Spanien fördert Delinat-Philosophie

Carlos Laso Galbis ist ein umtriebiger Winzer: Seit er mit Delinat zusammenarbeitet, hat ihn auf seinem Weingut Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia die «grüne Revolution» erfasst. Das Weingut gehört zum Forschungsnetzwerk des Delinat-Instituts. Carlos hat sich zum Ziel gesetzt, die ambitiösen Delinat-Richtlinien in seinen Weinbergen möglichst flächendeckend auf der höchsten Niveaustufe umzusetzen.

Mit Innovationen zum Erfolg: Carlos Laso Galbis setzt die Delinat-Richtlinien konsequent um.

Staatlicher Segen für Delinat-Richtlinien

Ein vom spanischen Landwirtschaftsministerium ausgeschriebenes Förderprogramm zur wirtschaftlichen Stärkung ländlicher Gebiete kam ihm da gerade recht: Er kopierte kurzerhand Auszüge aus den Delinat-Biorichtlinien und reichte diese zusammen mit ein paar Skizzen als zukunftsträchtiges Projekt ein. Die staatliche Amtsstelle hiess das Förderprojekt als vorbildlich gut. Damit erhält Carlos eine willkommene finanzielle Unterstützung, um in die Biodiversität seiner Rebberge zu investieren.

Olivenbäume mitten im Weinberg

Bereits hat er damit begonnen, in seinen grössten Parzellen ganze Reihen von Rebstöcken auszureissen um für andere Kulturen Platz zu machen. So hat er eine Reihe Olivenbäume gepflanzt, die im Stammbereich von niedrigen Trockensteinmauern gesäumt werden. Zusammen mit Steinhaufen und Aromakräutern bilden sie Anziehungspunkte und Lebensraum für Reptilien, Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten.

Oliven im Weinberg

Eine wichtige Sekundärkultur in mediterranen Regionen: der Olivenbaum

Walzen statt mähen

Weiter setzt Carlos grossflächig spezielle Leguminosesaaten ein, um seine Weinberge ganzjährig zu begrünen. Nach dem Vorbild des vom Delinat-Institut entwickelten Rolojack hat er ein Spezialgerät gebaut, mit dem er den Pflanzenteppich zwischen den Rebzeilen plattwalzen kann. Das hat gegenüber dem Mulchen (mähen und liegen lassen) den Vorteil, dass die Feuchtigkeit besser im Boden zurückbehalten und die natürliche Nährstoffzufuhr für die Rebstöcke verbessert werden kann.

Blumen im Wein

Fast zu schade, um es zu walzen: Blumenmeer zwischen den Rebzeilen

Weisswein-Rarität

Carlos ist übrigens nicht nur ein innovativer, pfiffiger Weinbauer, er keltert auch einen für Spanien aussergewöhnlichen Weisswein: Sein Viña Llopis ist mehrheitlich aus Gewürztraminer gekeltert – eine echte Rarität für Spanien. Sein Grossvater, der früher geschäftlich viel in den Benelux-Ländern unterwegs war, hatte die Rebsorte einst aus dem Elsass mit nach Valencia gebracht. Auch hier scheint sie sich ausgesprochen wohl zu fühlen, wie der fruchtig-würzige Viña Llopis eindrücklich zeigt.

Spanien – üppig grün wie selten

«Immer wenn ihr zu uns kommt regnet es», spottet Juan Sojo, Önologe der Weinkellerei Cerro La Barca in der Extremadura. Normalerweise gibt es in dieser Region, die an Andalusien und Portugal grenzt, 280-360 mm Niederschläge in einem ganzen Jahr. Heuer sind es bis Ende Mai schon 600 mm. Eine verkehrte Welt, bei uns in der Schweiz war es so trocken wie seit 150 Jahren nicht!

Begrünung im Weinberg

Bodenbegrünung bei Cerro la Barca in der sonst so trockenen Extremadura. Joaquí­n Salamancas Hund Bubu ist vor dem üppigen Grün kaum zu erkennen.

