PIWI, und wie: Grosse robuste Rebsorten-Degustation auf Château Duvivier

Auf unserem Modellweingut Château Duvivier in der Provence geht es gerade rund: Alle Delinat-Winzer sind zum internationalen Winzerseminar geladen. Einer der Wissensschwerpunkte liegt auf dem Thema PIWI. Robuste Rebsorten, für Delinat ein unabdingbarer Baustein für den Weinbau der Zukunft. Auch in Italien spielen diese Sorten eine immer grössere Rolle, berichten die italienischen Delinat-Winzer. Teil des Seminars war deshalb eine grosse Verkostung neuer Rebsorten.

Das internationale Delinat-Winzerseminar findet dieses Jahr auf Château Duvivier in der französischen Provence statt. Den Auftakt bildeten die italienischen Delinat-Winzer, welche sich für den Austausch und die Weiterbildung auf dem Delinat-Forschungsweingut trafen. Nebst Themen wie Bodenbearbeitung, Wasserretention und Zubereitung von Komposttee standen die neuen Rebsorten im Zentrum des Seminars.

Lara Spresser, Verantwortliche für die Weingarten-Versuche auf Château Duvivier (li.) und Delinat-Winzerberaterin Arina Schefer (re.) bereiten die erste grosse robuste Rebsorten-Degustation auf Château Duvivier vor.
Lara Spresser, Verantwortliche für die Weingarten-Versuche auf Château Duvivier (li.) und Delinat-Winzerberaterin Arina Schefer (re.) bereiten die erste grosse robuste Rebsorten-Degustation auf Château Duvivier vor.

Degustation aus Kleinst-Weinproduktion

Die italienischen Winzer verkosteten Mikrovinifikationen, also Kleinst-Weinproduktionen von den jüngsten PIWI-Neuzüchtungen, die in einem Versuchsfeld auf Château Duvivier angepflanzt werden. Mit dabei war auch Alexander Morandell, der Präsident von PIWI International. Er tauschte sich aktiv mit den Delinat-Winzern zu den neuen Sorten aus. Er wies auch darauf hin, dass man für jede Rebsorte entsprechendes Wissen im Weinberg und -keller braucht, um einen guten Wein herstellen zu können. Und das gelte natürlich auch für die verschiedenen PIWI-Sorten, dieses Wissen müsse man sich als Winzer zuerst aneignen.


Delinat-Winzerinnen Eleonora Dezzani (li.) und Cecilia Zucca von der malerischen Azienda Poggio Ridente (mi.) im Piemont, zeigten sich ebenso begeistert von den Mikrovinifikationsproben wie William Savian (mi.li.) aus dem Veneto und Alberto Brini (re.) vom Delinat-Weingut Il Conventino in der Toskana.
Delinat-Winzerinnen Eleonora Dezzani (li.) und Cecilia Zucca von der malerischen Azienda Poggio Ridente (mi.) im Piemont, zeigten sich ebenso begeistert von den Mikrovinifikationsproben wie William Savian (mi.li.) aus dem Veneto und Alberto Brini (re.) vom Delinat-Weingut Il Conventino in der Toskana.

Grosse robuste Rebsorten-Degustation auf Château Duvivier: einige Eindrücke

Der sizilianische Delinat-Winzer Massimo Maggio stellte dabei klar, dass sich PIWIs keineswegs nur für kühlere Weinregionen eignen: «Auf Rat von Delinat pflanzen wir als eines der ersten Weingüter in Sizilien seit sechs Jahren verschiedene PIWI-Sorten an. Und wir sind sehr zufrieden mit den ersten Jahrgängen: Die Sorten behalten auch in unserem heissen Klima eine schöne Säure und reifen sehr früh. Da wir sie schon Anfang August ernten können, sparen wir uns so in trockenen Jahren einen Monat Bewässerung».

Interessant und zukunftsträchtig: Die italienischen Delinat-Winzer bei der grossen PIWI-Degustation von Delinat. Im Bild Delinat-Winzer xx (li.) und Delinat-Einkaufsleiterin, sowie Italien-Expertin Martina Korak.
Interessant und zukunftsträchtig: Die Delinat-Winzer Paolo Cotroneo (li.vo.) und Vincenzo Mercurio (li.hi.) mit Delinat-Einkaufsleiterin, sowie Italien-Expertin Martina Korak.

Zudem seien letztes Jahr sehr viele Reben wegen Pilzbefall krank geworden, was dazu geführt habe, dass sich nun immer mehr sizilianische Winzer für die neuen Sorten interessieren. Massimo Maggio ist deshalb froh, dass er diesbezüglich bereits einen Vorsprung hat und plant, in Zukunft noch mehr PIWI-Sorten in seinen Weingärten anzupflanzen. Im Norden Italiens, im Veneto, überzeugen die robusten Rebsorten ebenso, berichtet Delinat-Winzer William Savian. «Für mich ist ökologischer Weinbau untrennbar mit PIWIs verbunden», so Savian.



Wie schlimm war der Spätfrost bisher?

Der Weinstock treibt seine ersten zarten Spitzen, die Temperaturen gehen unter null: Der gefürchtete Spätfrost hat dieser Tage einige unserer Delinat-Winzer heimgesucht. Vom österreichischen Burgenland bis an die deutsche Mosel hat der Spätfrost grosse Schäden verursacht. Ein Problem, das mit dem Klimawandel leider verstärkt auftritt.

Die Reben treiben Jahr für Jahr früher aus. Grund dafür sind die milden Temperaturen während der Wintermonate. Der vergangene Winter war in Europa der wärmste seit Messbeginn. Der Austrieb war mancherorts Wochen früher zu beobachten, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Mit dem frühen Austrieb erhöht sich auch die Gefahr von Ernteverlusten durch Spätfrost.

Kerzen in den Weingärten sind eine teure aber effektive Methode gegen Spätfrost.
Kerzen in den Weingärten sind eine teure aber effektive Methode gegen Spätfrost.

Nach Temperaturen von knapp 30 Grad und dem massiven Austreiben der Reben, stellte der erneute Kälteeinbruch nördlichere Weinregionen Europas vor eine grosse Herausforderung. Delinat-Winzer erklären: Die Frostschutzmechanismen in der Rebe sind ab Erscheinen der «Wolle» nahezu nicht mehr aktiv. Das bedeutet somit: Sobald es friert, dehnt sich das Wasser aus und sprengt die Zellen. Der junge Trieb stirbt ab.

