Die Walze im Weinberg

Kaum ein Nachbar kann sich an einer so üppigen Leguminosen-Begrünung erfreuen wie Walter und Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof im rheinhessischen Westhofen. Die fast meterhoch blühenden Pflanzen waren eine wahre Augenfreude. Statt nun zu mähen und dann wie sonst üblich zu mulchen, haben die Zimmers die Pflanzen niedergewalzt: Diese Methode wurde im Delinat-Institut entwickelt und wird seither nicht nur auf Delinat-Weingütern gern angewandt.

Vorher und nachher: Walter Zimmer mit blühenden Leguminosen und mit Walze.

Was also ist der Vorteil beim Walzen? Das ist einfach erklärt: Durch das Walzen werden die Halme geknickt. Der Saftfluss im Stiel der Pflanzen wird unterbrochen und damit der Wasserverbrauch reduziert. Die Stiele selbst werden aber nicht zerstört, sondern bilden eine lebendige Mulchschicht. Die niedergewalzten Pflanzen bleiben am Boden liegen, den sie so vor Austrocknen und Evaporation schützen. Durch die lebende Pflanzendecke wird zusätzlich die Erosion eingedämmt und der Boden wird beim Befahren der Rebzeilen mit dem Traktor nicht verdichtet.

Die Wurzeln bleiben aktiv und versorgen den Boden mit Luft. Dies begünstigt den Erhalt einer reichen Mikrofauna (kleinste Bodenkriecher und -wühler wie Amöben, Fadenwürmer und Milben) und Mikroflora (Pilze wie Mykorrhiza, Algen, Bakterien und Flechten). Beiden kommt durch ihre Humifizierung und Mineralisierung des organischen Materials eine wichtige Aufgabe innerhalb des Ökosystems zu.  Vor allem Mykorrhizen sind mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt und verbessern so nicht nur die Aromatik der Trauben, sondern machen die Reben widerstandsfähig gegen Krankheitserreger. Lesen Sie hier mehr dazu.

Die gewalzten Pflanzen blühen am Boden weiter und bilden so Lebensraum für nützliche Insekten. Das Walzen kommt also nicht nur dem Boden und damit letztendlich dem Wein zugute – es schützt und bewahrt auch die Artenvielfalt im Weinberg.

Emil Hauser

8 comments

  1. Die über 60 Tagfalterarten auf den Weinbergen des Delinat-Instituts bezeugen, dass ihnen das Walzen nicht schadet. Die Pflanzen blühen nach dem Walzen tatsächlich weiter. Am Delinat-Institut, wo der Rolojack entwickelt wurde, wird heuer bereits in der vierten Saison gewalzt. Wer mag, kann es sich gern am 15. September bei der nächsten öffentlichen Führung im Wallis anschauen.

  2. Für einen Ökologen erscheint mir diese Methode sehr vielversprechend. Dadurch, dass die Pflanzen nur gequetscht werden und dann weiter wachsen können, ist die Lücke der Pflanzenverfügbarkeit für die bewohnenden Insekten kürzer. Das ist positiv gegenüber einer Mahd. Hier wäre es sehr wichtig zu prüfen, ob alle Organismen (z.B. Tagfalter im Weinberg) diese Art der Behandlung überleben. Es ist nämlich nicht nur wichtig, das Bienen genug zu fresen finden, sondern auch ob typische Arten der Weinberge (wie z.B. Tagfalter) weiterhin gute Lebensbedingungen vorfinden. Eine lohnende Aufgabe für das Delinat-Institut!

  3. Ich denke, der Saftfluss wird durch das Knicken gemindert, aber nicht ganz verhindert, die Pflanzen leben also weiter – und vor allem bleiben bei dieser Methode auch die Kleinstlebewesen verschont, die sonst beim Häckselmulcher „zerfetzt“ werden. Bei einem nachbarlichen Weingarten bei mir im Kamptal wird das bereits praktiziert.

  4. Als Imker stellt sich bei mir die Frage, ob das Niederwalzen nach dem Abblühen nicht sinnvoller wäre.

    Gruß

    Klaus Nadler

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