Gründüngung überragt die Reben

Aber auch in anderen Regionen Spaniens sorgen die vielen Winter- und Frühjahrniederschläge für eine Landschaft in ungewohnt üppigem Grün. Die im vergangenen Herbst eingesäte Gründüngung ist bei Albet i Noya im Penedès über anderthalb Meter in die Höhe geschossen. Ich habe Winzer Josep Maria empfohlen, die Begrünung statt zu mähen nur zu walzen, um so die Feuchtigkeit noch besser im Boden zurückzuhalten. Das hat er auf einer kleinen Fläche versuchsweise getan. Hier wird er nun jeden Monat die Bodenfeuchtigkeit messen und mit jener in den gemulchten Flächen vergleichen.

Albet i Noya

Josep Maria Albet i Noya ist Spaniens Biopionier – auch was Blumen im Weinberg betrifft.

Dank der vielen Niederschläge in den letzten zwei Wintern konnten sich im Penedès die Grundwasserreserven wieder erholen. Diese waren seit 2003 sehr tief gesunken. Auf der andern Seite werden die Winzer durch den Niederschlagsreichtum mit erhöhtem Druck durch Pilzkrankheiten wie echter und falscher Mehltau konfrontiert. Dies führt immer wieder zu Kritik an den Delinat-Richtlinien. Die Winzer monieren, diese seien bezüglich Einschränkung von Schwefel gegen echten Mehltau für die höchste Qualitätsstufe (3 Schnecken) zu streng und kaum erreichbar. Ich empfehle ihnen dann jeweils, den flüssigen Schwefel mit Backpulver und den Stäubeschwefel mit Steinmehl zu mischen. So kann die Schwefelmenge reduziert werden.

Neues, vielversprechendes Weingut

Ein absolutes Highlight habe ich zum Abschluss meiner Reise in Zamorra am Fluss Duero in Kastillien und Leon erlebt. Volvoreta ist ein neuer Betrieb, von dem wir im Herbst den ersten Wein erhalten werden. Noch nie habe ich eine so kompromisslose Winzerfamilie erlebt, die sowohl bezüglich Weinqualität als auch bezüglich Biodiversität das Maximum anstrebt. Antonio Alfonso, seine Tochter Maria (25) und ihr Bruder David (30) reduzieren zu Gunsten der Weinqualität ihre Erträge um 50%. Die 15 ha Weinberge sind Bestandteil einer wilden Heidelandschaft mit Überbleibseln früherer Kulturen: Pfirsich-, Mandel-, Feigen-, Walnuss-, Kastanien und Birnbäume. Daneben prägen Steineichen, Pinien, Schwarzpappeln und vor allem wilder Lavendel, Rosmarin, Thymian sowie andere aromatische Pflanzen das Bild.

Blumen im Weinberg

Weinqualität und Biodiversität stimmen nahezu perfekt: Weingut Volvoreta am Duero.

Gut möglich, dass Volvoreta zu den ersten Weingütern gehört, die die höchste Delinat Auszeichnung (3 Schnecken) erreichen.

Grösster Biokohle-Versuch gestartet

Der Weinbau entwickelt sich zur Pionierkultur für Biokohleforschung: In diesem Frühjahr wurde unter der Ägide des Delinat-Instituts für Ökologie und Klimafarming der bisher mit Abstand grösste Biokohle-Netzwerkversuch gestartet. Involviert sind rund ein Dutzend Bioweingüter quer durch ganz Europa. Eine zentrale Rolle übernehmen die vier zum Delinat-Forschungsnetzwerk gehörenden Betriebe Château Duvivier (Frankreich), Maggio Vini (Italien), Pago Casa Gran (Spanien) und Römerkelter (Deutschland).

Biokohle MaggioVini

Einsatz von Biokohle, hier auf dem Weingut Maggio Vini auf Sizilien: Biokohle wurde mit Mist vermischt und in den Rebzeilen ausgebracht.