Massive Einbussen an der Mosel

Delinat-Winzer Timo Dienhart aus Maring-Noviand kämpft 2024 mit den grössten Frostschäden seiner Winzerlaufbahn: «Aktuell kann ich es noch nicht genau beziffern, aber es ist verdammt viel kaputt», berichtet uns Dienhart. Zwei Drittel seiner Ernte dürften so früh im Weinjahr schon zerstört sein. Auch seine Premium-Steillagen sind betroffen. «Angesichts der vielen Steillagen in unserem Betrieb waren wir historisch gesehen sehr gut gegen Frost geschützt. Das ändert sich aber scheinbar durch den verfrühten Austrieb», so Dienhart. Versuche mit Baldrian und Co. seien bei ihm bisher nicht erfolgreich gewesen: «Eine aktive Frostabwehr ginge nur mit rabiateren Mitteln, also Frostkerzen, Nebel, Helikopter, oder Sprinkleranlagen. Was aber ökologisch und ökonomisch schwierig ist», sagt Timo Dienhart.

Der Winzer Alexander Pflüger in der Pfalz ist dagegen mit einem blauen Auge davon gekommen: «Es war äusserst knapp und es gibt auch hier und da etwas Schaden. Allerdings sind es „nur“ angefrorene Blätter. Das sollte sich auswachsen», teilt er Delinat mit. Spätfrost war auch bei ihm in Bad Dürkheim in den letzten Jahren immer wieder ein Thema. «Die Einflüsse der Umgebung, also Windoffenheit, Hanglage und Biodiversität, können den Unterschied machen», ist er überzeugt.

Zur Prävention setzt Pflüger auf niedrige Begrünungen durch Walzen und verzichtet auf Bodenbearbeitung. Kurz vor potenziellen Frostnächten spritzt er Baldrian in den Gärten aus.

Vernebelter Baldrian beim Weingut Moser
Vernebelter Baldrian beim Weingut Moser

Grosse Spätfrost-Schäden auch in Österreich

Niki Moser vom Delinat-Weingut «Vitikultur Moser» bei Krems blickt ebenfalls auf schwierige Tage zurück: «In den Ortschaften der Nachbarschaft in der Donauregion hat der Frost in den letzten Tagen teils massiv zugeschlagen». Sogar in den Hanglagen habe es grosse Schäden gegeben, ganz zu schweigen von den ebenen Lagen. Manche Winzerkollegen sprächen demnach von 60 bis 80 Prozent Ausfall.

Der Delinat-Winzer hat dieses Jahr an den Vorabenden der Frostereignisse ebenfalls ein Baldrian-Präparat in den ebenen Lagen ausgebracht. «Wir haben den Eindruck, dass das den negativen Einfluss des Frosts mildert. Aber mehr als 1–2°C kann man sicher nicht wettmachen», so Niki Moser. Im Jahr 2016 hatte der Delinat-Winzer als drastische Massnahme gemeinschaftlich mit dem Weinbauverein geräuchert. Das sei recht effektiv gewesen, berichtet der Winzer rückblickend, müsse aber gut organisiert sein.

Frosträuchern beim Weingut Moser

Bei Niki Moser sind zehn Prozent der Kremstaler Flächen in der Ebene betroffen. «Eine 1,5-Hektar-Lage hat es jedoch voll erwischt. Dort sind 90 Prozent der Triebe kaputt». Der Delinat-Winzer hatte in den letzten Jahren viel mit Frösten zu kämpfen. Im Burgenland, wo er ebenfalls Rebflächen bewirtschaftet, gab es im Jahr 2016 etwa 80 Prozent Ausfall, im Jahr 2017 rund 40 Prozent und im Jahr 2021 etwa 50 Prozent Ernteverlust.

Kerzen, Feuer oder Räuchern kann eine effiziente Massnahme sein, um Spätfrost bei Reben zu verhindern.
Kerzen, Feuer oder Räuchern kann eine effiziente Massnahme sein, um Spätfrost bei Reben zu verhindern.

Delinat-Winzerkollege Andreas Harm aus Krustetten (ebenfalls in der Nähe von Krems) verzeichnete bis jetzt noch keine grösseren Schäden an seinen Reben. Doch die Gefahr ist dort noch nicht gebannt. In der Region ist weiterhin mit Minusgraden zu rechnen. Stärkere Ausfälle durch Spätfrost hatte Andreas Harm in den Jahren 2012 und 2016: «Das Problem bei Spätfrösten ist der Stress für die Pflanzen und die steigende Anfälligkeit gegenüber Falschem Mehltau». Daher sind laut Delinat-Winzer Harm Spätfrostschäden auch weit schlimmer als Hagelschäden. Diese kämen jedes Jahr kleinräumig vor.

Schweiz: Frostschäden im Wallis, Thurgau hatte Glück

In der Schweiz war vor allem das Wallis von Spätfrost betroffen. Der Thurgauer Delinat-Winzer Roland Lenz verzeichnete ebenfalls mehrere Nächte um den Gefrierpunkt. Bis jetzt haben seine Reben die Kälteperiode gut überstanden. Vorbeugend setzt Roland Lenz ebenfalls auf Hilfsmittel: «Baldrian kann helfen, Zuckerlösungen ebenfalls. Hat die Rebe genügend Reservestoffe in den Vorjahren aufbauen können, hilft das auch. Bei trockenen Verhältnissen können da auch -5°C überstanden werden. Sehr effektiv ist auch ein später Winterschnitt und Frostreserven», erklärt der Delinat-Winzer. Eine Frostreserve, wie sie Delinat-Winzer Lenz in der Regel stehen lässt, bezeichnet eine zusätzliche Rute, die gewöhnlicherweise später austreibt. Sie kann bei spätem Frost daher als Rettung für einen gewissen Ertrag dienen. Falls kein Spätfrost eintritt, wird sie Ende Mai einfach abgeschnitten.

Zwischen den verschiedenen PIWI-Sorten, also den robusten Rebsorten, die der Delinat-Winzer im Anbau hat, beobachtet er eine grosse Bandbreite: «Regent, Cabertin, Satin Noir treiben eher später aus. Auch Souvignier gris. Generell kann man sagen, je mehr Zuckerlösungen, also Glyzerin, in den grünen Teilen ist, umso frostbeständiger sind die Zellen.»

