Energiespendendes Naturparadies auf dem Balkon

Was unsere Winzer auf ihren Weingütern im grossen Stil umsetzen, macht im Kleinen auch in Ihrem privaten Umfeld Sinn. Ein Garten ist ideal für eine grosse Pflanzenvielfalt mit insektenfreundlichen Wildblumen, biologischem Gemüse oder auch Reben. Auch wenn der Garten fehlt, lässt sich dies ohne Weiteres auf Ihrem Balkon, der Dachterrasse oder auf einem Flachdach bewerkstelligen. Hier bieten sich zusätzlich Möglichkeiten zur Nutzung der Sonnenenergie.

Die Delinat-Methode kann auch zuhause umgesetzt werden.

Wichtig ist, dass die Töpfe, die bepflanzt werden, genügend gross sind, und die Versorgung mit Wasser gesichert ist. Das Balkongeländer kann vom Garten her mit einer Rebe berankt werden oder sie kann in einen Topf gepflanzt und auf den Balkon gestellt werden. Eine ideale Beschattung für Balkon und Dachterrasse ist Ihnen so sicher. Wichtig: Pflanzen Sie eine robuste Rebe (PIWI), die keinen Pflanzenschutz benötigt.

Balkone sind meist regengeschützte und warme Orte. Tomaten gedeihen hier besonders gut. In kleineren Töpfen fühlen sich trockentolerante Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian und Oregano sehr wohl. Sie sind nicht nur attraktiv für Insekten, sondern bieten auch Gaumenfreuden für die Küche. Möglich sind auch Basilikum, Koriander, Schnittlauch und Petersilie, die aber mehr Wasser benötigen.

Damit Wildbienen den Balkon besuchen und Gemüse oder Obst bestäuben, sind Wildblumen in einem Topf und ein Insektenhotel ideal. Verfügen Sie über einen grossen Balkon oder eine Dachterrasse, sind grosse Töpfe mit kleinen Sträuchern, Obstbäumen oder gar eine Terrassenbegrünung mit Wildblumen möglich. Bei genügend Fläche hat auch ein Balkonkomposter Platz, falls die Möglichkeit fehlt, einen Quartierkompost zu benützen.

Nisthilfen für Fledermäuse, Meisen, Gartenrotschwänze oder anderes Gefieder steigern die Biodiversität in Ihrem privaten Umfeld noch mehr. Und diese sorgen erst noch dafür, dass Ihnen weniger Stechmücken und Fliegen um die Ohren schwirren.

Die Delinat-Richtlinien verlangen von unseren Winzern, dass sie einen Grossteil der benötigten Energie auf dem eigenen Hof aus erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Wasser) produzieren. Dies ist auch für Sie mit einer Solaranlage sehr einfach möglich. Eine grössere Anlage für Solarstrom oder Solarwärme auf dem Dach ist natürlich perfekt. Es ist aber auch möglich, sinnvoll und weniger kostenintensiv, am Geländer ein kleines Balkonkraftwerk zur Produktion von Solarstrom zu installieren. Diese sind in Deutschland schon ab zirka 500 bis 1200 Euro erhältlich, in der Schweiz etwa ab 1500 Franken.

Alle fürs Klima – ist der Weinbau in Südeuropa noch zu retten?

Winzerinnen und Winzer spüren die extremen Klimaveränderungen der letzten Jahre hautnah und sind stark davon betroffen. Sowohl monatelange Trockenheit wie auch extreme Regenfälle machen den Weinbau in Europa immer schwieriger. Es ist höchste Zeit für wirksamen Klimaschutz.

«Wir haben hier extreme Hitze und Trockenheit, und in diesem Jahr ist es besonders schlimm», erzählt Carlos Laso mit einem besorgten Gesicht. Dann wieder setzten kurze, aber heftige Starkregen ein. Dabei fliesst das eigentlich dringend benötigte Nass aber sehr schnell wieder ab, weil die ausgetrockneten Böden das Wasser nicht so schnell aufnehmen können. «Nicht bei uns auf Pago Casa Gran» sagt der Delinat-Winzer aus Valencia: «Unsere Retentionsbecken sind Gold wert.» Das Regenwasser kann in diesen Becken zurückgehalten werden und sickert langsam in die Weinberge. Andere Becken dienen zur späteren Bewässerung, wenn es nötig wird. Hinzu kommt die Begrünung der Rebengassen, welche Erosion durch Starkregen zu vermindern mag und die Speicherfähigkeit von Wasser im Boden erhöht.

Schnecke im Weinberg

Viele Weinregionen in Europa hatten diesen Sommer mit ungewöhnlich feuchtem Wetter zu kämpfen: Die anhaltenden Niederschläge im Juni sorgten zum Beispiel in Bordeaux dafür, dass der Falsche Mehltau optimale Voraussetzungen vorfand, um in den Rebbergen riesigen Schaden anzurichten. Die Pilzkrankheit verbreitete sich in einem nie vorher dagewesenen Ausmass und zerstörte innerhalb von wenigen Tagen einen Grossteil der diesjährigen Ernte. Das Delinat-Weingut Château Couronneau kann in diesem Jahr fast keine roten und nur wenige weisse Trauben ernten: Mehr als 60% Verlust lautet die Prognose für dieses Jahr. Auch hier bewahrt die Vitalität der Reben und die hohe Biodiversität das Weingut wohl vor dem Komplettverlust der Ernte. Gut auch, dass Winzer Christophe Piat immer mehr auf robuste Rebsorten setzt – künftig wird das Weingut besser gegen Pilzkrankheiten aufgestellt sein.

Extreme Wetterereignisse über Jahre hinweg bedrohen die Betriebe in ihrer Existenz: Mehrere schlechte Ernten in Kombination mit Absatz-Schwierigkeiten können schnell das Aus bedeuten. Und die Erfahrungen zeigen, dass nicht nur Weingüter um ihr Überleben kämpfen müssen, welche schon seit Jahren finanziell schlecht aufgestellt waren. Die Auswirkungen des Klimawandels bedrohen auch Top-Betriebe, der gesamte Weinbau ist davon direkt betroffen.

Delinat-Methode – Lösungsansätze für den Weinbau der Zukunft

Gewiss, Delinat-Weingüter haben im Vergleich zu ihrer Konkurrenz einen Vorsprung, denn schon seit 40 Jahren setzt sich Delinat für einen umwelt- und klimaverträglichen Weinbau ein. Erneuerbare Energien, Wasserretention, Agroforst und neue robuste Rebsorten sind wichtige Bestandteile der Delinat-Methode für den Weinbau der Zukunft. Ohne diese Massnahmen wird Weinbau in vielen Regionen künftig gar nicht mehr möglich sein – oder sich finanziell nicht mehr lohnen. Winzerinnen und Winzer müssen sich deshalb schnell an die Klimaveränderungen anpassen, sonst ist ihre Existenz akut gefährdet.

