Vom Jakobsweg in die Halbwüste

Im Schatten der berühmten Rioja begehrt die Nachbarregion Navarra mit Weinvielfalt und erstaunlicher Qualität auf. Zu den fortschrittlichsten Bodegas gehören die beiden Delinat-Weingüter Quaderna Via am spanischen Jakobsweg und Azul y Garanza am Rande der Halbwüste Bardenas Reales.

Es ist Mitte Mai. Das Team um Raúl und Jorge Ripa von den Bodegas y Viñedos Quaderna Via in Igúzquiza versprüht gute Stimmung. «Die ersten Pilger sind bereits unterwegs. Das ist ein gutes Zeichen», sagt Raúl, der Winzer. Alles, was das tägliche Leben des Weinguts erfordert, geht durch seine Hände. Rastlos und dynamisch, tausende Ideen fliessen ihm durch den Kopf, und er hört nicht auf, Neues zu organisieren und zu erschaffen. Ein neu erstellter, moderner Degustationsraum bietet einen offenen Blick auf die Reben. Seit über zwanzig Jahren werden diese auf Quaderna Via biologisch bewirtschaftet. Seit 2007 ist der Betrieb Delinat-zertifiziert.

Agriturismo auf Spanisch

Die Neuausrichtung zum gastfreundlichen Top-Biobetrieb in der Navarra ist kein Zufall. «Wir sprechen heute auch viele Kunden an, die als Pilger auf dem beliebten Jakobsweg nach Santiago de Compostela unterwegs sind», erklärt Raúl Ripa. Zum Konzept, den Leuten Weine schmackhaft zu machen, die in perfekter Harmonie mit der Natur entstehen, gehört auch die neu eröffnete Weinbar Parranda im Zentrum der Stadt Estella. Die Bar liegt direkt am Pilgerweg in einem tausendjährigen Haus mit imposanter Fassade und mächtiger Eichentüre. Raúl Ripa: «Wir haben hier diese kleine, elegante Weinbar für Leute eingerichtet, die Lust auf ein Glas Wein und Tapas oder Pinchos haben.» Auf den drei Stockwerken über der Bar wurde eine geschmackvolle Ferienwohnung für bis zu acht Personen eingerichtet. Die offizielle Pilgerherberge liegt nur etwa 100 Meter entfernt. «Aber es gibt viele Pilger, die zwischendurch eine Abwechslung zu den Massenunterkünften suchen», sagt Raúl. Ebenfalls in der Nähe der Bodega bieten die Gebrüder in der Casa del Cura, einem ehemaligen Pfarrhaus in unverbauter Landschaft, das sie von ihren Grosseltern übernommen haben, eine sanft renovierte Ferienwohnung zur Wochenmiete an.

Direkt am Jakobsweg wurden in einem alten Gebäude eine Bar und Ferienwohnung eröffnet.
Direkt am Jakobsweg wurden in einem alten Gebäude eine Bar und Ferienwohnung eröffnet.

Feminines Feingespür

Auch wenn die Gebrüder Ripa gerade beträchtliche Summen in Angebote des in Spanien noch wenig ausgeprägten Agriturismo investiert haben, schlägt ihr Herz weiterhin in erster Linie für einen ökologischen Weinbau, der qualitativ hochwertige Weine hervorbringt. Bei der Weinbereitung spielt das feine Gespür der langjährigen Önologin Yolanda Martínez eine zentrale Rolle. Davon zeugt der aus Tempranillo und Merlot gekelterte Alltagswein El Paseo genauso wie die aus denselben Sorten gekelterte und im Barrique ausgebaute filigrane Valdega Reserva. Die Parzelle La Balsa, von der ein gleichnamiger Rotwein stammt, wurde kürzlich komplett neu bestockt. Zum Zug kam vorwiegend Tinta Fina, die begehrte Tempranillo-Varietät aus dem Ribera del Duero. Der neu angelegte, zehn Hektar grosse Weinberg ist gleichzeitig zum Forschungsfeld geworden. Die Universität von Navarra will hier herausfinden, welchen Einfluss die verschiedenen Veredelungstechniken auf Holzkrankheiten haben.

