Wie robuste Sorten die Weinwelt verändern

Neue robuste Sorten verbinden Tradition und Innovation im Weinbau: Die neuen, widerstandsfähigen Rebsorten ermöglichen eine nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung – mit weniger Pflanzenschutzmitteln und besserer Anpassung an den Klimawandel. Nach Jahren der Skepsis erleben sie nun eine Renaissance und könnten den Weinbau der Zukunft entscheidend mitprägen.

Der Weinbau steht seit jeher in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. Eine der spannendsten – und kontrovers diskutierten – Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sind dabei sicher die neu gezüchteten PIWI-Sorten. Diese innovativen Reben versprechen nicht nur eine Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels, sondern auch auf die zunehmenden Ansprüche der Kundschaft an nachhaltige, naturnahe und pestizidfreie Weine. Doch der Weg der PIWI-Sorten ist kein einfacher. Um ihre heutige Bedeutung für den Weinbau zu verstehen, lohnt sich ein Blick in ihre bewegte Geschichte.

Rebzüchter Valentin Blattner bei der Weingartenbegehung.
Rebzüchter Valentin Blattner bei der Weingartenbegehung.

Innovation seit dem 19. Jahrhundert

Die Ursprünge der PIWI-Sorten reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Eine Zeit, in der verschiedene Pilzkrankheiten wie Mehltau, den europäischen Weinbau bedrohten. Damals begann man aus der Not heraus, europäische Edelreben (Vitis vinifera) mit krankheitsresistenten amerikanischen Wildreben zu kreuzen. Ziel war es, robuste Reben zu schaffen, die weniger anfällig für Krankheiten und Schädlinge waren, damit der Weinbau irgendwie überleben konnte.

Die Ergebnisse waren vielversprechend: Die neuen Hybriden erwiesen sich als äusserst widerstandsfähig und erforderten deutlich weniger Pflanzenschutzmittel. Das erlaubte auch zu Zeiten des Krieges eine vergleichsweise günstige Weinproduktion.

Vom Boom zur Nische im 20. Jahrhundert

Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebten die PIWI-Sorten einen Aufschwung, insbesondere in Regionen, in denen der Weinbau durch schwierige klimatische Bedingungen oder hohen Krankheitsdruck belastet war. Frankreich, Italien und Deutschland experimentierten mit den neuen Sorten. In den 1950er- und 1960er-Jahren sind die Flächen mit PIWI-Sorten in grossem Stil gewachsen.

Zeitweise war rund ein Drittel der Rebfläche Frankreichs mit diesen neuen Sorten bestockt. Doch dieser Erfolg war nur von kurzer Dauer. Schon bald stiessen diese sogenannten Hybridreben auf Widerstand. Zwar waren sie robust, doch die Weinqualität sorgte für Kritik. Weine aus den Hybriden galten als weniger aromatisch als diejenigen traditioneller Rebsorten. Diese Skepsis prägte die Wahrnehmung von PIWI-Sorten über Jahrzehnte. Die Aromen wurden als wenig komplex und oft als «foxig» (ein Begriff für den Geschmack von Weinen aus amerikanischen Wildreben) beschrieben.

In vielen Weinbauregionen Europas wurden Hybridreben deshalb von den Appellationen ausgeschlossen. Diese Regelungen sollten die Qualität der Weine schützen, führten jedoch dazu, dass PIWI-Sorten in der Weinwelt zunehmend marginalisiert wurden. Mit der Entwicklung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel konnten scheinbar viele der Probleme, die PIWI-Sorten ursprünglich lösen sollten, auch auf konventionelle Weise bewältigt werden. Dies reduzierte den Anreiz, in die Züchtung und Verbreitung pilzwiderstandsfähiger Reben zu investieren.

Valentin Blattner und die PIWI-Revolution

Erst Ende des 20. Jahrhunderts begann ein Umdenken. Der Schweizer Winzer und Rebenzüchter Valentin Blattner spielte dabei eine zentrale Rolle. Er erkannte, dass der Erfolg der PIWI-Sorten nicht nur von ihrer Widerstandsfähigkeit, sondern auch massgeblich von ihrer Weinqualität abhängt. Während in den meisten Forschungsinstitutionen Europas die Züchtungsprojekte nach und nach auf Eis gelegt wurden, begann Valentin in den 80er-Jahren, selbst neue PIWI-Sorten zu züchten, und dies mit Erfolg.

Durch innovative Züchtungstechniken gelang es ihm, neue PIWI-Sorten zu entwickeln, die sowohl robust als auch qualitativ hochwertig waren. Dank geschickter Rückzüchtung konnte Valentin nämlich unerwünschte Aromen gezielt herauszüchten, während die gewünschten Krankheitsresistenzen beibehalten wurden. So entstanden neue PIWI-Sorten, die überwiegend die Genetik von europäischen Sorten hatten, aber trotzdem robust gegenüber Krankheiten waren.

Autor Olivier Geissbühler (li.) und der katalanische PIWI-Pionier Josep-Maria Albet i Noya.
Autor Olivier Geissbühler (li.) und der katalanische PIWI-Pionier Josep-Maria Albet i Noya.

