Benvenuti in der Maremma

Ausspannen und Wein aus reicher Natur dort geniessen, wo er entsteht: Ferien auf Delinat-Weingütern sind erholsam und bieten direkten Einblick in einen konsequent ökologischen Weinbau. Unsere Reportage vom Agriturismo der Azienda Salustri in der Toskana zeigt, wie spannend, abwechslungsreich und erhellend eine solche Ferienwoche sein kann.

Samstag/Sonntag: Ausspannen und geniessen

Die wilde Maremma ist wie geschaffen für erholsame Ferien beim Winzer. Im kleinen Weiler Poggio del Sasso, 150 Kilometer von Florenz und 60 Kilometer vom Meer entfernt, sind Nara und Leonardo Salustri sowie Sohn Marco zu Hause. Die Salustris gehören zu den angesehensten Winzerfamilien im noch jungen DOC-Gebiet Montecucco. Die Azienda ist umgeben von jahrhundertealten Steinhäusern, in denen 1995 zehn einfache, aber grosszügige und stilvolle Ferienwohnungen eingerichtet wurden. Il Mandorlo (Mandelbaum) nennen die Salustris ihr Agriturismo. Nara: «Bei uns kann man unbeschwert ausspannen, Einblick in einen biologisch geführten Familienbetrieb mit Reben, Oliven, Getreide und Tieren gewinnen und Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung unternehmen. » Die grosse Terrasse mit Blick auf das reizvolle Val d’Orcia und die mittelalterliche Hügelstadt Montalcino bietet ein grossartiges Ambiente für ein erstes Glas Wein und einen kleinen Schwatz mit dem Winzer. Der Sonntag ist ideal, um auf einem Spaziergang durch die bunt begrünten Weinberge und Olivenhaine der Salustris die nähere Umgebung zu erkunden. Die kleine Wanderung führt durch eine wilde, von Pinien, Zypressen, Reben und Olivenhainen geprägte Hügellandschaft. Irgendwo da draussen stehen auch zwei tausendjährige Olivenbäume. Wer diesen knorrigen Dinosauriern begegnen will, braucht die Unterstützung von Leonardo Salustri, gutes Kartenmaterial oder ein GPS.

Stilvoll eingerichtete Ferienwohnung bei den Salustris.

Am Abend stellt sich die Frage: Selbst kochen oder auswärts essen? «Wenn ich auswärts gut essen will, gehe ich ins Franci nach Montalcino», verrät Leonardo gerne eine seiner Lieblingsadressen. Die Speisekarte ist klein, aber verheissungsvoll. Zur Steinpilzsaison unbedingt den Risotto ai porcini e ricotta probieren. Zur Nachspeise empfiehlt der Kellner gerne die Käseselektion von Il Casale, einer Biokäserei in der Nähe von Pienza, die von «svizzeri» geführt wird und in der ganzen Toskana einen hervorragenden Ruf geniesst.

Montag/Dienstag: Pecorino aus Pienza und Fischessen am Meer

Ein freudiges Wiedersehen mit dem Käse von Il Casale und eine Begegnung mit den «svizzeri», die ihn erzeugen, lassen sich gut mit einem Tagesausflug nach Pienza verbinden. Die rund 60 Kilometer lange Autofahrt ins kleine Hügelstädtchen dauert eine gute Stunde. Hier lässt man das Gefährt für den Rest des Tages am besten ruhen. Pienza, ein architektonisches Schmuckstück aus dem Mittelalter, lockt mit vielen kleinen Delikatessenläden und gemütlichen Cafés.

Ein Wanderweg durch das prachtvolle Val d’Orcia führt in anderthalb Stunden zur Azienda Agricola biologica Il Casale. Vor rund 30 Jahren aus der Schweiz eingewandert, produzieren Sandra Schmidig und Ulisse Brandli hier biologische Schaf- und Ziegenkäse. Bei schönem Wetter kann man diese auf der Gartenterrasse zusammen mit Honig, Marmeladen, Holzofenbrot und anderen Köstlichkeiten geniessen. Wer nicht mehr zurückwandern mag, kann beim Hof campieren oder bestellt für die Rückkehr nach Pienza einfach ein Taxi.

Am Mittwoch ruft das Meer. Wer Leonardo Salustri nach dem schönsten Ort an der Küste fragt, bekommt eine klare Antwort: Castiglione della Pescaia. Zugegeben, ein Geheimtipp ist das nicht. Das Küstenstädtchen ist vor Bausünden nicht verschont geblieben, der historische Teil aber hat viel Charme. Durch verwinkelte Gässchen steigt man hinauf zur mittelalterlichen Festung Rocca Aragonese. Hier oben öffnet sich ein fantastischer Blick über das Meer und die langgezogenen Sandstrände. Auf einem Stadtbummel laden verschiedene Fischrestaurants zur Einkehr. Eines der besten liegt, abseits vom Rummel, am südlichen Ende des alten Stadtteils. In der Osteria del Mare zelebriert Massimiliano Ciregia eine ebenso frische wie kreative Küche, in der kein einziges Gericht ohne Fisch oder Meeresfrüchte auskommt.

