Die Delinat-Winzerberater

Walter Fromm
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Walter Fromm, 1971 in Chur geboren, absolvierte eine Winzerlehre und studierte dann an der Hochschule in Wädenswil Önologie. Zwischen 1999 und 2015 führte er in der Toskana ein eigenes Bioweingut. Heute ist er Betriebsleiter auf dem Weingut seines Onkels Georg Fromm in Malans in der Bündner Herrschaft. In einem Teilzeitpensum arbeitet er seit 2016 als Delinat-Winzerberater für Italien und Österreich. Er wohnt mit seiner Familie in Maienfeld. Sein fundiertes önologisches Wissen und seine langjährige Praxis als Winzer machen ihn zu einem kompetenten Berater, der Zusammenhänge verständlich aufzeigen und praktikable Lösungen vorschlagen kann.

Antoine Kaufmann
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Antoine Kaufmann, 1964 in Basel geboren, sammelte nach einer Winzerlehre Berufserfahrung im Veneto, im Napa Valley und in Australien. 1992 schloss er in Changins bei Nyon die Ecole supérieure de viticulture et d’oenologie ab. Danach arbeitete er auf Weingütern in der Toskana, in der Provence und in Genf. 1998 wurde er Betriebsleiter auf dem Delinat-eigenen Weingut Château Duvivier in der Provence. 2016 kehrte er mit seiner Frau Irene in die Region Basel zurück. Neu ist er in einem Teilpensum als Delinat-Winzerberater für Frankreich tätig. Die langjährigen Erfahrungen als Betriebsleiter von Château Duvivier machen Antoine Kaufmann zu einem ausgewiesenen Spezialisten für Weinbau nach der Delinat-Methode.

Rolf Kaufmann
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Rolf Kaufmann, 1943 in Zürich geboren, lebt seit 1977 im Tessin, wo er bis 2008 ein eigenes Bioweingut betrieb. Nebenher arbeitete er als freier Mitarbeiter für das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Vier Jahre präsidierte er die Fachkommission Weinbau Bio-Suisse, vier Jahre lang war er Präsident von BioTicino. Von 2009 bis 2015 war er für Delinat als Winzerberater in Italien und Frankreich tätig und arbeitete an den Delinat-Richtlinien mit. Altershalber ist Rolf Kaufmann 2016 kürzergetreten. In der Entwicklung der Delinat-Richtlinien gibt es keinen Erfahreneren als Rolf Kaufmann. Er weiss, was machbar sein könnte, welche Winzer konsultiert werden müssen und wie eine Entscheidung in Worte zu fassen ist. Er steht Delinat weiterhin für spezielle Beratungs- und Richtlinienaufgaben zur Verfügung.

Daniel Wyss
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Daniel Wyss, 1966 geboren, französisch-schweizerischer Doppelbürger, lebt mit seiner Familie in Arlesheim BL. Als gelernter Landwirt und Landschaftsarchitekt HTL war er unter anderem als Kompostberater, Landschaftsplaner beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL sowie als Kontrolleur für die Zertifizierung von biologisch bewirtschafteten Betrieben tätig. Seit 2002 arbeitet er bei Delinat, seit 2009 als Winzerberater. Zurzeit betreut er die Winzer in Spanien, Portugal, Deutschland und der Schweiz. Zusätzlich ist er Ausbildner für Inspektoren, Organisator und Referent bei Delinat-Winzerseminaren, Mitautor der Delinat-Richtlinien und Fachreferent für Delinat-Kunden. Im Gegensatz zu den andern Beratern ist Daniel Wyss ein Quereinsteiger im Weinbau und sieht die Dinge daher oft aus einem anderen Blickwinkel. Seine Erfahrung als Kontrolleur bei bio.inspecta ist äusserst wertvoll für die Winzerberatung.

Erfahren Sie mehr über die Tätigkeiten unserer Winzerberater im Artikel «Delinat-Consulting: Unterwegs mit dem Winzerberater».

«Ein wichtiges Ziel ist der Verzicht auf Kupfer und Schwefel»

Delinat betreibt auf Château Duvivier seit vielen Jahren angewandte Forschung und bietet den Winzern mit Delinat-Consulting einen umfassenden Beratungsservice. Unternehmensgründer Karl Schefer erklärt, weshalb sich der grosse Aufwand lohnt und welche Herausforderungen noch anstehen.

Delinat ist weltweit der einzige Weinspezialist, der selbst in die Weinbauforschung investiert und seinen Partnerwinzern einen umfassenden Beratungsdienst anbietet. Weshalb?
Karl Schefer: 1980, bei der Gründung von Delinat, gab es noch keine Richtlinien für Biowein. Wir waren daher gezwungen, selbst einen Standard zu definieren. Und weil kaum ein Winzer alle Punkte auf Anhieb erfüllen konnte, brauchten wir von Anfang an Fachleute, die helfen konnten, die strengen Anforderungen in der Praxis umzusetzen.

Karl Schefer, Bio-Pionier und Delinat-Gründer.
Karl Schefer, Bio-Pionier und Delinat-Gründer.

Wäre es heute aber nicht einfacher, auf bestehende Normen zu setzen?
Ja, das wäre bestimmt einfacher. Doch leider gibt es keine Normen, die dem Delinat-Standard auch nur nahe kämen.

Warum ist das so?
Das hängt vor allem mit unserer Spezialisierung zusammen. Es ist einfacher, sich auf ein Gebiet zu konzentrieren und nicht wie EU-Bio, Demeter, Knospe usw. von der Tierhaltung bis zur fertigen Gemüsepizza alles regeln zu müssen.