Alle sind gefordert

Der ökologische Wandel in der Landwirtschaft und in unserem privaten Konsumverhalten erfordert einen starken Willen und Mut. Sauber produzierte und giftfreie Lebensmittel haben ihren Preis, doch so lange wir nur die günstigsten Lebensmittel kaufen, wird sich an der umweltschädlichen Produktion nichts ändern.

Doch auch wenn immer mehr Landwirte nachhaltig wirtschaften, wenn immer mehr Konsumentinnen verantwortungsvoll und bewusst einkaufen – das allein reicht nicht: Auch die Politik muss im Eiltempo die Klimawende ermöglichen, um die Zukunft lebenswert zu erhalten. Dazu gehören wirkungsvolle Klima- und Naturschutzgesetze, die Mobilitätswende, Abschied von fossilen Brennstoffen und vieles mehr.

Wir hoffen, dass der Druck vieler Menschen auf der Strasse und beim Einkauf am Ende auch bei der Politik ein Umdenken bewirkt. Denn der Klimawandel ist real, und eine schnelle Transformation hin zu nachhaltigen Anbaumethoden und grüner Energie braucht es nicht nur im Weinbau – sondern überall.

Mischkulturen für mehr Stabilität und Biodiversität im Garten

Was unsere Winzer auf ihren Weingütern im grossen Stil umsetzen, macht im Kleinen auch in Ihrem Garten Sinn. Zum Beispiel das Anlegen einer Mischkultur. Der Anbau von verschiedenen Pflanzenarten auf der gleichen Fläche bringt viele Vorteile. So können sich die Pflanzen gegenseitig unterstützen und schützen. Ein Beispiel: Eine Pflanze, die viel Schatten produziert, kann andere vor Hitze schützen. Wieder andere Pflanzen können als natürliche Schädlingsbekämpfer fungieren und so dazu beitragen, dass Schädlinge und Krankheiten minimiert werden. Die Verwendung von widerstandsfähigen, robusten Sorten verstärkt diesen Effekt.

Mischkulturen erhöhen den Ertrag und die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen

Die Mischkultur – ein Wundermittel

Durch die Verwendung von Mischkulturen werden auch verschiedene Nährstoffbedürfnisse erfüllt, was die Bodenfruchtbarkeit und die Ernteerträge erhöht. Ausserdem bieten Mischkulturen sowohl für den Gärtner als auch für Vögel und andere Tiere eine grössere Vielfalt an Nahrungsquellen. Eine reiche Biodiversität im Garten unterstützt zudem ökologische Prozesse, wie zum Beispiel die Bestäubung, den Schutz vor Bodenerosion oder den Wasserhaushalt.

Symbiosen nutzen

Symbiose ist das Zauberwort bei der Mischkultur. Eine Symbiose ist eine Beziehung zwischen verschiedenen Organismen, bei der beide Partner profitieren. Dazu ein paar Beispiele: Bodenbakterien (Knöllchenbakterien) gehen eine Symbiose ein mit Bohnen. Diese nehmen Stickstoff aus der Luft und machen diesen pflanzenverfügbar, wovon die Bohne profitiert. Im Gegenzug liefert die Bohnenpflanze den Bakterien Zucker als Nahrung.

Oder die Symbiose zwischen Pflanzen und Insekten. Unter Letzteren gibt es wichtige Bestäuber, die dazu beitragen, dass die Pflanzen Früchte tragen. Und Pflanzen, die Pollen und Nektar produzieren, locken solche Insekten an und erhöhen damit das Bestäubungspotenzial. Eine weitere wichtige Symbiose im Garten ist die Beziehung zwischen Pflanzen und Pilzen, bekannt als Mykorrhiza. Diese Pilze bilden eine symbiotische Beziehung mit den Wurzeln der Pflanzen und helfen ihnen, Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Last, but not least: Bodenbedeckende Pflanzen unterdrücken Unkraut. Sie verbessern zusätzlich die Bodenstruktur und tragen zur Bodenfruchtbarkeit bei. Erdbeeren gehören zu den bodendeckenden Nutzpflanzen.

Achten Sie also darauf, in Ihrem Garten möglichst viele Symbiosen zu nutzen. Damit erhöhen Sie sowohl die Biodiversität wie auch die Ertragskraft und die Wasserversorgung.

Die Delinat-Methode mit über 100 Richtlinien verlangt von den Winzern explizit die Förderung der Biodiversität im Rebberg. Die Delinat-Methode lässt sich im Kleinen auch bei Ihnen zu Hause umsetzen. Tipps, wie und in welchen Bereichen Sie das tun können, verrät Winzerberater Daniel Wyss in seiner neuen Kolumne, die fortan regelmässig erscheint.

Alle Beiträge der WeinLese 70:

Reben lieben Bäume

Delinat-Winzerinnen und -Winzer wissen schon lange um die grossen Vorteile, die das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern im Rebberg bringt. Diese als «Agroforst» oder «Vitiforst» bekannte Bewirtschaftungsform bekommt gerade jetzt, wo das Klima verrücktspielt, so richtig Aufwind. Agroforst ist ein Gebot der Stunde.

Reben und Bäume gedeihen auf dem Delinat-Weingut La Luna del Rospo Hand in Hand.
Reben und Bäume gedeihen auf dem Delinat-Weingut La Luna del Rospo Hand in Hand.

Reben und Bäume mögen sich – sie sind uralte Verbündete. Die Weinrebe ist von Natur aus eine wilde Liane, eine hochrankende Pflanze, die sich mit dem Baum verbindet, um sich hier zu stützen und zu gedeihen. Und die nachbarschaftliche Symbiose der für das menschliche Auge unsichtbaren unterirdischen Wurzelwelt ist besonders wertvoll. Bäume und Sträucher, die durch gleiche Mykorrhiza-Pilze (Endomykorrhiza) besiedelt werden, gedeihen gemeinsam besonders gut.

Leider wurden die Rebberge im Zuge der industriellen Revolution in baumlose Monokulturen mit nackten Böden verwandelt. Diese fatale Entwicklung trägt durch die Freisetzung von Kohlenstoff nicht nur zum Klimawandel bei, sondern führt auch zu einer Verarmung der Biodiversität in Boden und Landschaft. Die Reben selber werden dadurch schwächer und anfälliger für Krankheiten, Hitze, Trockenheit und Starkregen.

Dem Klimawandel trotzen

Bäume im Weinberg erhöhen die Vogel-Population
Bäume und Sträucher im Weinberg bieten unter anderem Lebensräume für Vögel.

