. Ihre grosse Leidenschaft gilt dem Backen. Bereits als junges Mädel stand sie mit ihrer Oma in der Küche und kreierte leckere Kuchen, dekorierte Kekse und kochte saisonales Obst und Gemüse ein. Das ist bis heute so geblieben. Ihre Hobbys sind Reisen, Lesen und Yoga.

Wie ist es zu dieser Partnerschaft gekommen?
Anfang letzten Jahres kam von Delinat die Anfrage für eine Zusammenarbeit. Die Kombination von leckeren, veganen Gerichten und Backkreationen mit euren hochwertigen Weinen passte perfekt, sodass wir von beiden Seiten Lust hatten, die Ideen umzusetzen. Bis heute entstehen monatlich wundervolle Rezeptideen, Interviews und Einblicke, die eure und meine Welt miteinander verbinden.

Was gefällt dir besonders gut an Delinat?
Ich mag die gelebte Unternehmensphilosophie, den bewussten Umgang mit der Natur, die leckeren Weine und vor allem die Liebe, die man in jedem Detail findet. Delinat zeigt, dass ein ganzheitliches Zusammenspiel von Natur und Unternehmertum möglich ist. Da können sich viele Unternehmen ein Beispiel daran nehmen.

Deine grosse Leidenschaft gehört dem Backen. Welche Leckereien kommen bei euch an Weihnachten auf den Tisch?
Ich liebe die Weihnachtszeit, weshalb ich bereits im November schon am Plätzchen- und Keksebacken bin. Auch mein Mann und der Sohnemann sind richtige Weihnachtselfen – es ist unsere liebste Zeit des Jahres. An Heiligabend gibt es bei uns ganz klassisch Knödel mit Jackfrucht-Gulasch (Rezept ist auf dem Blog zu finden) und Rotkohl. Als Dessert meist mein Spekulatius-Tiramisu oder Vanilleeis mit Rotweinpflaumen.

In diesem Magazin ist Schaumwein das Schwerpunktthema: Verrätst du uns deine Lieblings- Speisekombination mit Schaumwein?
Da fällt mir spontan der geeiste Pfirsich-Bellini ein, den ich letzten Monat zubereitet habe. Es ist definitiv mein persönlicher Sommerdrink dieses Jahr gewesen.

Weintipp Daniela Barthel

Mein Lieblingswein ist der Riesling Herrenberg vom Weingut Pflüger in der Pfalz. Ein wundervoll aromatischer Weisswein, der mit seinen fruchtigen Komponenten besticht und für mich der perfekte Wein zu einem leichten Essen ist.

Pflüger Riesling Ungsteiner Herrenberg
Deutscher Qualitätswein, Pfalz 2020
www.delinat.com/5321.20

Hier finden Sie alle Beiträge der WeinLese 64:

Auf ein Glas mit … Andreas Bosshard

Das Schweizervolk hat sich im Juni gegen zwei Agrarinitiativen ausgesprochen, die ein Bioland Schweiz ohne Pestizide zum Ziel hatten. Wir sprachen mit Andreas Bosshard, dem langjährigen Geschäftsführer von Vision Landwirtschaft, einer Denkwerkstatt unabhängiger Agrarfachleute, über die Gründe, die zum Nein geführt haben, und die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft.

Andreas Bosshard, Geschäftsführer von Vision Landwirtschaft

Für Naturfreunde war der 13. Juni 2021 in der Schweiz kein Tag, um die Korken knallen zu lassen. Hatten Sie einen Champagner kühl gestellt?
Andreas Bosshard: Es wäre ein Wunder gewesen, wenn die beiden Agrarinitiativen angenommen worden wären angesichts einer Mobilisierung der Gegnerschaft, wie sie die Schweiz bisher kaum je gesehen hat bei einer Abstimmung. Die Agrarmedien haben unisono und während Monaten mit allen Mitteln in der Bauernschaft massive Ängste geschürt. Das hat gewirkt, die Bäuerinnen und Bauern haben sich in einem unglaublichen Ausmass gegen die Initiativen engagiert. Das Land wurde geradezu überkleistert mit Nein-Plakaten. Keine andere Branche hat in der Schweiz auch nur annähernd so viel Werbefläche zur Verfügung wie die Landwirtschaft. Aber auch in den Zeitungen waren weit mehr Nein-Inserate geschaltet, finanziert durch viel Geld vor allem aus der Agrarindustrie. Kommt dazu, dass vor allem die Gegnerschaft Falschbehauptungen zu den Auswirkungen der Initiativen in die Welt gesetzt hat, was das Zeug hielt. Die Demokratie kam hier an eine Grenze. Ein unbedarfter Bürger hatte keine Chance, die Fake Facts und die Angstmacherei zu durchschauen.

«Die Bewusstseinsbildung, welche die beiden Initiativen auslösten, war viel grösser, als ich mir je erträumt hätte.»