Erste Resultate liegen vor

Auf einer jeweils rund einen Hektar grossen Fläche wird die Wirkung von Biokohle als Bodenverbesserer, Nährstofflieferant und Klimagas-Bremse erprobt. Der europaweite Grossversuch baut auf ersten Resultaten eines bereits 2007 angelegten Versuchs am Delinat-Institut auf. Die neusten Resultate dieses Versuchs deuten darauf hin, dass der Einsatz von Biokohle insbesondere die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit verbessert, was zu Qualitätsverbesserungen und weiteren Vorteilen führt. Im Vordergrund stehen:

  • Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Reben und damit Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.
  • Stimulation der mikrobiellen Bodenaktivität und der Symbiosen zwischen Pflanzen und Bodenorganismen.
  • Reduktion des Düngemitteleinsatzes durch Optimierung der Nährstoffversorgung.
  • Verbesserung des Geschmacks, der Nährstoffgehalte und der Haltbarkeit des Erntegutes.
  • Verringerung von Klimagasemissionen und Grundwasserbelastung.

Der im Frühling 2011 gestartete Grossversuch, der sich auf unterschiedlichste Bodentypen und Klimazonen erstreckt, soll innerhalb von 3 bis 5 Jahren definitiven Aufschluss über den Einfluss der Biokohle auf das Rebenwachstum und die Weinqualität liefern.

Im eigenen Garten experimentieren?

Biokohle wurde schon in alten Indiokulturen am Amazonas verwendet. Dort kommt sie in der fruchtbaren schwarzen Erde «Terra Preta» vor. Biokohle lässt sich aus organischen Reststoffen herstellen. Erhitzt man Biomasse (Grünabfälle, Stroh, Trester, Küchenabfälle usw.) unter Ausschluss von Sauerstoff auf über 350°C, entsteht reine Biokohle. Diese wird im Weinberg immer mit Kompost oder Viehmist vermischt eingesetzt. Wer im eigenen Garten oder Weinberg mit Biokohle experimentieren möchte, kann bei www.swiss-biochar.com Biokohle oder fertige Terra Preta Substrate bestellen.

Alles Gute, Bio-Hotels!

Mit den Bio-Hotels, einem Zusammenschluss von ökologisch wirtschaftenden Hotels in fünf Ländern Europas, arbeiten wir schon lange, gern und auf unterschiedlichen Ebenen zusammen. Nicht zuletzt lässt es sich dort auch privat prima urlauben!

Von Nord-Italien bis Nord-Deutschland: Die Bio-Hotels versprechen «Mit Sicherheit geniessen».

Mit dem 10. Geburtstag kommen jetzt auch die Bio-Hotels in die Jahre – viele der angeschlossenen Hotels allerdings existieren schon viel länger und wirtschaften ökologisch. Ich habe den Werdegang der Hotels immer mit Interesse verfolgt; da ich selbst meine berufliche Laufbahn in der (Bio-)Gastronomie in Hamburg begonnen habe, weiss ich aus eigener Erfahrung, wie schwer es doch in den 90er Jahren noch war, überhaupt Bio-Produkte in Gastronomie-geeigneten Gebinden zu bekommen!

Ich erinnere mich noch an die unhandlichen 20-Liter-Kannen mit Vorzugsmilch aus dem Kehdinger Land. Das Umfüllen in kleinere Behälter war ein Schülerinnen-Job für den Nachmittag! Unvergessen auch Bio-Bauer Eckart Tietke, der uns wöchentlich mit Kartoffeln, Möhren und geräuchertem Speck aus dem Wendland versorgte – niemals verliess er uns wieder, ohne ein deftiges Bauernfrühstück verzehrt zu haben.

Die Lieferanten für diese Produkte musste man suchen; auch wenn die persönlichen Begegnungen viel Freude bereiteten, war der Alltag doch oft mühevoll. Heute haben sich die Bio-Grosshändler längst auf die Nachfrage aus der Gastronomie eingestellt. Die Versorgung mit Produkten ist besser und rationeller – wenn auch vielleicht ein bisschen anonymer – geworden.

