Mediterranes Traumpaar

Rebstöcke und Olivenbäume sind knorrige Gesellen, die leicht hundert und mehr Jahre alt werden können. Auf vielen Weingütern im Mittelmeerraum sorgen sie für Vielfalt und werden für die Erzeugung hochwertiger, genussvoller Produkte genutzt: Wein und Olivenöl. Zu Besuch bei vier Delinat-Winzern, deren Herz nicht nur für Wein, sondern auch für Olivenöl schlägt.

Olivenöl-Ernte auf dem Weingut Sangiovanni

Salustri und der tausendjährige Olivenbaum

Unweit der Azienda Salustri steht ein Riese in der wilden Landschaft der Maremma: ein über tausendjähriger Olivenbaum. Monumental, vom Wind gewunden und gedreht, eine lebende Skulptur mitten in der Toskana. Leonardo Salustri hätte den uralten, knorrigen Gesellen gerne auf seinem eigenen Terrain, doch ganz so weit reichen seine Weinberge nicht. Sein Wunsch ist verständlich, denn Leonardo gehört zu jenen Winzern, die für ein erstklassiges Olivenöl dieselbe Leidenschaft an den Tag legen wie für guten Wein. Seine Beziehung zu diesem «Mutter-Olivenbaum» ist aber auch so gegeben. In Zusammenarbeit mit der Universität Pisa wurde Pflanzenmaterial dieses Baumes für die Pflanzung neuer Olivenhaine verwendet – auch auf der Azienda Salustri.

Tausendjähriger Olivenbaum in der Toskana

Neben neueren Olivenbäumen betreut Leonardo solche, die bereits mehrere hundert Jahre auf dem Buckel haben. Insgesamt wachsen bei Salustri rund 6000 Bäume der Sorten Olivastra, Frantoio, Moraiolo und Leccino auf einer Fläche von etwa 30 Hektar. Die Oliven werden normalerweise von Anfang Oktober bis Anfang Dezember von Hand mithilfe mechanischer Hilfsmittel geerntet. Daraus erzeugt eine Ölmühle in der Region das mehrfach preisgekrönte Salustri-Olivenöl. «Wir haben jetzt ein Projekt für eine eigene, moderne Mühle. Wir hoffen, diese bald bauen zu können», verrät Leonardo Salustri.

Die Azienda ist ein vielfältiger Mischbetrieb mit Tieren und verschiedenen Kulturen. Die Rebberge sind wegen ihrer biologischen Vielfalt optisch eine Augenweide. Und sie sind mit einem hofeigenen Sangiovese-Klon bestockt, der den Rotweinen einen Hauch von Exklusivität verleiht.

Maggio – schöne Symbiose von der Sonneninsel

Auf dem Weingut von Massimo Maggio im Süden Siziliens wachsen rund 700 Olivenbäume auf roter Erde. Zusammen mit Kräutergärten, Orangen-, Mandarinen- und Maulbeerbäumen sorgen sie für Abwechslung und Vielfalt in einer ansonsten von Rebstöcken geprägten Landschaft. Massimo Maggio: «Der Olivenanbau hat auf Sizilien ein lange Tradition. Schon die Phönizier und die Griechen brachten die Früchte, aus denen das flüssige Gold entsteht, vor fast 3000 Jahren an unsere Küsten.»

Mischkultur auf dem Weingut Maggio: Oliven, Orangen und Reben

Massimos Olivenbäume sind im Durchschnitt etwa 50 Jahre alt. Aus den beiden für die Insel typischen Sorten Tonda Iblea und Moresca lässt er seine von Hand geernteten Oliven in einer nahegelegenen Ölmühle durch Kaltextraktion zu einem eher milden Extra Vergine verarbeiten. Das Öl trägt denselben Namen wie der exklusiv für Delinat gekelterte Rotwein Bonarossa. Damit hat Massimo Maggio eine schöne Symbiose von Wein und Olivenöl gefunden. Das Öl zeigt würzige Noten von Tomatenblättern, Gras und frischen Kräutern und verführt mit dezenter, ausgewogener Bitterkeit und Schärfe. Genau wie der Rotwein passt das Öl bestens zu Fisch-, Fleischund Gemüsegrilladen, Suppen, Bruschetta, Salat und rohem Gemüse.

Osoti – Spanien holt auf

Noch heute wird erstklassiges Olivenöl meist mit Italien in Verbindung gebracht. Spanien, mengenmässig weltweiter Spitzenreiter bei der Olivenölproduktion, hinkte da lange Zeit hinterher. Doch in der jüngeren Vergangenheit ist auch hier das Bewusstsein für den Wert des flüssigen Goldes gestiegen.

Oliven-Ernte auf dem Weingut Osoti

Francisco Ruíz vom Rioja-Weingut Osoti hat mit der Bewirtschaftung seiner 45 Hektar Reben eigentlich bereits alle Hände voll zu tun. Biologischer Weinbau, wie er ihn betreibt, ist zeitintensiv und aufwendig. Um die Biodiversität in und um seine Rebberge zu fördern, hat er unzählige Oliven- und Mandelbäume sowie fein duftende Kräuter gepflanzt. Francisco nimmt den zusätzlichen Aufwand, der durch die Bewirtschaftung der Olivenbäume anfällt, gerne in Kauf. Zumal er hier auf gute Freunde zählen kann. Mit einem versteht er sich besonders gut: Jesús Catalán Alonso. Jesús ist ein Weggefährte der ersten Biostunde. «Wir sind Seelenverwandte», sagt Francisco. Deshalb falle es ihm leicht, seine Olivenbäume in die Obhut von Jesús zu geben. «Er trägt die gesamte Verantwortung, vom Schnitt der Bäume bis zur Pressung der Oliven.»