Wie beurteilen Sie das Abstimmungsergebnis?
Angesichts der extremen Nein-Mobilisierung ist ein Ja-Anteil von 40 Prozent sehr beachtlich. Für mich steht aber nicht der Ja-Stimmen-Anteil im Vordergrund, sondern die Bewusstseinsbildung, welche die beiden Initiativen auslösten. Diese war viel grösser, als ich mir je erträumt hätte. Über mehrere Jahre wurde fast wöchentlich mehrmals über die Anliegen und die Themen der Initiativen in den Medien berichtet, und es gab während der letzten zwei Jahre kaum eine bäuerliche Veranstaltung, an der die Anliegen der Initiativen nicht hitzig diskutiert wurden. Heute wissen die ganze Bauernschaft und ein Grossteil der Bevölkerung, dass wir vielfältige Probleme mit Pestiziden haben, mit überhöhten Tierbeständen, mit einer über weite Strecken nicht nachhaltigen, vor allem für die Bäuerinnen und Bauern selber oft ungesunden Landwirtschaft.

Persönlich
Andreas Bosshard studierte Naturwissenschaften an der ETH Zürich und doktorierte an der landwirtschaftliche Forschungsanstalt Zürich-Reckenholz. Als Betriebshelfer und als Alpsenn lernte er zahlreiche Bauern- und Alpbetriebe im In- und Ausland kennen. Heute ist er Mitbewirtschafter eines Biobetriebs und Inhaber eines Planungs- und Forschungsbüros. Er hat zwei erwachsene Kinder.

Wie erklären Sie sich, dass eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung weiterhin bereit ist, Steuergelder in eine Landwirtschaft zu investieren, die der Natur schadet?
Niemand legte ein Nein in die Urne, weil er oder sie weiterhin eine umweltschädliche Landwirtschaft subventionieren will. Leider ist es den Initiativgegnern gelungen, die Mehrheit davon zu überzeugen, dass die Initiativen radikal seien und letztlich die Umweltschäden ins Ausland verlagern würden. Dass an erster Stelle dieses Argument verfing, zeigte eine repräsentative Umfrage. Das bedeutet, dass der Bevölkerung der Umweltaspekt wichtig ist, dass man sie aber glauben machen konnte, die von den Initiativen vorgeschlagenen Massnahmen seien nicht der richtige Weg.

Die Trinkwasserinitiative zielte mit Anreizen statt Verboten auf eine pestizidfreie Landwirtschaft ab. Eigentlich ein sympathischer Ansatz. Wo sehen Sie die Gründe für das Nein?
Das ist nicht nur ein sympathischer, sondern ein sehr logischer Ansatz, der zweifellos mehrheitsfähig ist. Umfragen zeigten wie erwähnt, dass die Mehrheit davon ausging, die vorgeschlagene Art der Umverteilung sei zu radikal und führe letztlich zur gegenteiligen Wirkung. Diesem Argument hat eine äusserst fragwürdige Studie der Bundesforschungsanstalt Agroscope Vorschub geleistet. Agroscope kam mit einer unhaltbaren Modellierung zum Resultat, dass die Inlandproduktion als Folge der Trinkwasserinitiative massiv zurückgehen und damit die Importe stark ansteigen würden, wodurch insgesamt die Umweltbilanz sogar negativ ausfalle. Dass das niemand will, ist naheliegend.

«Einem Grossteil der Bauern ist klar geworden, dass wir uns mit dem regelmässigen Pestizideinsatz und dem überhöhten Tierbesatz auf einem Holzweg befinden.»

Der Initiativtext hatte tatsächlich ein paar Schwächen, etwa bezüglich Definition von Pestiziden oder der Frage von Futtermittelzukauf. Wurden sie zu Stolpersteinen?
Für das Abstimmungsresultat war die relativ detaillierte Formulierung sicher nicht förderlich. Wichtiger als das Ja-Nein-Verhältnis war aus meiner Sicht aber die Bewusstseinsbildung, welche diese mutigen Formulierungen und Forderungen auslösten. Hätte man im Initiativtext brav von «Pflanzenschutzmitteln» gesprochen, wie das der Bund seit Jahrzehnten ganz nach Wunsch der Agroindustrie macht, und hätte man den Futtermittelzukauf irgendwie zahm und vermeintlich «mehrheitsfähig» in den Initiativtext verpackt, wären all die enorm wichtigen Diskussionen über die Pestizid- und Futtermittelprobleme niemals in dieser Intensität geführt worden. Insofern war das ein cleverer Schachzug der Initianten, der zweifellos viel dazu beigetragen hat, den Boden für unumgängliche und grundlegende Veränderungen in der Zukunft vorzubereiten.

Läuft nun alles so weiter wie bisher?
Ein grundlegender Wandel ist unumkehrbar ins Rollen gebracht worden. Der Boden ist jetzt vorbereitet, auch bei den Bäuerinnen und Bauern. Der Wandel geht nur nicht so rasant, wie sich das viele erhofft hatten (natürlich auch ich).

Sie selber haben inzwischen die Geschäftsführung bei Vision Landwirtschaft abgegeben. Hat das Abstimmungsergebnis diesen Entscheid beeinflusst?
Nein, der Entscheid war schon Monate vorher gefallen.

Werden Sie sich weiterhin für eine pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft engagieren?
Im Gegensatz zur Führung beim Bauernverband ist einem Grossteil der Bäuerinnen und Bauern klar geworden, dass wir uns mit dem regelmässigen Pestizideinsatz und dem überhöhten Tierbesatz auf einem Holzweg befinden. An diesem angestossenen Wandel in der Praxis möchte ich mich in Zukunft stärker beteiligen.