Beispiele dieser neueren PIWI-Generation sind Sorten wie Cabernet Blanc, Cabernet Jura oder Sauvignac, die heute immer noch von vielen Winzerinnen und Winzern geschätzt werden. Und die Innovation der PIWI-Sorten schreitet weiter voran: Im Sortengarten von Valentin stehen mittlerweile Sorten, die bestehende Sorten bezüglich Resistenz wie auch Geschmack in den Schatten stellen.

Bis diese zugelassen und in grösserem Stil angepflanzt werden, ist es nur eine Frage der Zeit. Die derzeitige Renaissance der PIWISorten ist eng mit der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit im Weinbau verbunden. PIWI-Reben benötigen deutlich weniger Pflanzenschutzmittel, was nicht nur die Umwelt schont, sondern auch die Kosten für die Winzerinnen und Winzer senkt. Zudem sind sie besser an die Herausforderungen des Klimawandels angepasst, da sie oft eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetterbedingungen aufweisen.

Insbesondere in der Bioweinproduktion spielen PIWI-Sorten eine immer wichtigere Rolle, da sie die Philosophie des natürlichen und nachhaltigen Weinbaus auf sehr konsequente Weise ermöglichen. Wir bei Delinat sind uns einig: Die Bedeutung von PIWI-Sorten wird in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen.

Moderne Rebsorten sichern die Weintradition

Die Geschichte der PIWI-Sorten zeigt eindrucksvoll, wie Innovationen im Weinbau zunächst skeptisch aufgenommen werden, bevor sie sich langfristig etablieren können. Von den ersten Kreuzungen im 19. Jahrhundert über die Herausforderungen des 20. Jahrhunderts bis hin zur heutigen PIWI-Renaissance: PIWI-Sorten sind ein Beispiel dafür, wie Tradition und Moderne miteinander in Einklang gebracht werden können. Denn die neuen robusten Sorten ermöglichen auch in Zukunft einen naturnahen, ressourcenschonenden und rentablen Weinbau.

Dank der Arbeit von Pionieren wie Valentin Blattner und der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit im Weinbau haben PIWI-Sorten das Potenzial, den Weinbau der Zukunft entscheidend zu prägen. Kurz gesagt: Es braucht neue, moderne, klimaangepasste Sorten, um die Weinbautradition am Leben zu erhalten!

Weinwissen: Was Hygiene im Weinkeller bringt

Önologin Martina Korak weiss: Sauberkeit im Weinkeller ist essenziell, für stabilen, guten und reinen Wein. Denn so finden unerwünschte Bakterien gleich keinen Nährboden, um im feinen Tropfen ungut mitzumischen.

Die Bedeutung der Hygiene im Weinkeller kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Weinkeller ist ein Lager und Reifungsort für das edle Getränk. Er ist entscheidend für die Endqualität des Weines. Der Weinkeller ist Lebensraum für verschiedene Mikroorganismen. Man kann also auch von einer Biodiversität im Keller sprechen.

Hygiene im Weinkeller verbessert die Qualität erheblich.
Hygiene im Weinkeller verbessert die Qualität erheblich.

Während bestimmte Hefen (Saccharomyces cerevisiae und gewisse Wildhefen) für die Gärung unerlässlich sind, können andere Mikroorganismen, wenn sie unkontrolliert wachsen, den Geschmack und das Aroma negativ beeinflussen. Unzureichende Reinigung führt zu Rückständen, die als Nährboden für diese Organismen dienen können.

Deshalb ist die Sauberkeit im Keller das A und O in allen Stadien der Weinbereitung. Heute setzt man grösstenteils auf Dampf, Wasser und Schwefel zur Reinigung der Behälter und Leitungen. Wenn klassische Reinigungsmittel verwendet werden, muss auf eine vollständige Entfernung der Rückstände geachtet werden.

Auf Betriebstemperatur

Ein oft unterschätzter Faktor ist der Einfluss der Temperatur auf die mikrobiologische Hygiene. Jedes dieser mikroskopisch kleinen Lebewesen hat seine ideale Betriebstemperatur. So kann der Winzer mit der Tank- beziehungsweise Kellertemperatur steuern, welche Mikroorganismen aktiv werden sollen. Gleichzeitig beeinflusst die Temperatur auch das Endprodukt Wein.

Während Weissweine von kühleren Gärtemperaturen profitieren, benötigen Rotweine höhere Werte, um die gewünschte Extraktion zu erzielen. Denn die Temperatur beeinflusst nicht nur die Geschwindigkeit der Fermentation, sondern auch die Komplexität des Weins. Während optimale Temperaturen das aromatische Potenzial und die Balance fördern, können extreme Werte – insbesondere über 30 °C – das Wachstum schädlicher Bakterien und unerwünschter wilder Hefen begünstigen.

Martina Korak studierte in Wädenswil Önologie. Seit 2000 arbeitet sie bei Delinat. Sie ist zuständig für den Weineinkauf in Italien, Frankreich, Österreich und Griechenland und für die Qualitätssicherung.
Martina Korak studierte in Wädenswil Önologie. Seit 2000 arbeitet sie bei Delinat. Sie ist zuständig für den Weineinkauf in Italien, Frankreich, Österreich und Griechenland und für die Qualitätssicherung.

Ausserdem beschleunigen höhere Temperaturen die chemischen Reaktionen, sodass auch die Oxidationsprozesse schneller ablaufen. In der Mikrobiologie spricht man dabei häufig von einem Konkurrenz- oder Verdrängungsprinzip. Das bedeutet, dass «gute» Mikroorganismen um verfügbare Nährstoffe, Raum und optimale Umweltbedingungen konkurrieren.

