«Wir setzen voll auf resistente Rebsorten»

Roland und Karin Lenz sind das Schweizer Aushängeschild für hervorragende PIWI-Weine. Auf ihrem Bioweingut im thurgauischen Iselisberg pflanzen sie nur noch resistente Rebsorten an und haben damit grossen Erfolg. Ihre Weine, wovon mehrere bei Delinat erhältlich sind, heimsen immer wieder Auszeichnungen ein.

Roland und Karin Lenz aus der Ostschweiz sind erfolgreiche PIWI-Winzer.

Als Winzer des grössten biologischen Weinguts der Schweiz bist du ein überzeugter Befürworter von PIWI-Reben. Weshalb?
Roland Lenz: Die resistenten Sorten sind neben der Biodiversität das Fundament für den Erfolg auf unserem Weingut. Neue Reben müssen deshalb für uns grundsätzlich pilzresistent sein. Funktionierende Biodiversität, gekoppelt mit PIWI-Anbau, garantiert uns eine weniger stressige Traubenproduktion, weil das System Weinberg biologisch in sich selber funktioniert. Es fällt weniger Arbeit an, wir verwenden noch weniger Hilfsstoffe, die Traubenproduktion wird massiv nachhaltiger.

Welche Erfahrungen hast du mit resistenten Sorten als praktizierender Winzer bisher gemacht?
Als wir 1994 die ersten 7 Hektar Reben kaufen konnten, waren 30 Prozent mit Müller-Thurgau und 70 Prozent mit Pinot Noir bestockt. Als Erstes haben wir damals einen halben Hektar gerodet und mit Regent bepflanzt. Später kamen andere resistente Sorten wie GF 48-12 und Léon Millot dazu. Da diese Reben immer älter werden und wir auch die Vinifikation der verschiedenen Sorten immer besser im Griff haben, entstehen charaktervolle, spannende Weine, die die Weingeniesser überraschen und begeistern. So haben wir mit unseren Kunden jeden Tag Aha-Erlebnisse.

Kommt man bei PIWI-Reben ganz ohne biologische Spritzmittel aus, oder muss man die Reben gleichwohl mit Kupfer und Schwefel behandeln?
Heute haben wir total über 20 verschiedene PIWI-Sorten im Anbau. Viele sind 100 Prozent pilzresistent. Wir behandeln sie nur mit Algen, um damit das Immunsystem zu stärken. Andere Sorten haben nach wenigen Jahren Einbrüche in der Pilzresistenz erlitten. Diese müssen wir zwei- bis viermal mit Tonerde gegen Falschen Mehltau und mit Backpulver gegen Echten Mehltau behandeln. Aber auch bei diesen Sorten können wir ohne Kupfer und Schwefel hochwertiges Traubengut erzeugen.

Du kommst also vollständig ohne die im biologischen Weinbau erlaubten Kupfer- und Schwefelspritzungen aus?
Ja, unsere ganze Traubenproduktion bei den PIWI-Reben funktioniert kupfer- und schwefelfrei. Beim Pinot Noir dagegen müssen wir jedes Jahr 11 bis 17 Behandlungen durchführen, was beim Kupfer einer Menge von 1,5 bis 2,5 kg/ha entspricht.

Die Sorte Solaris gehört zu jenen PIWI-Trauben, aus denen genussvolle Weissweine gekeltert werden können.

Welches sind für dich die erfolgreichsten PIWI-Sorten?
Solaris und Souvignier Gris vom staatlichen deutschen Weinbauinstitut Freiburg haben sehr gute Eigenschaften und liefern tolle Weinqualitäten. Gleich gut oder sogar besser sind die Sorten 32-7 Cabernet Jura, 6-04, 1-28 und 1-29 von Valentin Blattner.

Gibt es auch negative Erfahrungen?
Ja, beispielweise mit dem Regent, der an Resistenz verloren hat.

Welches sind generell die grössten Probleme, mit denen man als PIWI-Winzer kämpft?
Es ist nicht immer einfach, den Kunden etwas Neues, noch Unbekanntes zu verkaufen. Ärgerlich ist auch, dass die Weinbaupolitik den PIWI-Sorten Steine in den Weg legt, indem sie beispielsweise bei der AOC-Klassifizierung nicht zugelassen werden.

Früher war die Aromatik von PIWI-Weinen ein Problem – sie kam bei Weinliebhabern nicht an. Und heute?
Mit der grossen Bandbreite an verschiedenen Sorten und der Erfahrung des Winzers im Umgang mit diesen Sorten stellt sich dieses Problem heute nicht mehr.

Lassen sich PIWI-Weine problemlos jedes Jahr verkaufen?
Ja. Wir sind froh, dass nun viele Neuanlagen endlich in den Ertrag kommen und wir so deutlich mehr an PIWI-Trauben erzeugen können. Zum Beispiel werden Solaris, Cabernet Blanc, Souvignier Gris und Cabernet Jura an Menge noch massiv zulegen. Cabernet Jura exportieren wir neu nach Finnland …

PIWI-Reben haben sich andernorts bisher nicht im grossen Stil durchgesetzt. Weshalb?
Weil es den Winzern am Weitblick fehlt!

Wird sich das in Zukunft ändern?
Auf jeden Fall. Die Pestizidproblematik und die Klimaveränderung werden die Winzer zwingen, PIWI-Sorten anzubauen.