Weintipp Andreas Bosshard

Ich mag einfachere Weine, die zu allen guten bodenständigen Speisen passen. Mein Tipp: Les Cigales von Château Duvivier. Die Weine des Delinat-Forschungsweinguts gefallen mir besonders gut. Zu besonderen Anlässen darf es auch mal eine Flasche Les Muriers sein. Als langjähriger, begeisterter Delinat-Kunde habe ich mich in den Anfangszeiten mit einer Aktie am Château Duvivier beteiligt.

Duvivier Les Cigales
Pays du Var IGP 2020
www.delinat.com/2356.20

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Auf ein Glas mit … Annette Bongartz

Annette Bongartz verfügt über eine feine Nase und einen gut trainierten Gaumen. Wir sprachen mit der Profi-Sensorikerin von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) über die sensorische Beurteilung von Lebensmitteln wie Olivenöl und Wein.

Frau Bongartz, was macht eine Lebensmittel-Sensorikerin?
Annette Bongartz: Lebensmittel mit allen Sinnen prüfen, das heisst. beschreiben oder beurteilen. Aber natürlich tut man dies nicht allein, sondern immer, wenn es um objektive Betrachtungen geht, in einem Panel, bestehend aus produktspezifisch geschulten Prüfpersonen. Sobald es um die Konsumentensicht geht, wird eine grosse Zahl Laien benötigt, die Alter, Geschlecht, Konsumgewohnheiten usw. einer spezifisch definierten Zielgruppe repräsentieren.

Eine absolut objektive Verkostung ist sowohl beim Wein wie beim Olivenöl nur ohne Information und blind möglich.
Eine absolut objektive Verkostung ist sowohl beim Wein wie beim Olivenöl nur ohne Information und blind möglich.

Stimmt es, dass Frauen Männern in Sachen Sensorik überlegen sind?
Ganz pauschal und verallgemeinernd kann man das nicht sagen. Wie so oft steckt aber vielleicht doch ein Kern Wahrheit in der Aussage. In erster Linie sind es aber Ausbildung und regelmässige Trainings unserer Sinnesorgane, die uns zu guten Sensorikerinnen und Sensorikern machen – ganz unabhängig vom Geschlecht. Tatsache ist aber auch, dass rein biologische Grundvoraussetzungen – zumindest was das Riechen angeht – bei Frauen tatsächlich ein bisschen anders sind als bei Männern. Die Anzahl Riechrezeptoren ist bei beiden Geschlechtern etwa gleich, aber Frauen haben nach neueren Erkenntnissen mehr Zellstrukturen/Neuronen, die diese Informationen verarbeiten.

Wie wird man ein guter Weindegustator?
Üben, üben, üben … – wie es auch für jede andere Produktgruppe (Schokolade, Olivenöl, Bier, Tee, Kaffee) gilt. Neben dem intensiven Trainieren der individuellen Sinnesempfindungen ist auch der Austausch mit anderen Verkostern wichtig. Als guter Prüfer oder Weinverkoster muss man sich einen Referenzrahmen schaffen, um Produkte objektivanalytisch einordnen sowie Unterschiede erfassen und darstellen zu können. Gute Möglichkeiten, sich entsprechend aus- und weiterzubilden, sind etwa modulare Kursangebote, wie sie zum Beispiel die ZHAW anbietet (Sensorik-Lizenzen). Oder auch die Delinat-Weinkurse.

Merkt man als Profi-Sensorikerin einen Unterschied zwischen biologischem und konventionellem Wein?
Das ist eine «nette» Frage. Diplomatisch gesagt: Sofern die Weine qualitativ unterschiedlich, das heisst in ihrer geschmacklichen und aromatischen Ausprägung variieren, kann man als ausgebildeter Prüfer sicherlich Unterschiede feststellen und beschreiben. Es ist aber selten so, dass bio anders schmeckt als konventionell. Mögliche Unterschiede liegen wohl eher ausserhalb der Sensorik, das heisst in den Anforderungen an Anbau- und Verarbeitungsprozesse, verborgen.


Persönlich
Annette Bongartz wurde 1968 in Flein bei Heilbronn (Baden-Württemberg) unterhalb eines Weingartens geboren. Nach dem Studium der Ökotrophologie (Haushalts- und Ernährungswissenschaften) an der Technischen Universität München war sie im Bereich Qualitätsmanagement und Produktentwicklung in Deutschland und der Schweiz in Betrieben der Fleischindustrie tätig. 2001 übernahm sie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil den Aufbau der Forschungsgruppe Lebensmittel-Sensorik innerhalb des Studiengangs Lebensmitteltechnologie. Ihre produktbezogenen Schwerpunkte als Leiterin Fachstelle Sensorik am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI) sind Olivenöl und Bier, darüber hinaus auch Schokolade, Kaffee, Tee, Wein. Sie ist verheiratet, wohnt in der Zürcher Weinbaugemeinde Freienstein und verbringt ihre Freizeit gerne mit Hund, Garten, Wandern und Golf.