Eine grosse Strukturvielfalt, wie sie mit Agroforst einhergeht, ist dagegen eine ideale Voraussetzung für reiche Biodiversität, die Lebensräume für eine vielseitige Pflanzen- und Tierwelt garantiert. Je grösser die Vielfalt, desto zahlreicher sind die Nützlinge, die Schädlinge in Schach zu halten vermögen und Pflanzenschutzmittel so weitgehend überflüssig machen. Bäume aktivieren zudem das Leben im Boden und erhöhen die Humusbildung. Im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel bieten sie zusammen mit Hecken Windschutz, reduzieren übermässige Sonneneinstrahlung und wirken als Kohlendioxid- Senke, indem CO2 im Boden gebunden wird. Bei starken Niederschlägen helfen sie, dass Regenwasser besser versickert, und – eher überraschend – sie pumpen bei grosser Trockenheit Feuchtigkeit aus der Tiefe und stellen diese auch den Reben zur Verfügung.

Vorreiter Château Duvivier

Blühende Vielfalt auf Château Duvivier
Blühende Vielfalt auf dem Delinat-eigenen Forschungsweingut Château Duvivier.

Ob und wie Vitiforst in der Praxis funktioniert, wird in einem langjährigen Prozess auf dem Delinat-eigenen Forschungs- und Versuchsweingut Château Duvivier in der Provence untersucht. Bereits vor rund 15 Jahren mussten ganze Rebzeilen Bäumen und Hecken weichen, um die Monokultur aufzubrechen und die Biodiversität zu erhöhen. Der Klimawandel mit den damit einhergehenden Problemen führte dazu, dass Massnahmen im Sinne der Permakultur und von Agroforst noch intensiver vorangetrieben wurden. In der jüngeren Vergangenheit wurden auf Château Duvivier Teiche als Wasserretentionsbecken angelegt, um das Grundwasser anzureichern. Rund um diese Teiche, die auch als wertvolle Biotope dienen, sowie in und um die Rebberge werden nach dem Konzept von Agroforst derzeit und in den nächsten Jahren Hunderte von trockenresistenten, tiefwurzelnden und standortgerechten Laub- und Fruchtbäumen sowie Hecken angepflanzt, sodass das Weingut längerfristig zu einem lebendigen und vielseitigen Reben-Waldgarten mit Vorzeigecharakter für den Weinbau der Zukunft wird.

Agroforst im grossen Stil

Agroforst im grossen Stil wird bereits seit Jahrzehnten auf dem Delinat-Weingut Vale de Camelos im portugiesischen Alentejo betrieben. Das Weingut ist Bestandteil eines 1000 Hektar grossen Landguts, das der Bremer Reeder Horst Zeppenfeld im Jahr 1981 erworben hatte. Seit 2012 liegt die Verantwortung für das Anwesen bei seiner Tochter Antje und ihrem Mann Thorsten Kreikenbaum. Schon vor 30 Jahren wurde mit der Verwirklichung verschiedener Aufforstungsprojekte begonnen. Ehemalige ausgetrocknete Getreideflächen wurden mit autochthonen Gehölzen wie Johannisbrotbäumen, Steineichen, Korkeichen, Pinien und Olivenbäumen bepflanzt. «Im Laufe der Jahre wurden mehr als 600 Hektar neue Waldflächen geschaffen», erklärt Antje Kreikenbaum. Mit den in dieser heissen und trockenen Region extremen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel wurden auf Anregung von Delinat Massnahmen im Sinne der Permakultur und des Agroforsts nochmals intensiviert. Neben Teichen, die Regenwasser speichern, das den Reben in trockenen Zeiten zugeführt werden kann, wurden auch im Bereich der Rebberge Bäume und Sträucher gepflanzt. Für Antje Kreikenbaum sind die Vorteile offensichtlich: «Begrünung und Bewaldung bilden nicht nur Schatten und Humus, sie verbessern auch den Wasserhaushalt im Boden. Dadurch werden extreme Hitzegrade abgepuffert.» Für sie ist klar: «Das Mikroklima, die Biodiversität und auch die Bodenqualität haben sich in den letzten Jahren bei uns nachhaltig verbessert.» Aus diesem Grund behalten Permakultur und Agroforst auf der Adega Vale de Camelos auch in Zukunft eine grosse Bedeutung. Zumal Agroforst einen zusätzlichen Nutzen bietet: Ein Teil der Bäume wird wirtschaftlich genutzt. So wird etwa aus Granatäpfeln und Quitten Marmelade hergestellt, und aus Johannisbrot entsteht Sirup, Schokolade oder Brotaufstrich. In ein paar Jahren sollen auch genügend Orangen, Zitronen, Feigen und Mandeln anfallen, um daraus neue Produkte zu kreieren.

Der «Verrückte» aus dem Barolo-Gebiet

Blühende Fruchtbäume als Teil eines Weinbergs

Besonders pikant wird es, wenn einer Vitiforst in hochpreisigen und prestigeträchtigen Weinbaugebieten wie dem Barolo zum Thema macht. Delinat-Winzer Enrico Rivetto tut es, auch auf das Risiko hin, für komplett verrückt erklärt zu werden. Gute Barolo-Lagen kosten um die drei Millionen Euro pro Hektar. In einer Region, wo praktisch jeder Quadratmeter des sündhaft teuren Bodens mit einem Rebstock bepflanzt ist, Platz zu machen für Bäume und Sträucher, erscheint tatsächlich verrückt. «Das stimmt, wenn man bloss die wirtschaftliche Dimension betrachtet. Aber es gibt auch einen Reichtum, bezogen auf Landschaft und Natur», sagt Enrico Rivetto. Für ihn ist dieser nichtmonetäre Reichtum ebenso wichtig, wie vom Weinbau leben zu können. «Je mehr die biologische Vielfalt zunimmt, desto robuster und gleichzeitig widerstandsfähiger werden Agrarökosysteme. Sie sind viel besser imstande, sich an plötzliche Veränderungen durch natürliche oder von Menschenhand verursachte Störungen anzupassen. Langfristig ist das viel wertvoller, als kurzfristig möglichst viel Geld zu verdienen», ist er überzeugt. Deshalb hat er in den vergangenen Jahren ganze Rebzeilen durch Bäume und Sträucher ersetzt. Diese bilden Rückzugsgebiete für Mikro- und Makroorganismen, vermindern Erosionserscheinungen und Bodenverarmung und wirken als Windschutz.

Der Reben-Waldgarten im Piemont

Wildwuchs auf der Azienda La Luna del Rospo von Delinat-Winzerin Renate Schütz im Monferrato.
Wildwuchs auf der Azienda La Luna del Rospo von Delinat-Winzerin Renate Schütz im Monferrato.