Francisco ist vom Resultat begeistert: Sein erstklassiges, naturbelassenes Osoti-Öl erfüllt ihn mit Stolz und Befriedigung. Es wird aus den beiden autochthonen Sorten Arbequina und Royuela hergestellt und besticht durch eine deutliche Bitternote und leicht Schärfe. Die Oliven werden bei den ersten Anzeichen von Farbumschlag von Hand geerntet – sie sind zu diesem Zeitpunkt praktisch noch grün. Die Verarbeitung erfolgt innerhalb weniger Stunden. Das Öl wird in einer modernen Ölmühle im Dekanterverfahren gewonnen, heute die wohl beste und schonendste Methode der Olivenölherstellung.

Vale de Camelos – tausende Olivenbäume gepflanzt

Die Adega Vale de Camelos im Alentejo ist ein noch junges Weingut. 1981 hatte der deutsche Seefahrer Horst Zeppenfeld im Süden Portugals eine 1000 Hektar grosse Quinta mit Getreidefeldern, Schafweiden und Korkeichenwäldern gekauft. Im Jahr 2000 wurden erste Reben gepflanzt. Seither ist ein biologisches Weingut entstanden, das seinesgleichen sucht: In einer Region, die unter langen Trocken- und Dürreperioden und damit drohender Wüstenbildung leidet, wurde mithilfe von Permakultur-Massnahmen eine grüne, fruchtbare Oase geschaffen. Rund 350‘000 Pflanzen sind in den letzten 35 Jahren gesetzt worden. Neben Stein- und Korkeichen, Johannisbrotbäumen und Reben vor allem auch Olivenbäume.

Olivenbäume auf dem Weingut Vale de Camelos im Alentejo

In den Weinbergen wachsen heute autochthone und internationale Rebsorten wie Touriga Nacional, Alicante Bouschet und Aragonez (in Spanien als Tempranillo bekannt) sowie Syrah. Rund um die Rebberge gedeihen auf über 80 Hektar rund 18‘000 Olivenbäume unterschiedlichen Alters. «Es gibt einige sehr alte, fast hundertjährige Bäume und viele junge, die wir im Verlaufe der letzten 35 Jahre gepflanzt haben», sagt Antje Kreikenbaum, die 2012 gemeinsam mit ihrem Mann die Verantwortung für Vale de Camelos von ihrem Vater übernommen hat. Angepflanzt wurden die bekannteste autochthone portugiesischen Sorte Galega, aber auch Cobrançosa, Arbequina, Hojiblanca, Picual und Azeiteira. «Diese Sorten sowie das unterschiedliche Alter der Olivenbäume machen die Typizität und die Qualität unseres Olivenöls aus», sagt Antje. Wobei das A und O für die Qualität auch hier die Ernte- und Verarbeitungsmethoden sind. Die noch nicht voll ausgereiften Oliven werden sanft von den Bäumen geschüttelt und in grossen Netzen aufgefangen. Danach gelangen sie unverzüglich in eine nahegelegene Bio-Mühle, wo die Oliven in mehreren Schritten gereinigt, gewaschen, zerkleinert werden und das Öl schliesslich kalt aus der Olivenpaste extrahiert wird.


Alle Olivenöle in unserem Sortiment finden Sie hier: www.delinat.com/olivenoel

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Kraftort Weinberg

Die Delinat-Biorichtlinien sind die strengsten Europas. Winzer, die danach arbeiten, verwandeln ihre Weinberge in bunte, lebendige Naturparadiese. Fünf Winzerinnen und Winzer aus verschiedenen Ländern stellen auf den folgenden Seiten ihren persönlichen Kraftort inmitten ihrer Reben vor.

Renate Schütz, La Luna del Rospo, Piemont
Wie die Goldmarie aus dem Märchen

Es gibt für mich nicht den Lieblingsort in meinen Reben. Mein kraftgebender Ort ändert sich, wandert mit Tages- und Jahreszeit, wird von Wind und Sonne, von Regen und Hitze mal hierhin und mal dorthin getragen. Das hängt auch mit der Kleinheit meiner unter Reben stehenden Fläche zusammen, die sich zusammenhängend um die Spitzenlage Bric Rocche schmiegt. Das ist wunderbar. Ich trete aus dem Haus und bin mittendrin in meinen Kraftorten.

Natürlich gibt es da die Flecken, die ich besonders liebe, wo es eine ganz besondere Freude ist, zu arbeiten. Aber immer auch je nachdem: Wenn es schon recht heiss werden kann bei der Arbeit im Weinberg, dann ist eine kleine Rast unter den weit ausladenden Zweigen des längst nicht mehr für die Seidenraupenzucht beschnittenen weissen Maulbeerbaums wie eine sanfte, kühlende Umarmung. Ein wenig von den leicht süsslichen Früchten zu naschen, gibt Kraft und Durchhaltelust im ganz direkten Sinne. Ein wenig Kost, ein wenig Logis im schattigen Grün – das stärkt und erfreut. Und wenn das Sonnenlicht smaragdgrün gefiltert herabrieselt, fühle ich mich wie die Goldmarie aus dem Märchen.

Besonders glücklich fühle ich mich auch oberhalb des Weinbergtürmchens. Hier, am höchsten Punkt meiner Lagen, beginne ich im Januar den Rebschnitt, geniesse den weiten Blick über die sanften Hügel des Astigiano und lausche verzückt den vielfältigen Vogelstimmen aus dem umkränzenden Wald. Hier jubiliert als Erstes die Nachtigall, und eine Eulenkolonie beeindruckt mit ihren lautlosen Flugkünsten. Da singt mein Herz gemeinsam mit den Vögeln, und meine Laune schraubt sich auf den Schwingen der Greifvögel in höchste Höhen.

