Naturhefen oder Reinzuchthefen?

Ein Thema, das nicht nur die Winzerwelt, sondern zunehmend auch den Kreis interessierter Weinliebhaber spaltet, ist die Frage, ob Wein mit Hilfe von Naturhefen oder von Reinzuchthefen entstehen soll?

Winzerdebatte

Zwei erfolgreiche Biowinzer – zwei Philosophien im Keller: Josep Maria Albet i Noya (rechts) arbeitet vorwiegend mit Reinzuchthefen – Werner Michlits ausschliesslich
mit Naturhefen.

«Vor allem im biologischen Weinbau sind derzeit Natur- oder Wildhefen angesagt», erklärt der erfolgreichste Biowinzer Spaniens, Josep Maria Albet y Noya. Er selber bleibt aber ein Verfechter von Reinzuchthefen – wenn möglich selektioniert und gezüchtet aus Wildhefen aus den eigenen Weingärten. «Seit Jahren schon führen wir Gärvergleiche zwischen Reinzuchthefen und Wildhefen durch. In den anschliessenden Verkostungen haben uns jene Weine, welche mit Reinzuchthefen vinifiziert wurden, immer besser gefallen. Ausserdem ist das Risiko von Fehlaromen mit Zuchthefen eindeutig geringer», begründet er seine Haltung.

Mit Überzeugung auf der andern Seite steht unser prominenter Winzer aus Österreich: Werner Michlits vom Weingut Meinklang sagt: «Die Vorteile einer Vinifikation mit Naturhefen liegen für uns auf der Hand: Wir sind von keinem industriellen und kommerziellen System abhängig. Stattdessen vertrauen wir auf die Natur. Damit lässt sich der unverwechselbare, einzigartige Charakter eines Weinberges am besten auf den Wein übertragen.»

Auch eine Frage von Risiko und Sicherheit

Einigkeit herrscht in der Feststellung, dass gezüchtete Hefen ein sicherer Wert sind und das Risiko von Fehlaromen im Wein damit kleiner ist, als bei den schwieriger zu kontrollierenden Naturhefen. Umstritten bleibt die Frage, welche der beiden Hefearten Aromen und Terroir im Wein besser zum Ausdruck bringen. Wie die beiden Delinat-Winzer darüber im Detail argumentieren, können Sie in der WeinLese 26 in der neuen Rubrik «Winzerdebatte» nachlesen.

Wie ist Ihre Meinung?

Wir von Delinat überlassen den Entscheid grundsätzlich dem Winzer – tendieren jedoch eher zu den Naturhefen. Das kommt auch in den Delinat-Biorichtlinien zum Ausdruck, wo wir für die höchste Qualitätsstufe eine Vergärung mit Naturhefen verlangen. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Finden Sie, dass Weine, die mit Naturhefen vergoren sind, anders schmecken, als solche mit Reinzuchthefen? Merkt man überhaupt einen Unterschied? Schreiben Sie Ihre Meinung unten ins Kommentarfeld. Herzlichen Dank.

Hans Wüst

2 comments

  1. nun ja, soweit auseinander liegen die Positionen der beiden Winzer ja nun nicht wirklich: der eine verwendet Reinzuchthefen, die er sich, wenn ich das richtig verstanden habe, aus weinbergs- oder kellereigenen Wildhefestämmen selektioniert hat, der andere geht den riskanteren Weg ohne selektionierte Hefen mit einem möglicherweise breiterem Aromaspektrum.
    Die Verwendung von Reinzuchthefen, also sowohl natürlich selektioniert als auch industriell hergestellt, sehe ich nicht als das eigentliche Problem an.
    Problematischer für mich ist, und das wird in dem Artikel leider nicht erwähnt, der Einsatz der sogenannten Aromahefen, die eben ein bestimmtes Geschmacksbild der jeweiligen Traubensorte besonders, manchmal auch penetrant hervorheben und die man meist mit Reinzuchthefen begrifflich in eine Topf wirft.
    Im Bioweinbau dürften die Anwendung dieser Aromahefen aber ohnehin kein Thema sein, das hoffe ich zumindest.
    Insofern bleibt eigentlich nur die Frage, welches Verfahren die spannenderen Weine ergibt und das diskutiert man besser mit entsprechenden Weinen im Glas.
    In diesem Sinne zum Wohlsein!