Einen grossen Vorteil bei Frostereignissen sieht der Delinat-Winzer auch in Sorten, die ein weiteres Mal austreiben können: «Da die PIWI-Sorten meist in den Nebenaugen fruchtbar sind, gibt es bei einem Neuaustrieb oft trotzdem noch einen Ertrag». Durch das Wegbrechen geschädigter Triebe könne man bei manchen robusten Rebsorten den Austrieb der Beiaugen forcieren. Das bringe je nach Sorte zwischen 50 und 60 Prozent einer Normalernte.

Die Gefahr von Spätfrost ist leider noch nicht ganz gebannt. Die gefürchteten «Eisheiligen», so werden im Bauernkalender die Tage von 11. bis 15. Mai bezeichnet, bahnen sich noch an. Währenddessen und bis dahin kann es noch (zu) kalt werden. Doch ob diese Regel angesichts des Klimawandels noch Bestand hat, bleibt auch abzuwarten.

Helikopterflüge bedrohen Apollofalter

Einer der Grundpfeiler der Delinat-Philosophie – dass Schmetterlinge weiter im Weinberg fliegen können – scheint an der Mosel nicht gewährleistet. Der Mosel-Apollofalter ist vom Aussterben bedroht. Schuld daran sind die Pflanzenschutzmittel, die per Helikopter ausgebracht werden, sagen Naturschützer. Anders ist Weinbau in diesen Steillagen nicht möglich, sagen die Winzer.

Der Mosel-Appolo ist Schmetterling des Jahres 2024. Selten sichtet man ihn nur noch in seinem natürlichen Habitat, den Hecken, Sträuchern und Steinmauern, in oder nahe den Weinbergen an der Mosel.

Grundsätzlich ist die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Hubschrauber in Deutschland verboten. Denn zu hoch ist die Abdrift in umliegende Flächen. Ausnahmeregelungen gibt es für die Steillagen an der Mosel, in der Pflanzenschutzmittel kaum anders ausgebracht werden können.

Der Mosel-Apollofalter ist vom Aussterben bedroht.
Fungizidausbringung mittels Helikopterflügen bedroht den Apollofalter an der Mosel.

Naturschützer sehen in der Genehmigung zur Ausbringung des Fungizids mittels Hubschrauber und dem massiven Rückgang der Falterpopulation einen starken Zusammenhang. Winzer andererseits sagen, eine wirtschaftliche Erhaltung der Steillagen sei ohne diese Art der Spritzung nicht möglich. Dazu berichteten Medien wie die Frankfurter Allgemeine oder der SWR.

Verzwickte Situation

Um den Falter zu schützen, veröffentlichte das Deutsche Umweltbundesamt im Februar dieses Jahres ein Votum gegen das jährliche Genehmigungsverfahren zum Ausbringen der Fungizide per Luftfahrzeug. Doch der Mosel-Apollofalter lebt in den Weinbergen, gehen also die Weinbergflächen zurück, gingen auch wichtige Nahrungsquellen wie die Weisse Fetthenne für den Falter verloren, heisst es von anderer Stelle.

Aus diesem Grund entschied das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mittels einer Fachmeldung im März gegen das Votum des Umweltbundesamts und somit für die Anwendung von Fungiziden mit Helikoptern in Weinbausteillagen an der Mosel.

Die Population des Apollo-Falters ist hochgefährdet. «Das Land Rheinland-Pfalz ist rechtlich verpflichtet, sich um den Erhalt des Schmetterlings zu kümmern», sagt Schmetterlingskundler Tim Laußmann von der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen, gegenüber dem SWR. Nach diesem Entscheid gilt es den Lebensraum des Apollo-Falters wohl auf andere Art und Weise zu schützen.

Helikopter-Spritzung auch im Wallis immer noch erlaubt

Auch im Wallis ist die Ausbringung von Fungiziden mittels Helikopter nach wie vor erlaubt, Delinat berichtete. Eine Einhaltung der notwendigen Abstände zu Hecken und Sträuchern scheint mit einem kurzen Blick auf die Bilder absolut unwahrscheinlich.

Helikopterflüge bedrohen den Apollofalter. Die Thematik zeigt zum wiederholten Mal auf, wie essenziell Biodiversitäts-Hotspots in den Weingärten sind. Denn sie sind ein überlebenswichtiges Refugium für viele Insektenarten. Ein wirkungsvoller Ansatz wäre auch, vermehrt robuste Rebsorten in Steillagen zu pflanzen, um den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren und zugleich Arbeitsstunden einzusparen.

Die wichtigste Massnahme für das Überleben des Mosel-Apollofalters, so berichtet das Deutsche Umweltbundeamt, ist die Wiederherstellung seines ursprünglichen Lebensraums in den Flächen, welche an die Rebzeilen angrenzen.

Dieser Lebensraum sei seit Beginn des 20. Jahrhunderts um die Hälfte geschrumpft. Könne man diesen wiederherstellen, sei der Apollofalter resistenter gegen die ausgebrachten Fungizide. Mit weniger Lebensraum und bewilligten Ausnahmegenehmigungen für 2024 scheint die Zukunft des seltenen Falters allerdings ungewiss.

Klassische Züchtung bleibt der Königsweg

Klimawandel und Ökologie rufen nach neuen, robusten Rebsorten. Die Gentechnik verspricht Lösungen. Doch was taugen die Sorten aus dem Labor wirklich?

Die Versprechen klingen hoffnungsvoll und fast zu gut, um wahr zu sein: Gentechnisch veränderte Pflanzen aus dem Labor, welche dem Klimawandel angepasst sind, überdurchschnittlichen Ertrag liefern und erst noch sämtlichen Krankheiten trotzen. Was in der Theorie super klingt, klappt jedoch in der Praxis selten reibungslos und hat meistens einen oder gar mehrere Haken. Das ist leider auch bei den Versprechen der Gentechnik so. Der Kontext: In der EU wird aktuell über eine Lockerung der Regulierungen für neue Gentechniken diskutiert. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Pflanzen, deren Veränderungen «theoretisch auch durch herkömmliche Züchtung möglich wären», weniger strengen Vorschriften unterliegen. Auch in der Schweiz hat die Diskussion im Hinblick auf das Ende des Gentechnik-Moratoriums Ende 2025 wieder an Dynamik gewonnen. Wir beleuchten die Thematik aus der Optik des ökologischen Weinbaus und zeigen, was die klassische Züchtung bringt.

