Wie viel darf eine Flasche Wein kosten?

Wie viel ist ein Wein wert? Was ist von einer Flasche unter 3 Euro zu halten? Was von einem Tropfen, der 100 und mehr Euro kostet? Zwei Gastautoren, der Weinmacher und Blogger Dirk Würtz aus dem Rheingau und Winzer Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof in Rheinhessen, äussern ihre persönliche Meinung zu diesem kontroversen Thema.

Winzer Tobias Zimmer ist der Meinung, dass Flaschenpreise von 60 Euro oder mehr nur durch Marketingkosten zu rechtfertigen sind.  Dirk Würtz dagegen schreibt (siehe unten), viele Winzer würden sich selber ausbeuten: Wein sei ein Kultur- und auch ein Luxusgut, hinter dem «Qualität und viel Arbeit steckt».

Was ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Lesen Sie die Argumente beider Autoren und schreiben Sie uns Ihre Meinung als Kommentar unter diesen Beitrag.

Tobias Zimmer, Winzer: «Der Unterschied zwischen einem guten 20-Euro- und einem 100-Euro-Wein ist nicht zu schmecken»

Tobias Zimmer führt das traditionsreiche Delinat-Weingut Hirschhof in Rheinhessen.

Wer sich mit der Frage auseinandersetzt, ob eine Flasche Wein mehr als 60 Euro kosten darf, landet automatisch in seiner ganz persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Luxus: Ist Wein für mich eher Luxusprodukt oder Lebensmittel? Eine solche Frage kann man stets nur subjektiv beantworten. Wer es sich leisten kann, jeden Tag eine Flasche Wein für 100 Euro zu öffnen, dem sei es gegönnt. Er muss nicht nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis fragen. Und dennoch steht dieses zu Recht im Zentrum vieler Verbraucherüberlegungen beim Weinkauf.

Dementsprechend versuchen wir als Weinbaubetrieb, der mittlerweile seit 26 Jahren kontrolliert ökologisch wirtschaftet, ein Produkt auf den Tisch zu bringen, das dem Kunden einen täglichen Weingenuss zu erschwinglichen Konditionen ermöglicht. Anders gesagt: Mir erscheint ein Kunde besser beraten, sich übers Jahr 100 Flaschen eines leckeren Westhofener Roten für 10 Euro zu gönnen, als einmal im Jahr einen 1000 Euro teuren Bordeaux verkostet zu haben.

Ganz objektiv hat ein Wein jenseits der 50- oder 60-Euro-Marke nichts mehr mit der Deckung seiner betrieblichen Entstehungskosten zu tun. Hierzu zählen die Erzeugungskosten im Weinberg und im Keller, die Abfüllkosten inklusive Ausstattung, die Marketing- und Vertriebskosten sowie die Kosten für betriebliche Abschreibungen. Je nachdem, wo das Produkt erstanden wird, kommen noch Margen für Versand und Handel dazu.

Natürlich reicht es dem Winzer nicht aus, nur seine Kosten zu decken. Er muss einen Gewinn erwirtschaften, um vom Weinbau leben und immer aufs Neue in die Zukunftsfähigkeit des Betriebes investieren zu können. Flaschenpreise von 60 Euro sind möglicherweise nur noch durch exorbitante Marketingkosten «auf der ganzen Welt» zu rechtfertigen. Sie haben aber nichts mehr mit Handlese, Steillagenweinbau oder qualitätsorientierter Erntemengenreduzierung zu tun. Für uns gesprochen deckt sich ein solcher Vertrieb auch nicht mit unserer persönlichen Vorstellung von Ökologie und Nachhaltigkeit.

Bei ehrlicher Betrachtung, auch als Weinfachmann, bei sorgfältiger Weinauswahl und Blindverkostung kann man den Unterschied zwischen einem guten 20-Euro- und einem 100-Euro-Wein nicht mehr schmecken. Machen Sie zu einem besonderen Anlass doch mal die Probe aufs Exempel.

Dirk Würtz, Weinmacher und Weinblogger: «Billig macht die Welt kaputt»

Dirk Würtz, Weinmacher im Rheingau, gehört zu den bekanntesten Weinbloggern Deutschlands.

Wein ist nicht einfach irgendein Lebensmittel. Auch wenn viele Verbaucherschützer das gerne so hätten. Wein ist ein Kulturgut, Wein ist europäische Geschichte und Wein ist Lebensgefühl. Natürlich braucht heutzutage niemand eine Flasche Wein. Das Trinkwasser ist sauber und Wirkung gibt es deutlich billiger. Man muss es wollen, Wein ist Luxus, unter Umständen Lebensgefühl, manchmal eben einfach nur Wirkung.

Als Konsument ist es mir wichtig, was ich zu mir nehme. Wie ich mich ernähre und was ich trinke. Billig ist nie gut. Billig macht die Welt kaputt und irgendwann auch mich. Die Agrarindustrie will mich nicht ausgewogen ernähren, sie will Geld verdienen. Als Winzer will und muss ich das auch. Ich kann theoretisch alles optimieren und mithilfe von Maschinen und billigen Aushilfen die Produktionskosten in ungeahnte Tiefen drücken. Ich kann meine Arbeitsleistung und die meiner Familie – sofern es sich um einen Familienbetrieb handelt – schönrechnen. So machen das viele. Sie beuten sich selbst aus, um dem Preisdruck standzuhalten. Aber ist das sinnvoll? Nein, das ist es nicht. Und das hat viele Gründe.