Forschen und beraten

Seit 1980 arbeitet Delinat beharrlich am Weinbau der Zukunft. Treibende Kraft ist die Abteilung Delinat-Consulting mit vier kompetenten und praxiserprobten Winzerberatern (siehe Artikel «Winzerberater»). In Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungsorganisationen und innovativen Winzern werden Methoden und Strategien für einen ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Qualitätsweinbau mit hoher Biodiversität entwickelt.

Wichtiger Bestandteil ist eine ausgedehnte Versuchstätigkeit auf dem Delinat-eigenen Weingut Château Duvivier in der Provence und auf verschiedenen Partnerweingütern in ganz Europa. Das erarbeitete Wissen fliesst in die sich ständig entwickelnden Delinat-Richtlinien ein (die strengsten Bio -Richtlinien Europas) und wird den rund hundert Delinat-Winzern in ganz Europa durch die Winzerberater im Rahmen von regelmässigen Besuchen, Weiterbildungsseminaren, einer Hotline und einem umfangreichen Online-Portal weitergegeben. Delinat finanziert diese Abteilung und die Forschung mit 1 Prozent des Umsatzes.

Was war das Ziel der Delinat-Richtlinien?
Vor 36 Jahren lag in den meisten Weinen so ziemlich alles, nur nicht die Wahrheit. Wir wollten aufzeigen, dass es auch einen anderen Weg gibt, als Wein auf Kosten der Natur herzustellen. Die Erschaffung von Bio-Richtlinien im Weinbau war damals Pionierleistung; heute haben wir bewiesen, dass die Delinat-Methode sowohl ökologisch wie ökonomisch erfolgreicher ist.

Ökologisch erfolgreich, das ist verständlich. Aber ökonomisch?
Ja, das können unsere rund hundert Produzenten bestätigen. Die Delinat-Methode führt zu gehaltvollen, gesunden Trauben, die Basis für guten Wein. Wenn die schwierigen Jahre der Umstellung überstanden sind, die Biodiversität gewachsen und das ökologische Gleichgewicht eingekehrt ist, verdienen Delinat-Winzer mehr Geld als andere. Sie sparen teure Chemikalien, und die gute Weinqualität ermöglicht höhere Preise.

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Delinat-Consulting: Unterwegs mit dem Winzerberater

Winzerberater sorgen dafür, dass die strengen Delinat-Richtlinien keine Papiertiger bleiben und Europas Weinberge zum Blühen bringen. Die Beratung ist für die Winzer kostenlos. Ein Tag unterwegs mit Berater Daniel Wyss auf der Bodega Pago Casa Gran in Spanien.

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Samstag, 9. April 2016. Daniel Wyss macht auf einer mehrtägigen Beratungsreise durch Spanien Halt auf der Bodega Pago Casa Gran in der Nähe von Valencia. Winzer Carlos Laso arbeitet seit sechs Jahren mit Delinat zusammen. In dieser Zeit haben sich seine Rebberge in ein Naturparadies verwandelt, denn Carlos gehört zu jenen Winzern, die sich von einem vielfältigen Weinbau mit reicher Biodiversität haben anstecken lassen und die strengen Delinat-Richtlinien mit viel Herzblut umsetzen. Einmal im Jahr erhält er Besuch von Winzerberater Daniel Wyss. Unsere Bildreportage zeigt, wie sich ein solcher Beratungsbesuch in der Regel abspielt.

9 Uhr
Besprechung der Parzellenpläne

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Rechtzeitig auf den Besuchstermin hat Winzer Carlos Laso seine Parzellenpläne auf den neusten Stand gebracht. Sie geben im Detail Auskunft über Biodiversitätskorridore, biologische Hotspots und ökologische Ausgleichsflächen jeder einzelnen Rebparzelle. Winzerberater Daniel Wyss nimmt die perfekt vorbereiteten Unterlagen erfreut zur Kenntnis und bespricht sie mit Betriebsleiter Carlos Laso und den beiden Önologen und Rebmeistern Vincente Revert López und Gonzalo Medina Paris.

10 Uhr
Geniales Bewässerungskonzept

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Daniel Wyss präsentiert ein mögliches, revolutionäres Konzept für dezentrale Wasserrückstauflächen auf dem von langen Trockenperioden geplagten Weingut. Schon heute wird das Regenwasser auf Pago Casa Gran über Kanäle in ein grosses, zentrales Auffangbecken geleitet und von dort mittels Pumpen für die Bewässerung der Reben in Trockenperioden genutzt. Ökologischer und sinnvoller wären kleine, dezentrale Rückstauflächen direkt bei den einzelnen Rebbergen. Von hier aus könnte das gesammelte Regenwasser langsam im Boden versickern und die Reben mit Feuchtigkeit versorgen. Daniel Wyss erklärt der Runde, dass die topografischen Verhältnisse auf Pago Casa Gran für ein solches ohne teure Investitionen zu realisierendes Bewässerungskonzept ideal sind.

11 Uhr
Hinaus aufs Feld

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Fast alle Parzellen des 45 Hektar grossen Betriebs werden abgeschritten. Mit dabei ist das von Rebmeister Gonzalo Medina Paris geführte Betriebsjournal. Es gibt für jede Parzelle im Detail Auskunft über sämtliche Arbeiten, die im Verlaufe des Jahres ausgeführt wurden. Wann wurde gespritzt? Wie viel Kupfer und Schwefel wurden eingesetzt? Wann wurde der Boden wie bearbeitet? Wann wurde bewässert? Wann eingesät, gemulcht oder gewalzt? Gestützt auf die Aufzeichnungen, werden die Auswirkungen im Feld begutachtet, diskutiert und die Massnahmen für das aktuelle Jahr besprochen.