Deine Rebflächen sind zurzeit zur Hälfte mit pilzresistenten Sorten und zur Hälfte mit bekannten Europäer-Reben wie Blauburgunder und Müller-Thurgau bestockt. Wohin führt der Weg?
Wir setzen voll auf resistente Sorten. Ziel ist es, uns innerhalb von etwa zehn Jahren vollständig von den Europäer-Reben zu verabschieden.

Seit 2017 hast du eine eigene PIWI-Rebschule. Werden da auch neue Sorten gezüchtet oder einfach bestehende PIWI-Rebsorten hergestellt?
Da wir eine sehr enge Zusammenarbeit mit Valentin Blattner haben, sind wir an sein Züchtungsprogramm angeschlossen. Wir legen neue Muttergärten für ihn an.


Roland Lenz führt zusammen mit seiner Frau Karin in Iselisberg TG das grösste Bioweingut der Schweiz. Die 18,5 Hektar Rebflächen sind heute zur Hälfte mit pilzresistenten Sorten wie Cabernet Jura, Léon Millot, Solaris, Souvignier Gris, Cabernet Blanc usw. bestockt, die andere Hälfte mit bekannten europäischen Sorten wie Blauburgunder und Müller-Thurgau. Seit 2014 ist das Weingut Delinat-zertifiziert (als einziges der Schweiz).

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Bekannte PIWI-Rebsorten

Delinat-Winzer setzen zunehmend auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten, weil diese im Vergleich zu bekannten Sorten deutlich weniger gespritzt werden müssen. Einige der vielversprechendsten PIWI-Rebsorten stellen wir Ihnen in diesem Artikel vor.

Cabernet Blanc

In den 1990er-Jahren gelang dem Schweizer Rebzüchter Valentin Blattner eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Resistenzpartnern. Cabernet Blanc fand einen «zweiten Vater» in Volker Freytag, der die Sorte in der Pfalz selektionierte und nach einigen Jahren des Versuchsanbaus 1994 zum Sortenschutz und 2010 zur Klassifizierung angemeldet hat. Seit 2014 ist Cabernet Blanc offiziell in die deutsche und in die europäische Sortenliste eingetragen. Sie hat eine gute Resistenz gegen Echten und Falschen Mehltau und eine sehr gute gegen Graufäule (Botrytis). Der Wein erinnert im Duft an einen eleganten Sauvignon Blanc. Im Geschmack lässt er sich ebenfalls mit Sauvignon Blanc vergleichen.

Souvignier Gris

Neuzüchtung aus dem Jahre 1983 durch das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg i.Br. PIWI aus den Sorten Cabernet Sauvignon und Bronner. Sehr hohe Resistenz gegen Echten und Falschen Mehltau sowie Botrytis. Souvignier Gris ist mit einem neutralen bis leicht fruchtigen Burgunder-Typ vergleichbar. Im Duft dezente Fruchtaromen nach Honigmelone, Aprikose und Quitte. Im Geschmack zeigen sich eine fruchtige Säure und eine zarte Tanninstruktur.

Cabernet Jura (VB 5-02)


Gezüchtet im Westschweizer Kanton Jura von Rebzüchter Valentin Blattner. Cabernet Jura ist eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Resistenzpartnern. Sie ist resistent gegen Echten und Falschen Mehltau sowie gegen Graufäule (Botrytis) und verfügt über eine sehr gute Härte gegenüber Winterfrösten. Der Wein zeichnet sich durch eine dunkle, rubinrote Farbe und einen aromatischen Geschmack aus.

Solaris

Neuzüchtung aus dem Jahre 1975 durch das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg i.Br. aus den Sorten Merzling und Gm 6493. Sehr hohe Resistenz gegen Echten und Falschen Mehltau. Solaris ergibt kräftige, fruchtige, gehaltvolle Weissweine mit guter Säurestruktur.

Pinotin

Diese Rebsorte ist der Burgunder-Typ unter den PIWI-Neuzüchtungen von Valentin Blattner. Sie ist eine Kreuzung von Blauem Spätburgunder mit Resistenzpartnern. Pinotin hat eine gute Resistenz gegen Falschen Mehltau und Grauschimmelfäule und eine sehr gute gegen Echten Mehltau. Wie der Name, so der Wein: Pinotin erinnert an den Spätburgunder mit klarer, dichter Waldfruchtaromatik und weicher Tanninstruktur. Die Weine haben sich als Allrounder bewiesen und sind für ein breites Weingeniesserpublikum gut zugänglich.

VB Cal. 6-04

Als Vorreiter der sogenannten Cal.-Serie von Valentin Blattner entstand die Sorte aus einer Kreuzung von Sauvignon Blanc × Riesling × Resistenzpartnern. Sie vertritt ebenfalls die neue Generation von PIWIs. Zum einen konnte durch Mehrfachkreuzungen mit unterschiedlichen Resistenzpartnern die Robustheit gegen Pilzkrankheiten nachhaltig verbessert werden, zum anderen verleihen Vinifera-Elternanteile der Sorte eine komplexe Aromatik. Die Sorte zeigt im Wein, je nach Reifegrad, Ausbaustil und Hefeeinsatz, ein weites Aromenspektrum. Im klassischen Riesling-Stil ausgebaute Weine duften nach Aprikose, reifem Apfel und Grapefruit. Reduktive Weinbereitung erzeugt an Scheurebe erinnernde Weine mit Aromen von Limone und dezenter schwarzer Johannisbeere. Typisch ist eine stabile Säure, die sowohl über die Traubenreife am Stock als auch während der Flaschenreife präsent bleibt.

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