Jorge und Raúl Ripa, Winzer auf Quaderna Via
«Unser Herz schlägt seit über zwanzig Jahren für den ökologischen Weinbau.»
Jorge und Raúl Ripa, Winzer

«Wir investieren weiterhin auch gerne in neue Rebberge und verfolgen mit grossem Interesse die Entwicklung auf dem Gebiet der resistenten Sorten, obwohl diese in Spanien noch in den Kinderschuhen steckt», sagt Raúl Ripa. Die neuste Errungenschaft sind 17 Hektar mit 30- bis 40-jährigen Reben der Sorten Garnacha, Tempranillo und Mazuelo, die man im gut 20 Kilometer entfernten Lerin einem pensionierten Weinbauern abkaufen konnte. Sofort wurde der neue Rebberg bei der Biozertifizierungsstelle angemeldet und befindet sich jetzt in Umstellung. Bio alleine genügt Raúl aber auch hier nicht. Zu sehr ist er von den Delinat-Richtlinien überzeugt. Derzeit liegt Quaderna Via bei den Delinat-Qualitätsstufen auf 2-Schnecken-Niveau. Raúl Ripa und seine Önologin Yolanda Martínez sind aber gewillt, auf die höchste Stufe mit 3 Schnecken aufzusteigen.

Blühende Halbwüste

Diese Stufe haben María Barrena und Daniel Sánchez auf ihrer Bodega Azul y Garanza in Carcastillo am Rande des Nationalparks Bardenas Reales bereits erklommen. In dieser Halbwüste sind keine Pilger unterwegs, dafür zunehmend Biker, die durch die bizarr-wilde Felslandschaft touren. María und Dani haben sich hier nach ihrem gemeinsamen Önologiestudium in Tarragona einen Traum erfüllt. Um die Jahrtausendwende haben sie die Bodega von Marías Vater und die alte, bereits 1980 geschlossene Kellerei der Genossenschaft Carcastillo übernommen. Sie nannten ihr Weingut fortan Azul y Garanza. Der ungewöhnliche Name bedeutet «Blau und Karminrot» und steht für die intensive Farbe ihrer Rotweine. «Als wir 2005 mit Delinat in Kontakt kamen, teilten wir sofort diesen Geist von einem geschlossenen ökologischen Kreislauf mit reicher biologischer Vielfalt», blickt María zurück. Winzerkollegen im eigenen Land hatten damals für diese «utopischen Traumtänzer» bloss ein müdes Lächeln übrig.

Am Rande einer wilden, bizarren Felslandschaft kultivieren María Barrena und Daniel Sánchez auf höchstem ökologischem Niveau Weinberge mit reicher Biodiversität.
Am Rande einer wilden, bizarren Felslandschaft kultivieren María Barrena und Daniel Sánchez auf höchstem ökologischem Niveau Weinberge mit reicher Biodiversität.

Mit Kreativität und Ausdauer haben es María und Dani allen gezeigt. Ihre Weingärten in einer steppenartigen Landschaft überraschen mit erstaunlicher Biodiversität. Diese führt dazu, dass sich im Rebberg und an den Trauben viele Wildhefen bilden, die für eine harmonische Spontangärung genutzt werden. Auch von den kargen Lehm- und Kalksteinböden, dem trockenen Klima und den grossen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht in den Bardenas Reales profitieren die Weine: Die Erträge sind zwar extrem gering, aber was in die Flasche kommt, ist dicht und konzentriert und zeigt in der Aromatik sowohl subtile blumige als auch feine mineralische Noten. Kurz: vinologische Kunstwerke zwischen üppiger Intensität und leichter Eleganz. So entstehen fruchtig-elegante Tropfen wie der aus Tempranillo und Merlot gekelterte Tres de Azul y Garanza oder der wuchtige, reinsortig aus Cabernet Sauvignon erzeugte Spitzenwein Desierto, dessen Name sich auf die wüstenähnliche Umgebung bezieht.

Amphoren statt Barriques

Dani und María haben auf ihrer Bodega Azul y Garanza mit den Tonamphoren ein Ausbaugefäss entdeckt, das gut in die archaische Landschaft passt.
Dani und María haben auf ihrer Bodega Azul y Garanza mit den Tonamphoren ein Ausbaugefäss entdeckt, das gut in die archaische Landschaft passt.