Wenn diese erwünschten Mikroorganismen in hoher Zahl vorhanden sind, können sie die ökologischen Nischen effektiv besetzen und so das Wachstum unerwünschter, potenziell schädlicher Mikroorganismen hemmen. Dabei spielen neben der reinen Anzahl auch weitere Faktoren eine Rolle wie Temperatur, pH-Wert, Sauerstoffgehalt und eben Hygienemassnahmen im Keller. Ein kontrolliertes und günstiges Umfeld für die guten Mikroorganismen unterstützt diesen Konkurrenzkampf.

Letztlich ist es immer ein Zusammenspiel all dieser Faktoren, das die mikrobielle Balance im Weinkeller bestimmt, und Hygiene im Weinkeller ist somit ein unverzichtbares Element der Weinproduktion.

Wie Moderne und Tradition im Essen schmecken

Wenn die Lebensgewohnheit zur Essgewohnheit wird: Wir haben mit Top-Köchen über Moderne und Tradition im Essen gesprochen.

Sandra Kollegger ist Köchin in Österreich. Gerade klaubt sie in ihrem Garten die ersten Kräuter zusammen. Die Montur stimmt, die Frisur sitzt. Kurze blonde Haare, entschlossene Art und ein gesticktes KoSa-kocht auf der blauen Kochschürze. So nennt sich die Mutter zweier Kinder, wenn sie im Dienste der Kulinarik unterwegs ist. Heute steht wieder ein Videodreh für Delinat an.

Wie gewohnt mit Rezepten, die einfach nachzukochen und deren Zutaten gut erhältlich sind. «Das ist mir wichtig bei meinen Rezepten », sagt Sandra Kollegger. «Auch in der Gastronomie sind das Produkt an sich und die Herkunft schon seit einiger Zeit wieder mehr in den Fokus gerückt.» Natürlich hätten auch grosse Trends, wie die Molekularküche – also das Dekonstruieren eines Gerichts in seine Bestandteile –, die Gastronomie vorangebracht. Für die Küche zu Hause sei der Fokus auf Produktqualität aber nachvollziehbarer, so die Köchin.

Private Haushalte kochen seltener mit frischen Zutaten, als noch vor einigen Jahrzehnten. Zeit wurde zum wichtigen Parameter - auch beim Essen.
Private Haushalte kochen seltener mit frischen Zutaten, als noch vor einigen Jahrzehnten. Zeit wurde zum wichtigen Parameter – auch beim Essen.

«Mich schreckt es regelrecht, wenn ich in den Supermärkten sehe, wie viel bereits verarbeitetes Essen verkauft wird. Wenn ich Haferflocken, quasi reinsortig, finden möchte, dann muss ich schon richtig gut suchen, zwischen all den Fertigmüslis », sagt Sandra. Dabei ist eines in Fertigprodukten dieser Art besonders vertreten: Zucker. «Meine Tochter ist inzwischen sehr aufmerksam. Letztens hat sie selbst auf der Verpackung nachgelesen, wie viel Zucker im Joghurt enthalten ist, und hat dann gemeint: ‹Mama, das kaufen wir nicht.› Das hat mich sehr stolz gemacht.»

Sandra Kollegger leitete jahrelang ein Sternerestaurant, und ist nun als selbstständige Köchin tätig.
Sandra Kollegger leitete jahrelang ein Sternerestaurant, und ist nun als selbstständige Köchin tätig.

Und doch fragt sich die Köchin, ob die Tradition, die wir in hundert Jahren vielleicht am meisten vermissen werden, das Kochen an sich ist. Wenig Zeit und auch weniger Know-how gäbe es. Immer wieder erreichten sie Anfragen von Erwachsenen, die nun mit dem Kochen beginnen wollten. Auf der anderen Seite bleibt die Österreicherin hoffnungsvoll: «Die Gastronomie macht es vor: Inzwischen gibt es ganze sternegekrönte Menüs, die ohne Fleisch auskommen. Die Vielseitigkeit von Gemüse wird immer mehr erkannt.»

Was Gemüse alles kann

Davon kann der vegane Koch Sebastian Copien ein Liedchen singen. Seit Jahren zeigt er in seinem Studio und bei vielseitigen Events vor, wie genial und gut vegane Küche schmecken kann. Vor Kurzem hat er gemeinsam mit Dominik Amann ein ganzes Buch zu gehobener veganer Küche verfasst: Vegan Fine Dining. Sein Blick auf die Moderne und Tradition im Essen: «Zum einen hat die Geschwindigkeit unseres Lebens extrem zugenommen.

Der vegane Spitzenkoch Sebastian Copien mit den Winzerberatern Arina Schefer und Daniel Wyss auf unserem Forschungsweingut Château Duvivier.
Der vegane Spitzenkoch Sebastian Copien mit den Winzerberatern Arina Schefer und Daniel Wyss auf unserem Forschungsweingut Château Duvivier.

Zum anderen verfügen wir über so viel Wissen wie noch nie – auch was Ernährung betrifft», so der Vegan-Koch. So sieht er in Zukunft zwei grosse Trends, die sich noch weiterentwickeln werden: «Die Frische der Zutaten wird immer wichtiger, und auch der Aspekt der Regionalität wird immer mehr beachtet.» Und: schnell verfügbare Mahlzeiten. Das ist die zweite grosse Welle, die gerade auf uns zukommt, sagt Copien. Hier als Koch und auch als Individuum die richtige Balance zu finden, um auf dieser Welle zu surfen und nicht unterzugehen, das ist eine ernährungstechnische Herausforderung der Zukunft.

