Weinlese

Nun steht sie bereits vor der Türe oder hat in gewissen Teilen Europas schon angefangen – die Weinlese. Die Früchte eines ganzen Sommers voller Arbeit und Sorge werden nun geerntet. Idealer Erntezeitpunkt ist, wenn die Trauben eine bestmögliche Balance zwischen dem Zuckergehalt, der zurückgehenden Säure und – bei den Rotweinsorten – den Phenolen (genügend Farbe, ausgereifte Tannine) aufweisen. Diese Ausgewogenheit nennt man die physiologische Reife. Nicht alle Sorten werden gleichzeitig gelesen – es gibt früh- bis spätreife Sorten. Der erwünschte Weintyp spielt auch eine entscheidende Rolle. So werden die Trauben für Schaumweine und Rosés viel früher gelesen als für kräftige Rotweine oder Spätlesen. Auch das Wetter muss mitspielen. Regen und Feuchte können zu Fäule oder zu einem hohen Wasseranteil in den Trauben führen.

Aufwendige Handlese

Handlese im Weinberg

Man unterscheidet bei der Ernte zwischen der Handlese und der maschinellen Lese mit dem Traubenvollernter. Bereits im Weinberg kommt es zur Qualitätstrennung. Bei der Lese von Hand arbeiten die Winzer und Winzerinnen mit einem bis zwei Eimern. So können weniger reife oder faule Trauben entweder auf den Boden geschnitten oder in den zweiten Eimer – für einen Rosé oder einen Wein von geringerer Qualität – gelesen werden. In schwierigen Jahren wird oft auch in mehreren Durchläufen gelesen, um immer den idealen Reifezustand zu erwischen. Man wählt kleine Kisten, damit die Trauben unbeschädigt in die Kellerei gelangen und nicht durch ihr Eigengewicht angequetscht werden. Das «Herbsten» von Hand erfordert viel Zeit. Da die Stiele mit abgeschnitten werden, müssen die Trauben vor dem Keltern erst entrappt werden.

Heikle Maschinenlese

Vielerorts ist auch bei der Lese die Maschine kaum mehr wegzudenken. Immer mehr Winzer beklagen sich, dass sie kein geeignetes Lesepersonal finden, und setzen deshalb einen Traubenvollernter ein, sofern es das Gelände zulässt. Auch kann in südlichen Gebieten kühleres Traubengut dank nächtlicher Ernte eingebracht werden. Ist der ideale Lesezeitpunkt aufgrund der Traubenreife bestimmt, sollte die Lese zügig vorangehen. Die Maschine fährt rechts und links einer Zeile entlang und rüttelt mit gebogenen Schlägern daran. Dadurch fallen die Traubenbeeren vom Stielgerüst auf bewegliche Schuppen am Vollernter. Von den Schuppen rutschen die einzelnen Beeren auf Transportbänder, und von dort werden sie in Behälter befördert. Am Ende einer jeden Rebzeile werden die vollen Behälter in Maischewagen abgekippt und die Trauben abtransportiert. Moderne Maschinen vermögen heute das Lesegut schonend zu ernten, eine qualitative Trennung der Trauben ist jedoch nur bedingt möglich. Eine sehr schnelle Weiterverarbeitung des Traubenguts ist notwendig, denn wenn die Beeren aufplatzen, beginnt der Most rasch zu oxidieren, was zu unerwünschten Aromen im Wein führt. Auch können sich in dieser Zeit unerwünschte Hefen, Bakterien und Pilze vermehren. Abgesehen davon ist die Belastung für den Boden durch diese schweren Maschinen nicht zu vernachlässigen. Hauptargument für die maschinelle Traubenlese sind aber sicher die Kosten. Rechnet man bei der Handlese mit 200 bis 300 Arbeitsstunden pro Hektar (inklusive Abtransport), so sind dies mit dem Traubenvollernter nur zwei bis vier Stunden.

Delinat bevorzugt Handlese

Befürworter der maschinellen Methode sagen, dass die maschinelle Ernte keine negativen Folgen auf die Weinqualität hat. Gegner hingegen sind überzeugt, dass – auch wenn die Trauben alle ideal ausgereift sind – der Wein viel schneller altert als bei einer Handlese. Delinat akzeptiert beide Erntemethoden bis zum Niveau von 2 Schnecken. Der Handlese ist aber der Vorzug zu geben. Der Hauptgrund hierfür ist das enorme Gewicht der Maschinen mitsamt Erntegut, das unvermeidlich Bodenverdichtungen zur Folge hat. Diese führen zu verminderter biologischer Aktivität, schlechter Nährstoffdynamik und geringerer Wasserhaltekapazität.

Martina Korak
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1 comment

  1. Da ich von der „Problematik der Maschinenlese“ unmittelbar betroffen bin, habe ich den Artikel mit großer Aufmerksamkeit gelesen.
    Interessant ist ja ohnehin, dass das einzige Argument für Maschinenlese in „wirtschaftlichen“ Überlegungen liegt; alle anderen weinbaulichen Aspekte (Bodenverdichtung, mangelhafte Aus-„Lese“ usw. – sprechen ja deutlich dagegen.
    Einen Aspekt hat Korak allerdings nicht angeführt: Die Maschinenlesen befördert den Befall durch Essigbakterien (und die Kirschessigfliege)! Meine Beobachtung ist, dass – insofern die Maschine niemals alle Trauben erntet – die hängenden Resttrauben großflächig eine ideale Basis für deren Vermehrung darstellt. Denn im Gegensatz zu handgelesenen Trauben, wobei – wie richtig festgestellt – unbrauchbare Trauben auf dem Boden landen und dort bald von Bodenmorganismen abgebaut werden, hängen die maschinegelesenen über den ganzen Winter. Es bleibt genug Zeit für eine großflächige Eiablage und – entwicklung usw. Ich denke, dass in absehbarer Zeit, das „Essigproblem“ durch Maschinenlese mit hochgezogen wird.
    Absurderweise erinnere ich mich an Zeiten, als (Öko-)WinzerInnen massiv kritisiert wurden, wenn sie Tresterabfälle in den Weinbergen kompostiert haben, weil sie damit die „Essigproblematik“ befördern würden. Das mag sogar im Einzelfall eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Allerdings ist dieser Anwurf in Hinblick der Maschinenlese, die nunmehr als großer ökonomischer Wurf gefeiert und praktiziert wird, doch ziemlich dreist! Denn ein fachgerecht angelegter Tresterkompost hat erstens Bodenkontakt (wird schnell mitsamt der Essigbakterien umgesetzt) und ist allenfalls punktuell in den Weinbergen vorhanden und nicht flächendeckend.

    Dies scheint mir ein weiteres Beispiel, wie sich häufig hausgemachte Probleme zu allgemeinen hochschaukeln, die dann ihrerseits „alternativlos“ brachial angegangen werden (müssen?).

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