Die Magie des Terroirs

Riesling schafft es wie keine andere Weissweintraube, im Wein seine Herkunft zu verraten. Vorausgesetzt, der Winzer pfuscht der Natur nicht ins Handwerk. Nabel der Riesling-Welt ist Deutschland. Fünf Delinat-Winzer erzählen, wie sie die Magie des Terroirs ins Glas bringen.

riesling-terroir

Viele sprechen von Terroir, ohne zu wissen, was es ist», sagt Hansjörg Rebholz vom Weingut Ökonomierat Rebholz in Siebeldingen in der Pfalz. Er gehört zu den renommiertesten deutschen Riesling-Erzeugern und setzt sich intensiv mit den Themen Terroir und Mineralität auseinander. Das zeigt sich schon im Verkostungsraum, wo er seine Gäste empfängt. Hier hängen die verschiedenen Bodenprofile seiner Rebberge als Kunstwerke an der Wand: Muschelkalk, Buntsandstein, roter Schiefer, Löss und Lehm. «Terroir ist wissenschaftlich betrachtet nicht schmeckbar. Aber der Boden, die Mikrobiologie, die Hefen, die Lage und das Klima haben einen grossen Einfluss auf den Wein», erklärt Rebholz. Ebenso gross ist jedoch der Einfluss des Winzers. Je stärker er der Natur den Vorrang lässt, desto ausgeprägter kommt das Terroir im Wein zum Ausdruck. Hansjörg Rebholz hat deshalb klare Prinzipien: Das Wichtigste für authentische Terroir-Weine sind für ihn Trauben mit perfekter physiologischer Reife. Die erreicht man gemäss seinen Erfahrungen am besten mit biodynamischer Bewirtschaftung. Je trockener ein Riesling ausgebaut wird, desto purer ist er in der Nase und umso besser lassen sich Terroir und Mineralität abbilden. Ein schönes Beispiel dafür ist sein Spitzengewächs Ökonomierat Rebholz Riesling Ganz Horn. Die Reben gedeihen auf kargen Verwitterungsböden aus Buntsandstein und etwas Muschelkalk. Sie ergeben nur wenig Ertrag, was die Ausprägung der Aromen begünstigt. Der Wein hat einen ausgesprochen individuellen Charakter mit den für Buntsandstein typischen Fruchtaromen von Pfirsich, Aprikose und Apfel.

Böden mit Muschelkalk enthalten Spuren, die über Millionen Jahre zurückreichen.
Böden mit Muschelkalk enthalten Spuren, die über Millionen Jahre zurückreichen.

Perfekte Traubenreife

Alex Pflüger
Alex Pflüger, Weingut Pflüger, Pfalz.

Ebenfalls in der Pfalz, etwas weiter nördlich in Bad Dürkheim, ist Alex Pflüger zu Hause. Seine Riesling-Reben gedeihen auf ähnlichen Böden: Neben Buntsandstein dominieren im Wechselspiel rote und weisse Kalksteinböden. «Mit gutem, präzisem Handwerk nach biodynamischen Richtlinien versuchen wir, das gesamte natürliche Umfeld im Wein einzufangen», beschreibt er seine Arbeitsweise. Das A und O sind auch für Pflüger perfekt gereifte Trauben aus ökologisch intaktem Umfeld: «Hat man fantastisches Traubengut, besteht die grösste Kunst des Kellermeisters darin, es nicht kaputtzuverarbeiten.» Pflüger-Rieslinge sind fast immer trocken ausgebaut. So wirkt sein Riesling Herrenberg Terrassen puristisch und präzise, dank milder Säure und exotischen Duftnoten gleichzeitig elegant und blumig.

Der nackte Wahnsinn

Timo Dienhart
Timo Dienhart, Weingut zur Römerkelter, Mosel.

«Die Aura des Terroirs ins Weinglas zu bringen, gehört für mich zu den schönsten Herausforderungen eines Winzers», sagt Timo Dienhart vom Weingut zur Römerkelter an der Mosel. Wie geht das? «Indem ich die natürlichen Kräfte nutze», sagt er auf dem Weg zum Honigberg, wo uns gewahr wird, dass sich seine Weingärten von jenen des konventionell wirtschaftenden Nachbarn wie Tag und Nacht unterscheiden. «Bei meinem Nachbarn sieht man zwar eindrucksvoll die typischen Schiefersteine. Aber das ist der nackte Wahnsinn. Die stark abfallenden, unbegrünten Böden sind schutzlos der Witterung und damit der Erosion ausgesetzt. Humus und Nährstoffe werden einfach weggebrannt, ausgewaschen und weggeschwemmt.» In den Weinbergen von Timo Dienhart dagegen ist vom Schiefer wenig zu sehen. Er verbirgt sich unter einem üppigen Pflanzenteppich. Die selbstkreierte Kräuterbegrünung mit rund 20 verschiedenen Pflanzen reguliert den Wasserhaushalt, schützt die Reben vor Erosion und versorgt sie mit wertvollen natürlichen Nährstoffen. «Auch der Einbezug biodynamischer Kriterien ist mir sehr wichtig. Nur so gelingen Weine mit bestem Trinkfluss und vollendetem Genuss», sagt Timo Dienhart. So kommt etwa bei seinem Riesling vom Schiefer, einem leichtfüssigen Gaumentänzer, das Terroir unter anderem in Form von ausgeprägter Mineralität zur Geltung.

Biodiversität stärkt Terroir

Tobias Zimmer, Weingut Hirschhof, Rheinhessen.
Tobias Zimmer, Weingut Hirschhof, Rheinhessen.

