Was Francisco Ruiz macht, sitzt. Er ist professionell, freundlich und detailgetreu bis ins Allerkleinste. Umgeben von seinen Reben und in Gesellschaft seines Sohnes Javier lässt er hinter dieses professionelle Antlitz blicken. Den Besucher erwartet ein regelrechter Poet, ein Mensch, der Natur und Familie mehr achtet und liebt als die meisten anderen – und dessen Weine auch genau so schmecken.
Beginnen wir damit, dass an einem Samstag, obwohl es hiess, sich für den Besuch von Delinat bitte keine allzu grossen Umstände zu machen, das Team der Bodega geschlossen an der Empfangstüre steht. Da ist Francisco, der Winzer, Javier, sein Sohn, der bereits voll im Betrieb mit anpackt. Elena, die als Exportmanagerin Franciscos Philosophie einwandfrei ins Englische übersetzt und in die Welt hinausträgt und Beatriz. Sie ist seit mehr als einer Dekade Önologin auf der Bodega Ruiz Jiménez.
Weinliebe geht durch den Magen
Francisco steht in schwarzer Kochjacke mit spanischer Flagge am Revers bereit und ist nach einem herzlichen «Hallo» gleich wieder am Herd. Es gibt die an goldgelb bis dato unerreichte, feinste «Tortilla de patata» der gesamten Reise. Dazu, fantastisch eingelegte Antipasti aus dem eigenen Garten. Später wird es noch die für hier typischen Kichererbsen mit Steinpilz geben. Die Pilze hat er einem Sternekoch aus der Region abgehandelt. Er brauchte sie schliesslich dringender, lächelt Francisco.
Und da stehen wir also, starten den Tag mit feinster Kulinarik, zubereitet vom Winzer und Koch des Hauses. Bei den Events und Hochzeiten mit bis zu 1000 Menschen im Garten kocht in der Regel genau der Koch auf, dem Francisco die Steinpilze abgehandelt hat. Er dürfte es ihm also verzeihen.
Wir sind heute eine etwas kleinere Runde, halten es aber nicht minder feierlich und vor allem herzlich und authentisch.
Es ist eine Freude miterleben zu dürfen, wenn etwas wie dieses Weingut so rund läuft. Alles gut geplant, aber auch mit dem Herzen durchdacht ist. Und dann auch noch die tausenden Gedanken, die hinter den Details stecken, aus erster Hand erzählt zu bekommen.
Viele Gedanken, viele Details
So sind die Bäume, die den Beginn der Lage Valcaliente der Familie markieren, nicht einfach nur Bäume: Die Olivenbäume symbolisieren die drei Kinder, darunter Javier als das mittlere. Die Zypresse pflanzte Francisco zu den Anfängen des Weinguts gemeinsam mit seiner Frau. Heute wacht sie als imposante, grüne Säule über die Olivenbäume. Das Stück Wald über den Reben hat Francisco eigens wieder aufgeforstet. Die Reben wachsen hier also im gemachten Nest aus Pinien und allerhand wilden und aufregend duftenden Kräutern. «Das riecht man auch im Wein», sagt Francisco. Im Keller sollte sich diese Aussage dann eindrucksvoll bestätigen.
Wir marschieren auf das Hochplateau des Weinbergs. So weit das Auge reicht, umgibt uns der Wald der Gemeinde – ein geschützter Lebensraum, in dem seltene Tiere wie der Kaiseradler Zuflucht gefunden haben. Im Rücken liegen die Reben von Francisco und Javier, dazwischen steht ein Fass: das Kompostfass für diese Parzelle. «Wir machen für jede Parzelle einen eigenen Komposttee. Schliesslich ist ja jeder Weingarten anders und benötigt daher auch genau die im Weingarten entstandene Kraft aus dem Boden», erklärt Javier die Philosophie.
Ein bisschen marschieren muss man zu jeder Parzelle. «Wir sehen, dass wir mit unseren Weingärten so abgelegen wie möglich liegen, um Kontamination (Anm. bspw. durch Spritzmittel anderer) zu vermeiden», erklärt Exportmanagerin Elena. Diese Ruhe ist tatsächlich beeindruckend. Hier sagen sich höchstens Fuchs und Hase «Gute Nacht» – und das wirkt sich in der Regel gut auf den Wein aus.