  2. Da es mir scheint, dass die Verwendung von Naturhefen in Biokreisen fast zum Dogma stilisiert wird und weniger sachliche, als mehr „ideologische“ Gründe dafür angeführt werden, bin ich sehr dankbar für die offene Diskussion dieses Themas.
    Wenn ich Ihren Artikel lese, klingt für mich die die Argumentation von Herrn Albet i Noya wesentlich überzeugender als die von Herrn Michlits. Herr Albet i Noya kann für seine Gründe selbst durchgeführte Gärvergleiche anführen, bei der Reinzuchthefen besser abgeschnitten haben als Wildhefen. (Wie weit diese Versuche wissenschaftlichen Standards entsprechen, weiß ich natürlich nicht.) Herr Michlits argumentiert „nur“ mit der Tradition. Also etwas überspitzt gesagt mit dem Argument: „Das war schon immer so.“ Damit lässt sich (fast) alles legitimieren. Und zudem scheint er auch gar nicht daran interessiert zu sein, ob denn nicht vielleicht doch die Reinzuchthefen besser sein könnten als die Wildhefen, wenn er sagt: „Seit Großvaters Zeiten arbeiten wir … mit Naturhefen. Das hat immer problemlos funktioniert. Deshalb haben wir uns nie Gedanken darüber gemacht, etwas zu verändern.“ Es mag sein, dass ich Herrn Michlits damit Unrecht tue, aber das klingt für mich sehr konservativ ohne Motivation, sich weiter zu entwickeln.
    Dann wird oft behauptet, wie auch von Herrn Michlits, dass Wildhefen den Wein authentischer machen und das Terroir besser zur Geltung bringen würden. Ob das wirklich so ist, wage ich manchmal zu bezweifeln. Allzu leicht scheint mir der Hinweis auf das Terroir als Ausrede für Qualitätsmängel missbraucht werden zu können. (Damit möchte ich nichts über den Wein von Herrn Michlits sagen!)
    Zudem werden Naturhefen von Herrn Michlits und auch sonst in Biokreisen als „natürlicher“ und somit besser dargestellt, Reinzuchthefen im Gegenzug mit negativen Attributen wie künstlich, kommerziell und industriell versehen. Aber wie oft greift denn ein Winzer „künstlich“ in die Natur ein und kultiviert sie um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen? Es werden Reben mit bestimmten Eigenschaften gezüchtet, sie werden auf Rebstöcke aufgepfropft, und all die vielen verschiedenen Arbeiten im Weinberg das ganz Jahr über, bei denen die Natur in eine gewünschte Richtung zu lenken. Natürlich geschieht das im Idealfall alles im Einklang mit der Natur, aber es ist im gewissen Sinn eben auch „künstlich“. Das scheint mir also nichts anderes zu sein, als wenn man bestimmte Wildhefen selektioniert und dann reproduziert.
    Mir geht es also nicht Grundsätzlich darum, mich für die ein oder andere Art von Hefen auszusprechen. Aber die Argumentation für die Wildhefen, so wie in ihrem Artikel geschehen, hat für mich allein auf der sachlich-argumentationslogischen Ebene deutliche Schwächen, wie dargelegt. Warum also nimmt man sich nicht Herrn Albet i Noya zum Vorbild und führt entsprechende Untersuchungen und Vergleiche durch, die natürlich wissenschaftlichen Standards entsprechen müssten? Dann kann man die Entscheidung für oder gegen die eine oder andere Hefe auf Grund solch wissenschaftlich fundierter Ergebnisse treffen. Damit hätte man jegliche Ideologie aus der Debatte verbannt. Wenngleich auch Wissenschaft nicht immer objektiv ist und beim Wein natürlich auch persönliche Vorlieben und subjektiver Geschmack eine Rolle spielen. Aber ich denke, eine Reihe von Qualitätsmerkmalen oder auch -Mängel sind „objektiv“ feststellbar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert