Bewegung an Italiens PIWI-Front

Obwohl auch in Italien – ähnlich wie in Frankreich – langsam erkannt wird, dass zukunftsweisender Weinbau nicht ohne neue, robuste Rebsorten funktioniert, steht die Entwicklung pilzresistenter Sorten immer noch am Anfang.

Die Anbauflächen von robusten, pilzresistenten Sorten, die nicht oder kaum mehr gespritzt werden müssen, liegt in Italien derzeit immer noch bei deutlich unter 1 Prozent. Umgerechnet sind das «nur» rund 2000 Hektar. Dabei hatten robuste Sorten im vergangenen Jahrhundert in Italien ebenfalls eine gewisse Tradition: Es wurden alte PIWI-Züchtungen wie Clinton oder Isabella angebaut, vor allem in den Regionen Tirol, Venetien und Friaul. Da es sich dabei um die ersten Kreuzungen mit amerikanischen Wildreben handelte, war der Geschmack gewöhnungsbedürftig, und wegen mangelnder Qualität wurden sie ab 1936 wieder verboten. Diese Sorten werden heute nur noch vereinzelt für die Schnapsherstellung verwendet. Auch in Sizilien war eine robuste Sorte verbreitet: Sie wurde La Francia genannt, und es handelte sich um eine französische Züchtung. Sie ist jedoch heute auch nicht mehr zugelassen.

Delinat-Winzer als Vorreiter

Wie fast überall stieg in den letzten Jahren auch in Italien das Interesse für neue, robuste Rebsorten: Der hohe Pflanzenschutzmittel-Einsatz bei traditionellen Sorten und der Klimawandel mit extremen Wetterereignissen haben auch bei italienischen Winzern für ein Umdenken gesorgt. Vorausschauende Weingüter setzen nun vermehrt auf PIWI-Sorten. Dazu gehören auch der Delinat-Winzer William Savian und das Delinat-Weingut Fasoli, beide aus der Region Venetien. Sie sehen in den neuen Sorten eine Möglichkeit, noch umweltfreundlicher Wein zu produzieren und auch bei widrigen Wetterbedingungen stabile Erträge zu erzielen.

Südtirol als Türöffner

Das Südtirol war Vorreiter in Sachen PIWIs, erste robuste Sorten gelangten aus Deutschland und Österreich dorthin. Zwischen 1995 und 1999 wurden erste Forschungen am Versuchszentrum Laimburg bei Bozen mit der deutschen roten PIWI-Sorte Regent gemacht. Sie wurde als geeignet für den Anbau im Südtirol eingestuft und von der Autonomen Provinz Bozen für das nationale Sortenregister vorgeschlagen. Es handelte sich um die erste PIWI-Sorte, die 2009 im nationalen Register Italiens eingetragen wurde. Im selben Jahr kam die weisse PIWI-Sorte Bronner dazu, die – wie Regent – in Deutschland gezüchtet worden war.

Seit 2013 arbeitet das Versuchszentrum Laimburg im Südtirol mit der Landesanstalt für Weinbau Freiburg zusammen. So wurden im Jahr 2013 sechs weitere deutsche PIWI-Sorten ins nationale Sortenregister aufgenommen: die weissen Sorten Johanniter, Helios und Solaris sowie die roten Sorten Cabernet Cortis, Cabernet Carbon und Prior. Im Jahr 2014 folgten die Sorten Souvignier Gris und Muscaris. Diese Sorten wurden allesamt in den 70er- und 80er-Jahren in Freiburg gezüchtet.

Regent ist eine der ersten PIWI-Sorten
Regent war die erste PIWI-Sorten, die in Italien zugelassen wurde.

Erste Züchtungen in Italien

Im Jahr 1998 starteten Forscher der Universität Udine unter der Leitung von Prof. Michele Morgante ein Programm zur Züchtung von robusten Sorten, das 2015 zur Registrierung der ersten in Italien gezüchteten robusten Reben führte: Fleurtai, Soreli, Sauvignon Kretos, Sauvignon Nepis, Sauvignon Rytos (weiss) sowie Cabernet Eidos, Cabernet Volos, Merlot Khorus, Merlot Kanthus und Julius (rot). Hunderte von Kreuzungen wurden auf dem Universitätsgelände «Antonio Servadei» in Udine durchgeführt, und über 500 Mikrovinifikationen wurden im Laufe der Jahre von der Unione Italiana Vini aus Verona und den Vivai Cooperativi aus Rauscedo gemacht.