Die Produkte waren damals schon zertifiziert – für Hotellerie und Gastronomie aber gab es noch kein entsprechendes Label. Auch das ist Vergangenheit – jedes Hotel kann sich heute zertifizieren lassen und seinen Gästen so signalisieren, dass es die ökologische Komponente ernst nimmt.

BioHotels Katalog

Viele Überraschungen gibts im Jubiläums-Katalog der Bio-Hotels – Bestellung hier.

Wie wir bei Delinat verstehen sich die Bio-Hotels aber als Pioniere und Schrittmacher – und sie gehen bei der Zertifizierung noch einen Schritt weiter: Aktuell wird das ehc-Label eingeführt; das Kürzel «ehc» steht für «eco hotels certified». Gab es bisher nur fixe Vorgaben für Bio-Essen und -Getränke sowie Naturkosmetik, legt das neue ehc-Label, das von der Biokontrollstelle ABCERT geprüft wird, den Fokus auf den Verbrauch der Hotels von Energie und Wasser, das Müllaufkommen sowie regionale Strukturen. Dabei werden aber nicht nur der Strom- und Wasserverbrauch, sondern z.B. auch die Anreiseart der Gäste, die Firmenfahrzeuge und die Berücksichtigung von baubiologischen Kriterien bei der Renovierung erfasst.

Das Ziel ist, den ökologischen Fussabdruck jedes Hotels zu minimieren. Das Ganze ist ein dynamisches System – die Anforderungen steigen automatisch mit dem Durchschnitt der erfassten Kriterien in einem dynamischen Prozess.

Bei soviel Dynamik bleibt uns nur zu sagen: Herzlichen Glückwunsch, liebe Bio-Hotels – bleibt so ökologisch, genussvoll, gastfreundlich und dynamisch, wie ihr seid!

Der kalte Hauch des Kommunismus

Während 40 Jahren war Bulgarien unter kommunistischer Herrschaft. Nach dem Fall der Berliner Mauer setzte auch hier ab 1990 der Übergang zu einer demokratischen Republik ein. Auf unserer Fahrt durch das Land erinnern noch immer hässliche Plattenbauten in den Vorstädten und zerfallende Kolchosen auf dem Land an diese Zeiten.

Imker in Bulgarien

Bio-Imker Gregori Kolchev hält seine Bienenvolker in einem zur Zeit des Kommunismus berühmten und berüchtigten Jagdgebiet.

Eine unheimliche Begegnung

Ganz extrem wird es, als wir bei Bienenzüchter Gregori Kolchev in der Nähe der Stadt Silistra im Nordosten Bulgariens Station machen. Schon die Zufahrt durch ein breites Gittertor jagt mir einen kalten Schauer den Rücken hinunter. Einige 100 Meter später passieren wir einen heute unbewachten Sicherheitsposten. Dann dringen wir durch verschlungene Waldwege zu einem alten Jagdhaus vor. In der düster-dunklen Stube hängen Jagdtrophäen. Auf einem Salontisch warten Whisky, Cola, Wurst, Käse und Schokolade auf uns. Wir lassen uns in die schweren Ledersofas nieder.

Jagdhütte in Bulgarien

Die Elite des Kommunismus ist nicht mehr da – heute empfangen hier die Bio-Imker Gregori Kolchev (ganz links) und Christofor Petrov (mit Hirschgeweih) ihre Jagd- und Bienenzucht-Freunde.

«In diesen Sesseln haben sich einst die kommunistische Elite Bulgariens und Staatsmänner wie Nicolae Ceausescu, Fidel Castro oder Erich Honecker nach gemeinsamer Jagd zugeprostet», erzählt uns Gregori. Irgendwie überkommt mich ein unheimliches, beklemmendes Gefühl. Ich bin erleichtert, als wir das Jagdhaus verlassen und uns Gregori seine in der Nähe stationierten Bienenstöcke zeigt.

