Helikopterflüge bedrohen Apollofalter

Einer der Grundpfeiler der Delinat-Philosophie – dass Schmetterlinge weiter im Weinberg fliegen können – scheint an der Mosel nicht gewährleistet. Der Mosel-Apollofalter ist vom Aussterben bedroht. Schuld daran sind die Pflanzenschutzmittel, die per Helikopter ausgebracht werden, sagen Naturschützer. Anders ist Weinbau in diesen Steillagen nicht möglich, sagen die Winzer.

Der Mosel-Appolo ist Schmetterling des Jahres 2024. Selten sichtet man ihn nur noch in seinem natürlichen Habitat, den Hecken, Sträuchern und Steinmauern, in oder nahe den Weinbergen an der Mosel.

Grundsätzlich ist die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Hubschrauber in Deutschland verboten. Denn zu hoch ist die Abdrift in umliegende Flächen. Ausnahmeregelungen gibt es für die Steillagen an der Mosel, in der Pflanzenschutzmittel kaum anders ausgebracht werden können.

Der Mosel-Apollofalter ist vom Aussterben bedroht.
Fungizidausbringung mittels Helikopterflügen bedroht den Apollofalter an der Mosel.

Naturschützer sehen in der Genehmigung zur Ausbringung des Fungizids mittels Hubschrauber und dem massiven Rückgang der Falterpopulation einen starken Zusammenhang. Winzer andererseits sagen, eine wirtschaftliche Erhaltung der Steillagen sei ohne diese Art der Spritzung nicht möglich. Dazu berichteten Medien wie die Frankfurter Allgemeine oder der SWR.

Verzwickte Situation

Um den Falter zu schützen, veröffentlichte das Deutsche Umweltbundesamt im Februar dieses Jahres ein Votum gegen das jährliche Genehmigungsverfahren zum Ausbringen der Fungizide per Luftfahrzeug. Doch der Mosel-Apollofalter lebt in den Weinbergen, gehen also die Weinbergflächen zurück, gingen auch wichtige Nahrungsquellen wie die Weisse Fetthenne für den Falter verloren, heisst es von anderer Stelle.

Aus diesem Grund entschied das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mittels einer Fachmeldung im März gegen das Votum des Umweltbundesamts und somit für die Anwendung von Fungiziden mit Helikoptern in Weinbausteillagen an der Mosel.

Die Population des Apollo-Falters ist hochgefährdet. «Das Land Rheinland-Pfalz ist rechtlich verpflichtet, sich um den Erhalt des Schmetterlings zu kümmern», sagt Schmetterlingskundler Tim Laußmann von der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen, gegenüber dem SWR. Nach diesem Entscheid gilt es den Lebensraum des Apollo-Falters wohl auf andere Art und Weise zu schützen.

Helikopter-Spritzung auch im Wallis immer noch erlaubt

Auch im Wallis ist die Ausbringung von Fungiziden mittels Helikopter nach wie vor erlaubt, Delinat berichtete. Eine Einhaltung der notwendigen Abstände zu Hecken und Sträuchern scheint mit einem kurzen Blick auf die Bilder absolut unwahrscheinlich.

Helikopterflüge bedrohen den Apollofalter. Die Thematik zeigt zum wiederholten Mal auf, wie essenziell Biodiversitäts-Hotspots in den Weingärten sind. Denn sie sind ein überlebenswichtiges Refugium für viele Insektenarten. Ein wirkungsvoller Ansatz wäre auch, vermehrt robuste Rebsorten in Steillagen zu pflanzen, um den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren und zugleich Arbeitsstunden einzusparen.

Die wichtigste Massnahme für das Überleben des Mosel-Apollofalters, so berichtet das Deutsche Umweltbundeamt, ist die Wiederherstellung seines ursprünglichen Lebensraums in den Flächen, welche an die Rebzeilen angrenzen.

Dieser Lebensraum sei seit Beginn des 20. Jahrhunderts um die Hälfte geschrumpft. Könne man diesen wiederherstellen, sei der Apollofalter resistenter gegen die ausgebrachten Fungizide. Mit weniger Lebensraum und bewilligten Ausnahmegenehmigungen für 2024 scheint die Zukunft des seltenen Falters allerdings ungewiss.

Klassische Züchtung bleibt der Königsweg

Klimawandel und Ökologie rufen nach neuen, robusten Rebsorten. Die Gentechnik verspricht Lösungen. Doch was taugen die Sorten aus dem Labor wirklich?

Die Versprechen klingen hoffnungsvoll und fast zu gut, um wahr zu sein: Gentechnisch veränderte Pflanzen aus dem Labor, welche dem Klimawandel angepasst sind, überdurchschnittlichen Ertrag liefern und erst noch sämtlichen Krankheiten trotzen. Was in der Theorie super klingt, klappt jedoch in der Praxis selten reibungslos und hat meistens einen oder gar mehrere Haken. Das ist leider auch bei den Versprechen der Gentechnik so. Der Kontext: In der EU wird aktuell über eine Lockerung der Regulierungen für neue Gentechniken diskutiert. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Pflanzen, deren Veränderungen «theoretisch auch durch herkömmliche Züchtung möglich wären», weniger strengen Vorschriften unterliegen. Auch in der Schweiz hat die Diskussion im Hinblick auf das Ende des Gentechnik-Moratoriums Ende 2025 wieder an Dynamik gewonnen. Wir beleuchten die Thematik aus der Optik des ökologischen Weinbaus und zeigen, was die klassische Züchtung bringt.

Bei der klassischen Züchtung wird Rebe für Rebe per Hand bestäubt.
Bei der klassischen Züchtung wird Rebe für Rebe per Hand bestäubt.

Wie funktioniert Gentechnik?

In der Debatte um die Zukunft der Rebenzüchtung stehen sich zwei Methoden gegenüber: die klassische Züchtung und die Gentechnik. Gentechnik ermöglicht die gezielte Veränderung des Erbguts von Organismen, sei es von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen. Im Labor werden dabei Gene eingefügt, entfernt oder modifiziert, um spezifische Eigenschaften wie etwa die Resistenz gegenüber Krankheiten zu erzeugen. Dies ist jedoch immer noch mit vielen Unsicherheiten und Gefahren verbunden, gerade auch bei der Weinrebe. Der Hauptgrund ist dabei, dass man über die Gene und deren Interaktion untereinander in der Rebe immer noch sehr wenig weiss.