Sebastian Copien sieht in der Puntarelle ein Gemüse der Zukunft. «Ich bereite die Knospen als rohen Salat «à la Romana» zu. In der veganen Version mit Kapern anstelle der Sardellen. Ein Gedicht.» Etwas traditionelleres als ein Gulasch gibt es für den Koch nicht. In Copiens Version gerne mit Kräutersaitlingen anstelle von Fleisch. Wenn die Hingabe und die Zeit für das Kochen irgendwann nicht mehr existieren, dann fände er das unglaublich schade. Doch dass das nicht passiert, daran arbeiten Copien und seine Kollegen mit Hingabe für den Beruf und mit der Veröffentlichung von Rezepten und Produkt- Know-how, das man auch zu Hause wunderbar anwenden kann.

Gemüse vom Dach

Heinz Reitbauer steht dem seit Kurzem zweiten mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant, dem Steirereck in Wien, vor. Auf dem Dach des hochdekorierten Restaurants ziehen er und sein Team Gemüse und Kräuter inmitten des Wiener Stadtparks. «Dieser Garten dient uns nur als Inspiration. Versorgt werden wir mit Gemüse aus der unmittelbaren Umgebung», so der Sternekoch mit dem munteren Blick und einer Geradlinigkeit und Disziplin, die viele Kollegen, aber auch Gäste und Medien bewundern.

Heinz Reitbauer gilt als einer der wichtigsten Botschafter für die Produktvielfalt in Österreich. «Ich fände es unglaublich schade, wenn regionale Besonderheiten verloren gingen », so Reitbauer, spitz gesagt, wenn es bald überall nur mehr Pizza, Burger und Kebab gäbe. Besonderheiten hätten nun einmal mehr Erklärungsbedarf. Es ist nicht der einfachere, aber der besser mundende Weg, ist sich Reitbauer sicher. Denn auch wenn Informationen durch Internet und Co. inzwischen weit schneller fliegen – man kenne trotzdem nur die kulinarischen Überschriften eines jeden Landstrichs, sagt Reitbauer. «Um Traditionen zu entdecken, kommt einem die Innovation zu Hilfe.

Inzwischen erhalten wir durch moderne Technik Einblicke in die Kulinarik auf der ganzen Welt. Natürlich muss man dann seinen eigenen Weg finden, um diese Einblicke anzuwenden. Aber sie erweitern den Horizont und zeigen auch, was man nicht tun sollte», so der Sternekoch. Zu jenen Zeiten, in denen ohne Steinbutt und Jakobsmuschel auf der Karte, und das weltweit, ohnehin keine Auszeichnung möglich war, war das anders. Heutige Innovation in der Gastronomie ist es, die kulinarische Tradition eines Landes anhand modernster Technik aufzuzeigen. So gelangen diese Trends in private Küchen, und schon ist auch dort «das Produkt der Star», und zwar der Sellerie anstelle des Rinderfilets.


Low intervention, maximum attention: Familie Moser im Kremstal

Ein Gespräch zwischen Vater, Tochter und Delinat bei Vitikultur Moser im Kremstal. Die Familie betreibt Weinbau seit 17 Generationen. Ihre grösste Tradition? Die Innovation.

Da sitzen wir also. Ein alter Schrank aus Naturholz stärkt den Rücken. Ansonsten sind wir umgeben von Büchern rund um den Weinbau, aber auch zu anderen Themen, die Kopf und Geist berühren. Niki Moser, Winzer in der 16. Generation, ist sehr vieles, aber vor allem ein offener Mensch, der mit Bauchgefühl, Wissen und Recherche alles abwägt, was ihm an Informationen begegnet. Dabei ist er selbst ein offenes Buch, wenn es darum geht, über seine Familie und auch über den Weinbau, seine Liebe zur Natur und vor allem zu Bäumen zu sprechen.

Bäume pflanzen ist wohl sein liebstes Hobby, lächelt Winzer Niki Moser aus dem Kremstal.
Bäume pflanzen ist wohl sein liebstes Hobby, lächelt Winzer Niki Moser aus dem Kremstal.

Von Glück und Generationen

Es ist ein Glück, dass es Menschen wie Niki Moser gibt – und für Weinfreunde ein noch grösseres Glück, dass seine Familie sich dem Weinmachen verschrieben hat. Im Wein spiegelt sich bekanntlich immer auch der Charakter seines Schöpfers wider. Niki Moser zählt dabei zu den wenigen Träumern, denen es gelingt, ihre schöngeistigen Ideen nicht nur in die Realität umzusetzen, sondern diese auch authentisch in ihren feingliedrigen Weinen spürbar werden zu lassen.

Dazu gehören ganz im Sinne der Delinat-Methode ebenso das jährliche Pflanzen von Dutzenden Bäumen und meterlangen Böschungen, die Flora und Fauna ein Habitat bieten, und eine Philosophie der minimalen Intervention im Keller. «Weil wir es der Natur einfach schuldig sind», so Niki. Mit einer Tradition des konventionellen Weinbaus nach Generationen zu brechen, weil das Bauchgefühl das sagt, und der folgenden Generation die Freiheit zu geben, selbst zu entscheiden: Das ist schon eine grosse Leistung.