Agroforst bedeutet, dass Bäume oder Sträucher auf derselben Fläche wie verschiedene Spezialkulturen wachsen. Solche Mischkulturen können in einer geordneten und gestalteten Form wie auf dem Weingut Rivetto daherkommen oder mehr oder weniger als «Wildnis », wie auf der 50 Kilometer Luftlinie entfernten Azienda La Luna del Rospo von Delinat-Winzerin Renate Schütz im Monferrato. Renate Schütz: «Nach meinem Verständnis habe ich nicht wirklich das, was allgemein unter Vitiforst verstanden wird: ordentlich angelegte Strauch- und Baumreihen, die sich mit den Reben abwechseln.»

Stattdessen dominiert bei ihr Wildwuchs mit Reben. «Nur die (Beeren-)Sträucher der ersten Jahre sind gekauft. Ansonsten ist alles spontaner Wuchs», erklärt die Winzerin. Zu diesen spontan gewachsenen Arten gehören wilder Pfirsich, Wildkirschen, Nussbäume, wilde Mirabellen, Maulbeeren oder auch Mispeln, Feigen, Kaki sowie bei den Sträuchern Weissdorn, Schlehen, Rosen und Brombeerhecken. Auch Bäume ohne Früchte wie Ahorn, Rosskastanien, Eichen und Robinien (die beiden Letzteren mit Vorteil etwas abseits der Reben) haben eine wichtige Funktion, sind sie doch wunderbare Bienen- und Insektenweiden.

Die Vorteile von Agroforst

Weinberge, welche von Wäldern umgeben sind, bieten zustätzliche Vorteile.
Die Weinberge von Delinat-Winzer António Lopes Ribeiro sind umgeben von Wäldern und Büschen.

Seit vielen Jahren schon propagieren die Delinat-Richtlinien das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern in den Reben. Konkret: Auf einem 3-Schnecken- Weingut (höchste Anforderungen) darf kein Rebstock weiter als 80 Meter von einem Baum entfernt stehen. Zudem braucht es mindestens einen 30m2 grossen, zusammenhängenden Biodiversitäts-Hotspot mit Baum sowie 40 Büsche pro Hektar Reben. Das Konzept von Agroforst/Vitiforst (Reben-Waldgarten) wurde anlässlich eines Delinat-Winzerseminars in Frankreich im Frühling 2022 vertieft, um für die Herausforderungen des Klimawandels noch besser gerüstet zu sein. Denn Agroforst bietet folgende Vorteile:

  • Ausgleich von Wetterextremen
  • Steigerung der Biodiversität
  • Förderung von Nützlingen
  • Attraktivität als Bienenweide
  • Windschutz
  • Habitat von Fledermäusen, die Schädlinge wie den Traubenwickler in Schach halten
  • Reduktion übermässiger Sonnenstrahlung
  • Temperaturreduktion an Hitzetagen
  • Aktivierung des Bodenlebens und Bildung von Humus
  • Förderung der Mykorrhiza-Pilze und des Wurzelvolumens der Reben
  • Positive Beeinflussung des Wasserhaushalts
  • Kohlendioxidsenke durch Einlagerung von CO2 im Boden

Damit im Rebberg die volle Wirkung dieser positiven Effekte erreicht wird, enthalten die Delinat-Richtlinien konkrete Punkte wie eingangs erwähnt zum Thema «Agroforst». Mehr zum Thema finden Sie hier: www.delinat.com/agroforst

Bäumige Schlossweine

WeinLese-Angebot

Nachhaltige und zukunftsgerechte Bewirtschaftungsmethoden wie Permakultur und Agroforst werden auf dem Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier in der Provence bereits seit Jahren praktiziert und auf ihre Wirkung hin überprüft. Um die neu entstandenen Teiche zur Nutzung von Regenwasser in den Rebbergen wurden und werden weiterhin viele Bäume und Sträucher gepflanzt. In diesem Umfeld entstehen die feinen Weine von Château Duvivier. Wir haben für Sie das Paket «Bäumige Schlossweine» geschnürt.

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Alle Beiträge der WeinLese 69:

Bordeaux erwacht

Eingelullt von Traditionen, Konventionen und Agrochemie, schliefen Bordeaux-Winzer länger als anderswo den Schlaf des Gerechten. Jetzt werden sie aufgeweckt durch Pestizidskandale und Konsumentendruck. Langjährige ökologische Vorzeigebetriebe wie das Delinat-Weingut Château Couronneau weisen den neuen Weg.

Weinbauern, Mitarbeiter, Anwohner und Schulkinder, die unter dem massivem Pestizideinsatz im Rebbau leiden, Rückstände von Pflanzenschutzmitteln selbst in Weinen, für die mit «ökologischem Mehrwert» geworben wird: Im ruhmreichen Bordelais sorgen handfeste Pestizidskandale seit ein paar Jahren für rote Köpfe. Es sind vor allem Frauen, die den massiven Pestizideinsatz anprangern. Seit Jahren kämpfen die beiden Umweltaktivistinnen Valérie Murat und Marie-Lys Bibeyran an vorderster Front für einen Ausstieg aus der Agrochemie. Beide stammen aus einer Winzerfamilie und haben Familienangehörige durch Pestizidvergiftungen verloren. «Statt als Lokomotive für einen ökologisch nachhaltigen Weinbau zu wirken, werden im prestigereichsten Weinbaugebiet der Welt noch immer im grossen Stil Pestizide gespritzt, darunter auch besonders gefährliche», moniert Valérie Murat.

Klimaausrede gilt nicht mehr

Château Couronneau in Bordeaux

Dass biologischer Weinbau im Bordelais lange ein Tabu war und teilweise leider noch immer ist, hat mehrere Gründe. Einer davon ist das für Rebbau schwierige Klima. Der nahe Atlantik bringt viel Regen, viel Feuchtigkeit, in Kombination mit Sonne und Hitze im Sommer ein idealer Nährboden für Pilzkrankheiten wie Falschen und Echten Mehltau, Grauschimmel oder die Holzkrankheit Esca. Lange Zeit hiess es, bio sei unter diesen Bedingungen nicht möglich, geschweige denn der Anbau nach der Delinat-Methode. Mittlerweile zeigen aber immer mehr Châteaus, darunter auch sehr renommierte, dass es doch funktioniert. «Gab es im Bordelais im Jahr 2000 gerade mal drei biologische Weinberge, werden bis 2022 rund 13‘000 Hektar bio-zertifiziert sein. Das sind immerhin mehr als zehn Prozent der gesamten Rebfläche», sagt Winzer Christophe Piat. Sein Château Couronneau, mit dem Delinat seit 2017 zusammenarbeitet, gehört zu jenen Pionieren, die seit über 20 Jahren auf Chemie im Weinberg verzichten und somit alle Lügen strafen, die behaupten, im Bordelais sei das nicht möglich.