Grenzen der Gentechnik

Das Hauptproblem: Die Resistenzmechanismen gegenüber Krankheiten sind sehr komplex und nicht leicht beeinflussbar. Auch neue Gentechnikmethoden wie die derzeit viel diskutierte Genschere CRISPR/Cas können nur bestimmte Genabschnitte ändern. Im besten Fall kennt man nach heutigem Wissensstand die Gen-Abschnitte, in denen sich einzelne Resistenzen oder Krankheitsanfälligkeiten befinden. Somit kann man im Labor zwar theoretisch eine Krankheitsanfälligkeit ausschalten, die langfristig negativen Effekte auf die Pflanze lassen sich aber kaum abschätzen. So können leicht unerwünschte Nebeneffekte auftreten, von verändertem Wuchsverhalten über Geschmacksveränderungen bis hin zu unerwünschten Inhaltsstoffen. Zusätzlich gibt es weitere Faktoren, die es bei der Züchtung einer marktfähigen Traubensorte zu beachten gilt, wie etwa die Trockenresistenz. Selbst nach erfolgreicher Laborarbeit erfordert die Zulassung daher eine mehrjährige Sortenprüfung im Feld. Zeitersparnis bei Gentech-Sorten ist also nicht wirklich gegeben.

Klassische Züchtung: Die Natur macht die Selektion

In der klassischen Rebenzüchtung werden Traubensorten durch natürliche Kreuzungen weiterentwickelt und den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Züchter wählen Elternreben mit gewünschten Eigenschaften, kreuzen sie gezielt und selektieren dann die Nachkommen mit den besten Merkmalen. Ähnlich wie bei der Fortpflanzung von Tieren oder Menschen, wird so die Vielfalt der Genetik erweitert, was sie resilienter macht. Bei traditionellen Rebsorten werden die Reben immer nur vegetativ vermehrt; also geklont. Das heisst, ihre DNA ist seit Jahren unverändert und konnte sich nie den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Der erfahrene Rebenzüchter Valentin Blattner zweifelt daran, dass Gentechnik-Sorten bald seine klassisch gezüchteten PIWI-Sorten überflügeln.

Valentin Blattner erklärt die Grundlagen der klassischen Rebzüchtung.

Denn seine Züchtungsmethode erlaubt es, verschiedene Merkmale gleichzeitig zu testen. So entscheidet die Natur, was draussen im Feld am besten funktioniert. Moderne wissenschaftliche Methoden wie die Resistenzgen-Analyse unterstützen seine Arbeit. «Ich kann parallel in einem Arbeitsschritt verschiedenste Züchtungsziele realisieren, was bei Gentechnik-Methoden im Labor ewig dauern würde. Bei der klassischen Züchtung kann ich ganz einfach draussen im Feld die Natur entscheiden lassen, welche Neuzüchtung sich am besten bewährt.

«Selbst bei der neusten Gentechnik wäre das alles viel aufwendiger, wenn man es richtig machen will», erklärt Valentin Blattner die Vorteile seiner Arbeit. Auch wir sind überzeugt: Mit den in den letzten Jahren erreichten Fortschritten in der klassischen Rebenzüchtung ist es möglich, deutlich schneller und günstiger eine «bessere» Traubensorte zu züchten, als das mit Gentechnik möglich wäre. Und das erst noch deutlich ökologischer, ökonomischer und risikoärmer.

Bereits 3,5 Prozent sind zu viel

Eigentlich sollten ab dem 1. Januar 2024 auf mindestens 3,5 Prozent des Schweizer Ackerlandes ökologische Ausgleichsflächen entstehen, doch die Agrarlobby im Parlament hat die Auflage erneut hinausgezögert. Dabei wäre dieses Minimum an Artenvielfalt dringend nötig. Zum Vergleich: Delinat-Winzer fördern die Biodiversität auf mindestens zwölf Prozent ihrer Flächen.

Die Biodiversität in der Schweiz ist in einem besorgniserregenden Zustand: Die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten sind bedroht. Der Verlust an Lebensräumen und Artenvielfalt sowie die Verschlechterung der Lebensraumqualität konnte in den letzten Jahren nicht gestoppt werden. Die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen sind die Grundlage des Lebens auf dieser Erde. Ihr Verlust bedroht die Existenzgrundlage der Menschen und die Wirtschaftsleistung eines Landes. Es wäre also höchste Zeit, dass die Politik aktiv wird und wirksame Massnahmen ergreift, um Gegensteuer zu geben.

Von Intention und Umsetzung

Einen Versuch hat der Bund als Reaktion auf die Pestizid- und Trinkwasserinitiative gemacht: Ursprünglich war vorgesehen, bereits per 1. Januar 2023 auf mindestens 3,5 Prozent des Ackerlandes die Biodiversität zu fördern. Was nach wenig klingt, wäre immerhin schon eine Verbesserung zu heute: Derzeit gibt es in der Schweizer Landwirtschaft nur rund ein Prozent biodiverse Ausgleichsflächen.

Bei der neuen Vorschrift gäbe es einen Zuwachs der Biodiversitätsflächen von etwa 14’500 Fussballfeldern. Zum Vergleich: Die Delinat-Richtlinien schreiben derzeit mindestens zwölf Prozent ökologische Ausgleichsflächen vor, welche jeder Winzer in seinen Weinbergen haben muss. Das ist dreimal mehr Biodiversitätsfläche als die neue Regelung vorschreiben würde und rund zehn Mal mehr, als die jetzigen Ausgleichsflächen in der Schweizer Landwirtschaft darstellen.

Weinberge mit deutlich über 12 Prozent an ökologischen Ausgleichsflächen beim Delinat-Weingut Lenz im Thurgau.

Sogar der Tropfen auf den heissen Stein scheint zu viel

Dennoch scheinen diese 3,5 Prozent für einige Entscheidungsträger immer noch zu viel zu sein. Denn eigentlich hätte die Auflage bereits am 1. Januar 2023 in Kraft treten sollen. Doch wegen des Ukraine-Kriegs und Sorgen bezüglich eines tieferen Selbstversorgungsgrads der Schweizer Landwirtschaft entschied das Parlament, die neue Regelung um ein Jahr hinauszuschieben, also auf den 1. Januar 2024. Und nun wird die Auflage erneut hinausgezögert – weil angeblich noch «zu viele Unsicherheiten» bestehen.

Besonders fragwürdig und undurchsichtig ist dabei die Rolle von Bio Suisse, welcher vorgeworfen wird, dass sie zur Verzögerung der Auflage beigetragen hat. Auch wenn die Schuld für die erneute Verschiebung nicht direkt der Organisation zugeschoben werden kann, wird doch deutlich, dass sie – einmal mehr – zweifelhafte Interessen verfolgt und sich nicht ernsthaft für eine ökologische Landwirtschaft einsetzt. Dass die 3,5 Prozent Biodiversitätsflächen per 1. Januar 2025 umgesetzt werden, ist mittlerweile schwer zu glauben.