Heute zeichnen auch Kathi Moser und ihr Mann Jan Moser-Vavricka für das Weingut verantwortlich. (c) Vitikultur Moser
Heute zeichnen auch Kathi Moser und ihr Mann Jan Moser-Vavricka für das Weingut verantwortlich. (c) Vitikultur Moser

Und ein sehr mutiger Schritt, wenn man wie Niki Moser einer der traditionellsten Winzerfamilien Europas angehört, deren Weinkelter-Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Umso schöner ist es, mitzuerleben, dass Familie Moser dafür nun schon seit Jahrzehnten mit intakten Rebbergen, in denen es vor Biodiversität nur so wuselt, und vor allem mit wunderbaren Weinen daraus belohnt wird.

Dabei kümmert sich Niki Moser gemeinsam mit Kellermeister Jan Moser-Vavricka um die Weingärten und den Ausbau der Weine. Tochter Kathi Moser zeichnet für den Export, die Präsentation der Weine im In- und Ausland sowie für das Marketing des Weinguts verantwortlich.

Vitikultur Moser

Eben ist Kathi Moser Mutter geworden. Seit 2018 ist sie nach dem Studium und nach Praktika im In- und Ausland zurück auf dem Hof. «Mir war nicht immer klar, dass ich Wein machen möchte. Zuerst habe ich in Wien Politikwissenschaften studiert. Erst als zu Hause Not am Mann war, habe ich gemerkt, was das hier für eine abwechslungsreiche und schöne Arbeit ist.»

Voller Leidenschaft und dabei mit dem so erfrischend anderen Blick auf die Dinge. Niki Moser war der erste in der Region der auf biologische Bewirtschaftung umgestellt hat. Das gutiert wahrscheinlich auch der Haus und Hofkater nebst Veltliner-Trauben. (c)Vitikultur Moser
Voller Leidenschaft und dabei mit dem so erfrischend anderen Blick auf die Dinge. Niki Moser war der erste in der Region der auf biologische Bewirtschaftung umgestellt hat. Das gutiert wahrscheinlich auch der Haus und Hofkater nebst Veltliner-Trauben. (c)Vitikultur Moser

Die Familie hält zusammen, keltert im Schulterschluss. Und daher trägt das Weingut nun nicht mehr den Namen Sepp Moser, sondern nennt sich als Familienbetrieb «Vitikultur MOSER». «In der Generationennachfolge habe ich es bestimmt leichter gehabt als mein Vater», sagt Kathi Moser. Sie hätte ihren Weg in ihrem Rhythmus und auch mit ihren Ideen beschreiten können. Auch dass sie schon so früh auf biodynamische Bewirtschaftung umgestellt und auch mit Delinat konsequent Schritte in Richtung noch mehr Biodiversität gesetzt hätten, mache sich heute bezahlt, ist die Winzerin überzeugt.

Low intervention, maximum attention

«Wir haben, gleich nachdem ich das Weingut im Jahr 2000 übernommen habe, Versuchsweingärten angelegt und auf biologische Arbeitsweise umgestellt», erinnert sich Niki Moser. «Das war eine echte Innovation zu einer Zeit, in der alles in eine sehr materielle Richtung ging.

Delinat-Winzer Niki Moser über Vitikultur und Bäume pflanzen

Wir haben nach und nach über Bord geschmissen, was ich in der Weinbauschule gelernt hatte. Nämlich, dass es ein Mittel gegen alles gibt. Also, dass der Mensch irgendwie alles richten kann», so Moser. «Aber das Ganze ist nun einmal viel komplexer. Es ist eine Art, zu denken und Wein zu machen, in die man erst einmal hineinwachsen muss.»

Das Bauchgefühl muss sich entwickeln, und natürlich sei er da zu seinen Anfängen allein auf weiter Flur gewesen mit diesem Denken. «Die Verantwortung ist grösser, aber ich bin überzeugt davon, dass das die einzige Art und Weise ist, wie wir Weinbau auch für die nächsten Generationen noch ermöglichen können.»

Und es gehe um so viel mehr als Weinbau. Man habe als Landwirt auch der Natur gegenüber eine Verantwortung, Lebensräume zu schaffen. «Da war der Input von Delinat schon immer eine gute Unterstützung», so der Winzer. «Gerade die Inspiration vom letzten Winzerseminar, etwa zum Thema Komposttee. Da bin ich mit vielen Ideen wieder heimgekehrt », sagt Niki Moser. «Wenn man so will», ergänzt Kathi Moser, «ist die grösste Tradition in unserer Familie die Innovation.»

Kathi Mosers Urgrossvater hat die in Europa weitverbreitete Form der Hocherziehung der Reben begründet. Niki Moser ist mit seiner Art, Wein zu machen, wieder zur Natur zurückgekehrt und war damit einer der Pioniere in Österreich. Das stets mit kompromissloser Qualität vor Augen.

Eine Frage der Lage

Eine Tradition, die Niki Moser sehr wichtig ist, ist die der Lagen. Der älteste von der Familie bewirtschaftete Weingarten «Ried Gebling» wird seit dem 13. Jahrhundert bewirtschaftet. «Wenn die Natur intakt ist, dann kann man ungeschminkte, authentische Weine machen. Weine, die ihre Herkunft glasklar zeigen», ist Niki Moser begeistert. Das ist die beste Art und Weise, Terroir auszudrücken.