Bei der klassischen Züchtung wird Rebe für Rebe per Hand bestäubt.
Bei der klassischen Züchtung wird Rebe für Rebe per Hand bestäubt.

Wie funktioniert Gentechnik?

In der Debatte um die Zukunft der Rebenzüchtung stehen sich zwei Methoden gegenüber: die klassische Züchtung und die Gentechnik. Gentechnik ermöglicht die gezielte Veränderung des Erbguts von Organismen, sei es von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen. Im Labor werden dabei Gene eingefügt, entfernt oder modifiziert, um spezifische Eigenschaften wie etwa die Resistenz gegenüber Krankheiten zu erzeugen. Dies ist jedoch immer noch mit vielen Unsicherheiten und Gefahren verbunden, gerade auch bei der Weinrebe. Der Hauptgrund ist dabei, dass man über die Gene und deren Interaktion untereinander in der Rebe immer noch sehr wenig weiss.

Grenzen der Gentechnik

Das Hauptproblem: Die Resistenzmechanismen gegenüber Krankheiten sind sehr komplex und nicht leicht beeinflussbar. Auch neue Gentechnikmethoden wie die derzeit viel diskutierte Genschere CRISPR/Cas können nur bestimmte Genabschnitte ändern. Im besten Fall kennt man nach heutigem Wissensstand die Gen-Abschnitte, in denen sich einzelne Resistenzen oder Krankheitsanfälligkeiten befinden. Somit kann man im Labor zwar theoretisch eine Krankheitsanfälligkeit ausschalten, die langfristig negativen Effekte auf die Pflanze lassen sich aber kaum abschätzen. So können leicht unerwünschte Nebeneffekte auftreten, von verändertem Wuchsverhalten über Geschmacksveränderungen bis hin zu unerwünschten Inhaltsstoffen. Zusätzlich gibt es weitere Faktoren, die es bei der Züchtung einer marktfähigen Traubensorte zu beachten gilt, wie etwa die Trockenresistenz. Selbst nach erfolgreicher Laborarbeit erfordert die Zulassung daher eine mehrjährige Sortenprüfung im Feld. Zeitersparnis bei Gentech-Sorten ist also nicht wirklich gegeben.

Klassische Züchtung: Die Natur macht die Selektion

In der klassischen Rebenzüchtung werden Traubensorten durch natürliche Kreuzungen weiterentwickelt und den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Züchter wählen Elternreben mit gewünschten Eigenschaften, kreuzen sie gezielt und selektieren dann die Nachkommen mit den besten Merkmalen. Ähnlich wie bei der Fortpflanzung von Tieren oder Menschen, wird so die Vielfalt der Genetik erweitert, was sie resilienter macht. Bei traditionellen Rebsorten werden die Reben immer nur vegetativ vermehrt; also geklont. Das heisst, ihre DNA ist seit Jahren unverändert und konnte sich nie den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Der erfahrene Rebenzüchter Valentin Blattner zweifelt daran, dass Gentechnik-Sorten bald seine klassisch gezüchteten PIWI-Sorten überflügeln.

Valentin Blattner erklärt die Grundlagen der klassischen Rebzüchtung.

Denn seine Züchtungsmethode erlaubt es, verschiedene Merkmale gleichzeitig zu testen. So entscheidet die Natur, was draussen im Feld am besten funktioniert. Moderne wissenschaftliche Methoden wie die Resistenzgen-Analyse unterstützen seine Arbeit. «Ich kann parallel in einem Arbeitsschritt verschiedenste Züchtungsziele realisieren, was bei Gentechnik-Methoden im Labor ewig dauern würde. Bei der klassischen Züchtung kann ich ganz einfach draussen im Feld die Natur entscheiden lassen, welche Neuzüchtung sich am besten bewährt.

«Selbst bei der neusten Gentechnik wäre das alles viel aufwendiger, wenn man es richtig machen will», erklärt Valentin Blattner die Vorteile seiner Arbeit. Auch wir sind überzeugt: Mit den in den letzten Jahren erreichten Fortschritten in der klassischen Rebenzüchtung ist es möglich, deutlich schneller und günstiger eine «bessere» Traubensorte zu züchten, als das mit Gentechnik möglich wäre. Und das erst noch deutlich ökologischer, ökonomischer und risikoärmer.

Bereits 3,5 Prozent sind zu viel

Eigentlich sollten ab dem 1. Januar 2024 auf mindestens 3,5 Prozent des Schweizer Ackerlandes ökologische Ausgleichsflächen entstehen, doch die Agrarlobby im Parlament hat die Auflage erneut hinausgezögert. Dabei wäre dieses Minimum an Artenvielfalt dringend nötig. Zum Vergleich: Delinat-Winzer fördern die Biodiversität auf mindestens zwölf Prozent ihrer Flächen.

Die Biodiversität in der Schweiz ist in einem besorgniserregenden Zustand: Die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten sind bedroht. Der Verlust an Lebensräumen und Artenvielfalt sowie die Verschlechterung der Lebensraumqualität konnte in den letzten Jahren nicht gestoppt werden. Die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen sind die Grundlage des Lebens auf dieser Erde. Ihr Verlust bedroht die Existenzgrundlage der Menschen und die Wirtschaftsleistung eines Landes. Es wäre also höchste Zeit, dass die Politik aktiv wird und wirksame Massnahmen ergreift, um Gegensteuer zu geben.

Von Intention und Umsetzung

Einen Versuch hat der Bund als Reaktion auf die Pestizid- und Trinkwasserinitiative gemacht: Ursprünglich war vorgesehen, bereits per 1. Januar 2023 auf mindestens 3,5 Prozent des Ackerlandes die Biodiversität zu fördern. Was nach wenig klingt, wäre immerhin schon eine Verbesserung zu heute: Derzeit gibt es in der Schweizer Landwirtschaft nur rund ein Prozent biodiverse Ausgleichsflächen.

Bei der neuen Vorschrift gäbe es einen Zuwachs der Biodiversitätsflächen von etwa 14’500 Fussballfeldern. Zum Vergleich: Die Delinat-Richtlinien schreiben derzeit mindestens zwölf Prozent ökologische Ausgleichsflächen vor, welche jeder Winzer in seinen Weinbergen haben muss. Das ist dreimal mehr Biodiversitätsfläche als die neue Regelung vorschreiben würde und rund zehn Mal mehr, als die jetzigen Ausgleichsflächen in der Schweizer Landwirtschaft darstellen.