Pfeift allerdings der Wind empfindlich kalt über Hügel- und Menschenrücken, zieht es mich in die geschützte Lage rund um den mächtigen Kirschbaum, der nicht nur zur Blütezeit ein Inbegriff prachtvoller Grösse ist. Seine weiche Majestät und die verschwenderische Überfülle sind ein eigener kleiner Kosmos: Hier zu verweilen, lehrt die heilsame Kraft von (Bio-)Diversität auf munterste Weise.

Überall gibt es Dramen, Luststücke und komische Opern zu entdecken: aufgebrachte Winz-Vögel, die sich im Flug auf einen Bussard stürzen, Wühler, die riesige, kunstvolle Wabengebilde aus der Erde graben, Schmetterlinge, die scheinbar unendlich lange um Blüten und Partner taumeln und sich in der Sonne spreizen, Eidechsen, die mit blitzendem Auge die Hunde narren.

Allseits glücklich macht mich das dichte Netz der wild bewachsenen Ränge, die sich nach nunmehr 25 Jahren Pflege und Seinlassen üppig durch die Anlagen ziehen: Die grosse Vielfalt aus Büschen, Bäumen, Sträuchern, Gräsern und Blumen erfreut und überrascht täglich mit neuen Formen, Farben, Düften und Unbekanntem.

Eine ganz besondere Freude ist es mir, wenn die Natur eigentliche «Schandflecken» erobert und neu «designt». Wenn die fleissige Ramblerrose in verschwenderischem Wuchs die ehemals hässliche Fassade meiner Cantina mit abertausenden Blüten und glänzendem Blattgrün überwölkt und den langweiligen Industriebau mit ihren filigranen Kletterkünsten in ein geradezu verwunschen anmutendes Gartenhaus verzaubert. Wenn Geissblatt, Jasmin und wilde Rose die hässliche Sicherheitstreppe des Büroeingangs so delikat umranken, dass man plötzlich wie durch in eine romantische Illustration eines zauberhaften Märchenbuchs tritt.

Das Auge freuts, die Nase jubelt, die Lunge weitet sich, die Luft ist frisch und weich, und das Ohr lauscht entzückt dem Summen, Tirilieren, Rascheln und Gewese der Unzahl von sichtbaren und unsichtbaren Tieren, die hier glücklich aufs Schönste Kost und Logis finden.

Martí Albet i Noya, Penedès
Kraft tanken im «Schwarzwald»

Wenn ich oben auf unserem höchstgelegen Weinberg Bosc Negre stehe, fühle ich mich wie im Paradies. Die Lage heisst «Schwarzwald», weil die vielen kleinen Weinbergsterrassen von dichtem Wald umgeben sind. Vom höchsten Punkt aus liegt mir das Penedès in seiner ganzen Pracht zu Füssen: im Westen die zentrale Senke mit weitläufigen Rebbergen und kleinen Siedlungen, im Osten die Muntanyes d’Ordal, ein reich bewaldetes Naturschutzgebiet mit steilem Kalksteingebirge.

Obwohl der Boden karg ist und an einigen Stellen sogar das Muttergestein an die Oberfläche tritt, gedeihen hier unsere 40-jährigen Xarel.lo-Reben prächtig. Aus diesen Trauben keltern wir unsere besten Schaumweine. Aufgrund der Nähe zum Wald lassen sich Füchse, die in kleinen Höhlen in einem offenen Hang Unterschlupf finden, aber auch viele andere Tiere beobachten. Die Vegetation ist artenreich und typisch mediterran: Pinien, Eichen und Gebüsch mit wilden Kräutern wie Thymian und Rosmarin prägen das Bild.

Die grosse Artenvielfalt und die klimatischen Bedingungen machen diese Lage zu einem optimalen Standort für Qualitätsweine. Durch die Weinbergsterrassen weht oft ein laues Lüftchen, das Blätter und Trauben trocken hält und so mögliche Pilzkrankheiten abhält. Durch die hohe Lage von bis zu 400 m ü. M. sind die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht gross, was eine langsame und harmonische Reife der Trauben begünstigt. Das ist wichtig für die Bildung von Säure und Aromen.

Bosc Negre ist für mich ein Ort, wo nicht nur grossartiger Wein entsteht. Dank seiner intakten Natur fernab von Häusern und stark befahrenen Strassen vermittelt er mir auch Ruhe, Kraft und Frieden. Hier fühle ich mich als Teil eines funktionierenden Ökosystems!


Die Delinat-Richtlinien
Die Delinat-Richtlinien verwandeln Weinberge in Naturparadiese, denn sie gehen viel weiter als andere Biorichtlinien. Neben einem Verbot von chemischsynthetischen Pflanzenschutzmitteln, Kunstdünger und Gentechnologie verpflichten sie zur Förderung der Biodiversität und der Polykultur anstelle von Monokultur. Die Verwendung von Kupfer und Schwefel gegen Pilzkrankheiten im Weinberg ist stark limitiert. Im Keller dürfen Eingriffe nur sehr beschränkt vorgenommen werden. Der Einsatz tierischer Hilfsstoffe wie Hühnereiweiss, Milchprodukte, Fischblase zur Schönung oder Stabilisierung der Weine ist nicht erlaubt.

Die Delinat-Richtlinien wurden bereits mehrmals von unabhängigen Stellen wie WWF Schweiz, Stiftung für Konsumentenschutz und Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz (Pusch) mit dem Prädiktat «sehr empfehlenswert» ausgezeichnet und von allen Schweizer Biolabeln mit der höchsten Punktzahl bewertet. Sie basieren auf einem Modell mit drei Qualitätsstufen, das den Weingütern eine sukzessive Weiterentwicklung bis auf Stufe 3 (drei Schnecken) ermöglicht. www.delinat.com/richtlinien

Daniel Coulon, Domaine de Beaurenard, Châteauneuf-du-Pape
Wo die Vögel um die Wette zwitschern

Der kleine Hügel, auf dem unsere Familie seit eh und je Kraft tankt, heisst La Croix. Für uns ist das ein stiller, magischer Ort: Nur schon der Panoramablick auf die Rhone, den Mont Ventoux, unser Dorf Châteauneuf-du- Pape, das Natur- und Vogelparadies der Île d’Oiselet und unseren Weinberg Bois de la Vieille ist grossartig.