Ähnlich wie auf der 70 Kilometer entfernt gelegenen Bodegas Quaderna Via stehen die Zeichen auch bei Azul y Garanza auf Weiterentwicklung, wenn auch in etwas bescheidenerem Rahmen. Neues Prunkstück der Bodega ist ein Erweiterungsbau mit unterirdischem Keller, einem geräumigen, stilvollen Verkostungsraum mit Garten und Terrasse und drei Gästezimmern. Auf dem Dach liefert eine Photovoltaikanlage ein Drittel der benötigten Energie. Im Keller verabschieden sich María und Dani allmählich vom Ausbau im klassischen Barrique. Neben drei neuen grossen Holzfässern haben auch fünf Tonamphoren den Platz von kleinen Holzfässern eingenommen. Draussen auf den kargen, kalkhaltigen Lehmböden wurden fünf Hektar neu mit Buschreben (Gobelet) bestockt. Zum Zuge kamen regionstypische Sorten wie Garnacha Blanca, Moscatell, Malvasia, Garnacha Tinta, Mazuelo und Graciano. Zusätzlich wurde ein halbes Dutzend alter Sorten gepflanzt, die man wiederentdeckt hat, deren Namen aber niemand mehr kennt. Daraus entstand ein Projekt mit dem Forschungszentrum für Weinbau in Olite (EVENA).

Ein Hauch Frankreich in Spanien

Das Weingebiet DO Navarra liegt im zentralen Norden Spaniens. Es grenzt an die heute viel bekanntere Rioja. Das war nicht immer so: In der Zeit des unabhängigen Königreichs Navarra (824 bis 1841) waren Navarra-Weine in den Adelskreisen der Alten und der Neuen Welt hoch geschätzt. Diese Zeiten haben den Süden Frankreichs und auch den Norden Spaniens geprägt – kulturell und auch, was den Weinbau betrifft. Seit dem 11. Jahrhundert führt zudem der Jakobsweg, der Camino de Santiago, durch Navarra und seine Hauptstadt Pamplona, was einen weiteren intensiven Austausch bedeutete. Die Pilger haben nicht nur Weinwissen, sondern auch neue Rebsorten mitgebracht. Navarra gilt heute als das französischste der spanischen Anbaugebiete. Neben Weinen aus den einheimischen Sorten Garnacha und Tempranillo gibt es viele Cuvées mit französischen Sorten.

Die Rebfläche von gut 10’000 Hektar unterteilt sich in fünf Subregionen mit eigenständigem Charakter. Im Norden, in der Tierra Estella und in Valdizarbre, entstehen in Höhenlagen am Jakobsweg elegante Weine. In der zentralen Ribera Alta dominiert die Sorte Tempranillo. Die Baja Montaña im Osten gilt als Hochburg der alten Garnacha-Anpflanzungen, während in der Ribera Baja im Süden vor allem körperreiche Rotweine erzeugt werden. Während im Norden ein feuchtkühles Atlantikklima mit bis zu 700 Millimeter Regen pro Jahr vorherrscht, ist es im Süden merklich wärmer und trockener. Unterschiedlich sind auch die Bodenverhältnisse, das Spektrum reicht von rötlichem Lehm über Kies, Kalkmergel und Schwemmland bis hin zu wüstenähnlichen Sandböden im Süden.

Probierpaket Navarra

Probierpaket Navarra

Das nordspanische Weinbaugebiet Navarra ist eine Rotweinregion. Weisswein gibt es auch, er spielt aber eine untergeordnete Rolle. Bei den Rotweinreben spielen die einheimischen Garnacha und Tempranillo die wichtigste Rolle – stark verbreitet sind aber auch französische Sorten wie Cabernet Sauvignon oder Merlot.

Die drei Navarra-Weine, die wir Ihnen in diesem Probierpaket anbieten, haben unsere Winzer aus diesen «Big Four» gekeltert. Während der El Paseo ganz auf die Frucht gebaut ist, werden die Fruchtaromen beim La Balsa und beim Tres de Azul y Garanza von dezenten Röstaromen begleitet, die durch die Reife im Barrique entstehen.