Macht es einen Unterschied, ob man Wein oder andere Produkte sehend oder blind degustiert?
Oh ja, das Auge isst (und trinkt) mit. Wir kennen alle das Beispiel vom Rot- oder Weisswein, der in schwarzen Verkostungsgläsern gar nicht mehr so einfach unterscheidbar ist. Aber es ist nicht nur die Farbe, die einen Verkoster in seiner Wahrnehmung beeinflussen kann. Da gehören auch Aspekte wie die Form des Glases, die Flaschenform und die Gestaltung einer Etikette dazu, die ja vor allem Informationen zur Güte und zum Qualitätslevel eines Weines liefern und dadurch auch irritieren können. Weitere Aspekte sind Angaben zur Rebsorte, zum Ursprung usw. Eine absolut objektive Verkostung ist sowohl beim Wein wie auch beim Olivenöl nur ohne Information und blind möglich.

Worauf kommt es bei der Degustation von Olivenöl besonders an?
Wie beim Wein sind Ausbildung und regelmässiges Training auch hier das A und O! In der Regel wird bei der Verkostung von Olivenöl zunächst die Güteklasse eruiert. Dies erfolgt mittels eines sogenannten Paneltests (gemäss Vorgaben der EU). Dabei beurteilen mindestens acht ausgebildete Prüfer ein Öl und stellen zunächst fest, ob es fehlerfrei ist. Weiter wird eruiert, wie intensiv die drei Hauptattribute «Fruchtigkeit», «Bitterkeit » und «Schärfe» ausgeprägt sind. Liegt kein Fehler vor und weist ein Öl eine gewisse Fruchtigkeit auf, so ist dieses der höchsten Güteklasse «nativ extra» zuzuordnen. Gleichwohl sind noch grosse Qualitätsunterschiede möglich. Um diese deutlich zu machen, wenden wir an der ZHAW und beim Einsatz des Schweizer Olivenölpanels (SOP) die sogenannte Harmonie-Bewertung an. Dabei handelt es sich um eine validierte Methodik, um die Ausgewogenheit und die Komplexität der Geschmacks- und Aromaausprägung von Olivenölen zu bewerten.

Sind noch immer viele fehlerhafte Olivenöle auf dem Markt?
Das Schweizer Olivenölpanel (SOP), das ich leite, führt regelmässig sensorische Prüfungen von Marktölen durch. Leider können wir aus unserer Erfahrung nicht zu 100 Prozent bestätigen, dass sich keine fehlerhaften Öle auf dem Markt befinden.

Liegt man mit biologischen Olivenölen immer richtig?
Es ist wie beim Wein – es gibt qualitativ hochstehende Bio-Olivenöle ebenso wie schlechte, und es gibt qualitativ hochstehende konventionell hergestellte Olivenöle ebenso wie schlechte. Leider trennt sich aus Sicht der Sensorik die Spreu vom Weizen an anderer Stelle.

Alle Olivenöle in unserem Sortiment finden Sie hier: www.delinat.com/olivenoel

Weintipp Annette Bongartz

Ich bin ein Rotweinfan, mag kräftige Tropfen mit feinen Röstaromen. Ich empfehle den würzig-eleganten Valdega Reserva von der Bodega Quaderna Via aus der spanischen Navarra. Probieren Sie ihn doch mal in Kombination mit einem zartschmelzenden Weichkäse wie Brie de Meaux oder Bresse bleu.

Valdega Reserva
Navarra DO 2015
www.delinat.com/1771.15

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Auf ein Glas mit Hans-Peter Dreier

Delinat legt nicht nur im Weinberg, sondern auch beim Transport grossen Wert auf Ökologie und Nachhaltigkeit. Für die Weintransporte aus den wichtigsten Weinländern Europas besteht eine Zusammenarbeit mit der Dreier AG. Bei einem Glas Wein am Firmensitz in Suhr verriet CEO Hans-Peter Dreier seine Vision von einem nachhaltigen Transport.

Hans-Peter Dreier, welche Beziehung haben Sie zum Wein?
Hans-Peter Dreier: Bei uns hiess es immer: Wer trinkt, fährt nicht! Und weil ich schon in jungen Jahren viel gefahren bin, habe ich zwar schon früh Wein transportiert, aber nicht getrunken. Das hat mir einst bei den französischen und spanischen Fahrern den Spitznamen «Mister Seven Up» eingetragen. Erst etwa mit 40 Jahren habe ich dann angefangen, gelegentlich Wein zu trinken. Heute schätze ich ein Glas guten Wein. Etwas Alltägliches ist es für mich aber auch heute nicht.

Als grosser Transport- und Logistikunternehmer sind Sie wohl oft mit dem Image eines Umweltverpesters konfrontiert. Wie gehen Sie damit um?
Der umweltfreundlichste Transport ist der Nichttransport. Nur hat in diesem Fall der Konsument nichts auf dem Tisch. Wir transportieren ja nur, was verlangt wird, und das möglichst ökologisch. Bereits 1988 haben wir mit dem kombinierten Verkehr Strasse/Schiene begonnen, deshalb trifft uns kein negatives Image.