Honig erhält gesund und fit

So richtig wohl ist mir aber erst wieder, als wir dieses unheimliche Revier verlassen. Die Reise geht weiter südwärts. Nach rund einstündiger Fahrt warten am Ende eines dschungelähnlichen Weges durch blühende Robinienwälder Kostadin Tachev und seine Frau Ginka auf uns. Was für ein Kontrast zur beklemmenden Atmosphäre im Jagdrevier: Es ist der bisher schönste Platz mit Bienenstöcken, den wir antreffen. Das Imkerpaar ist mitten im lichten Wald in einem einfachen Häuschen gerade dabei, frischen Blütenhonig zu schleudern.

Imker und Bienenhonig in Bulgarien

Das Bienenzüchterpaar Kostadin (links) und Ginka Tachev (Mitte) empfängt uns freundlich in einem wahren Imker-Paradies.

«Wir essen selber jeden Tag viel Honig. Das gibt uns Kraft und Gesundheit», sagt Kostadin. Er liebt die Natur über alles. Mit der Jagd hat er, im Gegensatz zu den meisten andern bulgarischen Imkern, nichts am Hut. «Ich kann kein Tier töten», sagt er.

Bio-Honig in Bulgarien

Frischer Honig, direkt im Wald produziert: Ginka Tacheva bereitet die mit Honig gefüllte Wabe zum Schleudern vor.

Alle Reiseberichte aus Bulgarien:

Tag 1: Ein glückliches Leben dank Bienenzucht
Tag 2: Böse Bienen und blutrünstige Zecken
Tag 3: Der kalte Hauch des Kommunismus

In 180 Tagen rund um die Bio-Hotels

Anfang des Jahres hatten die Bio-Hotels, ein Zusammenschluss von ökologisch orientierten Hotels in 5 Ländern Europas, einen Wettbewerb ausgeschrieben. Das Angebot: 180 Tage in rund 50 verschiedenen Bio-Hotels inklusive grosszügigem Taschengeld gegen öffentlichkeitswirksame Geschichten aus und rund um die besuchten Hotels. Ein halbes Jahr reisen, Länder, Menschen, ökologische Konzepte kennenlernen – wer würde nicht gern mal so ein Projekt mitmachen?

Biodyssey

Die «Biodyssey»: 180 Tage, 50 Bio-Hotels, 5 Länder, 22 junge Menschen, 10 Nationen, 1 große Reise

Anfang Mai entschied sich der Vorstand der Biohotels dann – nicht für einen Gewinner, sondern mehrere: das Konzept des Youth Food Movement überzeugte mit seiner Idee einer «Biodyssey». Dieses Netzwerk setzt sich für gute, saubere und faire Lebensmittel ein und möchte eine Veränderung der Lebensmittelwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit bewirken.

«Die ‚Biodyssey‘ ist unser Sieger weil wir so die Chance auf äußerst bereichernde und vielfältige Begegnungen haben. Hier werden Bio-Pioniere auf die Vertreter einer neuen, grünen Bewegung treffen und voneinander lernen. Wir sind gespannt auf die Geschichten, die die ‚Biodyssey‘-Mitglieder darüber erzählen werden», so Ludwig Gruber, Geschäftsführer und Mitbegründer der Bio-Hotels.

Die «Biodyssey» ist gerade gestartet; ihr Fortgang kann unter www.180-tage-bio-hotels.info mitverfolgt werden. Von ihren Erlebnissen berichten die Teilnehmer in einem Blog und auf der «Biodyssey»-Fanseite bei Facebook, wo auch Fragen zu einzelnen Hotels, Bio-Lieferanten oder regionalen Produkten gestellt werden können.