->Hier findet ihr das Probierpaket.

Tres de Azul y Garanza
Navarra DO 2020

Mit dieser fruchtig-eleganten Cuvée aus Tempranillo und Garnacha schaffen es María Barrena und Daniel Sánchez, die Magie der unvergleichlichen Natur der Bardenas Reales in die Flasche zu zaubern. Mit dazu trägt der subtile Ausbau im Barrique bei, der dem Wein feine Vanillenoten verleiht. Ideal zu Caladeretes, Navarras bekanntem Eintopfgericht mit viel Gemüse und etwas Fleisch – aber auch generell zu Gemüsegerichten.

www.delinat.com/1811.20

La Balsa Crianza
Navarra DO 2017

Die Trauben für den Balsa reifen in ökologisch intakten Rebbergen von Quaderna Via auf 600 m ü. M. langsam und gleichmässig. Das sind ideale Voraussetzungen für elegante, fruchtbetonte Weine. Eleganz und Finesse werden hier zusätzlich akzentuiert durch die Traubenwahl: Cabernet Sauvignon, ergänzt mit etwas Tempranillo. Der barriquegereifte Tropfen harmoniert schön zu geschmorten Fleisch- und gratinierten Gemüsegerichten.

www.delinat.com/1760.17

El Paseo
Navarra DO 2019

Der herrlich fruchtige, füllige und doch nicht schwere Wein passt zu fast allem, was im Sommer auf den Tisch kommt.

www.delinat.com/2914.19

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Kulinarischer Reichtum

So vielfältig wie die Landschaft Navarras ist auch der reich gedeckte Tisch, inspiriert vom nahen Frankreich und vom Baskenland. Navarra ist bekannt für kulinarische Genüsse. Das war nicht immer so.

Typisches Gericht der Navarra

Im Jakobsbuch «Codex Calixtinus», entstanden im 12. Jahrhundert, werden die Essgewohnheiten der Navarreser wenig schmeichelhaft beschrieben: «Zusammen mit Knechten und Mägden verschlingt die Herrschaft Speisen von Hand aus demselben Topf. Man glaubt, fressende Hunde oder Schweine vor sich zu haben.»

Schweine sind heute eines der Markenzeichen navarresischer Küche. Das autochthone baskische Schwein (Euskal Txerria) wurde vor dem Aussterben gerettet und lebt heute halbwild im Norden Navarras. Es ernährt sich von Buchennüssen und Eicheln, Kastanien und Gras, was den Geschmack des Fleisches prägt; berühmt ist der Rohschinken.

Spargel und Kardy

Prägend für navarresische Gerichte ist aber Gemüse aus dem fruchtbaren Ebro-Tal: Mangold, Spinat, Artischocken, Tomaten, Kartoffeln, Kohl, weisse Bohnen oder die leicht süsslichen grünen Bohnenkerne (pochas), die im Frühling für Abwechslung sorgen. Gemüse wird oft als Eintopf oder Suppe zubereitet, immer mit Knoblauch und oft mit Rohschinken. Besonders beliebt sind weisser Spargel und die bei uns wenig bekannte Kardy. Ein typisches Gericht: Tortilla de espárragos y bacalao, ein Omelett, gefüllt mit weissem Spargel und Stockfisch.

Gemüse steht in der Navarra hoch im Kurs.

Kardy (cardo) können gut im eigenen Garten gezogen werden. Etwas aufwändig ist das Bleichen der Stangen, indem sie mit lichtundurchlässiger Hülle umwickelt werden. Man findet sie bei uns aber auch beim Gemüsehändler. Früher servierte der Navarrese die Kardy an einer Béchamelsauce, heute eher mit Vinaigrette und Kräutern. Beliebt ist auch die Kombination mit Venusmuscheln. Mit Spargeln wird ganz Spanien beliefert, erstaunlicherweise ein Grossteil als Konserve. So geniesst der Spanier die weissen Stangen als Ganzjahresgemüse.