Schon als Kinder sind mein Bruder Frédéric und ich hier hinaufgeklettert und haben Lagerfeuer entfacht. Die Île d’Oiselet, eine von Seitenarmen der Rhone umschlungene Insel, war unser viel besuchter Abenteuerspielplatz mit idyllischem Flussbad. Später verbrachten wir hier auch mit meinen Söhnen Victor und Antonin viel Zeit.

Es ist ein traumhafter Ort für ein Picknick, eine kleine Tour auf dem Mountainbike oder eine Rast unter den schattenspendenden Bäumen, durch die der Wind rauscht und wo die Vögel um die Wette zwitschern. Das seichte Wasser, die vielen Bäume und Büsche sind nicht nur ein Paradies für uns Menschen, sondern auch für eine reiche Tierwelt. Wir lieben es, vom Hügel aus, auf dem ein Kreuz steht, mit Fernrohr und Feldstecher die reiche Vogelwelt zu beobachten.

Bestandteil dieses Naturparadieses ist auch unser historischer Weinberg Bois de la Vieille. Wie andere berühmte Lagen von Châteauneuf-du-Pape ist er von grossen Kieselsteinen übersät. Wir pflegen die alten, knorrigen Rebstöcke mit grosser Hingabe. Wenn mal einer abstirbt, ersetzen wir ihn mit einer unserer autochthonen Sorten, die wir nach alter Väter Sitte direkt auf dem Feld auf eine amerikanische Unterlagsrebe aufpfropfen. Hier reifen in einem ökologisch intakten Umfeld die Trauben, aus denen unsere komplexen und authentischen Châteauneuf-du-Pape-Weine entstehen.

Beatriz Izquierdo, Osoti Viñedos Ecológicos, Rioja
Die Zeit scheint stillzustehen

Im Jahr 2012 begann meine berufliche Laufbahn als Önologin und Kellermeisterin auf dem Weingut von Francisco Ruiz in der Rioja. In genau diesem Jahr wurde auch der weiträumige Weinberg Plana de Turras in Autol angepflanzt. Es sind also noch sehr junge Rebstöcke, aber sie erzählen bereits viele Geschichten und versprühen zusammen mit der reichhaltigen Natur Frieden, Ruhe und Glück. Hier scheint die Zeit stillzustehen. Alles, was ich bisher auf diesem Weingut erlebt habe, spiegelt sich auf diesem Flecken Erde: Arbeit, Inspiration und Veränderung.

Wenn ich durch die Plana de Turras schlendere, wird mir bewusst, was man mit Beharrlichkeit und harter Arbeit alles erreichen kann, manchmal sogar das vermeintlich Unmögliche. Ich sehe all die Früchte, die unsere Arbeit im Einklang mit der Natur trägt. Die Weissweintrauben Garnacha Blanca, Maturana Blanca, Tempranillo Blanco und Viura, die sich genauso prächtig entwickeln wie die roten Garnacha Tinta und Tempranillo Tinto. Oliven- und Mandelbäume, ein ganzjähriger Pflanzenteppich unter den Rebstöcken, stolze Pinien und fein duftende Kräuter wie Rosmarin, Salbei, Wacholder, Thymian und Lavendel tragen ebenso zur biologischen Vielfalt bei wie die Insektenhotels, Fledermausbehausungen und Sitzstangen für Greifvögel, die wir hier installiert haben. Mittelpunkt des Weinbergs ist ein Teich, den wir als Wasserrückhaltebecken angelegt haben. Allmählich entwickelt er sich zu einem lebendigen Biotop.

Begegnungen mit Habichtsadlern, Uhus, Rebhühnern, Zwergtrappen, Würgern, Wildschweinen, Rehen oder Kaninchen zeigen, wie wohl sich die Tierwelt in diesem weiträumigen Refugium fühlt. Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – dieser Ort vermittelt durch seine Stimmung stets positive Sinneseindrücke. Diese übertragen sich nicht nur auf uns Menschen, sondern auch auf die Rebstöcke und damit auf unsere Weine. Dieser Ort ist so magisch, dass wir hier sogar unsere biodynamischen Präparate herstellen.

Erik Bergmann, Château Duvivier, Provence
Die Natur als Tankstelle

Es gibt im Moment unheimlich viel zu tun auf Château Duvivier. Neben den üblichen Arbeiten im Rebberg und im Keller verlangt die Umsetzung des Permakulturprojekts seit geraumer Zeit einen grossen zusätzlichen Effort. Es geht darum, mit der Anlage von Teichen und Versickerungsgräben das Ökosystem so zu optimieren, dass Regenwasser nicht ungenutzt abfliesst, sondern in trockenen Perioden den Reben über die Bodenfeuchtigkeit länger zur Verfügung steht. Für meine Partnerin Lolita und mich ist es schön, zu sehen, wie sich die Natur langsam die kahlen Flächen zurückerobert, die durch Erdverschiebungen entstanden sind und jeden einzelnen Teich nach und nach in ein kleines Biotop verwandelt.

Auf unserem Weingut gibt es schon lange zahlreiche Orte mit Biodiversitätsinseln, auf denen man zwischendurch Kraft tanken kann. Wir tun dies am liebsten auf der höchstgelegenen Lage von Château Duvivier. Der Weinberg heisst Sainte-Catherine und liegt am unteren Hang des Gros Bessillon, unseres Hausbergs. Um die Monokultur, die ein Rebberg ja ist, etwas aufzubrechen, haben wir hier auf 50 Quadratmetern überalterte Reben ausgerissen und stattdessen einheimische Pflanzen, Bäume und Sträucher angepflanzt, Steinhaufen aufgetürmt und Insektenhotels installiert. Entstanden ist so mitten im Weinberg ein buntes, lebendiges Naturparadies. Reich ist auch die Traubenvielfalt. Hier reifen Weissweintrauben, aus denen wir unseren Amandier keltern, aber auch rote Sorten, die im Les Mûriers zu finden sind.