Manchmal, wie an der Mosel, liegt es schlicht an den äusseren Umständen. Weinbau in Steillagen ist per se extrem aufwendig. Und wenn dann einer noch hoch qualitativ arbeitet, unter Umständen sogar zertifiziert ökologisch, geht billig nicht. Und ja, manchmal geht es auch um Marketing. Luxusprodukte haben immer etwas mit Marketing zu tun. Sie sind emotional aufgeladen. Aber auch das gibt es nicht umsonst. Dahinter steckt immer Qualität und viel Arbeit.

Natürlich braucht das keiner, und natürlich interessiert das 95 Prozent der Konsumenten nicht. Warum auch? Es gibt auch Autos, die irrsinnig viel Geld kosten. Von denen träumen komischerweise ganz viele. Von einer Flasche Wein für 10 000 Euro träumt beinahe niemand. Es ist für viele absurd, dass ein Getränk so viel kosten kann. Es ist eben eine Frage des Blickwinkels, der eigenen Erlebniswelt, und es hat mit Toleranz zu tun.

Mich persönlich macht diese latente, ganz besonders urdeutsche Angst der Konsumenten, permanent übervorteilt zu werden, wahnsinnig. Warum denkt jeder, er wird betrogen, wenn etwas kein Schnäppchen ist? Warum denkt jeder, dass es jedes Produkt immer irgendwo billiger gibt und es dabei aber bitteschön auch noch gut sein muss? Antworten gibt es viele – leider! Eine davon ist, dass jeder das Geld, das er verdient, möglichst «angenehm» anlegen will. Ein Kilo Fleisch für 1,99 Euro, und schon bleiben mehr Euros für den Urlaub. So tickt die Welt, und derjenige, der mehr Geld für sein Produkt verlangt, ist ein potenzieller Drecksack. Einer, der mir den Urlaub versaut, weil er mir für unnötiges «Zeug» das Geld aus der Tasche zieht. Ja, das war polemisch. Absichtlich.

Wie denken Sie über dieses Thema?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung als Kommentar unter diesen Beitrag.

Wie viel ist ein Wein wert?

Das Spektrum der Weinpreise ist enorm: Es reicht von unter 3 bis zu mehreren tausend Franken bzw. Euro pro Flasche. Was macht diese riesigen Unterschiede aus?

Weine im Billigstsegment stammen meist aus Massenproduktion und kommen nach einer Vinifikation im Schnellzugstempo möglichst rasch auf den Markt. Weine am andern Ende der Preisskala sind meist gehaltvolle, aufwändig produzierte Gewächse aus kleinen Erträgen. Da bestimmt oft der Markt den Preis: Renommée, Prestige, knappe Menge und geschicktes Marketing steigern die Nachfrage und treiben damit den Preis in astronomische Höhen.

Weinkeller im Château Duvivier
Lagerung im kleinen Barrique oder gar im Beton-Ei macht die Wein-Herstellung aufwändiger. Im Bild der Weinkeller von Château Duvivier.

Ich behaupte: Jede Flasche Wein, die mehr als 60 Franken kostet, ist im Prinzip zu teuer. Selbst bei den besten Tropfen belaufen sich die reinen Produktionskosten kaum je über 20 Franken. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei ganz kleinen Mengen oder bei besonders aufwändigen Produktionsmethoden (Amarone) – können sie deutlich höher ausfallen.

Bei Delinat gibt es keine Weine aus den beiden erwähnten extremen Preissegmenten. Es zählen weder Masse noch berühmte Namen und Prestige, sondern ein optimales Preis-Genuss-Verhältnis. Aber auch bei unseren Winzerweinen aus vorwiegend familiären Betrieben, die sich einem konsequent ökologischen Weinbau verschrieben haben, gibt es deutliche Preisunterschiede. Diese ergeben sich aus vielen verschiedenen Faktoren. Aussergewöhnliche Jahrgänge steigern Nachfrage und Preis. Wein aus eher unbekannten Regionen wie Corbières, Navarra oder Sizilien ist meist günstiger zu haben, als aus berühmten Appellationen wie Bordeaux, Ribera del Duero oder Bolgheri.

Steillage Mosel
Steillagen wie hier im Urstromtal der Mosel bei Timo Dienhart erfordern Handarbeit im Weinberg.

Auswirkungen auf den Preis hat auch die Lage des Weinbergs: Top- oder Steillagen mit optimaler Sonneneinstrahlung, vielfältiger Geologie und reicher Biodiversität ergeben eine bessere Traubenqualität als überdüngte Böden im Flachland. Ein wichtiger Faktor ist die Arbeit des Winzers: Kleinstrukturierter Weinbau mit grosser Naturvielfalt verlangt mehr Handarbeit als eine grossflächige Rebplantage, wo Maschinen eine zeitsparende und rationelle Bearbeitung ermöglichen. Winzer, die ihre Erträge zugunsten der Qualität tief halten, dürfen zu Recht mit besseren Preisen rechnen. Schliesslich beeinflussen Kellerausstattung, Qualität der verwendeten Gebinde (alte oder neue Barriques; Qualität des Eichenholzes) sowie Dauer der Reife- und Lagerzeit den Preis.

mehr ...