Dreier AG: Transport auf der Schiene

Sie betonen, Dreier sei ökologisch unterwegs. Was heisst das konkret?
Wir verwenden gerne das Wort «ökologistisch». Wir arbeiten nach dem Grundsatz: kurze Strecken auf der Strasse, lange Strecken auf der Schiene! Wo immer möglich und machbar setzen wir auf die Bahn. Das gilt auch auf relativ kurzen Strecken innerhalb der Schweiz. Gleichzeitig achten wir bei unseren Fahrzeugen auf neuste Technologie. Da sind in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte gemacht worden. Ökologie ist für uns kein Marketing-Gag, wir haben sie seit 1988 in unserer DNA.

«Bis 2025 dürften in der Schweiz über
1000 Wasserstoff-LKWs unterwegs sein.»

Delinat hat die Dreier AG als Transporteur ausgewählt, weil das Unternehmen für die wichtigsten Weinländer auf den kombinierten Verkehr setzt. Heute funktioniert diese Art des Transports international nur noch mit Italien und Deutschland. Weshalb mit Spanien und Frankreich nicht mehr?
Früher hatten wir Bahnverbindungen über Frankreich nach Spanien. Das ist seit Jahren leider nicht mehr der Fall. Es begann mit einem Lokführer- oder Lokmangel in Frankreich. Dann brachen mit der Finanzkrise 2009 Volumen weg. Es hat aber auch mit dem geänderten Warenfluss zu tun. Von der Schweiz wird nur noch wenig Ware nach Spanien exportiert, was dazu geführt hat, dass der kombinierte Verkehr plötzlich nicht mehr angeboten wurde. In Deutschland und Italien ist dieses Angebot viel besser ausgebaut und die Qualität stimmt.

Hans-Peter Dreier, CEO Dreier AG
Transportunternehmer Hans-Peter Dreier setzt auf den kombinierten Verkehr Strasse/Schiene. Für lange Transporte auf der Strasse sieht er die Zukunft bei Wasserstofffahrzeugen.

Persönlich
Hans-Peter Dreier (Jahrgang 1960) ist in Suhr AG geboren und aufgewachsen. Nach einer kaufmännischen Lehre und mehreren Auslandaufenthalten hat er in Olten Betriebswirtschaft studiert.

1985 ist er ins Familienunternehmen eingestiegen. Seit 1994 führt er die Dreier AG. Für das ökologisch ausgerichtete Transport- und Logistikunternehmen aus Suhr sind an verschiedenen Standorten in Europa und Nordafrika über 600 Mitarbeitende sowie 290 LKW und 650 Wechselbrücken im Einsatz. Für Delinat transportiert das Unternehmen Weine von Winzern in Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland via Schiene und Strasse ins Zentrallager in Grenzach.

Hans-Peter Dreier ist mit seiner langjährigen Partnerin verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. In seiner Freizeit unternimmt er gerne Reisen in unterschiedliche Länder oder ist in den Schweizer Bergen unterwegs.

Die Ansprüche von Delinat an Logistik und Transport wachsen ständig. Wohin geht die Reise in diesen Bereichen?
Die Motorentechnologie für den Strassentransport ist schon weit fortgeschritten, geht aber noch weiter. Die zulässigen Schadstoffwerte werden immer stärker gesenkt, aber irgendwann ist das Potenzial bei Verbrennungsmotoren ausgeschöpft. Als Alternativen gibt es heute zwei Tendenzen. Zum einen kommen Elektrofahrzeuge auf den Markt. Die Herausforderung sind hier die derzeit eher bescheidenen Reichweiten. Elektro-LKWs werden sich in den nächsten Jahren vor allem im Bereich der Citylogistik mit Tagesdistanzen bis zu 300 Kilometern durchsetzen. Im Langstreckenbereich sehe ich einen Durchbruch bis Ende Jahrzehnt eher bei der Wasserstofftechnologie. Diese erlaubt einen CO2-neutralen Transport. Der Start in der Schweiz ist mit ersten immatrikulierten LKWs gelungen. Bis 2025 dürften über 1000 Wasserstoff-LKWs unterwegs sein.

Ist ein Umstieg der ganzen Fahrzeugflotte auf diese neuen Technologien für eine Transport- und Logistikfirma überhaupt verkraftbar?
Bei uns ist es so, dass wir jedes Jahr mindestens 30 Fahrzeuge ersetzen müssen. Das geschieht immer durch Fahrzeuge, die ökologische Bestwerte erzielen. Eine Flottenerneuerung geschieht nicht von einem Tag auf den andern, sondern ist ein ständiger Prozess. Wichtig ist aber auch, dass zum Beispiel Wasserstofffahrzeuge, deren Technologie heute noch sehr teuer ist, vorderhand von Schwerverkehrsabgaben befreit bleiben, damit sich ein Umstieg finanzieren lässt, bis es Standardfahrzeuge sind.

Eine Vision, wie die Delinat-Weine im Jahr 2030 von den Winzern zu den Konsumenten gelangen könnten?
Persönlich hoffe ich, dass der kombinierte Verkehr zu einem adäquaten Preis so vielfältig ist, dass alle Länder Europas miteinander verbunden sind. Sollte diese Vision nicht klappen, streben wir mit Wasserstofffahrzeugen einen CO2-neutralen Transport an.