Vom Aussenseiter zum Trendsetter

Winzerfamilie Piat auf Château Couronneau
Familienangelegenheit: Auf Château Couronneau sorgen Christophe Piat und die Nachfolgegeneration für feine Bordeaux-Weine aus artenreichen Rebbergen, die mehrheitlich mit Merlot bestockt sind.

Château Couronneau gehört nicht zu den prestigeträchtigen Weingütern im Médoc, Pomerol oder Saint-Émilion, die mit ihren sündhaft teuren Tropfen den Weltruf der Bordeaux-Weine begründen. Das kleine Märchenschloss aus dem 15. Jahrhundert liegt in Ligueux, einem kleinen Ort in der Appellation Sainte-Foy Côtes de Bordeaux ganz im Osten des Bordelais. Christophe und Bénédicte Piat haben es 1994 erworben und zu einem ökologischen Vorzeige-Château entwickelt, das mit kraftvollen, ehrlichen Weinen zu moderaten Preisen überzeugt. Die 38 Hektar Rebfläche sind zu 90 Prozent mit Merlot bestockt. Hinzu kommen etwas Cabernet Franc sowie weisse Sorten wie Sauvignon Blanc und Sauvignon Gris. Christoph Piat versteht, dass das Klima im Weinbaugebiet Bordeaux ein abschreckendes Element für biologischen Anbau ist. «Auch wir führen einen ständigen Kampf gegen den Falschen Mehltau. Aber der Rest ist unter Kontrolle und bereitet uns keine Sorgen mehr.» Zwar liegt der durchschnittliche Ertrag seit der Umstellung auf bio im Jahre 1999 bei tiefen 37 hl/ha. «Aber unser Weinbau nach Delinat-Richtlinien erlaubt uns doch eine Produktion, von der wir leben können.»

Die Qualität stimmt

Grégoire Piat im Weinkeller
Grégoire Piat an der Arbeit im Chai (Weinkeller), wo neben Stahltanks und Holzfässern auch Betoneier und Tonamphoren Einzug gehalten haben. Die Varianten an Gebinden bieten eine grosse Ausbauvielfalt.

2020 ist Sohn Grégoire in den elterlichen Betrieb eingestiegen und führt nun zusammen mit seinem Vater Château Couronneau. Christophe Piat: «Schon lange ist für uns klar, dass der biologische Weinbau sich nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die Qualität der Weine positiv auswirkt. Wir erzeugen kräftige, tiefe Weine mit grosser Haltbarkeit. Mit der Qualität bin ich sehr zufrieden.» Mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Mehrfach wurden Couronneau-Weine ausgezeichnet und auch in der Fachpresse sorgen sie immer wieder für Furore. Einziger kleiner Wermutstropfen ist für Christophe Piat der eher hohe Alkoholgehalt seiner Rotweine. «Aber bei der aktuellen Klimaerwärmung ist es schwierig, optimal reife Trauben mit einem niedrigen Alkoholgehalt zu vereinbaren. Wir haben uns bisher für die Qualität entschieden und nehmen dafür etwas mehr Alkohol in Kauf.»

Eine neue Pionierrolle

Château Couronneau aus der Vogelperspektive
Eingebettet zwischen Reben, Gewässern, Bäumen, Sträuchern und Weiden, liegt das märchenhafte Château Couronneau ganz im Osten des Bordelais. Das Weingut gehört zu den Bio-Pionieren im berühmtesten Weinbaugebiet der Welt.

Während andere Betriebe im Bordelais erst allmählich den ökologischen Weinbau entdecken, ist man auf Couronneau stets einen Schritt voraus. Perfekt ist aber auch hier noch nicht alles. Zu den bestehenden Unzulänglichkeiten gehört die kupferlastige Bekämpfung des Falschen Mehltaus, die in schwierigen Jahren viele zusätzliche Traktorfahrten durch die Reben verlangt, was Böden und Biodiversität zusetzt. «Wir sind ständig auf der Suche nach noch besseren Lösungen», sagt Christophe Piat. Neben dem Einsatz von pflanzenstärkenden biodynamischen Präparaten wird auf Anregung von Delinat auch auf neue, robuste Rebsorten gesetzt. Etwas, das in Bordeaux noch weitgehend fremd ist. Laut Christophe Piat gibt es vielleicht noch zwei, drei andere Weinbauern, die damit begonnen haben. Auf Couronneau wird demnächst auf einer Fläche von knapp zwei Hektar die pilzresistente Sorte Sauvignac (VB Cal 6-04) angepflanzt, eine weisse Neuzüchtung des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner, mit dem Delinat intensiv zusammenarbeitet. Bereits diesen Mai wird dieselbe Sorte auf 3,7 Hektar im französischen Baskenland angebaut, auf einer Rebfläche, die ebenfalls den Piats gehört. Für Jungwinzer Grégoire Piat gehören solche Neuzüchtungen, die weitgehend ohne Pflanzenschutz auskommen, weil sie sich aus eigener Kraft gegen Pilzkrankheiten wehren können, zur Zukunft des biologischen Weinbaus.

Der Anbau nach der Delinat-Methode sorgt auf Château Couronneau für eine reiche Biodiversität.
Der Anbau nach der Delinat-Methode sorgt auf Château Couronneau für eine reiche Biodiversität. In einem artenreichen Umfeld reifen gesunde, hochwertige Trauben, aus denen hervorragende und preiswerte Weine entstehen.

Auch in anderen Bereichen investiert Château Couronneau im Sinne der Delinat-Methode. Seit Anfang Jahr liefern 30 Photovoltaikmodule auf einem landwirtschaftlichen Gebäude Sonnenstrom – ein erster Schritt in die angestrebte Vollversorgung mit erneuerbaren Energien. In den Weinbergen wurden erste Tests mit einem Elektrotraktor durch geführt. Auch liegt ein Massnahmenplan für mehr Biodiversität auf dem Tisch. Dieser soll gemeinsam mit Delinat-Winzerberater Daniel Wyss im Verlaufe dieses Jahres umgesetzt werden. Bereits wurden hundert Nistkästen für Vögel und Fledermäuse installiert. Bis Ende Jahr erfolgt die Pflanzung von Obstbäumen und Hecken. Für Christophe Piat ist klar: «Biologischer Weinbau mit einer reichen Biodiversität ist ein obligatorischer Schritt für alle, die sich nachhaltig mit ihrer Umwelt verbinden wollen.»