Wir lieben es, von Sainte-Catherine aus die Aussicht aufs Château, die südlichen Alpen und den Eingang zur Verdon- Schlucht zu geniessen. Was gibt es Faszinierenderes, als auf dem Boden zu sitzen und den Abertausenden von Insekten, Schmetterlingen, Vögeln und was sonst noch alles kreucht und fleucht zuzuschauen? An diesem Ort spüren wir eine fast vollkommene Harmonie. Weinberg und Natur verschmelzen zu einem Ganzen – eine Tankstelle, die uns stets mit der nötigen Energie versorgt, um die täglichen Herausforderungen auf unserem Weingut mit Freude in Angriff zu nehmen und zu meistern.

Weitere Artikel der WeinLese 55

Sekundärkulturen im Weinberg – Auf gute Nachbarschaft

Sekundärkulturen wie Oliven, Mandeln, Früchte, Beeren, Gemüse und Kräuter im Weinberg sind nicht nur ein optischer Hingucker, sie tragen auch zur Biodiversität und damit zu einem stabilen Ökosystem bei. Und im besten Falle sind sie ein willkommener Nebenerwerb für den Winzer.

Aromatische Tomaten im Weinberg von Andreas Harm in der Wachau.
Aromatische Tomaten im Weinberg von Andreas Harm in der Wachau.

Zwischen den Rebzeilen von Andreas Harm reifen Tomaten, Zucchini, Gurken, Karotten, rote Rüben, Knoblauch und sogar Erdäpfel. Damit bewegt sich der Winzer aus der Wachau bei der Bewirtschaftung seines Weingartens ausserhalb der Komfortzone. Denn bei Rebbergen, die einem Mischgarten gleichen, ist der Arbeitsaufwand deutlich höher, Maschinen können kaum eingesetzt werden. Weil dem so ist, kann auch Andreas Harm diese Bewirtschaftungsform nur auf einem kleinen Teil seiner Rebfläche durchziehen. «Für uns ist aber dieser eine Weingarten ein Musterbeispiel für Vielfalt und Genuss», sagt er. Er macht die Familie Harm praktisch übers ganze Jahr zu Selbstversorgern beim Gemüse.

Gemüsegärten und Kräuterinseln

Auf Château Duvivier kommen die Gäste in den Genuss von Biozucchini...
Auf Château Duvivier kommen die Gäste in den Genuss von Biozucchini…

Etwas weniger aufwendig, aber ökologisch nicht minder wertvoll sind Sekundärkulturen, die in Form von kompakten Gemüsegärten, Kräuterinseln oder Fruchtbaumreihen zwischen einzelnen Rebparzellen oder am Rande der Weinberge angepflanzt werden. Beispielhaft wird das etwa auf dem Delinat-Weingut Château Duvivier in der Provence und bei Massimo Maggio in Sizilien umgesetzt.

Auf Duvivier reifen Weinbergpfirsiche, wie sie einst auf fast allen Weingütern Europas anzutreffen waren. An den meisten Orten sind sie aber der Rationalisierung zum Opfer gefallen. «Das ist sehr schade, denn Weinbergpfirsiche passen nicht nur sehr gut zum Rebberg, sie sind auch geschmacklich ein Genuss », erklärt Winzer Antoine Kaufmann. Der reichhaltige Gemüsegarten inmitten der Reben dient auf Château Duvivier der Versorgung der Feriengäste. Diese zeigen sich immer wieder begeistert von der frischen regionalen Provence-Küche, wie sie Küchenchef Uwe Fahs mit biologischen Produkten aus dem eigenen Weinberg zelebriert. Massimo Maggio hält nicht nur an seinen die Rebberge säumenden Oliven- und Zitrusbäumen fest, sondern hat zwischen einzelnen Parzellen auch grosszügige, herrlich duftende Kräutergärten angelegt.

... und von Weinbergpfirsichen.
… und von Weinbergpfirsichen.

Oliven – der Klassiker

Osoti-Winzer Francisco Ruiz kann neben Trauben auch Oliven ernten.
Osoti-Winzer Francisco Ruiz kann neben Trauben auch Oliven ernten.

Werden Sekundärkulturen im grösseren Stil angebaut, können sie für den Winzer einen willkommenen Zusatzerwerb bedeuten. Oliven eignen sich in südlichen Ländern dafür besonders gut. So vermarkten Weingüter wie San Vito und Salustri in der Toskana, Vale de Camelos in Portugal oder Osoti und Pago Casa Gran in Spanien neben Wein auch ihr eigenes Premium-Olivenöl. Winzer Carlos Laso von Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia hat vor ein paar Jahren zusätzlich Granatäpfel angepflanzt, aus denen er jetzt erstmals eine kleine Menge Granatapfelwein produziert.

Stabileres Ökosystem

Duftende Rosmarin - sträucher in den Reben von Osoti
Duftende Rosmarin – sträucher in den Reben von Osoti

Sekundärkulturen sind nebst einer vielfältigen Bodenbegrünung, ökologischen Ausgleichsflächen, Trockensteinmauern sowie Holz und Steinhaufen wichtige Elemente, um eine Monokultur, wie sie auch ein Rebberg darstellt, aufzubrechen und das Ökosystem vielfältig und stabiler zu machen. Nutzpflanzen wie Oliven, Mandeln, Früchte, Gemüse, Beeren und Aromakräuter locken Insekten und Mikroorganismen an, die als Gegenspieler zu schädlichen Insekten und Pilzen wirken. Es ist deshalb unverständlich und aus ökologischer Sicht eine Katastrophe, dass die EU-Subventionspraxis noch immer Winzer mit Mischkulturen bestraft. Stattdessen gibt es Investitionsbeiträge für die Installation von bewässerten und intensiv bewirtschafteten Drahtbau-Rebanlagen.