Bei welchen Gelegenheiten öffnen Sie eine gute Flasche?
Im Freundeskreis, in genussvollen Momenten, bei einem schönen Essen im privaten Kreis.

Wo liegen Ihre Präferenzen?
Ich mag vor allem gehaltvolle spanische Rotweine.

Wie gut kennen Sie die Delinat-Weine und wie gefallen sie Ihnen?
Mein Vater ist mehr Weinkenner als ich. Er kennt das Delinat-Sortiment gut und nutzt es auch gerne für Kundengeschenke. Die Feedbacks sind immer sehr positiv. Also greifen wir selber ebenfalls gerne auf solche Tropfen zurück.

Weintipp von Hans-Peter Dreier

Albet i Noya Reserva Marti

Durch meine früheren LKW-Fahrten nach Spanien ist eine spezielle Beziehung zu diesem Land und seinen Weinen geblieben. Der Reserva Martí ist samtig weich und überzeugt durch schöne Fruchtnoten. Dieser Wein harmoniert für mich auch gut mit einem Stück Schweizer Schokolade. Eine wunderbare Symbiose Spanien/Schweiz. Was will man mehr?

Albet i Noya Reserva Martí
Penedès DO 2015
www.delinat.com/albet-i-noya-reserva-marti

Auf ein Glas dem Erfinder des Cradle-to-Cradle-Konzepts

Ein wirtschaftliches Produktionssystem, das keinen Abfall produziert. Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege) strebt den perfekten natürlichen Kreislauf an. Wir sprachen mit dem Erfinder Michael Braungart aus Hamburg über das revolutionäre Konzept, die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und eine mögliche Anwendung im Weinbau.

Cradle to Cradle steht für den perfekten natürlichen Kreislauf ohne Abfall. Wie soll das funktionieren?
Michael Braungart: Cradle to Cradle steht für zwei Kreisläufe: einen biologischen Kreislauf für Verbrauchsprodukte und einen technischen Kreislauf für Gebrauchsprodukte. Die Natur kennt keinen Abfall. Trotz seiner Intelligenz ist der Mensch das einzige Lebewesen, das Müll produziert. Das müssen wir ändern. Deshalb muss alles nochmals neu erfunden werden.

Wie soll das gehen?
Eigentlich ist es ganz einfach. Man entwickelt alle Dinge so, dass sie ein biologisches System unterstützen. Alle Zutaten werden so ausgesucht, dass sie zu Kompost werden und in biologische Kreisläufe (Biosphäre) zurückgehen können. Oder aber, da wir ja nicht einfach nur wie Ameisen leben, sondern auch Waschmaschinen, Fernseher und Computer haben wollen, entwickelt man technische Geräte so, dass sie in einen technischen Kreislauf (Technosphäre) geführt werden können. Wir müssen unsere Intelligenz in die Produktgestaltung und nicht in nachgeschaltete Einrichtungen wie Klär- und Kehrrichtverbrennungsanlagen stecken. Dann werden die Produkte nicht nur besser, sondern auch kostengünstiger.

Cradle to Cradle Erfinder Michael Braungart
Geht es nach Professor Michael Braungart, leben wir 2050 in einer Welt ohne Abfall.

Existieren denn bereits solche Neuerfindungen?
Wir beschäftigen uns seit Anfang der 1990er mit der Neugestaltung von Produkten. Eines der ersten Cradle-to-Cradle-Produkte ist in Heerbrugg in der Nähe von St. Gallen entstanden. Das sind kompostierbare, quasi essbare Möbelbezüge, die bis heute erfolgreich auf dem Markt sind. Wir haben dafür nur ungiftige Zutaten verwendet, die man theoretisch auch essen könnte. Die Möbelbezüge kommen aber in ihrem zweiten Leben als Nährstoffe, zum Beispiel als Torfersatz in Gärtnereien, zum Einsatz.

«Wir müssen alles nochmals neu erfinden.»

Cradle to Cradle ist nur wenigen Leuten ein Begriff. Weshalb setzt sich Ihr Konzept nicht schneller durch?
Ich bin völlig überrascht, wie schnell es sich durchsetzt. Es gibt weltweit schon 11‘000 Cradle-to-Cradle-Produkte. In Ländern mit einer fast perfekten Müllindustrie setzt sich unser Konzept natürlich langsamer durch. Da hat man gar kein Interesse, weil dann die teure Kehrrichtverbrennungsanlage plötzlich überflüssig wird. Ich bin aber gleichwohl extrem optimistisch und glaube, dass vor 2050 alles Cradle to Cradle sein wird.

Verraten Sie uns noch ein paar andere gute Beispiele von Cradle-to-Cradle-Produkten?
2006 haben wir zusammen mit dem Bekleidungsartikelhersteller Trigema das erste kompostierbare T-Shirt entwickelt. Viele gute Beispiele gibt es auch aus dem Baubereich. In den 1960er Jahren begann man, gutes Handwerk durch schlechte Chemie zu ersetzen. Heute gibt es wieder Farben oder Teppichböden, die nicht nur nicht giftig sind, sondern aktiv die Luft reinigen.