WeinLese-Angebot: Probierpaket Château Couronneau

Aus den von Hand gelesenen Trauben erzeugen Christophe und Grégoire Piat authentische Bordeaux-Weine, die an internationalen Wettbewerben immer wieder ausgezeichnet werden. Nur wenige Châteaus schaffen es, im klimatisch schwierigen Bordelais Weine im Einklang mit der Natur zu erzeugen, die mit einem vergleichbaren Preis-Genuss-Verhältnis brillieren. Wir bieten Ihnen ein Probierpaket mit zwei Weinen an, die bereits über eine gute Trinkreife verfügen, aber auch noch einige Jahre gelagert werden können.

-> Zum Probierpaket

Alle Beiträge der WeinLese 66:

Lehrreiche Arbeitswoche in der Provence

Jedes Jahr verlässt das Delinat-Verkaufsteam für eine Woche das Büro, um an einer Weiterbildungsreise vor Ort Bekanntschaft mit Winzern, Weinen und Rebbergen zu machen. Dieses Jahr erlebten die Delinatler aus nächster Nähe, wie auf Château Duvivier in der Provence am Weinbau der Zukunft gearbeitet wird.

Nur wer einen nach der Delinat-Methode bewirtschafteten Weinberg mit eigenen Augen gesehen und vor Ort Einblick in die Philosophie des Winzers erhalten hat, kann umfassend und kompetent beraten. Getreu diesem Motto war das Verkaufs- und Beraterteam im Mai für eine Woche auf dem Delinat-eigenen Château Duvivier. Während in der Vergangenheit oftmals Weine und Arbeitsweise von Partnerwinzern im Zentrum der Bildungsreise standen, lag der Schwerpunkt diesmal bei der Delinat-Methode und den umfassenden Richtlinien. Winzerberater Daniel Wyss erläuterte diese anhand der vielfältigen Rebberge vor Ort eindrücklich.

Im Video-Interview mit Delinat- Winzerberater Daniel Wyss erfahren Sie mehr über den Weinbau der Zukunft auf Château Duvivier:

Wie kann ein nachhaltiger Weinbau nach der Delinat-Methode den Klimawandel bremsen? Welche Vorteile bietet eine vielfältige Begrünung der Weinberge? Wie helfen Mikroorganismen den Reben bei der Nährstoffaufnahme und mit welchen Massnahmen kann die Fruchtbarkeit der Böden langfristig verbessert werden? Auf diese und viele weitere Fragen erhielt das Delinat-Team während ausgedehnter Spaziergänge durch die Weinberge konkrete Antworten.

Da die Bewirtschaftung eines Weinguts nicht nur grosses Wissen voraussetzt, sondern vor allem auch viel harte Arbeit bedeutet, konnte das Team im Verlaufe der Woche auch solche Fähigkeiten unter Beweis stellen: Als Gärtner beim Erstellen einer Kräuterschnecke und beim Pflegen des Château-eigenen Gemüsegartens oder als Winzer bei einer Pflanzaktion von über 700 pilzwiderstandsfähigen Reben (siehe Bericht «PIWI-Offensive auf Château Duvivier»). Wie Ornithologen fühlte man sich beim Aufhängen von Nist- und Fledermauskästen oder beim Bauen und Aufstellen von Greifvogelstangen. Schliesslich wurde auch noch Hand angelegt beim Pflegen der vielen jungen Obstbäume, die das grosse Wasserretentionsbecken umsäumen, das 2018 von Permakultur-Spezialist Josef Holzer gebaut worden war. Dass im Delinat-Team auch ein paar Spitzenköche stecken, bewiesen die köstlichen Dreigänger, die jeden Abend von einer anderen Gruppe, immer aber mit viel Liebe und passender Weinbegleitung auf den Tisch gezaubert wurden. Die Woche wird dem ganzen Team noch lange in bester Erinnerung bleiben – und bei jedem Glas Duvivier-Wein werden diese Eindrücke aus den paradiesischen Rebbergen wieder zum Leben erweckt.

Hier finden Sie alle Beiträge der WeinLese 63:

Wie gefährlich sind Pestizide in der Landwirtschaft? Karl Schefer im Interview

Karl Schefer ist Gründer und Geschäftsführer von Delinat, dem Schweizer Marktführer für Bioweine. Das Unternehmen beweist seit über 40 Jahren, dass Weinbau ohne Chemie hervorragend funktioniert. Voraussetzung sind eine reiche Biodiversität im Weinberg und Offenheit der Winzer gegenüber neuen, pilzresistenten Rebsorten, die ohne Pflanzenschutzmittel auskommen.

Weil fast alle konventionellen Weine Pestizidrückstände enthalten, die Belastung des Schweizer Trinkwassers an vielen Orten über den gesetzlichen Grenzwerten liegt und die landwirtschaftliche Ausbildung skandalöserweise noch immer den Einsatz von Chemie predigt, ist für Karl Schefer ein Ja zur Trinkwasser-Initiative überfällig.

Bio-Land Schweiz ist keine Utopie – Interview mit Winzerberater Daniel Wyss

Daniel Wyss ist ausgebildeter Landwirt und Landschaftsarchitekt FH. Er beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der biologischen Landwirtschaft. Bei Delinat ist er zuständig für die jährliche Überarbeitung und Weiterentwicklung der Bio-Richtlinien und die Beratung der Delinat-Winzer in ganz Europa.

Für Daniel Wyss ist klar: Ein Bio-Land Schweiz ist keine Utopie. Nach einem Ja zur Trinkwasser-Initiative können Menschen und Umwelt aufatmen.

Trinkwasserinitiative: jetzt die Chance packen! Interview mit Delinat-Winzer Roland Lenz

Roland Lenz führt in der Ostschweiz das grösste und innovativste Bioweingut der Schweiz. Für ihn ist klar, dass Pestizide nicht in die Umwelt gehören. Sie zerstören natürlich funktionierende Ökosysteme und belasten das Trinkwasser. Er setzt deshalb konsequent auf neue, pilzresistente Rebsorten, die nicht gespritzt werden müssen.

Aus seiner Sicht ebnet ein Ja zur Trinkwasser-Initiative den Weg zu einem Bioland Schweiz, für das heute Ressourcen, Know-how und Kaufkraft vorhanden sind.

Ja zu sauberem Trinkwasser: Es braucht Ihre Unterstützung.

Am 13. Juni 2021 haben wir die Chance, die Landwirtschaft endlich in eine saubere Zukunft zu führen. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Zeichen für ein «Ja» zur Trinkwasser-Initiative gut sind. Weil sie ohne Verbote einfach das fordert, was in geltenden Umwelt- und Gewässerschutzgesetzen vorgeschrieben ist, geniesst sie grosse Sympathien auch weit in liberale Kreise hinein.