Resistenz für Traditionssorten

In Zusammenarbeit mit verschiedenen italienischen Universitäten wurden Projekte gestartet, die darauf abzielen, Resistenzeigenschaften gegen den Echten und den Falschen Mehltau in traditionelle Sorten hineinzuzüchten. Seit 2012 läuft diesbezüglich ein Züchtungsprogramm: Für das Veneto wurden aus der Prosecco-Sorte Glera und Kreuzungspartnern die resistenten Sorten Glyres und Resilia gezüchtet. Sie verfügen über eine solide Resistenz gegen die Mehltau-Krankheiten und kommen geschmacklich nah an die Prosecco-Traube Glera heran. Diese Sorten stehen kurz vor der Zulassung und Registrierung ins nationale Register. In der Toskana versucht das Institut, Resistenz in die Sangiovese-Reben hineinzuzüchten; im Piemont sollen die Sorten Barbera und Nebbiolo «resistent» gemacht werden. Im Latium soll es bald robuste Neuzüchtungen aus den Sorten Bellone, Cesanese und Malvasia del Lazio geben, und in Apulien finden derzeit Versuche mit robusten Primitivo-, Aglianico- und Italia-Trauben statt.

Ein Forschungsinstitut im Trentino beschäftigt sich ebenfalls schon seit Längerem mit robusten Sorten: In San Michele all’Adige, an der Fondazione Edmund Mach, werden seit Jahrzehnten neue Sorten gezüchtet. Und die Forschung hat Früchte getragen: Die robusten Sorten Termantis, Nermantis, Charvir und Valnosia wurden im Jahr 2020 ins nationale Sortenregister aufgenommen.

Regionale Appellationen klemmen

Im nationalen Register Italiens sind derzeit 37 PIWI-Sorten eingetragen, die für die Weinherstellung zugelassen sind. Dazu gehören zum Beispiel auch die Sorten Cabertin, Pinotin und Cabernet Blanc des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner. Der schnelle Anstieg dieser Zahl seit dem Jahr 2009 zeigt, wie gross das wachsende Interesse an PIWI-Sorten ist, um den Weinbau in Italien nachhaltiger zu gestalten. Diese Liste wird in den kommenden Jahren zweifellos noch erweitert werden, da die derzeit eingetragenen Sorten, von denen 16 weissbeerig und 19 rotbeerig sind, nicht ausreichen, um die verschiedenen klimatischen und geografischen Regionen in Italien ausreichend abzudecken.

Valentin Blattner in seinem Wintergarten im Jura, wo er neue, resistente Sorten züchtet. Einige davon wurden inzwischen auch in Italien zugelassen.

Die Problematik zur weiteren Verbreitung von robusten Rebsorten in Italien liegt derzeit nicht primär auf nationaler Ebene, sondern auf regionaler. Obwohl seit dem Jahr 2021 PIWI-Sorten grundsätzlich für Herkunftsbezeichnungen wie DOC (Denominazione di Origine Controllata) zugelassen wären, erlauben noch nicht viele Appellationen und Regionen den Anbau von robusten Sorten. Manche Regionen erlauben in der Herkunftsbezeichnung Indicazione Geografica Tipica (IGT) – das ist die italienische Version der Qualitätsstufe Landwein – einzelne Sorten. So zum Beispiel im Südtirol, in Venetien, im Friaul und in der Lombardei. Auch sind in jeder Region unterschiedlich viele Sorten zugelassen. Zu den neuen Weinregionen, wo PIWIs seit Kurzem angebaut werden dürfen, sind in den letzten Jahren die Emilia-Romagna, die Marken, die Abruzzen und seit diesem Jahr auch das Latium gekommen. Dort sind jedoch die Anbauflächen noch verschwindend gering und laufen meistens unter «Versuchsanbau». Zudem herrscht das gleiche Problem wie in vielen anderen Ländern auch: Die neuen Sorten sind bei den Winzern so gefragt, dass sie in den Rebschulen nicht genügend schnell vermehrt werden können und Jungpflanzen deshalb schwierig zu erhalten sind.

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Olivier Geissbühler
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