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Wachablösung

Fast 20 Jahre wachte Antoine Kaufmann als Winzer und Kellermeister über Château Duvivier in der Provence. Anfang Jahr ist er in die Schweiz zurückgekehrt und hat das Zepter auf dem Delinat-Forschungsweingut an den jungen französischen Winzer und Önologen Erik Bergmann übergeben.

Erik Bergmann (links) löst Antoine Kaufmann als Winzer auf dem Delinat- Modellweingut in der Provence ab.
Erik Bergmann (links) löst Antoine Kaufmann als Winzer auf dem Delinat- Modellweingut in der Provence ab.

«Ab und zu muss man eine neue Türe aufstossen im Leben», sagt Antoine Kaufmann. Er hat dies jetzt gemeinsam mit seiner Frau Irene getan. Nach 18 intensiven Jahren in Südfrankreich ist das Paar in die Schweiz zurückgekehrt und hat sich im Raum Basel, der alten Heimat, niedergelassen. Ein bisschen Wehmut ist schon dabei, wenn Antoine Kaufmann auf seine Zeit in der Provence zurückblickt, aber auch Stolz: «Als ich am 1. April 1998 auf Château Duvivier anfing, fragte ich mich mehr als einmal, ob ich da nicht auf einen Aprilscherz her eingefallen war. Die Weinberge waren wirklich in einem desolaten Zustand. » Doch mithilfe von Delinat, die das heruntergekommene Château 1990 gekauft und vor dem Verfall gerettet hatte, gelang es im Laufe der Jahre, Château Duvivier zu einem ökologischen Vorzeigeweingut zu machen. «Für mich war es eine Freude, zu sehen, wie es allmählich aufwärtsging. Die Weinqualität entwickelte sich, erfreulich und dank umfangreicher Versuche im Rebberg wurde Duvivier immer mehr zu einem anerkannten Leuchtturm des biologischen Weinbaus und zu einer Inspirationsquelle für andere Biowinzer in ganz Europa», blickt der scheidende Winzer zurück.

Erik und Lolita

Das neue Winzerpaar auf Duvivier: Erik Bergmann und Lolita Roche.
Das neue Winzerpaar auf Duvivier: Erik Bergmann und Lolita Roche.

Sein Nachfolger Erik Bergmann will nahtlos anknüpfen und mit frischem Wind dafür sorgen, dass sich Weine und Weingut im bisherigen Sinne weiterentwickeln. «Das Nest ist gemacht. Nun ist es an uns, dieses weiter auszubauen», sagt der in der Nähe von Nizza geborene Neo-Winzer mit leicht französischem Akzent. Dass er fast perfekt Deutsch spricht, verdankt er übrigens seinem deutschen Vater. Erik Bergmann führt Château Duvivier künftig zusammen mit seiner Partnerin Lolita Roche. «Ich bin für Weinberge und Keller zuständig. Lolita wird sich hauptsächlich um Kommunikation, Verkauf und Administration kümmern, aber ebenfalls im Rebberg und im Keller Hand anlegen», erklärt er. Antoine Kaufmann ist überzeugt, dass Erik und Lolita die Chance packen und Duvivier im angestrebten Sinne weiterbringen werden: «Die beiden bilden eine gute Mischung und haben als Franzosen noch etwas Heimvorteil. Als kleiner Schweizer hatte ich es hier am Anfang nicht einfach.»

Mit Elan ins erste Jahr

duvivier-biodiversitaetErik Bergmann hat trotz jugendlichem Alter von 31 Jahren als Winzer und Önologe bereits einen beachtlichen Rucksack. Dazu gehören ein vierjähriges Agrarstudium in Avignon, ein Master in Önologie und ökologischem Weinbau an der Universität Bordeaux, ein Praktikum auf dem berühmten Château Margaux sowie diverse Winzeraufenthalte in Neuseeland und Australien. Was hat ihn gereizt, auf Château Duvivier einzusteigen? «Die Pionier- und Vorreiterrolle von Duvivier für einen biologischen Weinbau, der diesen Namen auch verdient, fasziniert mich. Ausserdem gefällt mir die Region, in der ich aufgewachsen bin, sehr gut. Und schliesslich ist es für mich eine grosse Herausforderung, erstmals als Betriebsleiter ein Weingut eigenverantwortlich zu führen.»

Während Erik Bergmann und Lolita Roche mit viel Elan in ihr erstes, selbständiges Winzerjahr auf Château Duvivier eingestiegen sind, gönnt sich Antoine Kaufmann etwas Zeit zum Durchatmen. «Selbstverständlich stehe ich Erik und Lolita bei Bedarf noch zur Seite.» Ansonsten konzentriert sich Antoine Kaufmann jetzt vorerst auf seine neue Teilzeittätigkeit als Delinat-Winzerberater in Frankreich. «Und wenn ich in der Schweiz oder der näheren Umgebung einen Weinberg finde, der mich inspiriert, werde ich auch in Zukunft noch ein paar Reben bewirtschaften und wieder selber Wein machen.»

Auf ein Glas mit … Walter Fromm

Walter Fromm war 15 Jahre lang Winzer in der Toskana. Jetzt ist er mit seiner Familie in die Schweiz zurückgekehrt. Wir unterhielten uns mit ihm bei einem Glas Wein über das Abenteuer Italien, die Rückkehr in die Schweiz und seine neuen Jobs als Winzer in der Bündner Herrschaft und als Delinat- Winzerberater in Italien.