Die Vielfalt liegt (noch) im Verborgenen

Francisco Ruiz
Francisco Ruiz

Biowinzer werden in der Rioja noch oft als Aussenseiter behandelt. Erst recht, wenn sie alles unternehmen, um die Biodiversität innerhalb und am Rand ihrer Weinberge zu fördern. Francisco Ruiz ist so einer, und was die andern Winzer rund um ihn herum denken, ist ihm egal. Für ihn ist die Förderung der Biodiversität ein zentrales Anliegen, auch wenn Massnahmen aufgrund der klimatischen Bedingungen schwierig umzusetzen sind. In diesem Jahr sind aufgrund zu grosser Trockenheit wieder Rosmarinsträucher verdorrt, die er in den grosszügigen Gassen zwischen Rebparzellen angepflanzt hatte. Entmutigen lässt er sich dadurch nicht. Mit gutem Grund: Francisco stellt nämlich fest, dass seine Reben stärker und resistenter gegen Schädlinge und Krankheiten geworden sind, seit er konsequent auf einen geschlossenen ökologischen Kreislauf hinarbeitet.

Selektion eigener Pflanzen

Neuer Weinberg in prachtvoller Landschaft: Die Naturwaldaufforstungen am Rand der Reben sowie die neu gepflanzten Wildsträucher und Bäume im Weinberg Plana de Turras sind von Weitem noch nicht sichtbar
Neuer Weinberg in prachtvoller Landschaft: Die Maturwaldaufforstungen am Rand der Reben sowie die neu gepflanzten Wildsträucher und Bäume im Weinberg Plana de Turras sind von Weitem noch nicht sichtbar.

Aus den bisherigen Erfahrungen hat er die Lehre gezogen, dass gezüchtete Wildpflanzen aus Baumschulen oft zu schwach sind. Er hat deshalb eine Bestandsaufnahme von autochthonen Wildpflanzen aus seiner direkten Umgebung gemacht. Diese selektioniert und vermehrt er und setzt sie gezielt ein. Zwischen den Rebzeilen strebt er eine Begrünung aus wildwachsenden, niederwüchsigen Leguminosen an, die seine Reben mit Nährstoffen versorgen und den Boden durch Wurzeln und Biomasse beleben. Alles, was hochwächst und die Reben konkurrenziert, reisst der Winzer von Hand aus.

Vieles wirkt noch unscheinbar

Francisco Ruiz hat schon Hunderte von Pinien, Steineichen, Olivenbäumen und Sträuchern am Rand seiner Weinberge gepflanzt. Diese brauchen aber in diesem trockenen Klima mehrere Jahre, bis sie eine gewisse Grösse haben und optisch dominant in Erscheinung treten. Deshalb wirken einzelne Rebberge von Weitem heute noch nicht so vielfältig. Auch ein geplanter Regenwasserteich wird vorerst noch karg wirken, sich in einigen Jahren aber in ein eigentliches Biotop verwandeln. Schon heute deutlich sichtbare Symbole für die reichhaltige Biodiversität auf dem Weingut Osoti sind die zuweilen üppig blühenden Pflanzenteppiche zwischen den Rebzeilen, Kräuterbüsche, Bienenhotels und Vögel, die sich in solchen Lebensräumen ausserordentlich wohlfühlen.

Osoti investiert in die Zukunft

Das neue Empfangs- und Bürogebäude auf dem Weingut Osoti

Osoti-Winzer Francisco Ruiz investiert in der Rioja gleich an mehreren Fronten in die Zukunft. Das neue Empfangs- und Bürogebäude (Bild) wertet das zuvor eher nüchtern wirkende Kellereigebäude auch optisch stark auf. Der zweiteilige Neubau wird durch eine Pergola verbunden. Bald werden Kletterpflanzen das Holzgerüst überwuchern. Sichtbare Veränderungen gibt es auch im Weinberg: Rund um die heranwachsenden Reben im neuen Weinberg Plana de Turras zeugen Hunderte von gepflanzten Olivenbäumen, Wacholderbüschen und Zypressen vom grossen Verständnis für eine reiche Biodiversität. Innerhalb einer regionalen Vereinigung von Bio-Landwirten engagiert sich Francisco Ruiz mit Betriebsbesuchen für Schulklassen auch dafür, dass das Bewusstsein für Biolandwirtschaft und Nachhaltigkeit bereits in den Schulen Fuss fasst.

Lehrreiche Weintour durch Nordspanien

Die Weineinkäufer und die Winzerberater sind viel unterwegs und pflegen einen engen Kontakt mit den Delinat-Winzern. Das Team an der Delinat-Verkaufsfront bekommt hin und wieder die Möglichkeit, einen Winzerberater zu begleiten. Durch den direkten Einblick in Philosophie und Bewirtschaftungsweise der Winzer entsteht wichtiges Knowhow für eine kompetente Kundenberatung. Christian Wild und Roman Herzog berichten von ihrer Reise mit Winzerberater Daniel Wyss durch Nordspanien.