Wir haben die Chance, die Landwirtschaft in eine saubere Zukunft zu führen

Trotzdem wird es knapp. Einflussreiche und mächtige Gegner schüren Angst, investieren Millionen von Franken in gezielte Falschinformationen und Halbwahrheiten, die unter anderem auch durch eine Armada von Schreiberlingen auf allen erdenklichen Plattformen verbreitet werden. Klar, dass eine Bürger-Initiative, die den Abstimmungskampf hauptsächlich durch Spendengelder finanzieren muss, hier das Nachsehen hat.

Die Fakten stehen jedoch klar auf Seiten der Initianten. Die Trinkwasserinitiative ist umsetzbar und keineswegs extrem. Das beweisen wir, unsere Winzer und tausende von engagierten Bio-Bauern jeden Tag.

Wir haben unten die häufigsten Einwände der Gegnerschaft aufgeführt. Diese werden Ihnen auf allen erdenklichen Social-Media-Plattformen, in Blog-Kommentaren und Online-Kolumnen oder auch im Gespräch in verschiedensten Variationen begegnen. Die Vorwürfe sind immer dieselben. Und sie können mit ein paar Fakten ganz einfach widerlegt werden.

Unsere Bitte an Sie: Wenn Sie sich auf diesen Plattformen und im Thema wohl fühlen, schalten Sie sich in Diskussionen ein, stellen sie Falschaussagen und Behauptungen richtig. Auf Facebook, auf Twitter, in Kommentar-Spalten von News-Portalen. Die untenstehenden Antworten bieten eine Hilfestellung. Mit Ihrem Engagement helfen Sie, das «Ja» am 13. Juni Realität werden zu lassen. Herzlichen Dank!

Haben Sie weitere Ideen, wie wir der Trinkwasser-Initiative zum Erfolg verhelfen können? Schreiben Sie uns Ihre Gedanken unten in die Kommentare.

PS: 4aqua, ein Zusammenschluss von WasserexpertInnen, hat diese Woche einen Faktencheck erstellt, der die wichtigsten Fehlinformationen im Zusammenhang mit der Trinkwasserinitiativen ebenfalls richtigstellt und auf zahlreiche wissenschaftliche Quellen verweist.

Die Einwände der Gegner der Trinkwasserinitiative – und wie Sie sie entkräften können

Die Landwirtschaft in der Schweiz ist die sauberste in ganz Europa, unser Trinkwasser ist bereits gut geschützt. Die Initiative braucht es gar nicht.

Antwort: Das ist leider ein Trugschluss. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit einem besonders hohen Pestizideinsatz. 85% der Pestizide werden in der Landwirtschaft eingesetzt. Bereits heute trinken über 1 Million Schweizerinnen und Schweizer Trinkwasser, das die Pestizid-Grenzwerte überschreitet. Die Belastungen des Trinkwassers durch Pestizide und Nitrat sind bereits so ausgeprägt, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis sie verschwinden.

Und was macht der Bund? Statt das Problem an den Wurzeln zu packen, investiert er weitere Steuergelder in reine Symptom-Bekämpfung, in dem er etwa im Jura mit Bohrungen nach sauberem Trinkwasser sucht.

Weiterführende Links:
Pestizid-Verbrauch: Die Statistiken zeigen nur die halbe Wahrheit (SRF)
Faktenblatt Landwirtschaft und Umwelt (Agrarlobby stoppen)
Wegen Pestiziden: Bund sucht neues Trinkwasser (SRF)

Die Trinkwasser-Initiative führt zu mehr Importen.

Erstens: Die Initiative macht uns unabhängiger vom Ausland. Bei der heutigen Lebensmittelproduktion importieren wir zwei Kalorien, um eine Kalorie zu produzieren. Wir importieren alleine 1,2 Millionen Tonnen an Futtermitteln aus dem Ausland. Jedes Jahr ein Zug mit gefüllten Güterwagen in der Länge von Bregenz bis Genf. Diese Futtermittel führen zu enormen Gülleüberschüssen mit vielfältigen Folgeproblemen für Biodiversität und intaktes Grundwasser.

Zweitens: Eine Untersuchung an 1500 Produktions-Standorten weltweit kommt zum Schluss, dass Erträge bei Mischkulturen um fast 30% höher sind. Es braucht also weniger Fläche, um die gleiche Menge wie heute zu produzieren.

Drittens: Die Schweiz hat internationale Verpflichtungen, wonach sie den Food Waste bis 2030 um 50% halbieren muss. Die Initiative sieht eine Übergangsfrist von 8 Jahren vor. Bis zum Inkrafttreten würde der Food Waste also so stark reduziert, dass ohnehin deutlich weniger Lebensmittel importiert werden müssen.

Weiterführende Links:
Die Minus-Kalorien der Schweizer Landwirtschaft (TagesWoches)
Je höher die Artenvielfalt, desto mehr Ertrag in der Landwirtschaft (Agroscope)
Biodiversität rechnet sich (ETH Zürich)
Lebensmittelabfälle (Bundesamt für Umwelt)

Die Umweltverschmutzung wird einfach ins Ausland verlagert.

Siehe Frage 2. Aber ganz unabhängig von der Entwicklung der Importe ist auch diese Aussage irreführend.

Erstens: Gemäss dem Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit, welcher 2017 von 70% der Schweizer Bevölkerung angenommen wurde, müssen Importe nachhaltig sein. Die Gegner gehen in ihrer Argumentation also davon aus, dass dieser Volksentscheid einfach ignoriert wird.

Zweitens: Zu glauben, dass im Ausland giftiger produziert wird, ist ein Trugschluss. Die Schweiz nimmt beim Artenverlust einen traurigen Spitzenplatz ein. Die intensive Landwirtschaft wird als einer der grössten Treiber für den Rückgang der Biodiversität identifiziert. Dabei gehören die überbordenden Futtermittelimporte und die Pestizide zu den wichtigsten Ursachen.

Weiterführende Links:
Ernährungssicherheit (Bundesverfassung)
Ernährungssicherheit in der Verfassung verankern (ernaehrungssicherheit.ch)
Wie der Kuhmelker zum Giftbauern wurde (Blick)
Kaum in einem anderen Land versprüht die Landwirtschaft so viele Pflanzenschutzmittel wie in der Schweiz (NZZ)

Die Preise für Lebensmittel werden stark ansteigen.

Erstens: Untersuchungen beweisen, dass der Anbau mit hoher Biodiversität produktiver ist und sich auszahlt. Einerseits weil die Kosten für teure chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wegfallen, andererseits weil es in einem stabilen Ökosystem weniger Ernteausfälle gibt.

Zweitens: Höhere Marktpreise sind auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ein Trugschluss. Wenn Bio zum Standard wird, erhöht sich auch das Angebot und die Preise gleichen sich an.
Drittens: Ist es dann nicht erstaunlich, dass Bio Suisse gegen die Initiative ist, weil sie befürchtet, dass Preise für Bio-Lebensmittel sinken könnten?