Noch ist nichts entschieden. Es ist aber kaum damit zu rechnen, dass in der kommenden Wintersession des Schweizer Parlamentes noch anders entschieden wird. Dadurch entsteht einmal mehr der Eindruck, dass die vollmundigen Versprechen der Schweizer Agrarlobby nicht mehr als leere Worthülsen bleiben und eine weitere Chance verpasst wird, die Schweizer Landwirtschaft in eine ökologisch nachhaltige Zukunft zu führen. Ähnliches ist derzeit leider auch in der EU zu beobachten.

Glyphosat: Der Albtraum für Mensch, Natur und Umwelt geht weiter

Die EU hat es ein weiteres Mal versäumt, die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten: Das hoch umstrittene und breitflächig eingesetzte Pflanzengift Glyphosat wird wohl für weitere zehn Jahre zugelassen.

Die Nachricht klingt wie ein schlechter Witz: Während wir uns dem grössten Artensterben seit 66 Millionen Jahren gegenübersehen, lässt die EU ein Produkt für weitere zehn Jahre zu, das in grossem Ausmass zu diesem Artenschwund beiträgt. Die Zulassung für das Herbizid Glyphosat wäre eigentlich Mitte Dezember 2023 ausgelaufen, doch weil sich die EU-Staaten nicht einigen konnten, kommt die EU-Komission zum Zug. Diese verlängert die Zulassung mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine weitere Dekade. Gemeinsam mit dem kürzlich gefällten Entscheid, das Pestizidgesetz als Teil des Green Deals vollständig zu kippen, enfernt sich die europäische Landwirtschaft damit noch weiter von Nachhaltigkeit, Ökologie und enkeltauglicher Bewirtschaftung.

konventioneller Rebberg
Ein konventionell bewirtschafteter Rebberg an der Mosel: Das Spritzen von Herbiziden wie Glyphosat zerstört jegliche Biodiversität.

Seit 1974, also schon seit fast 50 Jahren, ist Glyphosat auf dem Markt und wird seither in riesigen Mengen auf der ganzen Welt versprüht. Es ist das weltweit meistverkaufte Pestizid und tötet als „Unkrautvernichtungsmittel“ jegliche Pflanzen ab, die nicht gentechnisch so verändert wurden, damit sie dagegen resistent sind. Die Schäden, die das Gift jährlich bei Menschen, Tieren, Pflanzen und in der Umwelt verursacht, sind riesig. Glyphosat kann mittlerweile im Boden, im Wasser, in der Luft, in Nahrungsmitteln, im menschlichen Körper und damit sogar in der Muttermilch nachgewiesen werden.

Die Folgen von Glyphosat

Neuere Studien beweisen: Glyphosat kann das Nervensystem schädigen und das Mikrobiom im Darm beeinflussen. Glyphosathaltige Herbizide können zudem oxidativen Stress verursachen und haben unter anderem erbgutschädigende und fruchtbarkeitsmindernde Wirkungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend beim Menschen» ein.

Dazu kommt der massive Einfluss auf das Artensterben: Glyphosat schadet unzähligen Nützlingen wie Insekten, Spinnen, Amphibien und Bodenlebewesen. Es tötet den Lebensraum und die Nahrungsquelle von Vögeln, Fischen und Säugetieren. Nimmt die Anzahl Insekten ab, hat das weitreichende Folgen für den Artenschwund bei anderen Lebewesen.

5 Fragen an den Delinat-Winzerberater Daniel Wyss zu Glyphosat im Weinbau

Was war deine Reaktion, als du vom EU-Entscheid bezüglich Glyphosat erfahren hast?
Daniel Wyss: Die Chemie-Lobby hat wieder mal gesiegt. Die Umwelt, die Böden, das Grundwasser, die Biodiversität und schlussendlich unsere Gesundheit stehen auf der Verliererliste.

Wird Glyphosat auch im Weinbau eingesetzt? Wenn ja, zu welchem Zweck?
Im konventionellen Weinbauwird Glyphosat unter dem Rebstock angewendet. In diesem Streifen werden mit Glyphosat alle Pflanzen abgetötet. Dies zerstört aber auch das Bodenleben, die Bodenstruktur und die Überreste gelangen ins Grundwasser.

Wie sieht ein Weinberg aus, in dem Glyphosat angewendet wird?
In der Schweiz ist die vollflächige Anwendung von Glyphosat im Weinbau zum Glück verboten. Somit erscheint nur der Unterstockbereich kahl und nach den Behandlungen mit gelb vergilbten Pflanzen. Für mich ist dies immer wieder ein jämmerlicher Anblick.

Delinat- und andere Bio-Winzer beweisen seit 40 Jahren, dass Weinbau ohne Herbizide bestens funktioniert. Was machen sie anders?
Delinat-Winzer lassen die spontane Vegetation wachsen oder säen eine artenreiche Begrünung ein, was eine grosse Artenvielfalt fördert und damit Lebensraum für viele Pflanzen, Insekten und Nützlingen bietet. Zudem wird so das Bodenleben aktiviert. Wenn die vielen Kräuter und Gräser im Frühjahr zu hoch wachsen, wird der Unterstockbereich gemäht oder zum Teil bearbeitet. Dies fördert das Wachstum der Reben und auch die Artenvielfalt der Begrünung, weil so Kräuter besser wachsen und die dichte Grasnarbe aufgelockert wird. In Mitteleuropa gibt es eine wertvolle Weinbergsflora mit wilden Tulpen, Hyazinthen und anderen wertvollen Pflanzen. An trockeneren Standorten ist die Artenvielfalt auch sehr gross, aber mit einer anderen Pflanzenvielfalt.

Was läuft aus deiner Sicht falsch, dass ein solch schädliches Produkt wie Glyphosat über Jahrzehnte hinweg auf dem Markt bleiben darf?
Die Lobby der Agrokonzerne ist zu gross und weil die Konzerne kaum für die angerichteten Schäden aufkommen müssen, zahlt die Allgemeinheit die verursachten Schäden. Wegen Krebsfällen musste Monsanto in den USA zwar schon Milliarden zahlen, und weitere Fälle werden wohl folgen. Weil die Natur aber keinen Anwalt hat, werden wir alle diese Rechnungen über die Krankenkassenprämien, höhere Trinkwasserpreise und Umweltschäden bezahlen müssen. Gerade das Beispiel Glyphosat zeigt zudem die Abhängigkeiten von Agrochemie-Riesen wie Bayer, Syngenta, Corteva und BASF auf. Glyphosat tötet alle Pflanzen mit Ausnahme derjenigen Kulturpflanzen, die gentechnisch durch diese Firmen verändert und patentiert wurden. Diese Abhängigkeit ist perfid und toxisch für Bauern und Umwelt.