Osoti
Gruppenbild vor einem beinahe unwirklichen Himmel in der Rioja, v.l.: Christian Wild (Verkaufsteam), Francisco Ruiz (Osoti), Roman Herzog (Verkaufsteam), Daniel Wyss (Winzerberater) und Beatriz Izquierdo (Osoti)

«Landung in Barcelona, Übernahme eines Mietwagens und los gehts: Erste Station ist die Winzerfamilie Ramirez mit ihrem Weingut Las Cepas in der Rioja. Santiago Ramirez zeigt uns seine Weinberge mit permanenter Begrünung und beeindruckender Biodiversität. Zu Winzer Francisco Ruiz (Osoti) ist es bloss ein Katzensprung. Er führt uns seine sensationell schön auf einem Hügel gelegene Neuanlage vor, wo Francisco seine Vision von einem ausgeglichenen, mit der Natur im Einklang stehenden Rebberg konsequent verfolgt. Wir sind begeistert und überzeugt, dass er das Ziel dank seinem grossen Enthusiasmus erreichen wird.

Santiago Ramirez (links) mit Winzerberater Daniel Wyss und Roman Herzog im Weinberg
Santiago Ramirez (links) mit Winzerberater Daniel Wyss und Roman Herzog im Weinberg

Am nächsten Tag fahren wir nordwärts in die Navarra, wo wir auf dem Weingut Azul y Granza von Dani Sanchez, María Barrenas Vater Antonio und Bruder Fernando empfangen werden. Besonders beindruckend sind die Weinberge im wüstenähnlichen Naturreservat Bardenas Reales. Weitläufige junge Rebanlagen sind in eine traumhafte Landschaft eingebettet und profitieren von einer phänomenalen Biodiversität. Bereits ein Vierteljahrhundert haben die knorrigen Cabernet-Sauvignon-Rebstöcke auf dem Buckel, welche Trauben für den Spitzenwein Desierto liefern.

Nächste Station ist das am Jakobsweg gelegene Weingut Quaderna Via. Hier dürfen wir im komfortablen Gästehaus übernachten. Winzer Raúl Ripa und Rebmeister Alfonso führen uns durch die Reben. Dabei wird offensichtlich, wie ernst die Delinat-Richtlinien genommen werden. In enger Zusammenarbeit mit Berater Dani Wyss bemüht sich das Weingut, diese auf der höchsten Stufe zu erfüllen.

Trotz Regen gute Laune, v.l.: Christian Wild, Daniel Wyss, Raúl Ripa (Quaderna Via), Roman Herzog und Rebmeister Alfonso (Quaderna Via)
Trotz Regen gute Laune, v.l.: Christian Wild, Daniel Wyss, Raúl Ripa (Quaderna Via), Roman Herzog und Rebmeister Alfonso (Quaderna Via)

Nach einer rund dreistündigen Reise erreichen wir das prestigeträchtige Weinbaugebiet Ribera del Duero. Auf der Bodega Basconcillos (Basconcillos Roble und Crianza) keltert Betriebsleiter Francisco Barona Weine, die sich von den meisten Gewächsen aus dieser Region betreffend Frische und Eleganz unterscheiden. Dabei kann er sowohl im Feld wie im Keller auf modernste Technologie zählen. Die Reben wachsen auf unterschiedlichen, fliessend ineinander übergehenden Böden aus Kalk, Sand und Lehm. Die Trauben werden nach Bodentyp separat vinifiziert. Bei der Degustation der Jungweine 2013 staunen wir, wie deutlich die Unterschiede zu erkennen sind.

Ein gewaltiger Kontrastpunkt zu der mit viel Kapital und modernster Technologie ausgestatteten Bodega Basconcillos bietet das kleine Familienweingut Volvoreta im Weinbaugebiet Toro. Hier stehen der ökologische Gedanke und eine etwas romantische Vorstellung von Weinbau derart im Vordergrund, dass die Ökonomie kaum Schritt halten kann. Wir hoffen, dass die unglaublich sympathische Familie Alfonso hier einen Weg findet, der ihr ein wirtschaftliches Überleben mit dem Weinbau ermöglicht.

Picknick inmitten reicher Biodiversität, v.l.: Daniel Wyss, Antonio Alfonso (Volvoreta) , Christian Wild, Roman Herzog, Maria Alfonso (Volvoreta)
Picknick inmitten reicher Biodiversität, v.l.: Daniel Wyss, Antonio Alfonso (Volvoreta) , Christian Wild, Roman Herzog, Maria Alfonso (Volvoreta)

Letztes Weingut auf unserer Reise ist die Bodega Menade der Gebrüder Sanz in der Region Rueda (Saxum Verdejo, Saxum Sauvignon Blanc). Neben den grossen Bemühungen für eine reiche Biodiversität verblüfft uns hier eine Aussage von Betriebsleiter Marco Sanz, wonach man im ganzen Jahr 2013 kein Gramm Schwefel oder Kupfer in den Weinberg gespritzt hat. Echter und Falscher Mehltau konnten mit natürlichen Produkten aus Schachtelhalm, Schafsmilch, Zimt, Backpulver und Tonerde in Schach gehalten werden. Wer weiss, vielleicht gehört Menade zu den allerersten Weingütern, die auch längerfristig gänzlich ohne Kupfer- und Schwefellösungen auskommen. „Das ist jedenfalls unser Ziel“, sagt Marco, bevor wir uns verabschieden.

Für uns war es eine intensive Woche mit einer spannenden und lehrreichen Reise. Wir konnten die unterschiedlichen Auffassungen unserer Winzer und die Herausforderungen an den Delinat-Weinbau in Nordspanien kennenlernen. Dies verschaffte uns neue Einblicke in die Philosophie der Betriebe und zeigte uns eindrücklich, dass verschiedene Wege zum selben Ziel führen können. Die Begegnungen und die intensiven Gespräche mit unseren Winzern werden uns helfen, unsere Kunden noch kompetenter und praxisgerechter zu beraten.»

Wein- und Kochkunst

Ihr langes, schwarzes Haar und ihr anmutiger Blick erinnern eher an Penélope Cruz als an eine Kellermeisterin in Spaniens Weinhochburg Rioja. Doch als Leinwandidol hat Beatriz Izquierdo Rodríguez (32) keine Ambitionen. Sie gehört zu jenen jungen Frauen, die Spanien zu einem Weinland machen, in dem immer mehr Frauen die Vorherrschaft im Weinkeller übernehmen.

