Der Rebschnitt

Im Kampf um Licht klettern wilde Reben in die Höhe, um sich mit ihren Ranken an Bäumen festzuklammern. Die obersten Augen treiben am besten aus, was die Entwicklung der sich dort bildenden Triebe begünstigt, während die Basis langsam verkahlt. Diese Vorherrschaft der Triebspitzen nennt man Apikaldominanz. Gesteuert wird sie durch Hormone. Dieses Verhalten ist unserer Ertragsrebe erhalten geblieben. Möchte ein Winzer einen Weinberg sinnvoll bewirtschaften, muss er durch das Erziehungssystem und den Rebschnitt dieser Apikaldominanz entgegenwirken.

Der Rebschnitt findet im Winter statt, wenn die Rebe noch ruht. Beim Rebschnitt werden die verholzten Triebe des Vorjahrs (einjähriges Holz) je nach Erziehungssystem geschnitten. Bei der Spaliererziehung beispielsweise bleiben eine oder zwei Ruten stehen. Diese werden später gebogen und an einen Draht gebunden. Aus den Winteraugen dieser Ruten wachsen dann im Frühjahr die neuen Triebe, welche die Trauben für die Lese im Herbst tragen.

Josep Maria Albet i Noya beim Rebschnitt.
Josep Maria Albet i Noya beim Rebschnitt.

Durch die beim Rebschnitt festgelegte Anzahl Winteraugen entscheidet der Winzer schon vor der Vegetationsperiode über die Zahl der sich bildenden Triebe und somit über den Ertrag. Triebe, die aus dem mehrjährigen Holz austreiben, nennt man Wasserschosse. Diese tragen keine Frucht, können aber dazu dienen, den Rebstock für kommende Jahre zurückzuschneiden und wieder in Form zu bringen.

Wenn es zu keinen Beschädigungen durch äussere Einflüsse kommt (wie z.B. Frost), kann man davon ausgehen, dass 80 bis 95 Prozent der Winteraugen austreiben. Die Zahl und die Grösse der Gescheine eines solchen Triebes sind vielfältigen Einflüssen unterworfen. So spielen beispielsweise die erbliche Veranlagung der Rebe sowie die Temperatur- und Belichtungsverhältnisse vom Vorjahr eine wichtige Rolle.

Natürlich muss der Winzer darauf achten, dass die Anzahl der belassenen Winteraugen der Wuchskraft des Stockes angepasst ist. Nur eine Rebe, die im Gleichgewicht ist, bringt auch die Trauben zur Reife. Ist die Zahl der Augen zu hoch, bilden sich viele Triebe und somit Trauben, was zu einer Überforderung und somit zu einer nachlassenden Wuchskraft führen kann. Ein Rebstock kann aber auch unterfordert sein. Die Triebe werden zu mastig, das Zellgewebe zu weich. Dadurch können Pilze leichter eindringen. Ausserdem kann das Mostgewicht in den Trauben zu hoch werden, während die physiologische Reife noch nicht erreicht ist, was zu unharmonischen Weinen führt.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Faktoren sollte der Weinbauer beim Rebschnitt schon den «fertigen» Wein im Kopf haben. Soll ein einfacher, leicht zu trinkender Wein entstehen, so ist mehr Ertrag erwünscht als bei einem komplexen, kräftigen Wein. Ein guter Wein verlangt nach viel Fingerspitzengefühl – und das schon beim Rebschnitt.

Martina Korak
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2 comments

  1. Lieber Betreiber des Weingutes Schnell, ich möchte Ihnen mein Kompliment aussprechen. Könnte man Sie mal besuchen kommen? Würde mich enorm freuen. Herzliche Grüsse und „weiter so!“

  2. Wir haben wie alle auch, die Reben im Spalier auf 2 Schosse erzogen. Nachdem wir dank Frühjahrsfrost und den Witterungsbedingungen aber keinerlei Ertragssicherheit.
    Die ausgelaubte Traubenzone bieten den Früchten keinen Schutz vor der Sonne und dem Wetter. Klar das Insekten die Trauben einfach finden und dann Probleme machen, so spritzen meine Kollegen Kaolin auf die Trauben damit die Essigfliege keine Eier in die Beeren legt. Der Ertragsausfall ist vorprogrammiert und der Einsatz von Insektiziden auch. So haben wir auf MMS umgestellt, Minimalschnitt oder Naturwuchs.
    Der Arbeitsaufwand während der Vegetationszeit hat sich mehr als halbiert, wir haben viel mehr Trauben am Stock, die sehr kleine Beeren mit dicken Häuten ausbilden. So kann man auf Insektizide oder Behandlungen für resp. gegen die Essigfliege lassen. Der Ernteaufwand von Hand ist klar grösser, aber die Qualität und der Ertrag sprechen für sich. Da wir bereits ende Mai eine geschlossene Laubwand haben muss der Pflanzenschutz im richtigen Moment begonnen werden. Wir Spritzen eine wässrige Kalklösung mit PH12,5, Milchpulver, Backpulver als Schwefelersatz und Lezitin als Kupferersatz. Je nachdem koche ich Tee aus Weidenrinde und Brennessel und diese Mischung funktioniert perfekt und ist Giftfrei.
    Viele Kollegen staunen das dies funktioniert. Wir spritzen mit sehr grossen Düsen und rund 1000 lt /ha, so richtig nass. Für mehr interesse reicht es aber nicht, so sind wir die einzigen im Kanton Graubünden die Giftfrei arbeiten. Die Natur reagiert sofort, wir haben dank der dichten, früh geschlossenen Laubwand, letztes Jahr 5 Gartenammer Pärchen, die 35 Jungvögel aufgezogen haben und entwickeln sich zu richtigen Biotopen in dieser Chemiewüste um uns herum. PIWI ist eine super Sache, doch können die alten Europäersorten problemlos Giftfrei gepflegt werden. Wir Düngen nicht und halten den Boden begrünt seit mehr als 50 Jahren. In der Regel mähe ich einmal mit dem Motormäher oder Sense, mehr aber nicht, sonst haben die Schafe im Herbst nichts zu fressen…Die Natur funktioniert am besten wen man sie in Ruhe lasst und seinen Platz mit Demut und Achtsamkeit gegenüber der Schöpfung findet. So bleibt es spannend und interessant, ein Leben lang.

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