Walter Fromm
«Mein Onkel hat mir grünes Licht gegeben, sein renommiertes Weingut biologisch zu bewirtschaften.»

Wie war das damals, als du 1999 mit der Familie in die Toskana ausgewandert bist?
Walter Fromm:
Während meines Önologie-Studiums habe ich ein Jahr lang auf einem Weingut in Italien gearbeitet. Dabei wuchs die Lust, in die Toskana auszuwandern und ein eigenes Weingut zu führen. Meine Frau Natalie war auch Feuer und Flamme für dieses Abenteuer, hat sie doch ebenfalls eine grosse Affinität zu Italien und spricht die Sprache seit ihrer Kindheit.

Persönlich

Walter Fromm wurde am 29. August 1971 in Chur geboren. Schon in seiner Jugendzeit hat er auf dem Weingut seines Onkels Georg Fromm in Malans bei der Weinlese mitgeholfen. Gelernt hat er jedoch zuerst Bäcker-Konditor; später hat er das Lehrerseminar und danach die Ausbildung zum Winzer und Önologen gemacht.

Zwischen 1999 und 2015 führte er in der Toskana das eigene Weingut Vignano. Letztes Jahr kehrte er mit seiner Frau Natalie und seinen drei Töchtern Lavinia, Valeria und Piera in die Schweiz zurück. Die Familie wohnt heute in Maienfeld. Im Nachbardorf Malans wird Walter Fromm zusammen mit seinem Cousin Marco Fromm die Leitung des Weinguts von Onkel Georg Fromm übernehmen. Für Delinat ist er seit 2015 als Winzerberater in Italien tätig. Seine Freizeit verbringt Walter Fromm am liebsten auf dem Velo – sei es auf dem Rennrad oder dem Mountainbike.

Dann habt ihr über 15 Jahre euer eigenes biologisches Weingut aufgebaut und Delinat mit Wein beliefert. Weshalb nun die Rückkehr in die Schweiz?
Ein wichtiger Grund war die Ausbildung unserer Töchter. Die beiden älteren haben die Grundschule vollständig, die jüngste teilweise in Italien gemacht. Das hat gut funktioniert, aber für die berufliche Ausbildung sind die Möglichkeiten in der Schweiz einfach besser. Ausserdem hat mir als Winzer die italienische Bürokratie immer mehr zu schaffen gemacht. Diese nahm in den vergangenen 15 Jahren immer mehr zu und war für einen kleinstrukturierten Betrieb, wie wir ihn führten, kaum mehr ohne fremde Hilfe zu bewältigen.

Hat man es als Schweizer mit einem eigenen Weingut in Italien generell schwerer als Einheimische?
In Italien sind die familiären Strukturen sehr stark und ausgeprägt. Als Schweizer schafft man es zwar, freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen. Aber die Familienbande sind in Italien einfach viel stärker. Deshalb gehörst du als Ausländer meistens halt nie ganz dazu.

Du hast in der Toskana zum biologischen Weinbau gefunden. Jetzt übernimmst du die Leitung des nicht biologischen Weinguts deines Onkels in Malans. Wie geht das auf?
Mein Onkel hat mir grünes Licht gegeben, sein renommiertes Weingut biologisch zu bewirtschaften. Für mich ist das eine schöne Herausforderung.

Im Nebenamt arbeitest du neu als Delinat-Winzerberater für Italien. Kann das gutgehen, wenn man bei ehemaligen Winzerkollegen nun plötzlich als Berater auftaucht?
Der Kontakt unter uns italienischen Delinat-Winzern war nicht sehr ausgeprägt. Deshalb werde ich in meiner neuen Rolle nicht unbedingt als ehemaliger Winzerkollege, sondern eher als neutraler Berater wahrgenommen, der weiss, wie es im Alltag hinter der Bühne eines Weinbaubetriebs aussieht. So kann ich vor Ort praktische Hilfe und Unterstützung leisten und gleichzeitig Brücken zu Delinat bauen.

Walter Fromm im Weinberg
Walter Fromm wird Delinat-Winzerberater.

Wie sieht die Aufgabe der Winzerberater konkret aus?
Wir erarbeiten neue Richtlinien, passen bisherige den neuen Entwicklungen an und schauen, dass die geltenden Richtlinien von unseren Winzern eingehalten werden. Wir verfassen Merkblätter zu verschiedenen Themen und erteilen in bestimmten Fällen Ausnahmegenehmigungen. Bei unseren Besuchen auf den Weingütern zeigen wir Verbesserungsmöglichkeiten auf und bieten Hilfestellungen beim Lösen von Problemen.

Mit eigenen, strengen Richtlinien und der Forderung nach reicher Biodiversität geht Delinat einen sehr aufwändigen und anspruchsvollen Weg. Lohnt sich das überhaupt?
Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Bei solchen Vorgaben trennt sich die Spreu vom Weizen. Ein Winzer kann die Delinat- Anforderungen nur erfüllen, wenn er mit Leib und Seele dabei ist. Erst dann sieht man die vielen Vorteile dieser strengen Richtlinien, die sich letztlich nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die Weinqualität positiv auswirken.

Wie sieht aus deiner Sicht der Weinberg der Zukunft aus?
Der Weinberg der Zukunft gleicht jenem vor 150 Jahren: kleinparzelliert, umrundet von Hecken, durchzogen oder umgeben mit Natursteinmauern – einfach so, dass eine grosse natürliche Vielfalt herrscht. Diese dient dem Schutz der Reben, der Traubenqualität und einer nachhaltigen Bewirtschaftung.