Der Patron übergibt an seine Töchter

Wenn ein Weingut seit 1605 besteht und die 16. Generation gerade das Zepter übernimmt, ist die Frage nach der Tradition wohl obsolet. Doch kann ein Gut mit derart langjähriger Struktur auch modern sein? «Ja klar, Innovation steht bei uns hoch im Kurs», sagt Clémence Fabre, die zusammen mit ihrem Mann Louis-Jacques Ramin und ihrer Schwester Jeanne in die Fussstapfen ihrer Eltern Louis und Claire Fabre tritt.

Die Schwestern Jeanne (mi.re.) und Clémence Fabre (re.) treten gemeinsam mit deren Mann Louis-Jacques Ramin (li.) in die Fussstapfen von Louis (mi.li.) und Claire Fabre. (c) Deschamps

Während über 400 Jahren hatten auf Château Coulon der Familie Fabre im südfranzösischen Luc-sur-Orbieu die Männer das Sagen. Eine Tradition, die in ihrer absoluten Form allmählich zu Ende geht. Zwar ist Louis Fabre auch mit 71 Jahren noch immer ein beratender Patron, der mit seiner Erfahrung und seinem Pioniercharakter den Familienbetrieb stark geprägt hat. Aber Schritt für Schritt lässt er nun seine Töchter Clémence, Jeanne und Cécile die Zügel in die Hand nehmen. Während Clémence und ihr Mann Louis-Jacques Ramin den Weinbau in die Zukunft führen, konzentriert sich Zwillingsschwester Jeanne auf innovative Angebote im Bereich des Önotourismus. Die jüngere Schwester Cécile ist Anfang Jahr ebenfalls zum Team gestossen. Sie engagiert sich im Bereich Marketing und Kommunikation. Ausserdem plant sie, die alten Gebäude der Domaine zu renovieren und danach als gemütliche Öko-Unterkünfte anzubieten.

Die Aufzeichnungen der Familie Fabre als selbstständige Winzer reichen bis ins Jahr 1605 zurück. (c) Famille Fabre

Nicht operativ tätig auf dem Weingut sind die beiden Söhne. Grégoire lebt in Basel, unterstützt aber die Familie mit guten Ratschlägen im Bereich der Ökologie. André, der jüngste Spross der Familie, ist ein leidenschaftlicher Baumzüchter mit eigener Baumschule. Sein grosses Fachwissen stellt er dem Weingut im Bereich der Agroforstwirtschaft zur Verfügung. «Angeregt durch Delinat, gehört Agroforst zu den wichtigsten Innovationen der letzten Jahre in unseren Rebbergen», sagt Louis Fabre. «Gemeinsam haben wir agroforstwirtschaftliche Praktiken eingeführt, bei denen Bäume, Hecken und Weinstöcke in harmonischer und befruchtender Symbiose leben. Damit wird die Biodiversität verbessert, die Bodenerosion verringert und ein ausgewogenes Ökosystem geschaffen. Wir teilen das Ziel von Delinat, Weinberge regenerativ und als Mischstatt Monokultur zu bewirtschaften», so Louis Fabre.

Einmal Pionier – immer Pionier

Clémence freut sich darüber, dass ihr Vater 1991 mit der Umstellung auf biologischen Weinbau im Languedoc eine Pionierrolle übernommen und damit eine gesunde Basis für das heutige Weingut mit fünf Schlössern und 200 Hektar eigenen Reben geschaffen hat.

Clémence Fabre und ihr Mann Louis-Jacques Ramin zeichnen heute für den Weinbau der Familie verantwortlich (c) Famille Fabre
Clémence Fabre und ihr Mann Louis-Jacques Ramin zeichnen heute für den Weinbau der Familie verantwortlich (c)Famille Fabre

«Die Entscheidung für Bio war in den 1990er-Jahren aus kommerzieller Sicht nicht einfach. Aber mit der wertvollen Unterstützung von Delinat hat es geklappt», sagt Clémence. Sie und ihr Mann Louis-Jacques Ramin gehen den eingeschlagenen Weg konsequent weiter mit viel Elan und frischem Wind. Als neue Pionierrolle bezeichnet sie etwa die Experimente mit Pflanzenkohle, die seit 2022 laufen.

Aus organischen Abfällen hergestellte Pflanzenkohle soll CO₂ langfristig im Boden binden, den Wasser- und Nährstoffrückhalt im Boden verbessern und die Widerstandsfähigkeit der Reben stärken. Ein weiteres, aktuelles Beispiel zeigt, wie schön sich Tradition und Innovation auf einem Weingut kombinieren lassen. Im Februar wurden auf einer Länge von einem Kilometer neue Hecken und Bäume gepflanzt. Die mittlerweile zahlreichen Pistazien-, Quitten-, Mandel- und Olivenbäume werfen jedes Jahr Früchte ab, die unter den Mitarbeitenden verteilt werden.

Tradition und Innovation Hand in Hand

Laut Clémence gehört eine wachsende Nachfrage nach biologischen Weinen zu den aktuellen Trends im Weinbau des Languedoc. Das bestärkt die Familie zusätzlich, in diesem Bereich innovativ zu bleiben, ohne auf gewachsene und bewährte Traditionen zu verzichten.