Macht die Wirtschaft da wirklich mit? Die ist doch profitorientiert, will möglichst viel produzieren und verkaufen.
Jede Designschule, die etwas auf sich hält, lehrt inzwischen Cradle-to-Cradle-Design. Auf diese Weise entstehen viel schönere und bessere Produkte. In vielen Familienunternehmen stellt die Nachfolgegeneration heute das Mengen- und Umsatzdenken infrage. Was produziert wird, soll nützlich und nicht einfach nur weniger schädlich sein. Cradle to Cradle umzusetzen bedeutet, auf Effektivität statt auf Effizienz zu setzen. Effektivität zielt darauf ab, das Richtige zu produzieren, nicht das Bestehende zu optimieren. Der Ansatz, klimaneutral sein zu wollen, ist für mich falsch. Wir sollten klimapositiv sein.

«Alles, was im Leben schön ist, ist nicht effizient, sondern effektiv.»

Können Sie das anhand eines Beispiels erklären?
Das schönste Beispiel für den Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität liefert der Wein. Ein effizienter Wein ist ein billiges, undefinierbares Mittelmeergemisch aus der Tetrapackung. Ein effektiver Wein ist ein schön komponierter Tropfen aus der Flasche, bei dem ich mich in geselliger Runde über die Welt und Cradle to Cradle unterhalte. Alles, was im Leben schön ist, ist nicht effizient, sondern effektiv.

Persönlich
Prof. Dr. Michael Braungart, Jahrgang 1958, studierte Chemie und Verfahrenstechnik in Konstanz und Darmstadt und promovierte an der Universität Hannover. Parallel dazu engagierte er sich bei Greenpeace. 1987 gründete er die EPEA Internationale Umweltforschung in Hamburg, die er heute noch leitet. Das Cradle-to-Cradle-Konzept entwickelte Braungart Ende der 1990er Jahre zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough. Es propagiert eine Welt ohne Abfall. Erreicht werden soll das, indem nur noch Produkte hergestellt werden, die in einen natürlichen oder einen technischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Braungart lehrt an verschiedenen Universitäten und treibt konsequent die Entwicklung von Cradle-to-Cradle-Produkten voran, von denen es seinen Aussagen zufolge mittlerweile weltweit 11‘000 gibt. Jährlich findet in Berlin ein Cradle-to-Cradle-Kongress statt, für den Delinat den Wein sponsort.
Michael Braungart ist mit der deutschen SPD-Politikerin und Mitbegründerin von Greenpeace Deutschland, Monika Griefahn, verheiratet und hat drei Kinder.

Wie kann Cradle to Cradle im Weinbau konkret angewendet werden?
Bislang geht es beim Umweltschutz nur darum, Energie zu sparen, den Wasserverbrauch zu reduzieren oder weniger Müll zu produzieren. Doch das hat nichts mit dem Schutz der Umwelt zu tun, sie wird nur weniger belastet. Wir müssen aufhören, uns als Schädlinge zu begreifen, sondern wir müssen uns als Chance für diesen Planeten sehen. Der Weinbau ist eine schöne Übungsanlage, um zu zeigen, dass es darum geht, in Partnerschaft mit der Natur zu leben.

Die Delinat-Methode versucht, diesen Ansatz in der Praxis umzusetzen. Wie nahe ist sie an Cradle to Cradle?
Ich habe mich im Hinblick auf dieses Interview mit der Delinat-Methode beschäftigt. Sie geht tatsächlich in unsere Richtung, weil sie ein partnerschaftliches Verständnis mit der Natur propagiert. Die Weine, die daraus entstehen, überzeugen mich übrigens sehr. Einer besser als der andere.

Über 350 Delinat-Weine aus den artenreichsten Weinbergen Europas finden Sie in unserem Webshop.

Hier finden Sie alle Beiträge der WeinLese 60:

Auf ein Glas mit … Christoph Raffelt

Das Kochen stand am Anfang seiner Weinleidenschaft. Dann wurde der gebürtige Rheinländer Christoph Raffelt Weinblogger und etablierte in Hamburg sein Büro für Wein & Kommunikation. Wir trafen den bioaffinen Autor und Geniesser auf ein Glas Wein zum Interview.

Du beschäftigst dich schon lange mit dem Thema Wein, warst einer der ersten Weinblogger. Wie kam es dazu?
Christoph Raffelt: Die Ursache dafür war, dass ich mir eine Datenbank mit Notizen zerschossen hatte. Da damals Blogs insgesamt populär wurden und ein Freund von mir, mit dem ich heute den Live- Podcast WRINT Flaschen herausgebe, auch damit angefangen hatte, dachte ich, ich probiere das mal aus.

Christoph Raffel, Weinblogger
Christoph Raffelt: «Für mich findet Genuss im Kleinen statt. Zum Beispiel, wenn ich mit meinen Kindern Pasta selber produziere aus Eiern von glücklichen Hühnern.»