Viertens: Addiert man zu den 3 Milliarden Direktzahlungen noch die externen Kosten (nochmals 3,6 Milliarden), die heute durch die Allgemeinheit getragen werden, gibt es nur eine Schlussfolgerung: Konventionelle Produkte kosten uns deutlich mehr als biologische.

Weiterführende Links:
Studie: Biodiversität lohnt sich finanziell auf intensiven Flächen (Bauern Zeitung)
Neue Studie: Biolandbau ist so produktiv wie konventionelle Landwirtschaft (Biorama)
Kosten und Finanzierung der Landwirtschaft (Vision Landwirtschaft)
Agrarpolitik kostet 20 Milliarden (Schweizer Bauer)
Erst kommt die Kasse, dann die Natur – auch bei Bio Suisse (Infosperber)

Ein pestizidfreier Anbau führt zu starken Ernteausfällen.

Es gibt heute tausende von Bio-Bauern, welche Tag für Tag beweisen, wie nachhaltige Lebensmittel mit gutem Ertrag, herausragender Qualität und marktfähigen Preisen ohne Pestizide produziert werden können. Sogar ein vollständiger Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist zum Greifen nah: Robuste Sorten, die bis zu 60% tiefere Umweltauswirkungen haben, gibt es schon längst für verschiedene Kulturen wie Kartoffeln, Salate, Tomaten, Äpfel, Wein. Die Politik müsste sie nur konsequent fördern – daher sind Investitionen in Innovation ein Kernelement der Trinkwasserinitiative.

Nationale und internationale Untersuchungen kommen ausserdem zum Schluss, dass Bio-Anbau weit produktiver ist und die Welt ernähren könnte.

Weiterführende Links:
PIWI: widerstandsfähige Reben statt Spritzmittel (SRF)
Neue Studie: Bio kann die Welt ernähren, aber weniger Fleischkonsum nötig (Weltagrarbericht)

Biologische Pflanzenschutzmittel werden mit der Initiative auch verboten.

Ein unabhängiges juristisches Gutachten bestätigt, dass unter einer «pestizidfreien Produktion» eine Lebensmittelproduktion verstanden wird, die keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel einsetzt. Biologische Pflanzenschutzmittel dürften demnach nach wie vor eingesetzt werden.

Weiterführende Links:
Hintergrund und Tragweite der Trinkwasserinitiative (rechtliches Gutachten)

Es darf kein Futtermittel mehr zugekauft werden.

Sowohl der Bundesrat wie auch ein unabhängiges juristisches Gutachten kommen zum Schluss, dass der Futtermittel-Tausch innerhalb von Betriebsgemeinschaften und je nach Auslegung auch regional nach wie vor möglich sein wird. Und zwar innerhalb des Rahmens, wie es etwa die Bio Suisse-Richtlinien ohnehin vorschreiben.

Weiterführende Links:
Hintergrund und Tragweite der Trinkwasserinitiative (rechtliches Gutachten)
Botschaft zur Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser» (Bundesrat)

Schweizer Fleisch wird schon heute zu 85% mit Schweizer Futtermitteln produziert.

Lassen Sie sich von der Werbung nicht blenden. Verantwortlich für den enormen Gülleausstoss ist nicht das Gewicht des Futters, wie es etwa die steuerfinanzierte Proviande zur Berechnung heranzieht, sondern die Nährwerte. Weil die 15% Importfutter einen so hohen Nährwert haben, werden damit 50% des Schweizer Fleisches und 70% der Schweizer Eier hergestellt.

Weiterführende Links:
Mythos Ernährungssicherheit (Wirtschaftsmagazin ECO)
Zu viel Gülle (Initiative für sauberes Trinkwasser)

Es ist ein klares Zeichen, wenn sogar Bio Suisse gegen die Initiative ist.

Dieser Entscheid ist tatsächlich nicht nachvollziehbar. Zumal die Initiative im Kern nichts anderes fordert als die Gründungsväter von Bio Suisse verlangt haben. Der Entscheid ist ganz offensichtlich wirtschaftlich motiviert. Es wird befürchtet, dass (zu) viele Betriebe nach einer Annahme auf Bio umstellen und dadurch die Knospe an Wert verlieren würde. Das wäre aber weder im Interesse von Bio Suisse noch der Grosshändler, die Knospe-Produkte mit sehr lukrativen Margen verkaufen können. Viele Bio-Bauern können die Nein-Parole indessen nicht nachvollziehen.

Weiterführende Links:
Kommentierte Aussagen zur Trinkwasserinitiative (Vision Landwirtschaft)
Erst kommt die Kasse, dann die Natur – auch bei Bio Suisse (Infosperber)
Korrespondez zwischen Delinat-Gründer Karl Schefer und Bio-Suisse Präsident Urs Brändli (Delinat WeinLese-Blog)
Biobauern kritisieren Vorstand von Bio Suisse (SRF)

Bauern, die auf Direktzahlungen verzichten, werden einfach ihre Produktion intensivieren und noch mehr Pflanzenschutzmittel einsetzen.

Zahlreiche Umwelt- und Gewässerschutzgesetze werden schon heute nicht eingehalten. Diese sind jedoch für alle verbindlich, ganz unabhängig davon, ob Direktzahlungen bezogen werden oder nicht. Die Gegner kündigen also an, dass bei Annahme der Initiative die Bauern-Betriebe bewusst die Gesetze brechen werden. Welch absurde Argumentation!

Weiterführende Links:
Kleine Fliessgewässer stark verschmutzt (Schweizer Bauer)
Faktenblatt zur Ernährungssicherheit (Bundesamt für Landwirtschaft)

Die Initiative streicht den Bauernfamilien von heute auf morgen die Direktzahlungen.

Durch die Initiative wird kein einziger Steuerfranken gekürzt. Stattdessen werden diejenigen Betriebe mit Direktzahlungen gefördert, die sich an geltende Gesetze halten und die Natur schützen und nicht zerstören. Nachhaltig wirtschaftende Bauernbetriebe profitieren deshalb von der Initiative. Innovative Bäuerinnen und Bauern haben sich in einem Pro-Komitee zusammengeschlossen und kämpfen gemeinsam für die Trinkwasserinitiative.

Die Initiative sieht zudem eine Übergangsfrist von 8 Jahren vor. Genügend Zeit für Betriebe, auf ökologischen Anbau umzustellen.

Weiterführende Links:
Initiativtext (Initiative für sauberes Trinkwasser)
Ja zur Trinkwasserinitiative (Bäuerliches Komitee für die Trinkwasserinitiative)