Zu den traditionellen Weinen der Familie Fabre gehört der Rotwein Château Coulon Sélection spéciale, einer der beliebtesten Tropfen im Delinat-Sortiment. «Die Cuvée aus den traditionellen Sorten Carignan, Syrah, Mourvèdre und Grenache, ein Jahr im Barrique ausgebaut, verkörpert unser über Generationen überliefertes Know-how», sagt Louis Fabre. Zudem sei er stolz darauf, einen so beliebten Wein gemeinsam mit Delinat entwickelt zu haben. «Die Zusammenarbeit und das gemeinsame Tüfteln an den besten Verschnitten sind schon sehr besonders», ergänzt der Winzer.

Auf der Seite der Moderne steht die weisse Cuvée Iris, mehrheitlich aus pilzresistenten Rebsorten wie Floreal, Souvignier Gris und Sauvignac gekeltert. «Der Anstoss, auf robuste Rebsorten zu setzen, kam von Delinat», lächelt der Winzer. Die Cuvée Iris baut die Familie exklusiv für Delinat aus. Ein Feuerwerk von Aromen, das der Iris (Schwertlilie) gewidmet ist, die in grosser Zahl an den Rändern der Weinberge blüht. Clémence: «Ermutigt von Delinat und weil wir überzeugt sind, dass sich neue, robuste Rebsorten im Zusammenhang mit dem Klimawandel etablieren werden, haben wir bisher auf über zwei Hektar PIWI-Sorten gepflanzt.» Zu den weiteren Innovationen des Familienweinguts gehören Versuche mit Pét Nat, Orange- Weinen oder alkoholfreien Weinen.

Frischer Wind bei der Vermarktung

Auf Innovation setzt Familie Fabre aber nicht nur im Weinberg und in der Vinifikation, sondern auch beim Marketing. So hat Jeanne bereits mehrere Angebote im Bereich des immer stärker nachgefragten Önotourismus kreiert. Dazu gehört ein Escape-Game, bei dem Besucherinnen und Besucher auf spielerische Art und Weise Rätsel lösen müssen und dabei Einblick in die Geschichte und die Philosophie des Weinguts erhalten.

Gleiches vermittelt auch «La balade de la biodiversité». Der Biodiversitätsspaziergang gibt Einblick in den faszinierenden biologischen Weinbau der Famille Fabre und endet mit einer Verkostung bester Bioweine. Für Aufsehen hat das innovative Delinat-Weingut zudem an der «Wine Paris» 2025 gesorgt – mit einem aussergewöhnlichen Stand, der zu 100 Prozent aus recyceltem Karton bestand.

Beste Bio-Weine aus dem Veneto

Ein Leben für den Wein: Natalino Fasoli ist Winzer in dritter Generation. Vor mehr als 40 Jahren hat er auf biologische Bewirtschaftung umgestellt und war damit damals im italienischen Veneto allein auf weiter Flur. 2025 feiert das Weingut sein hundertjähriges Bestehen. Delinat-Winzer Natalino lässt den Weg zu den besten Bio-Weinen aus dem Veneto Revue passieren und blickt hoffnungsvoll in die vinophile Zukunft.

Für Winzer Natalino Fasoli gelingt guter Wein nur im Einklang mit der Natur.

Wir schwenken ins Illasi-Tal in Italien. Hier, mit Venedig im Rücken und dem Gardasee direkt vor uns, flankiert von der Po-Ebene, befinden wir uns auf traditionellem Boden für die Weinproduktion. Und treffen Natalino Fasoli. Er ist Winzer in dritter Generation auf dem Weingut La Casetta. Kinnlange, inzwischen graue Haare umrahmen das unverkennbare Fasoli- Gesicht: gütiger Blick mit einer aus den Augen blitzenden Freude am Weinmachen und an allem, was geselliges Zusammenkommen, insbesondere im Namen der Familie, des Weins und der Natur, bedeutet. Dazu kommt die stete Sorge, die einem Menschen ins Gesicht geschrieben steht, der die Natur sehr liebt, aber ihren Launen ein Stück weit auch ausgeliefert ist.

Natalino Fasoli und seine Weinberge: Das eine ohne das andere kann man sich kaum vorstellen. Die liebevolle Art, durch die Reben zu streifen, vorbei an gepflanzten Baumzeilen, die vielen Lebewesen eine Heimat bieten, beeindruckt. Da kennt jemand sein Terrain. Auf dem schwarzen Poloshirt des Winzers steht eingestickt: Gino Fasoli, anno 1925. Gino war Natalinos Vater, und dieses Jahr feiert das Weingut sein hundertjähriges Bestehen. Grund genug, einen Blick zurück und natürlich nach vorne zu werfen: Woher kommt das Weingut, wohin geht die vinophile Reise? Für Natalino Fasoli steht fest: keine Zukunft ohne Tradition.

Keine Zukunft ohne Tradition

«Du musst wissen, wo und wie. Tradition ist die Basis. Du musst dein Terrain kennen. Darauf baut man mit moderner Technik auf. Tradition liefert das nötige Wissen und Können. Doch du musst genau wissen, wann und wie du es anwendest. Nur wer die Grundlagen kennt, kann moderne Technik sinnvoll einsetzen – und genau das ist entscheidend, um heute Weine zu produzieren, die gefragt sind», ist Natalino überzeugt.