Welches sind deine persönlichen Weinvorlieben?
Ich bevorzuge schwere, tiefe Rotweine wie etwa einen Sangiovese aus der Toskana. Aber auch Blauburgunder aus der Bündner Herrschaft mag ich. Hier gibt es aus meiner Sicht noch Spielraum für tiefere, komplexere Weine. Den möchte ich nutzen.

Weintipp Walter Fromm

ConteroccaMir gefallen die Weine von Leonardo Salustri aus der Toskana sehr gut. Dieses Weingut verfolgt eine ähnliche oder fast gleiche Linie, wie ich sie mit meinen Sangiovese-Weinen in der Toskana verfolgt habe. Die Salustris haben eigene Klone, die sie selektionieren, und arbeiten eng mit der Natur – das verleiht ihren Sangiovese-Weinen ein eigenständiges Gesicht und einen eigenen Charakter. Das gilt auch für den Conterocca, einen eher einfachen, aber doch gut strukturierten, frisch-fruchtigen Toskaner, der seinen Preis mehr als wert ist.

Conterocca
Toscana IGT 2014
La Cava di Salustri Leonardo

«Unsere Winzer machen Platz für Bäume und Sträucher»

Jahr für Jahr sind die beiden Delinat-Winzerberater Rolf Kaufmann und Daniel Wyss auf über hundert Weingütern in ganz Europa unterwegs. Sie stehen den Winzern beratend bei der praxisgerechten Umsetzung der strengen Delinat-Richtlinien zur Seite und motivieren sie, die Biodiversität in den Rebbergen zu verbessern. In diesem Interview gibt Daniel Wyss Einblick in diese anspruchsvolle und schöne Tätigkeit.

Daniel Wyss in der Rioja
Winzerberater Daniel Wyss (rechts) im Weinberg mit Rioja-Winzer Francisco Ruiz.

Du bist oft in Europa unterwegs. Wie beurteilst du als Ökologe und Winzerberater generell den Zustand der Biodiversität? Wie vielfältig ist unsere Natur noch?
Daniel Wyss:
Es gibt sie noch, die schönen unberührten Landschaften in Europa. Orte, an denen sich Fauna und Flora mit oder neben der Nutzung durch den Menschen entfalten können und die Vielfalt noch gross ist. Dort, wo Menschen aber intensive Landwirtschaft betreiben, wo Industrie und Siedlung dicht sind, sind Zerstörung und Verarmung der Landschaft sehr gross.

Wie präsentiert sich die Situation in den Weinbergen Europas?
Die EU fördert leider noch immer den intensiven Rebbau. Alte Reben im Einzelstocksystem und in Mischkulturen mit Oliven und Fruchtbäumen werden ausgerissen. Stattdessen werden intensive Drahterziehungsanlagen mit Bewässerung unterstützt. Das Wasser wird teilweise aus über 150 Meter Tiefe gepumpt. Vorzeitliche Grundwasserseen werden dadurch irreversibel zerstört.

Delinat Consulting

Delinat Consulting unterstützt Winzer in ganz Europa durch ein umfassendes Beratungspaket bei der Umsetzung der strengen Delinat-Richtlinien. Neben jährlichen Seminaren, an denen die Winzer in den jeweiligen Ländern auf den neuesten Stand der Weinbau- und Ökologieforschung gebracht werden und gegenseitig Erfahrungen austauschen, besuchen die Winzerberater Rolf Kaufmann und Daniel Wyss die Weingüter mindestens einmal im Jahr. Ausserdem bieten sie übers ganze Jahr Beratungen per Telefon und Mail. Schwerpunkte sind der Biodiversitätsaufbau, Begleitflora, Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und ökologische Hotspots. Bei der Weinbereitung stehen Themen wie Einsatz von Schwefeldioxid (SO2) und anderen kellereitechnischen Hilfsstoffen im Vordergrund.

Viele Rebberge von Delinat-Winzern kennst du wie deine Hosentasche. Was ist hier anders?
Unsere Winzer erhalten die natürliche Vielfalt mit Bäumen und Sträuchern in und um ihre Rebparzellen. Sie reissen sogar Reben aus, um Platz zu machen für Bäume und Sträucher. Ganzjährig begrünte Weinberge sind im Süden nur auf Delinat-Betrieben zu sehen.

Weshalb ist eine grosse Biodiversität im Weinberg so wichtig?
Die Vielfalt stärkt das Ökosystem Rebberg, wodurch Schadorganismen natürlicherweise nicht mehr so stark auftreten. Biodiversität erfreut nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen.

Du versuchst, die Winzer von den Vorteilen einer grossen Artenvielfalt zu überzeugen. Gelingt das überall gleich gut?
Je weniger finanzielle Mittel dem Winzer zur Verfügung stehen und je trockener die Region, desto schwieriger ist es, ein System für die Zukunft aufzubauen. Oft sind die ökonomischen Zwänge gross. Investitionen sind nur im kleinen Rahmen möglich. Zum Glück sind unsere Winzer innovativ, zukunftsorientiert und umweltbewusst. So können wir gemeinsam angepasste Begrünungssysteme entwickeln, die wenig kosten, für die Fruchtbarkeit und die Artenvielfalt aber langfristig viel bringen.

Wo und weshalb gibt es am meisten Widerstand?
In den trockensten Regionen braucht es viel Zeit und Geduld. Es gilt Rückschläge zu verkraften. Ein gutes Resultat wird oft erst nach mehreren Einsaaten verschiedener Begleitkräuter erreicht. Deshalb ist es wichtig, dass ich als Berater die Winzer über Jahre begleite.