Weinberge mit deutlich über 12 Prozent an ökologischen Ausgleichsflächen beim Delinat-Weingut Lenz im Thurgau.

Sogar der Tropfen auf den heissen Stein scheint zu viel

Dennoch scheinen diese 3,5 Prozent für einige Entscheidungsträger immer noch zu viel zu sein. Denn eigentlich hätte die Auflage bereits am 1. Januar 2023 in Kraft treten sollen. Doch wegen des Ukraine-Kriegs und Sorgen bezüglich eines tieferen Selbstversorgungsgrads der Schweizer Landwirtschaft entschied das Parlament, die neue Regelung um ein Jahr hinauszuschieben, also auf den 1. Januar 2024. Und nun wird die Auflage erneut hinausgezögert – weil angeblich noch «zu viele Unsicherheiten» bestehen.

Besonders fragwürdig und undurchsichtig ist dabei die Rolle von Bio Suisse, welcher vorgeworfen wird, dass sie zur Verzögerung der Auflage beigetragen hat. Auch wenn die Schuld für die erneute Verschiebung nicht direkt der Organisation zugeschoben werden kann, wird doch deutlich, dass sie – einmal mehr – zweifelhafte Interessen verfolgt und sich nicht ernsthaft für eine ökologische Landwirtschaft einsetzt. Dass die 3,5 Prozent Biodiversitätsflächen per 1. Januar 2025 umgesetzt werden, ist mittlerweile schwer zu glauben.

Noch ist nichts entschieden. Es ist aber kaum damit zu rechnen, dass in der kommenden Wintersession des Schweizer Parlamentes noch anders entschieden wird. Dadurch entsteht einmal mehr der Eindruck, dass die vollmundigen Versprechen der Schweizer Agrarlobby nicht mehr als leere Worthülsen bleiben und eine weitere Chance verpasst wird, die Schweizer Landwirtschaft in eine ökologisch nachhaltige Zukunft zu führen. Ähnliches ist derzeit leider auch in der EU zu beobachten.

Glyphosat: Der Albtraum für Mensch, Natur und Umwelt geht weiter

Die EU hat es ein weiteres Mal versäumt, die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten: Das hoch umstrittene und breitflächig eingesetzte Pflanzengift Glyphosat wird wohl für weitere zehn Jahre zugelassen.

Die Nachricht klingt wie ein schlechter Witz: Während wir uns dem grössten Artensterben seit 66 Millionen Jahren gegenübersehen, lässt die EU ein Produkt für weitere zehn Jahre zu, das in grossem Ausmass zu diesem Artenschwund beiträgt. Die Zulassung für das Herbizid Glyphosat wäre eigentlich Mitte Dezember 2023 ausgelaufen, doch weil sich die EU-Staaten nicht einigen konnten, kommt die EU-Komission zum Zug. Diese verlängert die Zulassung mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine weitere Dekade. Gemeinsam mit dem kürzlich gefällten Entscheid, das Pestizidgesetz als Teil des Green Deals vollständig zu kippen, enfernt sich die europäische Landwirtschaft damit noch weiter von Nachhaltigkeit, Ökologie und enkeltauglicher Bewirtschaftung.

konventioneller Rebberg
Ein konventionell bewirtschafteter Rebberg an der Mosel: Das Spritzen von Herbiziden wie Glyphosat zerstört jegliche Biodiversität.

Seit 1974, also schon seit fast 50 Jahren, ist Glyphosat auf dem Markt und wird seither in riesigen Mengen auf der ganzen Welt versprüht. Es ist das weltweit meistverkaufte Pestizid und tötet als „Unkrautvernichtungsmittel“ jegliche Pflanzen ab, die nicht gentechnisch so verändert wurden, damit sie dagegen resistent sind. Die Schäden, die das Gift jährlich bei Menschen, Tieren, Pflanzen und in der Umwelt verursacht, sind riesig. Glyphosat kann mittlerweile im Boden, im Wasser, in der Luft, in Nahrungsmitteln, im menschlichen Körper und damit sogar in der Muttermilch nachgewiesen werden.

Die Folgen von Glyphosat

Neuere Studien beweisen: Glyphosat kann das Nervensystem schädigen und das Mikrobiom im Darm beeinflussen. Glyphosathaltige Herbizide können zudem oxidativen Stress verursachen und haben unter anderem erbgutschädigende und fruchtbarkeitsmindernde Wirkungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend beim Menschen» ein.

Dazu kommt der massive Einfluss auf das Artensterben: Glyphosat schadet unzähligen Nützlingen wie Insekten, Spinnen, Amphibien und Bodenlebewesen. Es tötet den Lebensraum und die Nahrungsquelle von Vögeln, Fischen und Säugetieren. Nimmt die Anzahl Insekten ab, hat das weitreichende Folgen für den Artenschwund bei anderen Lebewesen.

5 Fragen an den Delinat-Winzerberater Daniel Wyss zu Glyphosat im Weinbau

Was war deine Reaktion, als du vom EU-Entscheid bezüglich Glyphosat erfahren hast?
Daniel Wyss: Die Chemie-Lobby hat wieder mal gesiegt. Die Umwelt, die Böden, das Grundwasser, die Biodiversität und schlussendlich unsere Gesundheit stehen auf der Verliererliste.

Wird Glyphosat auch im Weinbau eingesetzt? Wenn ja, zu welchem Zweck?
Im konventionellen Weinbauwird Glyphosat unter dem Rebstock angewendet. In diesem Streifen werden mit Glyphosat alle Pflanzen abgetötet. Dies zerstört aber auch das Bodenleben, die Bodenstruktur und die Überreste gelangen ins Grundwasser.

Wie sieht ein Weinberg aus, in dem Glyphosat angewendet wird?
In der Schweiz ist die vollflächige Anwendung von Glyphosat im Weinbau zum Glück verboten. Somit erscheint nur der Unterstockbereich kahl und nach den Behandlungen mit gelb vergilbten Pflanzen. Für mich ist dies immer wieder ein jämmerlicher Anblick.