Welchen Weinblogger liest du gern, wen kannst du den Delinat-Kundinnen und -Kunden empfehlen?
Ich glaube, dass sich das Thema Blog weitestgehend überholt hat. Oft sind Blogs einfach noch Deckmantel für sogenannte Influencer. In Deutschland lese ich eigentlich nur noch professionelle Blogger wie Schnutentunker oder Chezmatze, in UK Jamie Goodes The Wineanorak.

In diesen Tagen ist viel die Rede von virtuellen Weinproben, da man sich nicht zu echten Degustationen treffen und auch keine Weinkurse besuchen kann. Was hältst du davon?
Ich finde das eine gute Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen, wenn sie für ein Thema schwärmen oder zumindest daran interessiert sind. Es gibt viele verschiedene Formen, wie man so etwas machen kann. Tatsächlich bieten wir mit dem angesprochenen Podcast WRINT Flaschen genau so etwas an. Allerdings schon seit 2012. Das läuft bei uns nicht über Video, sondern über Audio und Chat, aber alle können sich daran beteiligen und im Vorfeld die Weine beim jeweiligen Händler oder Winzer kaufen.

Weine von Delinat waren aber noch nicht dabei, oder?
Nein, tatsächlich nicht, aber was nicht ist, sollte vielleicht noch werden.

Persönlich
Christoph Raffelt arbeitet und lebt mit seiner Familie seit 2012 in Hamburg. Bereits 2007 begann er mit Bloggen. Sein Blog originalverkorkt.de gehört zu den frühen Wein-Blogs und ist einer der wenigen, die auch heute noch existieren. Allerdings ist er in den letzten Jahren viel mehr eine Plattform für Podcasts geworden, während sich Raffelt mittlerweile mit seinem Büro für Wein & Kommunikation als Journalist, Autor und Texter etabliert hat. Mit seiner Frau, die an der Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg lehrt, seinem Sohn und seiner Tochter trifft er sich oft und gerne in der Küche, wo gemeinsam gekocht und gegessen wird.

Von Anfang an war für dich nachhaltige und/oder biologische Erzeugung wichtig. Warum?
Weil ich so aufgewachsen bin. Zu Hause gab es schon in meiner Kindheit im Wesentlichen Produkte vom Biostand auf dem Wochenmarkt, vom Bioladen und aus dem Reformhaus. Dann will man sich auch beim Wein eigentlich nichts anderes auf den Tisch stellen. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich kein Dogmatiker bin. Aber ich würde sagen, zu 97 Prozent kaufe ich ausschliesslich Bioweine, die auch so deklariert sind. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass viele der wirklich guten Betriebe längst biologisch arbeiten, weil für sie klar ist, dass der Wein einfach besser wird.

Was bedeutet Genuss für dich?
Genuss ist für mich ein Teil der Kultur. Genussfähigkeit haben wir uns errungen, und ich bin ein grosser Verfechter davon, dass wir Genuss intensiv leben. Und das meine ich überhaupt nicht snobistisch. Für mich ist Genuss nicht Kaviar mit ultrararem Champagner. Für mich findet Genuss vor allem im Kleinen statt. Zum Beispiel, wenn ich mit meinen Kindern Pasta selber produziere aus sehr gutem Mehl und vielen Eiern von glücklichen Hühnern, diese nur in Butter und gereiftem Parmesan schwenke und dazu einen Barbera d’Asti aufmache. Das kann vollendeter Genuss sein. Wer nur konsumieren will, sollte zum Discounter gehen. Wer aber geniessen will, sollte sich bewusst sein, was er zu sich nimmt und wie es entstanden ist. So kann Genussfähigkeit meiner Ansicht nach auch zu mehr Nachhaltigkeit führen.

Für welche Weine schlägt dein Herz besonders, und hat sich das im Laufe der Zeit verändert?
Oh ja, das hat es. Der erste Wein, den ich mir im Alter von 19 Jahren gekauft habe, war ein Zinfandel aus Kalifornien mit viel Frucht und viel Holz. Dann gab es viel Wein aus Spanien und dem Süden Frankreichs, irgendwann dann aus Bordeaux. Schliesslich wurden es immer mehr Weissweine, Schaumweine und Burgunder. Seit langer Zeit schlägt mein Herz besonders für Weine von der Loire, doch ansonsten, so glaube ich, bin ich sehr offen und probiere bis heute ständig Neues wie beispielsweise PIWIs bzw. Altes, was wiederentdeckt wurde. Denn auch das gehört ja zum modernen Weinbau dazu: die Gegenbewegung vieler kleiner Winzer, die der üblichen Handvoll Rebsorten alte Sorten entgegenstellen, die wieder neu kultiviert werden.

Weintipp von Christoph Raffelt

La Luna del Rospo Bric Rocche

Barbera ist eine sehr komplette Rebsorte mit viel Kraft und viel seidiger Eleganz, vor allem aber mit satter dunkler Frucht und zudem mit einer Erdigkeit, die wohl allen roten Piemonteser Rebsorten zu eigen ist. Barbera Superiore Bric Rocche vom Weingut La Luna del Rospo stammt aus einem 50 Jahre alten Rebberg bei Monferrato und bringt eine ganz eigene Würze mit.

La Luna del Rospo Bric Rocche
Barbera Superiore DOCG 2017
www.delinat.com/luna-del-rospo-bric-rocche-barbera-asti