Schätzen die Winzer die hohen Anforderungen und die intensive Beratung durch Delinat überhaupt?
Wir können unsere Anforderungen bei den Richtlinien nur so hoch schrauben, weil die Zusammenarbeit mit unseren Winzern auf einer langjährigen Partnerschaft beruht. Dass wir die Winzer seit Jahren mit unseren Beratungsbesuchen und Winzerseminaren begleiten, ist ein wichtiger Pfeiler. Daraus ergeben sich eine vertrauensvolle Partnerschaft und gute Freundschaften über ganz Europa hinweg.

Daniel Wyss, 1966 geboren, Landwirt und Landschaftsarchitekt FH, seit über 30 Jahren mit der biologischen Landwirtschaft beschäftigt: in praktischer Tätigkeit am Forschungsinstitut für biologischen Landbau, bei bio.inspecta und seit 2002 bei Delinat. Hier ist er zuständig für Richtlinienentwicklung und Winzerberatung in Spanien, Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Imposanter Einblick ins Bio-Weinland Österreich

Österreich gilt als fortschrittlichstes Bio-Weinland Europas. Nirgends sonst ist der Anteil an biologischem Weinbau so hoch wie hier (mehr als 10 Prozent). So waren wir besonders gespannt auf diese Reise, die wir zusammen mit Delinat-Winzerberater Daniel Wyss zu den Weingütern Harm, Sepp Moser und Meinklang unternahmen.

Die Kundenberater mit Werner Michlits vor einem  Biodiversitäts-Hotspot im Weingut Meinklang (v.l. Kevin Benz, Paolo Mira, Werner Michlits, Naemi Ilg)
Die Kundenberater mit Werner Michlits vor einem Biodiversitäts-Hotspot im Weingut Meinklang (v.l. Kevin Benz, Paolo Mira, Werner Michlits, Naemi Ilg)

Weingut Harm

Was Dipl. Ing. Dr. rer. nat. Andreas Harm, Vater von drei schulpflichtigen Kindern und Winzer alles unter einen Hut bringt, ist bemerkenswert. Er repräsentiert die regionale Vereinigung biologischer Winzer, wirkt als Weinbauberater und führt verschiedene Forschungsarbeiten im Bereich des biologischen Weinbaus durch. Zur Hauptsache aber bewirtschaftet er mit grosser Leidenschaft mehrere kleine Weinbergsparzellen in der Wachau und im angrenzenden Kremstal. Andreas konzentriert sich dabei auf die beiden einheimischen weissen Paradesorten Riesling und Grüner Veltliner.

Paradeiser (Tomaten) als Sekundärkultur zwischen den Rebzeilen
Paradeiser (Tomaten) als Sekundärkultur zwischen den Rebzeilen

Besonders beeindruckt hat uns seine Toplage am Dürnsteiner Kellerberg. In Vergleich zu den Nachbarparzellen stechen seine terrassierten Steillagen mit einer prächtigen, artenreichen Begrünung heraus. Am Wachtberg, einer andern schönen Lage hoch über der Donau, begeisterten uns die vielen Tomatenstöcke, die zwischen den Rebzeilen wachsen und hocharomatische Paradeiser (wie Tomaten in Österreich genannt werden) liefern. Bei der Verkostung der Harm-Weine am Familientisch in Begleitung eines feinen Marillenkuchens wurde uns wieder einmal eindrücklich bewusst, zu welch herausragenden Weinen Winzer fähig sind, die draussen in Harmonie mit der Natur arbeiten und im Keller nach dem Motto «kontrollierter Minimalismus» vinifizieren.

Weingut Sepp Moser

Danach chauffierte uns Andreas Harm zur nächsten Station, dem keine 10 Kilometer entfernt gelegenen Weingut Sepp Moser im Kremstal. Hier werden wir von Winzer Niki Moser im prachtvollen Atriumhaus empfangen. Dieses liess sein Grossvater Lenz Moser, Begründer des bekannten Lenz-Moser-Erziehungssystems, in den 1950er-Jahre nach römischem Vorbild erbauen. Auf unserem Rundgang durch die artenreichen Weingärten wies uns Niki auf eine Wiese hin, in der Wermut wächst. Der Winzer stellt daraus ein natürliches Präparat her, mit dem er die Spinnmilbe bekämpft. Beeindruckt hat uns auf der Fahrt zu weiteren Weinbergen auch die längste Kellergasse Österreichs: Auf einer Länge von fast zwei Kilometern reihen sich eingebettet in eine Lössstrasse 71 Weinkeller, die heute als Heurigenbetriebe und als Verkostungslokale genutzt werden.

Wunderschön: Biodiversität im Weingut Sepp Moser
Wunderschön: Biodiversität im Weingut Sepp Moser

Für die Verkostung der Moser-Weine kehrten wir ins Atrium zurück. Die intakte Natur, der wir draussen in den Reben begegnet waren, kam uns hier in den schönsten Facetten auch aus dem Glas entgegen. Niki Moser bewirtschaftet auch im Burgenland in der Nähe des Neusiedlersees mehrere Rebparzellen. Auch diese flachen Weingärten besichtigten wir, bevor wir auf dem Weingut Meinklang Halt machten.

Weingut Meinklang

Bei der Familie Michlits beindruckte die grosszügige, moderne Kellerei. Angela und Werner Michlits legen Wert auf grosse Sauberkeit. Ihr «Heiligtum» ist ein sakral anmutender kleiner Keller. Eine stattliche Holztruhe ist das einzige Objekt im Raum. Darin lagern die biodynamischen Präparate, welche die Familie Michlits zusammen mit weiteren biodynamischen Winzern selber herstellt.