Ich jedenfalls werde virtuell dabei sein, die Reise verfolgen – und mir ab und zu vorstellen, wie es wäre, einfach mit zu reisen…

Böse Bienen und blutrünstige Zecken

Heute erfahren wir am eigenen Leib, mit welchen grossen und kleinen Gefahren bulgarische Bienenzüchter in ihrem Imkeralltag zu kämpfen haben. Wir sind bei Imker Asen Asenov weitab von jedem Dorf im Naturpark Rusenski Lom im Nordosten Bulgariens. Rund 200 Bienenstöcke stehen hier in und vor einem lichten Wald.

Imker in Bulgarien

Imker Asen Asenov zeigt uns Relikte aus vergangenen Zeiten – hier ein ehemaliger Bienenstock. Ich schütze mich angesichts der vitalen Bienen lieber mit professioneller Vollmontur (rechts).

Ist es der Lärm einer alten Mähmaschine in der Nähe, der die Bienen verrückt macht? Jedenfalls gebärden sie sich in höchstem Masse aggressiv. Da hilft nur gute Schutzkleidung. Die schwarze, kurze Hose von Delinat-Reporter Hans Wüst ist aber das pure Gegenteil.

Bienenhonig in Bulgarien

Aggressive Bienen: Gute Schutzkleidung tut Not.

Ein Fotoshooting mit mir und dem Imker fällt einer Bienenattacke zum Opfer. Fotograf Hans sucht fluchtartig das Weite. Mit einem Stich in die linke Wade kommt er letztlich noch glimpflich davon. Mir selber bleiben glücklicherweise geschwollene Körperteile erspart. Dafür entdecke ich am Abend im Hotel eine kleine, schwarze Zecke, die sich draussen in der wilden und teilweise noch unberührten bulgarischen Natur an meinem Körper festgesaugt hat.

Schlangenbändiger

Mit stechenden Bienen und beissenden Zecken sind die Imker im Frühling fast täglich konfrontiert. Schon etwas spezieller ist die Begegnung, die uns Bienenzüchter und Hobbywinzer Marcho Alexandrov in seiner Pergola in dramatischem Jägerlatein schildert. Er hält in der Nähe des Tichasees knapp 100 Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt 40 Bienenvölker.

Schlangenfaenger

Marcho Alexandrov züchtet nicht nur Bienen, er ist auch Hobbywinzer und «Schlangenbändiger».

Vor ein paar Tagen wurde er in seinem Garten von einer 1,5 Meter langen Würgeschlange bedroht. Mit einem gezielten Stockschlag gelang es ihm, die seinen Aussagen zufolge tödliche Gefahr zu bändigen. Zum Beweis, dass er uns keine Räubergeschichte auftischt, führt er uns auf eine Wiese, greift ins hohe Gras und hebt das tote Reptil in die Höhe. Dann stossen wir mit seinen sehr speziellen Weinen, die er ausschliesslich für den Eigenkonsum keltert, auf ein gutes Honigjahr 2011 an.

Alle Reiseberichte aus Bulgarien:
Tag 1: Ein glückliches Leben dank Bienenzucht
Tag 2: Böse Bienen und blutrünstige Zecken
Tag 3: Der kalte Hauch des Kommunismus

Ein glückliches Leben dank Bienenzucht

Für einmal bin ich nicht in Sachen Wein, sondern zusammen mit unserem Reporter Hans Wüst in Sachen Bio-Honig in Bulgarien unterwegs. Was beim Wein Standard ist, gilt auch hier: Wir wollen vor Ort erfahren, in welchem Umfeld die verschiedenen Honige entstehen, welche Menschen dahinterstecken und wie sie produziert werden. Den Zeitpunkt für die Reise habe ich bewusst gewählt: Jetzt stehen die grossflächigen Robinienwälder in voller Blüte. Die Bienen umschwärmen die weissen Blüten und holen sich den Nektar für den beliebten Akazienhonig.

Akazien in Bulgarien

Zurzeit blühen in Bulgarien die Robinien (Falsche Akazie). Aus dem Nektar produzieren die Bienen den beliebten Akazienhonig.