Delinat- und andere Bio-Winzer beweisen seit 40 Jahren, dass Weinbau ohne Herbizide bestens funktioniert. Was machen sie anders?
Delinat-Winzer lassen die spontane Vegetation wachsen oder säen eine artenreiche Begrünung ein, was eine grosse Artenvielfalt fördert und damit Lebensraum für viele Pflanzen, Insekten und Nützlingen bietet. Zudem wird so das Bodenleben aktiviert. Wenn die vielen Kräuter und Gräser im Frühjahr zu hoch wachsen, wird der Unterstockbereich gemäht oder zum Teil bearbeitet. Dies fördert das Wachstum der Reben und auch die Artenvielfalt der Begrünung, weil so Kräuter besser wachsen und die dichte Grasnarbe aufgelockert wird. In Mitteleuropa gibt es eine wertvolle Weinbergsflora mit wilden Tulpen, Hyazinthen und anderen wertvollen Pflanzen. An trockeneren Standorten ist die Artenvielfalt auch sehr gross, aber mit einer anderen Pflanzenvielfalt.

Was läuft aus deiner Sicht falsch, dass ein solch schädliches Produkt wie Glyphosat über Jahrzehnte hinweg auf dem Markt bleiben darf?
Die Lobby der Agrokonzerne ist zu gross und weil die Konzerne kaum für die angerichteten Schäden aufkommen müssen, zahlt die Allgemeinheit die verursachten Schäden. Wegen Krebsfällen musste Monsanto in den USA zwar schon Milliarden zahlen, und weitere Fälle werden wohl folgen. Weil die Natur aber keinen Anwalt hat, werden wir alle diese Rechnungen über die Krankenkassenprämien, höhere Trinkwasserpreise und Umweltschäden bezahlen müssen. Gerade das Beispiel Glyphosat zeigt zudem die Abhängigkeiten von Agrochemie-Riesen wie Bayer, Syngenta, Corteva und BASF auf. Glyphosat tötet alle Pflanzen mit Ausnahme derjenigen Kulturpflanzen, die gentechnisch durch diese Firmen verändert und patentiert wurden. Diese Abhängigkeit ist perfid und toxisch für Bauern und Umwelt.

Carlos Laso und seine Lösung gegen Wetterextreme

In den Küstengebieten Spaniens wird «La gota fría» (der kalte Tropfen) gefürchtet, ein Wetterphänomen, das im Herbst erhebliche Schäden anrichten kann. Dieses Ereignis tritt vor allem im September auf, wenn das Mittelmeer hohe Temperaturen erreicht und das verdampfende Wasser in Form von Unwetterwolken im Landesinneren zu massiven Niederschlägen führt. Mit der Klimaerhitzung treten diese Ereignisse immer häufiger auf, begleitet von zerstörerischen Stürmen, Überschwemmungen und Erdrutschen.

Das vollständige Video zum innovativen Wassermanagmentsystem auf Pago Casa Gran finden Sie auf www.weinbau-der-zukunft.com.

Für die Landwirtschaft, insbesondere den Weinbau, sind solche Wetterextreme verheerend. Carlos Laso, Winzer des Delinat-Weinguts Pago Casa Gran, hat bereits vor einigen Jahren Massnahmen ergriffen, um sich gegen diese Herausforderungen zu wappnen. Dank eines innovativen Wassermanagementsystems, das er gemeinsam mit unserem Winzerberater Daniel Wyss entwickelt hat, kann er heute zuversichtlicher in die Zukunft blicken.

Sein Wasserretentionskonzept, inspiriert von Permakultur-Prinzipien, verfolgt das Ziel, bei Starkniederschlägen die Erosion zu verhindern und das Wasser in Teichen zu speichern, um es langsam versickern zu lassen. Dies ermöglicht selbst in trockenen Perioden eine nachhaltige Wasserversorgung für die Reben und trägt zur Anhebung des Grundwasserspiegels bei.

Carlos Laso hat auf seinem Weingut mittlerweile etwa 20 Versickerungsgruben und Teiche eingerichtet, um Regenwasser aufzufangen. Durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem gelangt das Wasser in diese Reservoirs und steht so den Reben zur Verfügung. Dank dieser Massnahmen hat Carlos Laso die Erosion erheblich reduziert und die Wasserressourcen in seinen Weinbergen verbessert. Sein Fazit: «Ich kann dieses System uneingeschränkt empfehlen, vor allem in den Mittelmeerregionen.»

Wie ein Weinfass entsteht

Es gibt nicht mehr viele Küfer, die Fässer traditionell von Hand anfertigen. Einer davon ist Martin Thurnheer aus dem kleinen Winzerdorf Berneck im St. Galler Rheintal. In fünfter Generation führt er das jahrhundertealte Handwerk weiter. Delinat-Winzer Roland Lenz setzt auf die Qualität der Küferei Thurnheer.

Wenn man in Berneck vor der Küferei Thurnheer steht, fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt. Die Werkstatt befindet sich in einem traditionellen Haus mit Holzschindeln, vor dem Gebäude steht ein riesiges, drei Meter hohes Fass von zwei Metern Durchmesser, vor der Tür steht ein Amboss. In der Werkstatt ist lautes Hämmern zu hören, und es ist sofort klar, dass hier noch ein traditionelles Handwerk ausgeübt wird. Küfer Martin Thurnheer stellt seine Fässer immer noch weitgehend nach derselben Methode her, wie es einst sein Urgrossvater getan hat. Denn bereits seit 1854 werden hier Lagerfässer, Barriques, Gärstanden, Holzbadewannen und weitere Fassgebinde hergestellt.

Altehrwürdige Eichen

Martin Thurnheer versteht sein Handwerk

Dasselbe Alter wie die Küferei können die Eichen haben, die für die Herstellung eines Fasses verwendet werden: Meistens sind sie zwischen 50 und 150 Jahre alt. Damit sämtliche Qualitätskriterien erfüllt werden, geht Martin Thurnheer gemeinsam mit dem Forstwart in die Wälder der Region, um das beste Eichenholz eigenhändig auszuwählen. Stammdurchmesser, Stammlänge und gerader Wuchs sind wichtige Faktoren, um später ein Fass in Top-Qualität herstellen zu können. Das Eichenholz muss feinporig und dicht gewachsen sein. Es wird anschliessend zur Küferei gebracht, zugeschnitten und gespalten. Danach wird es für drei Jahre gelagert, bis es bereit ist für die Fassproduktion: zwei Jahre draussen bei Wind und Wetter, ein Jahr im Trockenen.