Nach dem Mittagsmahl bleibt Zeit für ein paar gemütliche Stunden am Strand oder einen Ausflug in den nahe gelegenen Parco Naturale della Maremma.

Mittwoch/Donnerstag: Ausgeruht ins Thermalbad

Gastgeberin Nara Salustri im Degustationsraum.

Mittwoch: Zeit für einen entspannenden Ruhetag auf dem Agriturismo. Die grosse Terrasse vor dem gedeckten Schwimmbad ist ein idealer Ort zum Faulenzen oder zum Lesen eines guten Buchs.

Auf Wunsch führen Leonardo oder Marco Salustri auch gerne durch den Weinkeller. Sie gehören zu jenen Winzern, die der Meinung sind, dass guter Wein im Rebberg entsteht. «Die beste Voraussetzung dafür sind starke, gesunde Reben, die in einem möglichst vielfältigen natürlichen Umfeld reifen», sind sich Vater und Sohn einig. Auf ihre Sangiovese-Reben sind sie besonders stolz – ein spezieller Salustri-Klon, der in Zusammenarbeit mit der Universität Pisa aus alten, besonders guten Rebstöcken selektioniert wurde. An diesen Rebstöcken reifen Trauben von hervorragender Qualität. Wichtig ist es aber, diese genau zum richtigen Reifezeitpunkt zu ernten. «Wenn das gelingt, gibt es im Keller fast nichts mehr zu tun. Guter Wein entsteht dann fast wie von selbst», sagt Leonardo. Die Salustri-Weine und alle andern hofeigenen Produkte wie Olivenöl, Schinken und Wurstwaren können im gemütlichen Degustationsraum verkostet werden. Der spätere Nachmittag ist wie geschaffen dafür.

Donnerstag: Zeit für einen weiteren Ausflug. Die Toskana ist bekannt für schöne Thermalbäder. Besonders hübsch und stilvoll ist der kleine, gut 50 Kilometer entfernt gelegene Badeort Bagno Vignoni bei San Quirico d’Orcia. Rund um ein grosses Thermalbecken gruppieren sich Herbergen, Restaurants und Läden in alten Steinhäusern. Besonders mystisch wirkt der Ort im Winter, wenn das warme Thermalwasser Dämpfe aufsteigen lässt und die alten Gemäuer in einen Nebelschleier hüllt. Über kleine, offene Kanäle ergiesst sich das Thermalwasser ins Tal und wird unten in idyllischer Felslandschaft in einem Becken aufgefangen, wo frei gebadet werden kann.

Freitag: Wilde Natur und Kunst am Monte Amiata

Der Monte Amiata, rund eine Autostunde von Poggi del Sasso entfernt, ist mit 1738 Metern über Meer nicht nur der höchste Berg der Toskana, sondern auch ein Wander- und Bikeparadies mit herrlichen Kastanien-, Eichen- und Buchenwäldern.

Zwei Attraktionen machen den Ausflug ebenfalls lohnenswert. Die reiche Fauna und Flora im Wildpark Parco Faunistico del Monte Amiata. Wem Kunst mehr sagt als freilaufende Hirsche, Rehe, Gämsen, Mufflons und Esel, findet unweit des Dorfes Seggiano, im Aufstieg zum Monte Amiata, den Giardino di Daniel Spoerri. Dieser grossartige Skulpturenpark, der sich über 16 Hektar in freiem Gelände erstreckt, zeigt über hundert Installationen und Skulpturen von bekannten Künstlern. Die meisten Werke stammen vom Schweizer Daniel Spoerri, der den Skulpturengarten Anfang der 1990er-Jahre anlegt hat. Zu sehen sind aber auch spektakuläre Werke von Eva Aeppli, Dieter Roth, Jean Tinguely, Meret Oppenheim und Olivier Estoppey. Von Letzterem stammt die Installation «Dies Irae» (Tag des Zorns) mit zwei Trommlern und 160 Gänsen aus Stahlbeton (Bild oben). In diesem Garten der Kunst kann man problemlos ein paar Stunden staunend verweilen.

Flugs ist die Ferienwoche beim Winzer vorüber. Wem eine Woche zu kurz ist, der hängt einfach eine zweite an. Langweilig wirds nicht, die Auswahl an attraktiven Ausflugszielen und sportlichen Aktivitäten (Wandern, Biken, Reiten) in der Toskana ist noch lange nicht erschöpft. Als schöne Alternative für eine zweite Ferienwoche eignen sich auch Aufenthalte auf andern Toskana-Weingütern wie Il Conventino, Buondonno, Badia a Coltibuono oder San Vito (siehe Artikel «Auftanken auf Delinat-Weingütern»).