Carlos Laso und seine Lösung gegen Wetterextreme

In den Küstengebieten Spaniens wird «La gota fría» (der kalte Tropfen) gefürchtet, ein Wetterphänomen, das im Herbst erhebliche Schäden anrichten kann. Dieses Ereignis tritt vor allem im September auf, wenn das Mittelmeer hohe Temperaturen erreicht und das verdampfende Wasser in Form von Unwetterwolken im Landesinneren zu massiven Niederschlägen führt. Mit der Klimaerhitzung treten diese Ereignisse immer häufiger auf, begleitet von zerstörerischen Stürmen, Überschwemmungen und Erdrutschen.

Das vollständige Video zum innovativen Wassermanagmentsystem auf Pago Casa Gran finden Sie auf www.weinbau-der-zukunft.com.

Für die Landwirtschaft, insbesondere den Weinbau, sind solche Wetterextreme verheerend. Carlos Laso, Winzer des Delinat-Weinguts Pago Casa Gran, hat bereits vor einigen Jahren Massnahmen ergriffen, um sich gegen diese Herausforderungen zu wappnen. Dank eines innovativen Wassermanagementsystems, das er gemeinsam mit unserem Winzerberater Daniel Wyss entwickelt hat, kann er heute zuversichtlicher in die Zukunft blicken.

Sein Wasserretentionskonzept, inspiriert von Permakultur-Prinzipien, verfolgt das Ziel, bei Starkniederschlägen die Erosion zu verhindern und das Wasser in Teichen zu speichern, um es langsam versickern zu lassen. Dies ermöglicht selbst in trockenen Perioden eine nachhaltige Wasserversorgung für die Reben und trägt zur Anhebung des Grundwasserspiegels bei.

Carlos Laso hat auf seinem Weingut mittlerweile etwa 20 Versickerungsgruben und Teiche eingerichtet, um Regenwasser aufzufangen. Durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem gelangt das Wasser in diese Reservoirs und steht so den Reben zur Verfügung. Dank dieser Massnahmen hat Carlos Laso die Erosion erheblich reduziert und die Wasserressourcen in seinen Weinbergen verbessert. Sein Fazit: «Ich kann dieses System uneingeschränkt empfehlen, vor allem in den Mittelmeerregionen.»

Wie ein Weinfass entsteht

Es gibt nicht mehr viele Küfer, die Fässer traditionell von Hand anfertigen. Einer davon ist Martin Thurnheer aus dem kleinen Winzerdorf Berneck im St. Galler Rheintal. In fünfter Generation führt er das jahrhundertealte Handwerk weiter. Delinat-Winzer Roland Lenz setzt auf die Qualität der Küferei Thurnheer.

Wenn man in Berneck vor der Küferei Thurnheer steht, fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt. Die Werkstatt befindet sich in einem traditionellen Haus mit Holzschindeln, vor dem Gebäude steht ein riesiges, drei Meter hohes Fass von zwei Metern Durchmesser, vor der Tür steht ein Amboss. In der Werkstatt ist lautes Hämmern zu hören, und es ist sofort klar, dass hier noch ein traditionelles Handwerk ausgeübt wird. Küfer Martin Thurnheer stellt seine Fässer immer noch weitgehend nach derselben Methode her, wie es einst sein Urgrossvater getan hat. Denn bereits seit 1854 werden hier Lagerfässer, Barriques, Gärstanden, Holzbadewannen und weitere Fassgebinde hergestellt.

Altehrwürdige Eichen

Martin Thurnheer versteht sein Handwerk

Dasselbe Alter wie die Küferei können die Eichen haben, die für die Herstellung eines Fasses verwendet werden: Meistens sind sie zwischen 50 und 150 Jahre alt. Damit sämtliche Qualitätskriterien erfüllt werden, geht Martin Thurnheer gemeinsam mit dem Forstwart in die Wälder der Region, um das beste Eichenholz eigenhändig auszuwählen. Stammdurchmesser, Stammlänge und gerader Wuchs sind wichtige Faktoren, um später ein Fass in Top-Qualität herstellen zu können. Das Eichenholz muss feinporig und dicht gewachsen sein. Es wird anschliessend zur Küferei gebracht, zugeschnitten und gespalten. Danach wird es für drei Jahre gelagert, bis es bereit ist für die Fassproduktion: zwei Jahre draussen bei Wind und Wetter, ein Jahr im Trockenen.

Wasser und Feuer

Wenn Martin Thurnheer mit dem Bau eines Fasses beginnt, muss er zuerst die Fassdauben (Längshölzer) millimetergenau in die richtige Form hobeln. Hier ist Präzision entscheidend: Wenn eine Daube nicht perfekt im richtigen Winkel gehobelt wird, ist das Fass später undicht. Anschliessend werden die Dauben innerhalb eines Metallreifes zu einem Fass zusammengefügt. Um die typische Rundung eines Fasses zu bekommen, wird innerhalb des halb fertigen Fasses ein Feuer entzündet und dann während rund einer Stunde immer wieder Wasser an die Innen- und Aussenseite des Fasses gespritzt. So können die Fassdauben mit dem sogenannten Dampfbiegeverfahren und einem Stahlseil in die gewölbte Form gebracht werden. Damit das Fass anschliessend in dieser Form bleibt, werden weitere Metallreife um das Fass herum angebracht.

Das Barrique – ein Tageswerk

Die in der Weinwelt omnipräsenten Holzaromen im Wein werden durch das Toasten, also durch die Röstung der Innenseite des Fasses, erreicht: Dazu wird wiederum in der Mitte des Fasses ein Feuer entfacht, bis die gewünschte Röstung erreicht ist. Dies bringt die unverkennbaren Schokoladen-, Vanille- und Kokosaromen in den Wein, die bei manchen Weinfreunden sehr beliebt sind. Nachdem auch Boden und Deckel eingefügt sind und das ganze Fass noch einmal sauber abgeschliffen ist, wird getestet, ob es komplett dicht ist. Falls das eingefüllte Wasser nicht irgendwo ausläuft, ist das Fass bereit für den Winzer. Für das Zusammenbauen eines klassischen Barrique-Fasses benötigt Martin Thurnheer ungefähr einen Tag, ein grosses Fass kann schon mal gut drei Wochen Arbeit benötigen. Das grösste Fass, das Martin Thurnheer je hergestellt hat, fasste 18’000 Liter.