Kundiger Reiseführer

In Sofia treffen wir unseren englisch sprechenden Honig-Partner Gerasim Dochev, der uns in die entlegensten Winkel Bulgariens zu den Bienenzüchtern führt. Die Imker sind einfache Bauersleute, die neben bulgarisch höchstens noch etwas russisch sprechen. So sind wir froh um die Reiseführer- und Dolmetscherqualitäten von Gerasim, der uns auf dieser Reise mit seinem grossen geschichtlichen Hintergrundwissen und einigen Abstechern zu historischen und kulturellen Stätten auch viel über die bulgarische Kultur und Geschichte vermittelt.

Bauernfuhrwerk in Bulgarien

Die Bilder auf dem Land erinnern an alte Zeiten: Viele Bauern sind noch mit Ross und Wagen unterwegs aufs Feld.

Bilder wie vor 100 Jahren

Erste Station ist das kleine, abgelegene Dorf Chilnov im Naturpark Rusenski Lom im Nordosten Bulgariens. Auf dem Weg zu Bienenzüchter Nuereitin Nieziew wird rasch klar, wie ärmlich und einfach das ländliche Leben in Bulgarien bis heute geblieben ist. Viele Bauern sind noch immer mit Ross und Wagen unterwegs. Nuereitin zeigt uns seine hellblauen und gelben Bienenstöcke inmitten blühender Robinien. Hier summt und brummt es – die Produktion von Akazienhonig läuft in diesem Frühling auf Hochtouren. Ganz anders als im letzten Jahr, als die Ernte von Akazienhonig wegen starken Regenfällen und tiefen Temperaturen fast vollständig ausgefallen war.

Imker in Bulgarien

Nuereitin Nieziew mitten in seinen Bienenstöcken unter blühenden Robinien. Vom weltweiten Bienensterben sind seine Völker bisher verschont geblieben.

Gesunde Bienenvölker

Fast schüchtern erzählt der 42-Jährige von seinem einfachen Leben als Bienenzüchter. Seine 150 Bienenvölker produzieren neben Akazien- vor allem auch Lindenhonig. Probleme mit Krankheiten oder Bienensterben kennt er kaum: «Ich züchte alle meine Königinnen selber. Ausserdem ernähren sich meine Bienen im Winter vom eigenen Honig. Es gibt keine Zufütterung», nennt er neben der intakten Natur zwei weitere Gründe für die robuste Gesundheit seiner Völker. Die Bienenzucht ermöglicht Nuereitin und seiner Familie eine gute Existenz. Seine Ansprüche sind allerdings bescheiden. «Ich war bisher erst einmal in meinem Leben in Sofia, im Ausland noch überhaupt nie», sagt er. Dann steigt er in seinen 14jährigen Lada und führt uns über löchrige Strassen zu den nächsten Imkern.

Alle Reiseberichte aus Bulgarien:
Tag 1: Ein glückliches Leben dank Bienenzucht
Tag 2: Böse Bienen und blutrünstige Zecken
Tag 3: Der kalte Hauch des Kommunismus

Das Delinat-Forschungs-Netzwerk

Wie lassen sich praktisch identische ökologische und wirtschaftliche Probleme in Weinbaugebieten mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und Bodenbeschaffenheiten lösen? Mit dieser zentralen Frage beschäftigt sich das Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming intensiv. Es geht darum, neuen Methoden der Begrünung, der Bodenaktivierung, der Biodiversifizierung und der Reduktion von Klimagasen zum Durchbruch zu verhelfen – europaweit.

Weingut Mosel

Timo Dienhart, engagierter Jungwinzer an der Mosel, hat bereits einige Biodiversitäts-Projekte auf den Weg gebracht. Hier zeigt er ein in die Rebzeile integriertes Insektenhotel.