Haarig und doch beliebt

Gross in Mode sei Borretsch, das härchenbewehrte Blattgemüse mit den schönen blauen Blüten. Sofort holte ich einige Blätter aus dem Garten, denn gegessen habe ich Borretsch noch nie, nur Gerichte mit den Blüten dekoriert: Gekocht schmeckt er leicht herb, eher fad, die feinen Härchen kitzeln am Gaumen, wenn die Stiele nur knapp gar sind. Gebratene oder frittierte Blätter bescheren ein knackiges Gaumengefühl. Der Navarrese mischt Borretsch in geringen Mengen (nur solche sind bekömmlich) unter Gemüseeintöpfe oder gehackt in Füllungen.

Berühmt in ganz Spanien sind die roten, kleinen Paprikaschoten (pimientos del piquillo), die um die Stadt Lodosa gedeihen: Roh sind sie leicht herb mit zäher Haut, halbiert und im Olivenöl geschmort jedoch wunderbar würzig. Typisch für Navarra werden sie am Feuer gegrillt, bis die Haut schwarz ist, dann gehäutet und Stiel und Kerne entfernt. Allein schon diese aufwändige Handarbeit macht sie zur Delikatesse. Oft werden die Pimientos auch gefüllt, gerne mit Stockfisch.

Viele dieser Gemüsegerichte werden geschmort oder als Eintopf zubereitet. Zu würzigen Gerichten passt gut ein kräftiger Rotwein wie der Valdega Reserva, wer es jugendlich-fruchtig mag, wählt einen jungen Rotwein wie den Tres de Azul y Garanza.

Schaf trifft Forelle

Natürlich finden sich in einer kulinarisch so prägenden Region ausser Gemüse auch andere Leckerbissen. Neben dem erwähnten baskischen Schwein ist vor allem der Roncal, ein Schafkäse aus Rohmilch, bekannt: dank seiner hohen Qualität seit 1981 als erster Käse Spaniens mit der geschützten Herkunftsbezeichnung D.O. (Denominación de Origen). Er ist vielseitig geniessbar, dünn geschnitten bereits zum Aperitif. Vielseitig auch das Angebot an Geflügel (Enten, Wachteln, Perlhuhn) und nicht zuletzt die Forellen aus den Gebirgsbächen. Ein für Navarra typisches Rezept geht so: Forelle mit Serranoschinken umwickeln und braten. Petersilie fein hacken und mit Knoblauch in Olivenöl kurz dünsten, mit Sherryessig (am besten mit unserem El Majuelo) ablöschen und über die Forelle verteilen. Mit Piquillo-Paprikaschoten servieren.

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Häppchen für Spiesser

Pinchos können alles Essbare sein. Entscheidend ist die Grösse: Häppchen eben; kulinarische Vorbereitung auf ein feines Essen. Oder auch gleich ein Pinchos-Menü, indem man sich durch die ganze Auswahl isst; natürlich begleitet von einem Glas Wein.

Typische Pinchos aus der Navarra

Pinchos bedeutet Spiess, also bezeichnet das Wort eher die Darreichungsform als die Speise selber. Die kunstvollen Arrangements verschiedener Produkte werden oft auf Brot angerichtet und mit einem Spiess oder Zahnstocher zusammengehalten. Das teuerste am Pincho ist der Zahnstocher, er kostet in einer Bar gerne ein paar Euros; denn die Pinchos bezahlt man aufgrund der Anzahl Zahnstocher, die am Ende auf dem Teller übrigbleiben. Gerne fallen da mal einer oder zwei auf den Boden oder werden gleich mitgegessen.

Fischhaut und Seeigel

Verschiedene Pincho-Varianten aus der Navarra

Schon lange bekannt sind die Pinchos tradicionales, meist mit Ei, Blutwurst, Stockfisch, Sardellen, Paprika und anderem Gemüse. Doch immer häufiger trifft man auf Pinchos innovadores. Diese modernen Häppchen sind aufwändiger, optisch auffallender mit trendigen Zutaten wie Randen (rote Bete), essbaren Blüten, gebratener Fischhaut oder gar Seeigel. Als unkomplizierten Begleiter verschiedener Tapas schätze ich den Rotwein El Paseo. Pinchos sind für Navarra so zentral, dass im Frühling gar eine Pinchos-Woche stattfindet mit Wettbewerb und Prämierung der besten Pinchos.