Auf dem Weingut Hirschhof in Rheinhessen erzeugt das Winzerpaar Ellen und Tobias Zimmer nach den aktuellsten Erkenntnissen des biologischen Weinbaus authentische Weine. Einer davon ist der exklusiv für Delinat gekelterte Riesling Terra Rossa. Mit einem Anteil von gut einem Drittel ist Riesling auf dem Hirschhof die wichtigste Traubensorte. «Die Sorte reagiert stark auf verschiedene Böden. Der Riesling ist deshalb gut geeignet, um das Terroir herauszuarbeiten», ist Tobias Zimmer überzeugt. Als ideal für Riesling bezeichnet er Böden mit hohem Gesteinsanteil. «Löss und Sand sind weniger geeignet, da in diesen kaum Mineralien stecken.» Einen wichtigen Einfluss auf das Terroir hat für Tobias Zimmer die Biodiversität innerhalb eines Weinbergs. «Wenn sich die Reben gegen andere Pflanzen behaupten müssen, sind sie stärker und widerstandsfähiger. Sie wurzeln tiefer und kommen so besser an die verschiedenen Mineralien heran.» Wie vielerorts in Rheinhessen sind die Hirschhof-Böden von Kalkstein geprägt. «Riesling aus Rheinhessen und aus der Pfalz unterscheiden sich relativ wenig – ganz im Gegensatz etwa zum Mosel-Riesling von Schieferböden», so Tobias Zimmer.

Zwei Güter – zwei Terroirs

Schieferboden prägt die erstklassige Hanglage Pettenthal in Rheinhessen.
Schieferboden prägt die erstklassige Hanglage Pettenthal in Rheinhessen.

Wie stark sich der Riesling vom Boden beeinflussen lässt, weiss kaum jemand besser als Oliver Spanier und Carolin Spanier-Gillot. 2006 haben die beiden geheiratet und je ein Weingut mit in die Ehe gebracht: Carolin den von ihren Eltern übernommenen Betrieb Kühling- Gillot in Bodenheim unweit von Mainz und Hans-Oliver Spanier sein Gut Battenfeld- Spanier in Hohen-Sülzen bei Worms. Beide Weingüter gehören zu den renommiertesten in Rheinhessen. Die Reben wachsen auf völlig verschiedenen Böden und Lagen: jene von Kühling- Gillot auf steilen Hängen mit Rotschiefer direkt über dem Rhein, die von Battenfeld-Spanier auf hügeligen Kalksteinböden.

Oliver Spanier, Weingut Battenfeld-Spanier, Rheinhessen.
Oliver Spanier, Weingut Battenfeld-Spanier, Rheinhessen.

Hans-Oliver Spanier ist für die Produktion beider Weinlinien zuständig. Nichts bereitet dem bekennenden Biodynamiker mehr Freude, als die Eigenheiten des Terroirs auf die Weine zu übertragen. «Wir machen eigentlich Naturweine, verzichten auf Eingriffe und Schönung», sagt er. Die Unterschiede der beiden Weinlinien sind terroirbedingt markant. Der auf Kalkstein reifende Battenfeld Riesling Salamander ist geprägt von fruchtigen Aromen (Limetten und Grapefruit), feiner Mineralität und kräftigem Körper. Beim Grossen Gewächs Kühling-Gillot Riesling Pettenthal sorgen der steinige Schieferboden, die steile Lage, die optimale Sonneneinstrahlung und das vom Rhein beeinflusste Klima für ganz andere Aromen: Mandeln, Tabak und Würze harmonieren mit fein ziselierter Säure und Mineralität.

 

 

Die Walze im Weinberg

Kaum ein Nachbar kann sich an einer so üppigen Leguminosen-Begrünung erfreuen wie Walter und Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof im rheinhessischen Westhofen. Die fast meterhoch blühenden Pflanzen waren eine wahre Augenfreude. Statt nun zu mähen und dann wie sonst üblich zu mulchen, haben die Zimmers die Pflanzen niedergewalzt: Diese Methode wurde im Delinat-Institut entwickelt und wird seither nicht nur auf Delinat-Weingütern gern angewandt.

Vorher und nachher: Walter Zimmer mit blühenden Leguminosen und mit Walze.

Was also ist der Vorteil beim Walzen? Das ist einfach erklärt: Durch das Walzen werden die Halme geknickt. Der Saftfluss im Stiel der Pflanzen wird unterbrochen und damit der Wasserverbrauch reduziert. Die Stiele selbst werden aber nicht zerstört, sondern bilden eine lebendige Mulchschicht. Die niedergewalzten Pflanzen bleiben am Boden liegen, den sie so vor Austrocknen und Evaporation schützen. Durch die lebende Pflanzendecke wird zusätzlich die Erosion eingedämmt und der Boden wird beim Befahren der Rebzeilen mit dem Traktor nicht verdichtet.

Die Wurzeln bleiben aktiv und versorgen den Boden mit Luft. Dies begünstigt den Erhalt einer reichen Mikrofauna (kleinste Bodenkriecher und -wühler wie Amöben, Fadenwürmer und Milben) und Mikroflora (Pilze wie Mykorrhiza, Algen, Bakterien und Flechten). Beiden kommt durch ihre Humifizierung und Mineralisierung des organischen Materials eine wichtige Aufgabe innerhalb des Ökosystems zu.  Vor allem Mykorrhizen sind mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt und verbessern so nicht nur die Aromatik der Trauben, sondern machen die Reben widerstandsfähig gegen Krankheitserreger. Lesen Sie hier mehr dazu.

Die gewalzten Pflanzen blühen am Boden weiter und bilden so Lebensraum für nützliche Insekten. Das Walzen kommt also nicht nur dem Boden und damit letztendlich dem Wein zugute – es schützt und bewahrt auch die Artenvielfalt im Weinberg.