Wasser und Feuer

Wenn Martin Thurnheer mit dem Bau eines Fasses beginnt, muss er zuerst die Fassdauben (Längshölzer) millimetergenau in die richtige Form hobeln. Hier ist Präzision entscheidend: Wenn eine Daube nicht perfekt im richtigen Winkel gehobelt wird, ist das Fass später undicht. Anschliessend werden die Dauben innerhalb eines Metallreifes zu einem Fass zusammengefügt. Um die typische Rundung eines Fasses zu bekommen, wird innerhalb des halb fertigen Fasses ein Feuer entzündet und dann während rund einer Stunde immer wieder Wasser an die Innen- und Aussenseite des Fasses gespritzt. So können die Fassdauben mit dem sogenannten Dampfbiegeverfahren und einem Stahlseil in die gewölbte Form gebracht werden. Damit das Fass anschliessend in dieser Form bleibt, werden weitere Metallreife um das Fass herum angebracht.

Das Barrique – ein Tageswerk

Die in der Weinwelt omnipräsenten Holzaromen im Wein werden durch das Toasten, also durch die Röstung der Innenseite des Fasses, erreicht: Dazu wird wiederum in der Mitte des Fasses ein Feuer entfacht, bis die gewünschte Röstung erreicht ist. Dies bringt die unverkennbaren Schokoladen-, Vanille- und Kokosaromen in den Wein, die bei manchen Weinfreunden sehr beliebt sind. Nachdem auch Boden und Deckel eingefügt sind und das ganze Fass noch einmal sauber abgeschliffen ist, wird getestet, ob es komplett dicht ist. Falls das eingefüllte Wasser nicht irgendwo ausläuft, ist das Fass bereit für den Winzer. Für das Zusammenbauen eines klassischen Barrique-Fasses benötigt Martin Thurnheer ungefähr einen Tag, ein grosses Fass kann schon mal gut drei Wochen Arbeit benötigen. Das grösste Fass, das Martin Thurnheer je hergestellt hat, fasste 18’000 Liter.

Das Gute liegt so nah

Einer, der auf die Qualität der Thurnheer- Fässer baut, ist Delinat-Winzer Roland Lenz aus der Ostschweiz. Ein grosser Pluspunkt ist für ihn die lokale Herkunft der Eiche: «Wir wählten in den letzten Jahren den Weg, möglichst viel Eiche aus der Region zu verwenden, denn Eichen wachsen ja hier bei uns im Thurgau.» Während der Delinat-Winzer nur bei wenigen Weissweinen auf einen Ausbau im Holz setzt, kommen fast sämtliche Rotweine während ein paar Monaten ins Holzfass. Das Ziel ist nicht, möglichst präsente Holzaromen in den Wein zu bringen, sondern den Wein in Ruhe atmend reifen zu lassen.

Probierpaket Fassgereift

Mit viel Können und Feingespür setzen unsere Winzer und Önologinnen das Holzfass bei der Weinbereitung ein. Sie spielen mit verschiedenen Formaten und kombinieren Holz auch mit anderen Gefässarten. Unser Probierpaket mit sechs fassgereiften Weinen zeugt von der grossen Vielfalt, welche die Kombination von Wein und Holz bereithält. ->Zum Probierpaket

Was geschieht mit alten Barrique-Fässern?

Weinkeller mit Barriquefässern

Rund 1000 Euro kostet ein neues Barrique. Es gibt Weingüter, die nutzen es bloss einmal für die Weinbereitung, andere immerhin zwei- bis dreimal. Der Einfluss des Holzes auf den Wein endet nämlich spätestens nach der dritten Belegung. Unter den Delinat-Winzerinnen und -Winzern gibt es aber viele, die das kleine Holzfass viel länger als Reife- und Lagerbehältnis nutzen. Doch irgendwann hat für jedes Barrique die letzte Weinstunde geschlagen. Was passiert dann mit den ausgemusterten Fässern? Für viele gibt es erfreulicherweise ein zweites Leben. Häufig werden sie für die Lagerung von Whisky, Gin oder anderen Spirituosen verwendet. Es gibt aber auch viele kreative Recycling-Möglichkeiten.

Barrique-Brillen

In der deutschen Pfalz gibt es einen innovativen Jungwinzer, der aus seinen alten Barrique-Fässern Brillen herstellt. Jürgen Graf hat im Jahr 2014 das Start-up Mybarrique gegründet. Die Idee sei aus einer Wein-Laune heraus entstanden: «Ich teilte mir damals beim Weihnachtsmarkt in Bochum einen Stand mit einem Optiker. Nach ein paar Gläsern Wein und guter Laune auf dem Weihnachtsmarkt kam uns die Idee, aus alten Barrique-Fässern Brillen herzustellen», erzählt er mit einem Schmunzeln. Gesagt, getan: Nach verschiedenen Abklärungen hat er sich entschieden, aus seinen alten Fässern in Italien Brillen herstellen zu lassen. «Das war damals eine Weltneuheit», sagt Jürgen Graf. Aus einem Barrique entstehen zirka 150 Brillen. «Wir lassen jährlich vier bis fünf alte Barriques aus unserem Weingut verarbeiten.» Angeboten werden verschiedene Brillen-Modelle: Pinot, Merlot, Shiraz und Cabernet. Mit nur 23 Gramm gehören die Brillen zu den leichtesten Holzgestellen auf dem Markt.

Möbel und Dekorationsobjekte

Barrique von Château Duvivier

Auch Küfer Martin Thurnheer (siehe Artikel «Wie ein Weinfass entsteht») befasst sich nicht nur mit dem Bau von Fässern, sondern auch mit deren Recycling. Auf Anfrage stellt er aus Holzfässern Bars oder Sitzbänke her. Alte Fässer finden auch Verwendung als Blumentöpfe oder Regenfässer. Sogar sogenannte Fassdauben-Skis hat der Rheintaler Küfer schon aus alten Fässern hergestellt. Delinat-Winzerinnen und -Winzern ist es ebenfalls ein Anliegen, dass die alten Barriques nicht im Müll landen. «Wir verkaufen sie an eine Privatperson, die daraus Möbel und Dekorationsgegenstände herstellt», sagt Grégoire Piat von Château Couronneau. Ebenfalls für solche Zwecke finden Anne und Jean Lignères sowie Raúl Ripa von der Bodegas Quaderna Via Abnehmer. Winzer Niki Moser verrät: «Wir nutzen unsere Barriques fünf bis sechs Jahre lang. Danach sind sie als Stehtische oder Regentonnen recht beliebt. Es gibt immer ein reges Interesse an alten Barriques.» Francisco Ruiz vom Weingut Osoti nutzt sie zum Teil für die Herstellung von biodynamischen Präparaten, als Bartische oder als Grillholz. Natalino Fasoli von der Azienda La Casetta gibt seine alten Fässer an einen befreundeten Schreiner weiter, der daraus Garderobenständer, Schneidebretter und andere nützliche Gegenstände fertigt. Auch unser langjähriger Delinat-Kundenberater Kevin Benz hat sich schon kreativ mit alten Barrique-Fässern beschäftigt: Für ein Restaurant hat er kunstvolle Weinregale aus alten Fassdauben hergestellt.