Weingut Meinklang: In dieser Truhe lagern die biodynamischen Präparate.
Weingut Meinklang: In dieser Truhe lagern die biodynamischen Präparate.

Eine echte Herausforderung stellen die vor drei Jahren angelegten Pflanzeninseln in der mit 11 Hektar grössten zusammenhängenden Rebfläche dar. «Wir haben zur Verbesserung der Biodiversität schon hunderte von Bäumen und Sträuchern angepflanzt. Leider gehen viele davon immer wieder ein», erklärte uns Werner. Aufgeben kommt für ihn aber nicht in Frage. Statt aber für viel Geld immer wieder neue Pflanzen zu setzen, will er künftig einfach das wachsen lassen, was von Natur aus kommt. Und so wird es halt etwas länger dauern, bis die ökologischen Hotspots diesen Weinberg zu einem einzigartigen Biotop machen.

Die Reise zu drei der fortschrittlichsten österreichischen Winzer im Bereich eines nachhaltigen Weinbaus war für uns sehr lehr- und aufschlussreich. Viele Erkenntnisse und Erfahrungen werden in eine kompetente Kundenberatung einfliessen. Ganz besonders beeindruckt hat uns, mit wie viel Herzblut und Können unsere Winzer bei der Sache sind.

«Bei der Biodiversität gab es die grössten Fortschritte»

Rolf Kaufmann, wie wichtig ist der Wissenstransfer vom forschenden Delinat-Institut zum praktischen Weinbau bei den Winzern?
Rolf Kaufmann:
Die ständige Weiterentwicklung des ökologischen Weinbaukonzepts durch das Delinat-Institut bringt den Winzern wichtige Impulse. Umgekehrt fördert der Informationsrückfluss vonseiten der Winzer die praxisgerechte Anpassung der Forschungsprojekte. Ebenso wichtig ist der Erfahrungsaustausch unter den Winzern. Auch da können wir über Sprachbarrieren hinweg behilflich sein.

«Ich stelle eine hohe Motivation fest»

Wissenstransfer via Winzerberater

Das Delinat-Institut unter der Leitung von Hans-Peter Schmidt unterstützt Winzer in ganz Europa durch ein umfassendes Beratungspaket bei der Umsetzung der strengen Delinat- Richtlinien. Neben jährlichen Seminaren, an denen die Winzer in den jeweiligen Ländern auf den neuesten Stand der Weinbau- und Ökologieforschung gebracht werden, besuchen die Winzerberater Rolf Kaufmann und Daniel Wyss die Weingüter mindestens einmal im Jahr. Schwerpunkt im Weinbau ist die Verbesserung der Biodiversität mit den Themen Begrünung, Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und ökologische Hotspots. Bei der Weinbereitung stehen Themen wie alkoholische Gärung, biologischer Säureabbau, Einsatz von SO2 und anderen kellertechnischen Hilfsstoffen im Vordergrund.

Die Delinat-Richtlinien gelten nicht nur als die strengsten Europas. Sie setzen auch neue Massstäbe für eine gesamtökologische Anbauform. Wie motiviert sind die Winzer, diese zu erfüllen?
Für viele Winzer sind diese Richtlinien eine Herausforderung, die sie an ihrem Ehrgeiz packt. Andererseits ist das in die Richtlinien eingebaute weinbautechnische Know-how sehr gross und bietet den meisten Betriebsleitern wertvolle Anregungen zur Verbesserung ihres Weinbaus. Ich stelle eine hohe Motivation fest, die durch die Erfolge stetig weiterwächst.

Im heissen Süden macht den Winzern nicht selten Trockenstress zu schaffen. Ist es in solchen Regionen sinnvoll, eine ganzjährige Begrünung der Weinberge zu fordern?
Wir sprechen nicht mehr von Begrünung, sondern von vegetativer Bodenbedeckung, die möglichst flächendeckend und möglichst lange Zeit im Jahr im Weinberg vorhanden sein soll. Es geht darum, durch viele Pflanzenarten die biologische Vielfalt im Boden innerhalb des Jahreszyklus möglichst lange aktiv zu erhalten. Wenn die Sommertrockenheit in Sizilien die Begrünung eintrocknen lässt, sieht das nicht mehr grün aus, doch haben wir damit die biologische Aktivität im Wurzelraum auf das mögliche Maximum ausgedehnt.

Das ist schön und gut. Aber wenn den Reben zu wenig Wasser bleibt, bekommen sie Stress und gedeihen nicht mehr richtig…
Um Trockenstress zu vermeiden, hat der Winzer die Möglichkeit, schon frühzeitig, das heisst zu Beginn der Trockenperiode im Mai, die vegetative Bodenbedeckung durch eine oberflächliche Bodenbearbeitung zu reduzieren. Dieser Eingriff beschränkt die Wasserverdunstung aus dem Boden auf ein Minimum. Den Rebstöcken wird so das Überdauern in der heissen Zeit ohne Stress ermöglicht.

«Diese Fortschritte werden am Markt noch nicht wahrgenommen.»
«Diese Fortschritte werden am Markt noch nicht wahrgenommen.»

Die Delinat-Richtlinien lassen nur einen minimalen Einsatz an biologischen Spritzmitteln wie Kupfer- und Schwefellösungen gegen Pilzkrankheiten zu. Was raten Sie jenen Winzern, die in schwierigen Jahren wie diesem nicht die halbe Ernte aufs Spiel setzen wollen?
Es kann nicht die Rede sein davon, dass die halbe Ernte auf dem Spiel steht! Wäre das so, wäre der biologische Weinbau nicht zum Erfolgsmodell geworden, das er heute darstellt. Die Winzer haben in den letzten Jahren gelernt, durch Beobachtung, Mittelwahl und verbesserte Applikationstechniken mit sehr tiefen Kupfermengen oder natürlichen Ersatzmitteln auszukommen.