Vier Delinat-Modellweingüter

Das Delinat-Institut im Wallis wählt dafür einen pragmatischen Ansatz: Die in den erwähnten Bereichen bereits bestehende und bewährte Forschungspartnerschaft mit dem Weingut von Château Duvivier in Frankreich wird auf drei weitere Güter in Ländern mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ausgedehnt. Zu neuen Delinat-Modellgütern werden somit ein sommertrockenes Gut in Spanien (Pago Casa Gran, Valencia), ein extrem sommertrockenes italienisches Gut (Maggio Vini, Sizilien) sowie ein regenreicheres deutsches Gut (Römerkelter, Mosel.

Ausbildungszentren für Delinat-Winzer

Das Institut und die vier Weingüter bilden neu das Delinat-Forschungs-Netzwerk. Sie nehmen an gemeinsamen, vom Delinat-Institut koordinierten wissenschaftlichen Versuchen teil, um die Praxistauglichkeit neuer Methoden für einen klimaneutralen Qualitätsweinbau mit hoher Biodiversität international unter Beweis zu stellen. Konkret geht es zum Beispiel um den Einsatz von Biokohle, die Optimierung der Begrünungssysteme und die Entwicklung neuer Mischkulturen.

Gleichzeitig werden alle Modellgüter zum Ausbildungszentrum für die Delinat-Winzer des jeweiligen Landes. Um ihre Vorbildfunktion wahrnehmen zu können, sollen sie möglichst rasch die höchste Qualitätsstufe der Delinat-Richtlinien (3 Schnecken) erreichen. Ziel ist, dass andere Delinat-Weingüter sukzessive nachziehen und ebenfalls dieses ambitiöse Niveau erreichen.

Mit ehrgeizigen Projekten auf Top-Niveau

Für 2011 haben wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Alle Rebflächen rund ums Château Duvivier sollen den höchsten ökologischen Qualitätsanforderungen entsprechen, die Delinat in den neuen, überaus ambitiösen Richtlinien postuliert. Um auf dieses Top-Niveau zu gelangen, das im Moment wohl noch kein Weingut erreicht, erstellen wir drei bis vier weitere biologische Hotspots.

Hotspot im Weinberg

Auf diesem Bild von Anfang März ist der neu angelegte Hotspot in den Weinbergen auf Château Duvivier noch unscheinbar; in wenigen Wochen wird sich das ändern.

Neue Hotspots entstehen

Auf allen Parzellen werden Reben herausgenommen, um Platz zu machen für rund 100 m2 grosse Inseln mit Fruchtbäumen, Kräutern, Sträuchern, Steinhaufen und Bienenhotels. Zusätzlich pflanzen wir entlang der Strasse, die an unserem Weingut vorbeiführt, eine Baumreihe mit Pappeln und Weiden. Das bewahrt uns nicht nur vor Verkehrslärm, sondern bringt auch neue Nistplätze für Vögel. Insgesamt entstehen so im Verlaufe dieses Jahres nahezu perfekte Voraussetzungen für eine grosse Artenvielfalt und einen geschlossen Naturkreislauf. Davon versprechen wir uns nicht zuletzt nochmals einen Qualitätssprung bei unseren Weinen.

Versuche mit Kompost und Biokohle

Ein weiteres wichtiges Projekt, das wir im Moment umsetzen, ist der Bau eines grossen Kompostierplatzes. Grüngut aus den umliegenden Gemeinden wird hier zusammen mit Kuh- und Schaftmist zu einem hochwertigen Kompost verarbeitet. Sobald der erste Kompost reif ist, starten wir in Zusammenarbeit mit dem Delinat-Institut einen Grossversuch. Dieser soll Aufschluss über die Wirkung von Kompost und Biokohle als Nährstofflieferanten und Bodenverbesserer im Weinberg geben.

Nach einem eher ruhigen, besinnlichen Winter wartet jetzt also wieder viel Arbeit in der freien Natur der Provence. Gerne lassen wir uns von der sprühenden Kraft des erwachenden Frühlings anstecken und nehmen das Weinjahr 2011 mit Elan und Zuversicht in Angriff.