Das Gute liegt so nah

Einer, der auf die Qualität der Thurnheer- Fässer baut, ist Delinat-Winzer Roland Lenz aus der Ostschweiz. Ein grosser Pluspunkt ist für ihn die lokale Herkunft der Eiche: «Wir wählten in den letzten Jahren den Weg, möglichst viel Eiche aus der Region zu verwenden, denn Eichen wachsen ja hier bei uns im Thurgau.» Während der Delinat-Winzer nur bei wenigen Weissweinen auf einen Ausbau im Holz setzt, kommen fast sämtliche Rotweine während ein paar Monaten ins Holzfass. Das Ziel ist nicht, möglichst präsente Holzaromen in den Wein zu bringen, sondern den Wein in Ruhe atmend reifen zu lassen.

Probierpaket Fassgereift

Mit viel Können und Feingespür setzen unsere Winzer und Önologinnen das Holzfass bei der Weinbereitung ein. Sie spielen mit verschiedenen Formaten und kombinieren Holz auch mit anderen Gefässarten. Unser Probierpaket mit sechs fassgereiften Weinen zeugt von der grossen Vielfalt, welche die Kombination von Wein und Holz bereithält. ->Zum Probierpaket

Was geschieht mit alten Barrique-Fässern?

Weinkeller mit Barriquefässern

Rund 1000 Euro kostet ein neues Barrique. Es gibt Weingüter, die nutzen es bloss einmal für die Weinbereitung, andere immerhin zwei- bis dreimal. Der Einfluss des Holzes auf den Wein endet nämlich spätestens nach der dritten Belegung. Unter den Delinat-Winzerinnen und -Winzern gibt es aber viele, die das kleine Holzfass viel länger als Reife- und Lagerbehältnis nutzen. Doch irgendwann hat für jedes Barrique die letzte Weinstunde geschlagen. Was passiert dann mit den ausgemusterten Fässern? Für viele gibt es erfreulicherweise ein zweites Leben. Häufig werden sie für die Lagerung von Whisky, Gin oder anderen Spirituosen verwendet. Es gibt aber auch viele kreative Recycling-Möglichkeiten.

Barrique-Brillen

In der deutschen Pfalz gibt es einen innovativen Jungwinzer, der aus seinen alten Barrique-Fässern Brillen herstellt. Jürgen Graf hat im Jahr 2014 das Start-up Mybarrique gegründet. Die Idee sei aus einer Wein-Laune heraus entstanden: «Ich teilte mir damals beim Weihnachtsmarkt in Bochum einen Stand mit einem Optiker. Nach ein paar Gläsern Wein und guter Laune auf dem Weihnachtsmarkt kam uns die Idee, aus alten Barrique-Fässern Brillen herzustellen», erzählt er mit einem Schmunzeln. Gesagt, getan: Nach verschiedenen Abklärungen hat er sich entschieden, aus seinen alten Fässern in Italien Brillen herstellen zu lassen. «Das war damals eine Weltneuheit», sagt Jürgen Graf. Aus einem Barrique entstehen zirka 150 Brillen. «Wir lassen jährlich vier bis fünf alte Barriques aus unserem Weingut verarbeiten.» Angeboten werden verschiedene Brillen-Modelle: Pinot, Merlot, Shiraz und Cabernet. Mit nur 23 Gramm gehören die Brillen zu den leichtesten Holzgestellen auf dem Markt.

Möbel und Dekorationsobjekte

Barrique von Château Duvivier

Auch Küfer Martin Thurnheer (siehe Artikel «Wie ein Weinfass entsteht») befasst sich nicht nur mit dem Bau von Fässern, sondern auch mit deren Recycling. Auf Anfrage stellt er aus Holzfässern Bars oder Sitzbänke her. Alte Fässer finden auch Verwendung als Blumentöpfe oder Regenfässer. Sogar sogenannte Fassdauben-Skis hat der Rheintaler Küfer schon aus alten Fässern hergestellt. Delinat-Winzerinnen und -Winzern ist es ebenfalls ein Anliegen, dass die alten Barriques nicht im Müll landen. «Wir verkaufen sie an eine Privatperson, die daraus Möbel und Dekorationsgegenstände herstellt», sagt Grégoire Piat von Château Couronneau. Ebenfalls für solche Zwecke finden Anne und Jean Lignères sowie Raúl Ripa von der Bodegas Quaderna Via Abnehmer. Winzer Niki Moser verrät: «Wir nutzen unsere Barriques fünf bis sechs Jahre lang. Danach sind sie als Stehtische oder Regentonnen recht beliebt. Es gibt immer ein reges Interesse an alten Barriques.» Francisco Ruiz vom Weingut Osoti nutzt sie zum Teil für die Herstellung von biodynamischen Präparaten, als Bartische oder als Grillholz. Natalino Fasoli von der Azienda La Casetta gibt seine alten Fässer an einen befreundeten Schreiner weiter, der daraus Garderobenständer, Schneidebretter und andere nützliche Gegenstände fertigt. Auch unser langjähriger Delinat-Kundenberater Kevin Benz hat sich schon kreativ mit alten Barrique-Fässern beschäftigt: Für ein Restaurant hat er kunstvolle Weinregale aus alten Fassdauben hergestellt.

Falls Sie Interesse an einem gebrauchten Eichenholz-Barrique haben: Bei Delinat können Sie ausgemusterte Fässer vom firmeneigenen Weingut Château Duvivier bestellen: www.delinat.com/9731.00

Albets robuste Baby-Reben wachsen heran

Vor über zehn Jahren haben sich der katalanische Delinat-Winzer Josep Maria Albet i Noya und der Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Mithilfe neuer, klimaangepasster und pilzresistenter Rebsorten soll Spaniens Weinbau für die Zukunft fit gemacht werden. Die ersten neu gezüchteten Sorten sind auf der Zielgeraden und läuten eine neue Ära im ökologischen Weinbau ein.

Vater und Sohn im Weinberg.

«Probier, das ist dein Sohn!» Josep Maria Albet i Noya hält Valentin Blattner eine Weinflasche mit handgeschriebener Aufschrift hin und schenkt ihm ein. Mit «Sohn» meint er die darin enthaltene Traubensorte, die der Schweizer Rebenforscher vor einigen Jahren selbst gezüchtet hat und die nun erstmals vinifiziert wurde. Die Mutterpflanze ist eine autochthone spanische Sorte, die Vaterpflanze eine krankheitsresistente Sorte. Die erste Verkostung einer neuen Sorte ist jedes Mal ein spezieller Moment, denn von einer solchen Neuzüchtung existiert zu Beginn erst eine einzige Pflanze. Diese Flasche ist somit der erste Wein, der aus dieser neuen Sorte produziert wurde. Es ist das Resultat einer Mikrovinifikation, bei der geprüft wird, ob sich die Sorte für die Weinherstellung eignet und weiterverfolgt und vermehrt werden soll.

Langer Weg

Die Züchtung einer neuen Rebsorten benötigt viele Jahre.