Deutlich erinnere ich mich nun, dass wir bereits zu meiner Kindheit auch bei uns eine Art Pinchos kannten: belegte Brote. Meine ersten Küchenerfahrungen führten über diese Häppchen, die wir unseren Besuchen servierten: meist Brotscheiben bestrichen mit Butter, Senf oder Mayonnaise und belegt mit Wurstwaren, Spargel aus der Dose, Eischeiben oder Gemüse, was wohl eher den Pinchos tradicionales zuzurechnen wäre.

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Nordspanien: Weinvielfalt aus vier Regionen

Welches sind die charakteristischen Merkmale der berühmten nordspanischen Weinregionen Rioja, Navarra, Ribera del Duero und Toro? Erfahren Sie, wie sich deren Weine unterscheiden.

Rioja

Tempranillo zählt zu den edelsten Rebsorten der Welt. Es ist die wichtigste spanische Weintraube. Eine ihrer Hochburgen ist die Rioja. Die Weinbauregion im Nordosten des Landes ist der Inbegriff für spanischen Rotwein. Die meisten Rioja-Weine sind Cuvées. Neben der Leitsorte Tempranillo, welche gut strukturierte Weine mit präsenter Säure und mittlerem Reifepotenzial ergibt, sind Graciano (viel Säure, intensive Farbe und Aromen nach schwarzen Beeren, kräftiges Tannin) sowie Garnacha (körperreich und fruchtig) von Bedeutung.

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Das Weinbaugebiet ist dreigeteilt: Rioja Alta und Rioja Alavesa liegen im Einflussbereich des kühlen alantischen Klimas. Die Weine aus diesen Gebieten sind elegant, saftig, mit rotbeeriger Frucht, mittlerer bis dichter Farbtiefe, tendenziell eher tiefen Alkoholwerten und sehr gutem Alterungspotenzial. Die Rioja Baja dagegen spürt mediterrane Klimaeinflüsse und ist deutlich wärmer und trockener. Die Weine sind reiffruchtig, haben eine dichte Farbtiefe, tendenziell höhere Alkoholwerte und ein mittleres Lagerpotenzial.

Navarra

Die Navarra ist eine Weinbauregion im Norden Spaniens, die direkt an die Rioja angrenzt und von den Jakobspilgern auf dem Weg nach Santiago de Compostela durchquert wird. Haupttraubensorten sind Tempranillo und Garnacha. Aus Letzterer werden die bekannten, leichten und jugendlich frischen Rosados gekeltert. Mit der klaren Tendenz hin zu Rotweinen nach dem Vorbild der Rioja hat die Tempranillo-Traube in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Im Süden der Navarra ist das Klima mediterran heiss und trocken, im Norden kühler und feuchter.

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Tempranillo-Weine aus der Navarra sind meist kräftig und fruchtbetont. Die Region ist auch ein Gemüsegarten. Besonders bekannt sind Spargeln, Artischocken und Paprika aus Navarra.

Ribera del Duero

Die Ribera del Duero ist ein bekanntes, aufstrebendes Weinbaugebiet in der nordspanischen Region Kastilien und León. Es erstreckt sich entlang des Duero-Flusses, der über die Grenze nach Portugal fliesst, wo er Douro heisst und bei Porto in den Atlantik mündet.

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Charakteristisch für das Gebiet Ribera del Duero sind die unterschiedlichen Bodentypen. Das ergibt eine grosse Vielfalt an Weinstilen und -qualitäten, obwohl 95 Prozent der Rebfläche mit einer einzigen Rebsorte bedeckt sind – der Tinta del País (Tempranillo). Die Rebfläche erstreckt sich über ein Hochland zwischen 750 und 1000 m ü. M. Das Klima ist von heissen Tages- und kühlen Nachttemperaturen geprägt. Die starken Schwankungen verlängern die Reifephase der Trauben und fördern so die Frucht- und Aromenbildung.

Tempranillo-Weine aus der Ribera del Duero haben eine mittlere Farbdichte, beerige Aromen und mittlere bis hohe Alkoholwerte. Die ausgeglichene Säure und die feinkörnigen Tannine sorgen für ein gutes Lagerpotenzial. Mit dem Vega Sicilia stammt einer der berühmtesten und teuersten spanischen Rotweine aus diesem Gebiet.

Toro

Das Weinbaugebiet Toro liegt in Kastilien und León im Nordwesten Spaniens. Das Klima ist stark kontinental geprägt mit leicht atlantischem Einfluss: Auf heisse, trockene Sommer folgen kalte, ebenfalls trockene Winter. Die sandhaltigen Böden mit Tonschiefer sind locker und durchlässig.

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Die Vielfalt der Rebsorten hält sich in Grenzen. Bei den roten Sorten dominiert die Tinta de Toro, eine Tempranillo-Varietät mit eigenem Charakter. Die kräftigen Weine duften nach Brombeeren und Kirschen, mit zunehmender Reife gesellen sich Noten von Kakao und Lakritze hinzu.

Gespür für feine Weine

Wenn es einen lebendigen Beweis dafür braucht, dass Frauen auch harte, körperliche Arbeit nicht scheuen und diese mit derselben Selbstverständlichkeit erledigen wie Männer – hier ist er: Yolanda Martínez Landa (34) schleppt Schläuche, wälzt schwere Fässer, fährt Traktor und Gabelstapler!

Yolanda Martínez vom Weingut Quaderna Via meint, dass Männer und Frauen zwar unterschiedliche Weine mögen, aber deswegen nicht andere Weine machen.

Die Bauerntochter aus der Navarra wohnt mit ihrer Familie in Estella, einem Pilgerort am spanischen Jakobsweg. Seit sieben Jahren ist die junge Önologin die rechte Hand von Raúl Ripa Zudaire vom Weingut Quaderna Vía. «Yolanda hat ein wahnsinnig gutes Gespür, aus den Trauben, die in den Keller kommen, Weine zu erzeugen, wie sie unsere Kunden mögen. Ausserdem schätze ich ihre zupackende Art», lobt Raúl seine Kellermeisterin.

Die studierte Agronomin hat ihr önologisches Rüstzeug an der Universidad de la Rioja in Logroño geholt. Das war zwischen 2002 und 2004. «In meiner Klasse waren damals bereits 60 Prozent Frauen», erinnert sie sich. Dass Frauen andere Weine machen als Männer, glaubt Yolanda nicht: «Frauen haben zwar oft einen besser entwickelten Geruchs- und Geschmackssinn als Männer. Bei der Weinbereitung ergibt sich daraus aber kein Vorteil, weil auch männliche Önologen über diese Fähigkeiten verfügen müssen.»

Deutliche Unterschiede sieht sie beim Weinkonsum: «Frauen mögen runde, sanfte, süffige und fruchtige Weine, während Männer oft lange ausgebaute, im Barrique gereifte Weine vorziehen.» Sie persönlich steht eher auf Weine, die nicht lange im Holz gereift sind. «Einen Reserva oder Gran Reserva bestelle ich selten, wenn ich auswärts Wein trinke. Ich finde diese jüngeren, fruchtigeren Weine einfach besser. Vielleicht hängt das auch mit meiner einfachen, bäuerlichen Herkunft zusammen.»

Hier ein Wein, den Yolanda besonders gut mag: El Paseo

Frauen wird eine feine Nase attestiert. Kein Wunder, setzen sie zum Sturm auf die Weinkeller an. In Spanien haben bereits auf rund der Hälfte aller Delinat-Partnerweingüter im Keller Önologinnen das Sagen. Wir haben vier von ihnen besucht und sie mit der Frage konfrontiert: Machen Frauen andere Weine als Männer?

  1. María Barrena, Azul y Garanza: Die Magie der Weinberge
  2. Yolanda Martínez, Quaderna Vía: Gespür für feine Weine
  3. Beatriz Izquierdo, Osoti Viñedos Ecológicos: Wein- und Kochkunst
  4. Marga Torres, Albet i Noya: Önologin der ersten Stunde