Eine neue Dimension im biologischen Weinbau

1990 hat Delinat zusammen mit 5000 Kunden in der Provence das Weingut Château Duvivier gekauft und systematisch zu einem ökologischen Vorzeigebetrieb ausgebaut. Die bisher gut 20-jährige Forschungs- und Versuchstätigkeit brachte viele neue Erkenntnisse für den biologischen Weinbau. Davon profitieren heute viele Weingüter in ganz Europa.

Versuchs- und Modellweingut Château Duvivier in der Provence.
Versuchs- und Modellweingut Château Duvivier in der Provence.

Erklärtes Ziel auf dem 30 Hektar grossen Weingut war von Anfang an die Weiterentwicklung des biologischen Weinbaus über Versuchs- und Forschungstätigkeit. Dabei wurde die Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Forschungsanstalten wie EFA (heute Agroscope) Wädenswil, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und französischen Anstalten gesucht. Ab 1995 begann die Versuchstätigkeit in den Bereichen Weinbergsbegrünung, Pflanzenschutz und Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten. 1998 übernahm Antoine Kaufmann als diplomierter Önologe die Führung des Weinguts. Er war damit auch zuständig für die korrekte Durchführung und Auswertung aller Versuche in den Reben. Unter seiner fachkundigen Führung wurde das Forschungsprogramm um die Bereiche Pflanzenkohle und Biodynamie erweitert.

Die Traubenvernichter

Die grosse Herausforderung für den biologischen Weinbau sind die Pilzkrankheiten, insbesondere der Falsche Mehltau, gegen den einzig Kupferspritzmittel eine einigermassen sichere Wirkung haben. Kupfer ist jedoch ein Schwermetall, das in bestimmten Böden und bei starker Anreicherung nachteilige Wirkung auf Bodenlebewesen haben kann. Seit Jahrzehnten wird deswegen international geforscht, um Kupfer als Pflanzenschutzmittel zu ersetzen. Bis heute ist hier noch kein Durchbruch gelungen. Die Praxis des biologischen Weinbaus ist deswegen darauf ausgerichtet, Strategien zu entwickeln, die den Kupferaustrag möglichst tief halten. Die Delinat-Richtlinien geben sehr tiefe Kupferwerte vor, der Bioweinbauer steht – vor allem in gewissen Klimazonen – vor einer sehr grossen Herausforderung.

Kupfereinsatz sinkt

Hier hakte das Versuchsprogramm zur Kupferreduktion auf Château Duvivier ein. Alle bekannten Hilfsmittel wurden miteinbezogen und auf ihre Wirksamkeit überprüft: Eine Wetterstation liess neue Infektionsschübe frühzeitig erkennen und gezielt bekämpfen. Tonerdemehl wurde alternativ als bekanntes Kupferersatzmittel eingesetzt. Die Spritztechnik wurde optimiert, und das rechtzeitige Arbeiten an den Rebstöcken erlaubte eine bestmögliche Benetzung aller Pflanzenteile und somit grösstmöglichen Schutz vor Pilzbefall. Die Resultate der über drei Jahre praktizierten Versuchsreihen sind beeindruckend. Auf Château Duvivier konnte der Kupferaustrag um rund 75 Prozent gesenkt werden. Statt 6 kg Kupfer werden heute im Mittel der Jahre noch rund 1,5 kg pro Hektar Rebfläche ausgebracht.

Die auf Duvivier erprobten Techniken zur Reduktion der Kupfermenge sind heute auf den meisten Bioweinbaubetrieben Standard. Nicht in allen Klimazonen werden jedoch die gleich tiefen Werte erreicht. Immerhin schaffen es Delinat-Betriebe selbst in Gebieten mit hohem Krankheitsdruck, den Kupferaustrag unter 3 kg Kupfer pro Hektar und Jahr zu halten.

Mehr als eine Augenweide

Ökologische Hotspots im Weinberg mit Sträuchern, Steinhaufen und mehr
Ökologische Hotspots im Weinberg mit Sträuchern, Steinhaufen und mehr.