Der Weg von der Züchtung einer neuen Sorte bis hin zum ersten Wein ist lang (siehe Artikel «Wie neue Rebsorten entstehen»). Die weiblichen Teile einer Rebenblüte werden von Hand bestäubt mit dem männlichen Pollen. Im Herbst werden die Trauben dieser manuell bestäubten Blüte geerntet; die Kerne der Beeren enthalten neue Genetik. Jeder neue Kern ist eine neue Rebsorte, da er genetische Eigenschaften enthält, die einzigartig sind. Bei herkömmlichen Rebsorten ist dies nicht der Fall: Die Reben sind Selbstbestäuber und werden rein vegetativ vermehrt, also geklont. Das ist der Grund, weshalb traditionelle Rebsorten krankheitsanfällig sind: Sie konnten sich genetisch nie an die wechselnden Klimabedingungen anpassen.

Herkömmliche Sorten robust machen

Das Ziel der Rebenzüchtung ist deshalb, eine wohlschmeckende Sorte mit einer krankheitsresistenten Sorte zu kreuzen, um das Beste aus beiden Sorten zu vereinen. Beim Projekt VRIAACC (resistente und autochthone Sorten, die dem Klima angepasst sind) kreuzen Valentin Blattner und Josep Maria autochthone spanische Sorten wie Xarel.lo, Parellada oder Macabeo mit Resistenzpartnern, um wohlschmeckende, krankheitsresistente «Söhne» zu erhalten. Im Idealfall werden so neue Sorten gezüchtet, die ausserdem gut mit Trockenheit und Hitze zurechtkommen und auch in heissen Sommern eine frische Säure behalten – was leider bei den traditionellen Sorten mit den steigenden Temperaturen immer seltener ist.

Verzicht auf Gift im Rebberg

Mit der Rebenzüchtung wird also die Genetik der herkömmlichen Sorten neu gemischt und erweitert – um Sorten zu erhalten, die ohne grossen Pflanzenschutzaufwand interessante Weine hervorbringen und besser mit Wetterextremen zurechtkommen. Je höher die genetische Vielfalt, desto grösser die Chance für eine neue Sorte, sämtliche Ansprüche zu erfüllen. Deshalb wird auch Genetik aus amerikanischen und asiatischen Wildreben hinein gezüchtet; nur so halten die Neuzüchtungen sämtlichen Krankheiten stand. Das Ziel ist klar: Die neuen Sorten sollen es erlauben, auch in Zukunft Weine von höchster Qualität zu erzeugen, und dies ohne Hilfsstoffe und Tricks im Keller.

Erste Erfolge

Mikorvinifikation auf dem Weingut Albet i Noya

Bei der oben erwähnten Sorte war die Mikrovinifikation erfolgreich: Der erste Wein dieser Neuzüchtung überzeugte auf ganzer Linie und erinnerte geschmacklich etwas an die traditionelle Rebsorte Pinot Noir. Das ist nicht immer so, denn bei der ersten Vinifikation einer neuen Sorte kann viel schiefgehen: Erntezeitpunkt, Ausbau usw. müssen genau stimmen, und viele neu gezüchtete Sorten haben nicht das erwünschte Geschmackspotenzial. Entweder, weil die Sorte geschmacklich nicht überzeugt oder die Erfahrung zur Vinifizierung noch fehlt. Josep Maria vergleicht die Mikrovinifikation mit den Noten eines Musikstücks: «Man kann sich zwar ungefähr vorstellen, wie es klingt, aber es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man es später spielt.»

Ein Video zur Mikrovinfikation von PIWI-Reben auf dem Weingut Albet i Noya sowie andere spannende Videos zum Thema robuste Rebsorten finden Sie auf www.weinbau-der-zukunft.com.

Auf ein Glas mit … Hannes Jaenicke

Hannes Jaenicke ist nicht nur ein gefragter deutscher Schauspieler, er ist auch engagierter Umwelt- und Klimaaktivist. Als Delinat-Botschafter setzt er sich auch für mehr Artenvielfalt im Weinbau ein. Wir trafen ihn auf dem Ostschweizer Weingut von Roland Lenz zum Interview bei einem Glas Wein.

Hannes Jaenicke in den Rebbergen des Weingut Lenz

Hannes Jaenicke, wie hast du Delinat kennengelernt?
Hannes Jaenicke: Das war vor einem knappen Jahr. Durch einen ehemaligen Mitarbeiter der Allianz Umweltstiftung, für die ich eine Zeit lang sehr aktiv war, bin ich auf Delinat gestossen. Da ich mich sehr für nachhaltige Landwirtschaft und Permakultur interessiere, war sofort meine Neugier geweckt. Mit Delinat habe ich ein Musterunternehmen gefunden, bei dem eine Art von Agrarwirtschaft betrieben wird, die für mich vorbildlich und beispielhaft ist.

Was hattest du zuvor für ein Bild vom Weinbau?
Ich selbst komme aus Frankfurt. Die nahegelegenen Weinanbaugebiete, die ich seit meiner Kindheit kenne, also Rheinhessen, Pfalz oder Franken, sind oft einfach mit dem Lineal gezogene Monokulturen von Weinreben. Es ist das genaue Gegenteil eines Delinat-Weinbergs, wo überall Bäume und Hecken stehen, Totholz für Insekten und Kleintiere herumliegt und die Biodiversität im und über dem Boden gefördert wird. Als ich den Delinat-Winzer Roland Lenz in der Schweiz besuchte, sah ich zum ersten Mal, wie man Weinbau betreibt, ohne der Natur zu schaden, sondern ihr Gutes zu tun.

Was ist dir vom Besuch beim Weingut Lenz sonst noch in Erinnerung geblieben?
Ich konnte unglaublich viel lernen. Im Weinberg sahen wir viele Tiere, dauernd kreisten Milane und andere Raubvögel über uns. Es gab viele Insekten, und im Weinberg flogen Schmetterlingsarten, die man in Deutschland kaum noch sieht. Ich sah, wie wichtig Bäume in den Reben sind, also das, was man unter Agroforst versteht.

Das Delinat-Weingut Lenz ist ein Pionierbetrieb, vor allem wenn es um PIWI-Rebsorten geht. Sind diese neuen robusten Sorten für dich ebenfalls ein Thema?
Ehrlich gesagt kannte ich PIWI-Weine vor dem Besuch bei Lenz noch gar nicht. Dort habe ich gelernt, dass man Rebsorten so züchten kann, dass sie dem Klimawandel standhalten und resistent gegen gewisse Schädlinge und Krankheiten sind. Und das ohne Genmanipulation, lediglich durch das klassische Kreuzen einer europäischen Rebsorte mit einer robusten Wildrebe. So kann man ohne Pflanzenschutzmittel gesunde Trauben ernten. Roland Lenz hat mir erzählt, dass dadurch bei ihm auch viele Arbeitsstunden wegfallen, was sicher ein weiterer Pluspunkt ist.