Beatriz Izquierdo Rodríguez, die «Penelope Cruz von Osoti»

Als sie als Ökologin und Agronomin zwischen 2006 und 2011 an der Universidad de la Rioja in Logroño berufsbegleitend auch noch ein Studium in Önologie anhängte, waren deutlich mehr Frauen in ihrer Klasse als Männer. «Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die verantwortungsvollen Posten in den Weinkellern heute nach wie vor mehrheitlich in Männerhand liegen», sagt sie. Viele Frauen würden zwar Önologie studieren, sich dann aber entweder in einem Labor mit Weinanalysen herumschlagen oder gar etwas völlig anderes machen, weil es schwierig sei, irgendwo als Kellermeisterin unterzukommen.

Sie selber hat es geschafft: Seit Ende 2011 sorgt sie auf dem Weingut Osoti von Francisco Ruiz für frischen Wind im Keller. Frauen machen aus ihrer Sicht in der Tendenz eher fruchtigere, sanftere und elegantere Weine als Männer – eben genauso, wie sie die junge Generation in Spanien mag. «Ich selber bin eine überzeugte Verfechterin solch modern vinifizierter Riojas mit hohem Garnacha-Anteil.» Die Garnacha (Grenache) ist ihre Lieblingstraube: «Sie fühlt sich in der Rioja Baja besonders wohl und gibt unseren Weinen das gewisse Etwas.»

Beatriz beherrscht nicht nur ihr Metier als Kellermeisterin, sie ist auch eine begnadete Köchin. «An einem Kochkurs habe ich Bekanntschaft mit einer alternativen Küche gemacht, die sich nicht nur durch ökologische und regionale Produkte, sondern auch durch spezielle Kombinationen auszeichnet.» Sie erzählt es am Herd stehend, wo sie mit Akribie ein paar Kostproben zubereitet, die sie uns später zusammen mit ihren feinen Osoti-Weinen serviert. Die Symbiose von Wein und Kochkunst beschert uns einen unvergesslichen Abend im imposanten Barriquekeller von Osoti.

Hier ein Wein mit der typischen Handschrift von Beatriz Izquierdo: Rioja Osoti

Frauen wird eine feine Nase attestiert. Kein Wunder, setzen sie zum Sturm auf die Weinkeller an. In Spanien haben bereits auf rund der Hälfte aller Delinat-Partnerweingüter im Keller Önologinnen das Sagen. Wir haben vier von ihnen besucht und sie mit der Frage konfrontiert: Machen Frauen andere Weine als Männer?

  1. María Barrena, Azul y Garanza: Die Magie der Weinberge
  2. Yolanda Martínez, Quaderna Vía: Gespür für feine Weine
  3. Beatriz Izquierdo, Osoti Viñedos Ecológicos: Wein- und Kochkunst
  4. Marga Torres, Albet i Noya: Önologin der ersten Stunde

Wie lange ist ein Wein haltbar?

Es gibt Weine, die sind einfach für den sofortigen Genuss bestimmt. Ein schönes Beispiel: der portugiesische Vinho Verde, der sogar das „verde“ in der Bedeutung „grün, frisch“ im Namen trägt. Ein solcher Wein macht kurz nach der Abfüllung am meisten Spass mit seiner belebenden Säure und der frischen Frucht. Lagern, gar für mehrere Jahre, sollte man so einen Wein nicht.

Die Entwicklung eines Weines über Jahre einzuschätzen erfordert viel Erfahrung. Und manchmal wartet ein Wein mit Überraschungen auf.

Gerade hochwertige Weine aber gewinnen durch die Lagerung. Dabei macht der Wein in der Flasche eine regelrechte Entwicklung durch: in der Jugend oft säurebetont und  fruchtig – das ist die Primärfrucht –  wirkt ein junger Wein oft noch etwas ungestüm, seine Komponenten stehen nebeneinander und wollen noch nicht so recht harmonieren – so wie ein Jugendlicher in der Pubertät. Nach einer Weile auf der Flasche stellt sich dann ein Gleichgewicht ein – die ersehnte Harmonie: Der Wein ist trinkreif.

Nach einer Zeit kann es passieren, dass ein Wein seine Primärfrucht verliert, er beginnt sich zu verschliessen. Die Frucht ist manchmal kaum noch spürbar, im Vordergrund stehen die Gerbstoffe. In dieser Phase sollte man den Wein einfach im Keller lassen.

Wenn die Entwicklung gut verläuft, wird die Geduld reichlich belohnt: Der Wein öffnet sich wieder und entwickelt komplexe Sekundäraromen; die Frucht kommt wieder – aber eingebunden in weitere Aromen, die der Wein anfangs nicht erkennen liess. Nun ist ein hochwertiger Wein auf dem Höhepunkt und bereitet den grössten Genuss.

Für jeden Wein prognostizieren wir seine Haltbarkeit – in seltenen Fällen müssen wir erkennen, dass wir falsch lagen. Diese Weine bieten wir Ihnen dann zu einem reduzierten Preis an – auf dem Höhepunkt der Trinkreife. Nun ist es einmal passiert: Dem beliebten Osoti Vendimia seleccionada hatten wir zugetraut, für eine lange Zeit grosses Trinkvergnügen zu bieten. Wie die vielen Auszeichnungen andeuten, standen wir nicht allein mit unserer Einschätzung. Dieser Rioja hat aber schon jetzt seinen Höhepunkt überschritten. Mit 30% Reduktion auf den ursprünglichen Preis ist er nun ein echtes Schnäppchen für Freunde reifer Weine –  aber bitte: trinken Sie ihn vor Jahresende und lagern Sie diesen Wein nicht mehr ein.