Nackte Weinbergsböden waren bis in die Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts in ganz Europa die Regel. Begrünung mit Gräsern und Kräutern wurde für schädlich gehalten, weil sie der Rebe angeblich Wasser und Nährstoffe stahl und zu Mindererträgen und Qualitätseinbussen führte. Es brauchte den Bioweinbau, um diese altüberkommene Mär zu widerlegen. Erste begrünte Weinberge waren in Steillagen anzutreffen. Man war es satt, nach einem Sommergewitter tonnenweise beste Erde vom Fuss des Rebbergs, wohin das Wasser sie gespült hatte, mühselig wieder nach oben zu transportieren und damit die Gräben und Risse zu füllen. Versuche mit gezielter Begrünung zeigten, dass zu Tode gedüngte und gespritzte Böden wieder zum Leben erweckt werden können und damit sogar Düngung und teilweise auch Pflanzenschutzmassnahmen überflüssig werden. Die ersten diesbezüglichen Erfolge wurden in gemässigten Klimazonen erzielt, wo genügend Sommerniederschläge die Begrünung und die Reben förderten.

Rebbergflora im Süden

duvivier-lavendel

Ist es möglich, von den Vorteilen der Begrünung auch in südlichen Weingärten zu profitieren, wo Sommerglut und monatelange Trockenheit jedes Kräutlein verdorren lassen? Das war die Fragestellung, die zu den Begrünungsversuchen auf Château Duvivier führte. Die Antwort wurde wiederum in einer mehrjährigen Versuchsreihe gefunden: Es ist möglich! Es ist möglich, auch in der Provence, ohne Bewässerung, über zwölf Monate im Jahr, eine Begleitflora im Rebberg zu pflegen und damit die Rebe von einem aktiven Bodenleben und sogar einem Humusaufbau profitieren zu lassen. Man muss nur wissen, wie. In den Sommermonaten wird die Begrünung mit Walzen geknickt oder gemäht, um die Verdunstung von Wasser aus dem Boden tief zu halten, oder der Boden wird teilweise oberflächlich bearbeitet. Meist trocknet die stehen gelassene Begrünung ein, um im Herbst mit dem ersten Regen wieder zum Leben zu erwachen. Die Begrünungsversuche gaben Aufschluss über Vor- und Nachteile spontaner oder eingesäter Begrünung, über Saatmischungen, über den Anteil der begrünten Fläche im Rebberg im Sommerhalbjahr, über Bearbeitungstechniken.

Duvivier als Vorbild

Versuche mit pilzresistenten Traubensorten (PIWI) haben zum Ziel, auf Spritzmittel im Rebberg zu verzichten.
Versuche mit pilzresistenten Traubensorten (PIWI) haben zum Ziel, auf Spritzmittel im Rebberg zu verzichten.

Wer heute die Reben von Château Duvivier im Sommer besucht, bekommt dieses Bild zu sehen: In jeder zweiten Rebgasse wächst eine dichte Begrünung mit verschiedenen Kleearten und Kräutern. Unter den Rebstöcken und in den nichtbegrünten Gassen ist der Boden oberflächlich bearbeitet. In den Wintermonaten, nach dem Blattfall der Reben, findet der Besucher den ganzen Weingarten grün. Dieses oder ein in Varianten leicht abgewandeltes System wird heute auf allen Delinat-Betrieben in Südeuropa angewandt. Die Resultate der Versuche auf Château Duvivier waren wegweisend für die Formulierung in den Delinat-Richtlinien, wo der allererste Satz lautet: «Ziel ist eine ganzjährige artenreiche Begrünung des gesamten Rebbergs oder möglichst grosser Teilflächen innerhalb des Rebbergs.»

Die Themen sind vielfältig und knüpfen an die bisherigen Ansätze an. Der Anbau von neu gezüchteten, pilzresistenten Rebsorten ist seit 20 Jahren am Laufen, über Anbau und Vinifikationsversuche leistet Château Duvivier auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Förderung und Verbreitung von PIWI-Rebsorten in Frankreich. In Planung ist weiter ein Projekt, das abklären soll, wie weit Rebbergbegrünung Einfluss nimmt auf die Fähigkeit der Reben, vermehrt pflanzeneigene Abwehrstoffe gegen Pilzkrankheiten aufzubauen. Untersuchungen zum Einfluss der Begrünung auf die Traubenqualität (über die Zunahme spezifischer Inhaltsstoffe wie Polyphenole) sind zudem von hohem Interesse für die Weinbereitung. Auf Château Duvivier wird also weiterhin mit ungebrochenem Elan am Weinbau der Zukunft gearbeitet.

Rolf Kaufmann
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