Persönlich
Hannes Jaenicke wurde 1960 in Frankfurt am Main geboren. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er mit seiner Familie in den Vereinigten Staaten, wo sein Vater an der Universität Pittsburgh einen Forschungsauftrag hatte. 1969 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. In Regensburg besuchte Hannes Jaenicke das Gymnasium und schloss es mit dem Abitur ab. Später liess er sich in Wien zum Schauspieler ausbilden.

Heute gehört Jaenicke zu den gefragtesten deutschen Schauspielern. Er spielte in über 70 Kinofilmen und Fernsehproduktionen (u.a. im «Tatort» und in anderen Krimiserien) mit. Darüber hinaus betätigt er sich als Dokumentarfilmer, Buchautor und Umweltaktivist. In diesen Rollen kämpft er gegen die Ausrottung bedrohter Tierarten und für ein Umdenken bezüglich Klimaschutz. Für diesen Einsatz wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er ist Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit rund einem Jahr engagiert er sich als Delinat-Botschafter auch für mehr Artenvielfalt in den Weinbergen.

Wie wichtig ist dir Nachhaltigkeit generell bei Lebensmitteln?
Ich kaufe seit Jahrzehnten nur noch Bio – im Wissen, dass ganz viele Biolabels viel zu lasch und viel zu verwässert sind. Da wird viel Schindluderei getrieben. Aber es gibt eben Labels und Betriebe, wo die Auflagen streng sind und nicht gemogelt wird. Ich habe mich die letzten Jahre – bevor ich Delinat kennengelernt habe – meistens am Demeter-Label orientiert. Je strenger das Biosiegel, desto glücklicher bin ich als Verbraucher. Ich wundere mich ein bisschen, dass viele Leute erst mal beim Essen sparen und billiges, ungesundes Essen kaufen, weil sie glauben, so Geld zu sparen. Persönlich gebe ich lieber mehr Geld aus für gesundes, hochwertiges Bioessen als für Elektro-Schnickschnack, teure Autos oder Klamotten.

Hannes Jaenicke auf dem Delinat-Weingut Lenz in der Ostschweiz: «Hier habe ich gelernt, wie man nachhaltig sehr hochwertigen Wein herstellen kann.»
Hannes Jaenicke auf dem Delinat-Weingut Lenz in der Ostschweiz: «Hier habe ich gelernt, wie man nachhaltig sehr hochwertigen Wein herstellen kann.»

Der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein liegt in deutschen Supermärkten bei deutlich unter 5 Euro. Viele Leute sind nicht bereit, für umweltfreundliche Produkte ein bisschen mehr Geld auszugeben …
Auch ich war früher vom Vorurteil, dass Bioweine nicht schmecken und teuer sind, betroffen. Meine Meinung hat sich aber komplett geändert. Delinat beweist, dass es möglich ist, bezahlbare Weine auf allerhöchstem Qualitätsniveau in völliger Harmonie mit der Natur zu erzeugen. Ich glaube, dass jeder Mensch, der für 2 Euro eine Weinflasche kauft, weiss, dass das nicht wirklich sauber produziert sein kann. Aber es wird einfach ausgeblendet, weil am Schluss der Geldbeutel regiert.

Wie viel sollte denn eine Flasche Wein aus deiner Sicht kosten?
Ich habe viel Glück gehabt im Leben, habe aber in meinen Anfängen beim Theater auch mit sehr schmalen Budgets leben müssen. Eine Flasche Wein für 20 Euro aufwärts konnte ich mir schlicht nicht leisten. Das hat sich mittlerweile geändert. Meine Devise heute: lieber ein bisschen weniger und qualitativ hochwertig, als mehr, dafür billig und schlecht. Das ist für meine eigene Gesundheit gut und auch für jene der Natur.

Abgesehen vom Preis: Nach welchen Kriterien wählst du einen Wein aus?
Bis vor Kurzem habe ich Weine aus Traubensorten gekauft, die gerade in Mode sind, die ich kannte und mochte. Ich wusste nicht, dass es weit über 1000 Traubensorten gibt. Ich dachte immer, es gibt nur so 20 bis 30 verschiedene Sorten. Seit ich Delinat kenne, hat sich das radikal geändert, denn mit dem Weinabo lerne ich jetzt ständig neue Sorten und Weine kennen. Es ist für mich eine richtige Entdeckungsreise.

Weintipp Hannes Jaenicke

Weine aus pilzresistenten Sorten kannte ich vor meinem Besuch bei Roland Lenz gar nicht. Am KOO KUU Edelweiss gefallen mir der moderate Alkoholgehalt, das frisch-fruchtige Bukett und die verführerische Süsse am Gaumen.

KOO KUU Edelweiss, Schweizer Landwein 2022

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Bewegung an Italiens PIWI-Front

Obwohl auch in Italien – ähnlich wie in Frankreich – langsam erkannt wird, dass zukunftsweisender Weinbau nicht ohne neue, robuste Rebsorten funktioniert, steht die Entwicklung pilzresistenter Sorten immer noch am Anfang.

Die Anbauflächen von robusten, pilzresistenten Sorten, die nicht oder kaum mehr gespritzt werden müssen, liegt in Italien derzeit immer noch bei deutlich unter 1 Prozent. Umgerechnet sind das «nur» rund 2000 Hektar. Dabei hatten robuste Sorten im vergangenen Jahrhundert in Italien ebenfalls eine gewisse Tradition: Es wurden alte PIWI-Züchtungen wie Clinton oder Isabella angebaut, vor allem in den Regionen Tirol, Venetien und Friaul. Da es sich dabei um die ersten Kreuzungen mit amerikanischen Wildreben handelte, war der Geschmack gewöhnungsbedürftig, und wegen mangelnder Qualität wurden sie ab 1936 wieder verboten. Diese Sorten werden heute nur noch vereinzelt für die Schnapsherstellung verwendet. Auch in Sizilien war eine robuste Sorte verbreitet: Sie wurde La Francia genannt, und es handelte sich um eine französische Züchtung. Sie ist jedoch heute auch nicht mehr zugelassen.

Delinat-Winzer als Vorreiter

Wie fast überall stieg in den letzten Jahren auch in Italien das Interesse für neue, robuste Rebsorten: Der hohe Pflanzenschutzmittel-Einsatz bei traditionellen Sorten und der Klimawandel mit extremen Wetterereignissen haben auch bei italienischen Winzern für ein Umdenken gesorgt. Vorausschauende Weingüter setzen nun vermehrt auf PIWI-Sorten. Dazu gehören auch der Delinat-Winzer William Savian und das Delinat-Weingut Fasoli, beide aus der Region Venetien. Sie sehen in den neuen Sorten eine Möglichkeit, noch umweltfreundlicher Wein zu produzieren und auch bei widrigen Wetterbedingungen stabile Erträge zu erzielen.