Falls Sie Interesse an einem gebrauchten Eichenholz-Barrique haben: Bei Delinat können Sie ausgemusterte Fässer vom firmeneigenen Weingut Château Duvivier bestellen: www.delinat.com/9731.00

Albets robuste Baby-Reben wachsen heran

Vor über zehn Jahren haben sich der katalanische Delinat-Winzer Josep Maria Albet i Noya und der Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Mithilfe neuer, klimaangepasster und pilzresistenter Rebsorten soll Spaniens Weinbau für die Zukunft fit gemacht werden. Die ersten neu gezüchteten Sorten sind auf der Zielgeraden und läuten eine neue Ära im ökologischen Weinbau ein.

Vater und Sohn im Weinberg.

«Probier, das ist dein Sohn!» Josep Maria Albet i Noya hält Valentin Blattner eine Weinflasche mit handgeschriebener Aufschrift hin und schenkt ihm ein. Mit «Sohn» meint er die darin enthaltene Traubensorte, die der Schweizer Rebenforscher vor einigen Jahren selbst gezüchtet hat und die nun erstmals vinifiziert wurde. Die Mutterpflanze ist eine autochthone spanische Sorte, die Vaterpflanze eine krankheitsresistente Sorte. Die erste Verkostung einer neuen Sorte ist jedes Mal ein spezieller Moment, denn von einer solchen Neuzüchtung existiert zu Beginn erst eine einzige Pflanze. Diese Flasche ist somit der erste Wein, der aus dieser neuen Sorte produziert wurde. Es ist das Resultat einer Mikrovinifikation, bei der geprüft wird, ob sich die Sorte für die Weinherstellung eignet und weiterverfolgt und vermehrt werden soll.

Langer Weg

Die Züchtung einer neuen Rebsorten benötigt viele Jahre.

Der Weg von der Züchtung einer neuen Sorte bis hin zum ersten Wein ist lang (siehe Artikel «Wie neue Rebsorten entstehen»). Die weiblichen Teile einer Rebenblüte werden von Hand bestäubt mit dem männlichen Pollen. Im Herbst werden die Trauben dieser manuell bestäubten Blüte geerntet; die Kerne der Beeren enthalten neue Genetik. Jeder neue Kern ist eine neue Rebsorte, da er genetische Eigenschaften enthält, die einzigartig sind. Bei herkömmlichen Rebsorten ist dies nicht der Fall: Die Reben sind Selbstbestäuber und werden rein vegetativ vermehrt, also geklont. Das ist der Grund, weshalb traditionelle Rebsorten krankheitsanfällig sind: Sie konnten sich genetisch nie an die wechselnden Klimabedingungen anpassen.

Herkömmliche Sorten robust machen

Das Ziel der Rebenzüchtung ist deshalb, eine wohlschmeckende Sorte mit einer krankheitsresistenten Sorte zu kreuzen, um das Beste aus beiden Sorten zu vereinen. Beim Projekt VRIAACC (resistente und autochthone Sorten, die dem Klima angepasst sind) kreuzen Valentin Blattner und Josep Maria autochthone spanische Sorten wie Xarel.lo, Parellada oder Macabeo mit Resistenzpartnern, um wohlschmeckende, krankheitsresistente «Söhne» zu erhalten. Im Idealfall werden so neue Sorten gezüchtet, die ausserdem gut mit Trockenheit und Hitze zurechtkommen und auch in heissen Sommern eine frische Säure behalten – was leider bei den traditionellen Sorten mit den steigenden Temperaturen immer seltener ist.

Verzicht auf Gift im Rebberg

Mit der Rebenzüchtung wird also die Genetik der herkömmlichen Sorten neu gemischt und erweitert – um Sorten zu erhalten, die ohne grossen Pflanzenschutzaufwand interessante Weine hervorbringen und besser mit Wetterextremen zurechtkommen. Je höher die genetische Vielfalt, desto grösser die Chance für eine neue Sorte, sämtliche Ansprüche zu erfüllen. Deshalb wird auch Genetik aus amerikanischen und asiatischen Wildreben hinein gezüchtet; nur so halten die Neuzüchtungen sämtlichen Krankheiten stand. Das Ziel ist klar: Die neuen Sorten sollen es erlauben, auch in Zukunft Weine von höchster Qualität zu erzeugen, und dies ohne Hilfsstoffe und Tricks im Keller.

Erste Erfolge

Mikorvinifikation auf dem Weingut Albet i Noya

Bei der oben erwähnten Sorte war die Mikrovinifikation erfolgreich: Der erste Wein dieser Neuzüchtung überzeugte auf ganzer Linie und erinnerte geschmacklich etwas an die traditionelle Rebsorte Pinot Noir. Das ist nicht immer so, denn bei der ersten Vinifikation einer neuen Sorte kann viel schiefgehen: Erntezeitpunkt, Ausbau usw. müssen genau stimmen, und viele neu gezüchtete Sorten haben nicht das erwünschte Geschmackspotenzial. Entweder, weil die Sorte geschmacklich nicht überzeugt oder die Erfahrung zur Vinifizierung noch fehlt. Josep Maria vergleicht die Mikrovinifikation mit den Noten eines Musikstücks: «Man kann sich zwar ungefähr vorstellen, wie es klingt, aber es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man es später spielt.»

Ein Video zur Mikrovinfikation von PIWI-Reben auf dem Weingut Albet i Noya sowie andere spannende Videos zum Thema robuste Rebsorten finden Sie auf www.weinbau-der-zukunft.com.