Meine Empfehlung: Conterocca vom Weingut Salustri

Mit vielen neuen Erfahrungen und einem Rucksack voller Weinwissen kam das Team des Kundenservice im Mai von der Weiterbildungsreise aus Italien zurück. Aus den vielen Degustationen haben die Bildungsreisenden ihre sechs Favoriten ausgewählt, die im neuen Probierpaket «Giro d’Italia» gebündelt erhältlich sind. Hier die persönliche Empfehlung von Kevin Benz, Kundenberater in St. Gallen:

Das Weingut Salustri liegt mitten in der wild-romantischen Landschaft der Hochmaremma, im noch jungen DOCG-Gebiet Montecucco. Dort wurden wir von Leonardo und seinem Sohn Marco herzlich begrüsst.  Signor Salustri senior führte uns gleich  in sein Fachgebiet ein, den Rebberg. Auch hier sind die Weinberge von Hecken, Büschen und Bäumen umgeben – ein Naturparadies! Dort durften wir seinen eigenen Sangiovese-Klon, den er vor vielen Jahren in einem alten Rebberg entdeckt hatte, begutachten. Eingebettet in eine traumhafte Pflanzenvielfalt ist dieser spezielle Klon seine Trumpfkarte für die hervorragenden Weine.

Salustri
Links Leonardo Salustri, rechts der Autor. Im Hintergund hören weitere Bildungsreisende gespannt zu.

Nach dem Rundgang ging es zur Verkostung. Wir degustierten die gesamte Palette der Salustri-Weine durch. Es war ein herrliches Vergnügen! Jeder Wein wurde von einer spannenden Geschichte und wohlriechenden Speisen begleitet.

Einer zog mich besonders in seinen Bann: Der Conterocca, ein authentischer Toskaner, wird aus den regionstypischen Trauben Sangiovese und Ciliegiolo gekeltert. Mich überzeugte er durch den Duft nach frischen dunklen Beeren, Steinobst und Kaffee. Im Gaumen erlebt man einen knackigen Auftakt, gefolgt von einem samtigen leicht herben Gaumengefühl und einem fruchtig-würzigen Abgang. Ein Wein mit viel Charakter.

Durch die frische und angenehme Säure, gepaart mit seiner Würzigkeit und dem angenehm spürbaren Tannin, ist der Conterocca ein perfekter Begleiter zu Speisen, welche reich an Kohlenhydraten sind, wie einem klassischen herzhaften Ragú Bolognese mit Pancetta. En Guete!

Weitere Empfehlungen der Bildungsreisenden:

Der neue Toskaner

Eigentlich sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben. Für die Einführung eines neuen Weines bedeutet das: Warten auf das Urteil unserer Kundinnen und Kunden. Doch in diesem Fall wage ich eine Prognose ohne geringste Befürchtung, mir die Hände zu verbrennen: Mit seinen herrlich frischen Aromen nach Zwetschge und Cassis, seinen würzigen Noten nach Kaffee und Leder, seiner harmonischen Struktur und seinem feinkörnigen Tannin wird der Conterocca als eleganter Toskaner rasch viele Anhänger finden.

Toskana pur – die Autorin (links) mit Leonardo Salustri beim Spaziergang durch die Weinberge

Davon sind auch Leonardo und Marco Salustri überzeugt. Dass ihnen hier ein kleines Meisterwerk zu einem äusserst attraktiven Preis gelungen ist, hängt einerseits mit der intakten Natur der Hochmaremma zusammen, in die ihr Weingut eingebettet ist, und andererseits mit dem Können der beiden Winzer. Die Sangiovese- und Ciliegio-Trauben für den Conterocca stammen aus ökologisch hochwertigen Weinbergen mit sandigen und steinigen Böden. Diese lassen den Rebstöcken genügend Luft zum Atmen, zwingen sie aber gleichzeitig, sich tief in den Boden zu bohren, um an genügend Nährstoffe heranzukommen. So reifen die Trauben langsam aber harmonisch aus. Der für den Weinberg zuständige Leonardo Salustri achtet als erfahrener Fuchs zusätzlich peinlichst genau auf die phenolische Reife der Trauben: Erst wenn die optimale Balance zwischen Zuckergehalt sowie reifen Aromen und Gerbstoffen erreicht ist, werden die Trauben von Hand geerntet und dann von Sohn Marco vinifiziert. Die Gärung übernehmen Naturhefen, auf einen Ausbau im Holzfass wird verzichtet, um die Traubenaromen möglichst unverfälscht in die Flasche zu bringen.

Der Conterocca ist ein unkomplizierter, echter Toskaner – bestens geeignet, Tag für Tag für etwas Vorfreude auf die nächste Toskana-Reise zu wecken. Eine ausführliche Reportage über den neuen Tropfen von Salustri sowie andere Weinperlen aus diesem Ferienparadies zwischen Florenz und Rom finden Sie im neuen Magazin WeinLese 28, das Ende August erscheint. Schon jetzt viel Spass bei der Lektüre und genussreiche Stunden mit unseren Toskanern.