Was haben die Winzer in den letzten Jahren konkret unternommen, um die Biodiversität in ihren Weinbergen zu verbessern?
Das Spektrum der getroffenen Massnahmen spiegelt die Empfehlungen der Richtlinien. Spontane oder eingesäte Begrünung wurde gezielt gefördert; Blühstreifen, Hecken und biologische Hotspots wurden angelegt; Bäume wurden gepflanzt; temporäre oder permanente Sekundärkulturen wurden in die Weinberge integriert; Schafe, Ziegen, Kühe, Hühner haben im Winterhalbjahr Auslauf in den Reben; Bienenkästen und Insektenhotels wurden aufgestellt.

Ihre Beratungen zielen nicht nur auf den Weinberg, sondern auch auf die Weinbereitung im Keller. Wo liegen die Schwerpunkte?
Spontangärung mit Naturhefen ist ein Thema. Viele Winzer vergären ihre Trauben seit eh und je auf diese Weise. Andere haben im Trend der modernen Önologie auf Reinzuchthefen umgestellt. Diese Betriebe tasten sich heute schrittweise wieder an die alte natürliche Technik heran. Praktisch ausnahmslos machen sie die Erfahrung, dass die spontan vergorenen Weine an Ausdruck und Jahrgangstypizität gewinnen. Ein wichtiges Thema ist auch der zurückhaltende Einsatz von oder der Verzicht auf Schwefel (SO2) zur Haltbarmachung der Weine. Es gibt Betriebe, die seit Jahren erfolgreich Weinbereitung ganz ohne schweflige Säure betreiben. Die Hindernisse sind weniger technischer Natur, es ist vielmehr die Abweichung vom gewohnten Geschmacksbild des ohne SO2 vinifizierten Produkts, woran auch die Kunden erst gewöhnt werden müssen. Ein weiteres Element der Unsicherheit ist die Langlebigkeit der so hergestellten Weine.

Sie sind bereits vier Jahre für Delinat als Winzerberater unterwegs. Wie hat sich die Situation auf den Weingütern innerhalb der letzten Jahre verändert? Gibt es auch Rückschläge?
Die ersten zwei Jahre waren geprägt einerseits vom Enthusiasmus eines neuen Aufbruchs, andererseits von der Unsicherheit, ob die gesteckten Ziele erreichbar seien. Die wachsende Erfahrung und die sichtbaren Erfolge führten dann zu einer Dynamik, welche die Winzer mit ihren eigenen Innovationen immer weiter ankurbeln. Natürlich gab es auch Rückschläge. Einsaaten funktionierten nicht, empfohlene Spritzmittel waren wegen nationaler Gesetzgebungen nicht erlaubt, Fehlinterpretationen der Richtlinien oder mangelnde Rückfragen führten zu Missverständnissen. Die Probleme betrafen meist einzelne Betriebe und liessen sich beheben. Hier kam der Nutzen der Beratung voll zum Tragen.

Führen Ihre Beratungsbesuche auch dazu, dass gewisse Delinat-Richtlinien geändert werden müssen, weil sie sich in der Praxis als untauglich oder zumindest als nicht ideal erweisen?
Das ist in den letzten vier Jahren seit der Einführung der neuen Richtlinien immer wieder der Fall gewesen. Es ist Teil der Arbeit des Beraterteams am Institut, unklar formulierte oder praxisferne Punkte in den Richtlinien auszumerzen, Lücken zu füllen oder einzelne Bestimmungen neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Rückmeldungen aus der Praxis der Betriebe sind dabei von höchster Wichtigkeit.

In welchen Bereichen orten Sie die grössten Fortschritte im Sinne der Delinat-Philosophie, wo die grössten Probleme?
Die grössten Fortschritte sind im Bereich der Biodiversität, der vegetativen Bodenbedeckung und beim Pflanzenschutz gemacht worden. Darin spiegeln sich Entwicklungen in der Mentalität der Winzer, die begonnen haben, ihren Weinberg und ihre Arbeit als organisches Ganzes zu sehen. Das grösste Problem besteht vielleicht darin, dass diese Fortschritte am Markt noch nicht wahrgenommen werden und die Arbeit der Winzer deshalb nicht richtig honoriert wird. Es wird noch zu wenig Wein gekauft, der wirklich höchste ökologische Ansprüche erfüllt.

Die Delinat-Richtlinien

Die Delinat-Richtlinien gehen weit über andere Biorichtlinien (eu, Bio Suisse, Demeter) hinaus. Neben einem Verbot von chemischsynthetischen Pflanzenschutzmitteln, von Kunstdüngereinsatz und Gentechnologie verlangen die Delinat-Richtlinien beispielsweise als einzige verpflichtend eine Förderung der Biodiversität. Die Verwendung von Kupfer und Schwefel zur Krankheitsbekämpfung im Weinberg ist vergleichsweise stark limitiert. Im Keller dürfen Hilfsstoffe nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Die Delinat-Richtlinien 2010 wurden vom wwf Schweiz und von der Stiftung für Konsumentenschutz mit dem Prädiktat «sehr empfehlenswert» ausgezeichnet. Sie basieren auf einem Modell mit drei Qualitätsstufen, das den Weingütern eine sukzessive Weiterentwicklung bis auf Stufe 3 ermöglicht. Schon Stufe 1 verlangt aber viel mehr als EU-Bio.
Mehr Infos unter www.delinat.com/richtlinien