Südtirol als Türöffner

Das Südtirol war Vorreiter in Sachen PIWIs, erste robuste Sorten gelangten aus Deutschland und Österreich dorthin. Zwischen 1995 und 1999 wurden erste Forschungen am Versuchszentrum Laimburg bei Bozen mit der deutschen roten PIWI-Sorte Regent gemacht. Sie wurde als geeignet für den Anbau im Südtirol eingestuft und von der Autonomen Provinz Bozen für das nationale Sortenregister vorgeschlagen. Es handelte sich um die erste PIWI-Sorte, die 2009 im nationalen Register Italiens eingetragen wurde. Im selben Jahr kam die weisse PIWI-Sorte Bronner dazu, die – wie Regent – in Deutschland gezüchtet worden war.

Seit 2013 arbeitet das Versuchszentrum Laimburg im Südtirol mit der Landesanstalt für Weinbau Freiburg zusammen. So wurden im Jahr 2013 sechs weitere deutsche PIWI-Sorten ins nationale Sortenregister aufgenommen: die weissen Sorten Johanniter, Helios und Solaris sowie die roten Sorten Cabernet Cortis, Cabernet Carbon und Prior. Im Jahr 2014 folgten die Sorten Souvignier Gris und Muscaris. Diese Sorten wurden allesamt in den 70er- und 80er-Jahren in Freiburg gezüchtet.

Regent ist eine der ersten PIWI-Sorten
Regent war die erste PIWI-Sorten, die in Italien zugelassen wurde.

Erste Züchtungen in Italien

Im Jahr 1998 starteten Forscher der Universität Udine unter der Leitung von Prof. Michele Morgante ein Programm zur Züchtung von robusten Sorten, das 2015 zur Registrierung der ersten in Italien gezüchteten robusten Reben führte: Fleurtai, Soreli, Sauvignon Kretos, Sauvignon Nepis, Sauvignon Rytos (weiss) sowie Cabernet Eidos, Cabernet Volos, Merlot Khorus, Merlot Kanthus und Julius (rot). Hunderte von Kreuzungen wurden auf dem Universitätsgelände «Antonio Servadei» in Udine durchgeführt, und über 500 Mikrovinifikationen wurden im Laufe der Jahre von der Unione Italiana Vini aus Verona und den Vivai Cooperativi aus Rauscedo gemacht.

Resistenz für Traditionssorten

In Zusammenarbeit mit verschiedenen italienischen Universitäten wurden Projekte gestartet, die darauf abzielen, Resistenzeigenschaften gegen den Echten und den Falschen Mehltau in traditionelle Sorten hineinzuzüchten. Seit 2012 läuft diesbezüglich ein Züchtungsprogramm: Für das Veneto wurden aus der Prosecco-Sorte Glera und Kreuzungspartnern die resistenten Sorten Glyres und Resilia gezüchtet. Sie verfügen über eine solide Resistenz gegen die Mehltau-Krankheiten und kommen geschmacklich nah an die Prosecco-Traube Glera heran. Diese Sorten stehen kurz vor der Zulassung und Registrierung ins nationale Register. In der Toskana versucht das Institut, Resistenz in die Sangiovese-Reben hineinzuzüchten; im Piemont sollen die Sorten Barbera und Nebbiolo «resistent» gemacht werden. Im Latium soll es bald robuste Neuzüchtungen aus den Sorten Bellone, Cesanese und Malvasia del Lazio geben, und in Apulien finden derzeit Versuche mit robusten Primitivo-, Aglianico- und Italia-Trauben statt.

Ein Forschungsinstitut im Trentino beschäftigt sich ebenfalls schon seit Längerem mit robusten Sorten: In San Michele all’Adige, an der Fondazione Edmund Mach, werden seit Jahrzehnten neue Sorten gezüchtet. Und die Forschung hat Früchte getragen: Die robusten Sorten Termantis, Nermantis, Charvir und Valnosia wurden im Jahr 2020 ins nationale Sortenregister aufgenommen.

Regionale Appellationen klemmen

Im nationalen Register Italiens sind derzeit 37 PIWI-Sorten eingetragen, die für die Weinherstellung zugelassen sind. Dazu gehören zum Beispiel auch die Sorten Cabertin, Pinotin und Cabernet Blanc des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner. Der schnelle Anstieg dieser Zahl seit dem Jahr 2009 zeigt, wie gross das wachsende Interesse an PIWI-Sorten ist, um den Weinbau in Italien nachhaltiger zu gestalten. Diese Liste wird in den kommenden Jahren zweifellos noch erweitert werden, da die derzeit eingetragenen Sorten, von denen 16 weissbeerig und 19 rotbeerig sind, nicht ausreichen, um die verschiedenen klimatischen und geografischen Regionen in Italien ausreichend abzudecken.

Valentin Blattner in seinem Wintergarten im Jura, wo er neue, resistente Sorten züchtet. Einige davon wurden inzwischen auch in Italien zugelassen.

Die Problematik zur weiteren Verbreitung von robusten Rebsorten in Italien liegt derzeit nicht primär auf nationaler Ebene, sondern auf regionaler. Obwohl seit dem Jahr 2021 PIWI-Sorten grundsätzlich für Herkunftsbezeichnungen wie DOC (Denominazione di Origine Controllata) zugelassen wären, erlauben noch nicht viele Appellationen und Regionen den Anbau von robusten Sorten. Manche Regionen erlauben in der Herkunftsbezeichnung Indicazione Geografica Tipica (IGT) – das ist die italienische Version der Qualitätsstufe Landwein – einzelne Sorten. So zum Beispiel im Südtirol, in Venetien, im Friaul und in der Lombardei. Auch sind in jeder Region unterschiedlich viele Sorten zugelassen. Zu den neuen Weinregionen, wo PIWIs seit Kurzem angebaut werden dürfen, sind in den letzten Jahren die Emilia-Romagna, die Marken, die Abruzzen und seit diesem Jahr auch das Latium gekommen. Dort sind jedoch die Anbauflächen noch verschwindend gering und laufen meistens unter «Versuchsanbau». Zudem herrscht das gleiche Problem wie in vielen anderen Ländern auch: Die neuen Sorten sind bei den Winzern so gefragt, dass sie in den Rebschulen nicht genügend schnell vermehrt werden können und Jungpflanzen deshalb schwierig zu erhalten sind.

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