In der «Plana de Turrás» kommen diejenigen, die näher am Wasser gebaut sind, auf ihre Kosten. Die Geschichte, die Francisco am kleinen See erzählt, gesäumt von Olivenbäumen, ist wunderschön. Nicht nur, dass das Wasser in der Mitte der Parzelle das Herz der Reben ist, erzählt Francisco, die Olivenbäume rund herum symbolisieren darüber hinaus das Leben. Auch Olivenbäume sind zuerst klein, werden dann grösser. Da wo zwei Bäume dicht nebeneinander stehen, da trifft man im Menschenleben vielleicht auf einen besonderen anderen. Eine Familie entsteht. Die Kinder entwickeln sich weiter, stehen weiter weg. Schliesslich verlassen auch manche die Familie, bis man «schon ganz schief steht, wie der Baum da», lächelt Francisco – und das Leben an neuer Stelle wieder beginnt.
Es ist nicht schwer zu glauben, dass von diesem Ort bisher noch jeder begeistert war: von den Greifvögeln, die auf den Stangen hoch über den Reben rasten, über die Vielzahl an fliegenden Schmetterlingen und Insekten im Weinberg bis hin zu den Menschen. Für letztere hat Francisco auf einer Anhöhe mit Blick über den Weingarten eine kleine Terrasse errichtet. Die Stelldichein im Weinberg mit Franciscos köstlicher Küche sind legendär. Davon könnte wahrscheinlich auch der steinerne Zentaur von der regionalen Künstlerin Mapi ein Liedchen singen. Er enthält sich der Stimme.
Musik im Weinkeller
Dafür geht es im Barriquekeller umso musikalischer zu. Sonaten von Beethoven bis Mozart bekommt der Wein – wie unser Piano N°14 – hier zu hören. Ja, auch uns würde es hier als Wein gefallen. Gedämpftes buntes Licht fällt durch die Glasfenster, die Szenen der griechischen Mythologie zeigen, begleitet von Musik und feinem Barriqueduft – und dann kommen die Weine.
Eine Ode an das Leben – aus dem Betonei, in dem der Wein in ständiger Bewegung bleibt, bis er als harmonisches Ganzes auf die Flasche kommt. Garnacha mit Ausdruck und dabei samtweich. Der rote Graciano darf hier das gesamte Spektrum seines Eigenbrötlertums ausleben. Die Zukunftsmusik des noch nicht abgefüllten Garnacha mit einem Hauch Holz lässt den Wunsch aufkommen, sich in Dionysos zu verwandeln, und sich mit offenem Mund unter das Fass zu legen.
All das ist die Frucht harter Arbeit und des festen Glaubens an die Familie und deren Zusammenhalt. «Ich möchte meinem Sohn Javier langsam Platz machen. Er bringt sich schon voll im Weingut ein», erzählt Francisco. Ein Glück, das Francisco nicht gelten sollte. Er wollte nicht an die Kooperative liefern, wollte biologisch arbeiten, als noch lange niemand das Wort biologisch im Weingarten auch nur verwendete. Damit war er der erste weit und breit und musste den Weg somit als Pionier – mit durchaus kräftigem Gegenwind – bestreiten.
La Rioja: von Familie und Wein
Gemeinsam mit seiner Familie, und dazu zählen auch seine Mitarbeiter, geht der Riojaner seinen Weg, so gerade, dass man sich gerne nur ein kleines bisschen von seiner Entscheidungskraft und Geradlinigkeit abschauen würde. Und dabei werden die Weine alles andere als linear, sondern ein rundes Ganzes aus Region und den Menschen, die dabei Hand anlegen.
Das zeigt auch der irdische Abschluss dieses Winzerbesuchs auf eindrückliche Weise. Weisser Tempranillo aus dem Jahr 2013. Der erste weisse Tempranillo, den Francisco gekeltert hat. Auch dieser lässt den Wunsch aufkommen, dieser Reigen an schönen Erlebnissen möge nie enden. Zum Glück haben wir die Erinnerung, nicht nur im Kopf sondern auch in Flaschen gefüllt. Und die Gewissheit, dass wirtschaftlicher Erfolg auch mit Sanftmut erreicht werden kann – und dass der Weg dorthin und das gemeinsame Erleben ihn umso schöner machen.
- Rewilding Europe: für ein wilderes Europa - 15. November 2024
- Wie das perfekte (vegetarische) Festtagsmenü gelingt - 13. November 2024
- La Rioja: von Familie und Wein - 4. November 2024