Nahe des schmucken Dörfchens San Bonifazio im Veneto liegen Fasolis Weingärten voller Biodiversitäts-Hotspots und Bäumen zwischen den Rebzeilen.
Nahe des schmucken Dörfchens San Bonifazio im Veneto liegen Fasolis Weingärten voller Biodiversität.

«Analysen und Kellertechnik helfen uns dabei, die Besonderheiten der Region und der Weinberge im Wein besser abzubilden», so der Italiener. In seinen jungen Jahren habe er sehr traditionelle Weine gemacht. Doch diese meist eher rustikalen Tropfen, oft weniger geschmeidig und rund, würde heute kaum mehr jemand trinken wollen. «Auch der Gaumen der Kunden hat sich verändert », sagt Natalino. Frische Weine, mit klarem Ausdruck, die ganz klar zeigen, woher sie sind, sind gefragt. «Und immer mehr Menschen wollen nicht nur wissen, wo ihre Weine entstehen, sondern auch wie.»

Grösste Innovation: neue Denkweise

Die mit Abstand grösste Innovation am Weingut war die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung vor mehr als 40 Jahren, so der Winzer. «Damals waren wir die ersten auf weiter Flur. Diese Entscheidung war nicht nur eine Umstellung unserer Art, zu arbeiten. Es ist eine neue Art und Weise, zu denken und die Welt zu betrachten.» Das Konzept des Respekts gegenüber Pflanzen, aber auch gegenüber den Tieren, für die seine Weingärten Lebensraum sind, ist allumfassend und prägt auch die Weine von La Casetta.

Diese Denkweise wie auch der Wein «beginnen in der Erde und enden im Glas des Konsumenten», sagt Natalino Fasoli. Dazu hätte auch Delinat in den letzten knappen drei Dekaden der Zusammenarbeit einen erheblichen Teil beigetragen, so der Winzer. «Ich bin stolz darauf, gemeinsam mit Delinat so viele unterschiedliche Weine entwickelt zu haben», so Natalino. Immer mit dem Gaumen der Delinat-Kunden und -Kundinnen im Gedächtnis. Auch im Weingarten fordere Delinat so einiges, lächelt der Winzer. «Aber die Mühen haben sich stets bezahlt gemacht.»

PIWI-Offensive im Veneto

Eine der neueren Entwicklungen am Weingut La Casetta ist die Arbeit mit resistenten Rebsorten. Vier Hektar hat der Winzer im Jahr 2024 an verschiedenen Parzellen neu gepflanzt. «Diese Initiative verdanken wir Delinat», so Natalino. Das sei die Zukunft des Weinkonsums.

Der Klimawandel bringt immer mehr unvorhersehbare Wetterkapriolen mit sich und auch die vermehrte Feuchtigkeit in der Region und der damit einhergehende Befall der Reben mit Mehltau sind eine Herausforderung. Und neue robuste Rebsorten sind eine Antwort, um dieser Problematik zu begegnen. Ausserdem muss man weit weniger oft mit dem Traktor durch die Weingärten. Denn die Reben benötigen einen Bruchteil der Behandlungen im Vergleich zu herkömmlichen Rebsorten. «Da schliesst sich der Kreis zum Respekt vor der Natur und den in den Weingärten lebenden Tieren», lächelt Natalino.

Weinsprache, neu aufgelegt

Wenige Regeln, diese aber sehr gut definiert. Das praktiziert man bei Fasoli seit hundert Jahren. Und seit etwa fünf Jahren noch einmal verschärft. «Die Welt des Weins hat sich verändert», sagt Paolo Zivelonghi, die rechte Hand von Natalino Fasoli und zuständig für den Export.

«Auch, wie wir über Wein sprechen. Wein darf heute mehr Spass machen. Das darf und soll man auch in der Sprache merken.» Immer mehr, vor allem junge Leute, interessieren sich zudem umso stärker für das Rundherum der Flasche, erklärt Paolo. Also, wo die Trauben wachsen, wie es in diesen Weinbergen aussieht und, nicht zuletzt, ob sie nach biologischen Richtlinien oder anderweitig bearbeitet werden, die Reben. Das sind Parameter, die heutzutage weit mehr in Betracht gezogen werden als früher.

Paolo ist sich sicher: «Noch nie hat man Wein so ganzheitlich betrachtet wie heute.» Je mehr man weiss, umso mehr Spass machen gute Weine auch.

Fasolis 100 Jahre Wein

Seit einem Jahrhundert produziert Familie Fasoli im Veneto Wein. Als biologisch arbeitende Winzer waren sie die Pioniere in der Region. Delinat ist stolz und froh, diesen Weg des guten Weins sowie des ganzheitlichen Denkens seit knapp 30 Jahren mitzubeschreiten.
Zu den beliebtesten Weinen aus unserem Sortiment zählen Fasolis Soave, der schmeckt wie ein gutgelaunter Gruss aus dem Veneto. Der Chiaretto di Bardlino zeigt, wie animierend Rosé sein kann, und der edle Amarone, das Aushängeschild der Region, gekeltert aus teils rosinierten Trauben aus besten Lagen. Wir gratulieren und prosten auch Ihnen liebe Kunden herzlich zu. Auf das Veneto, auf die Biodiversität!

Auf ein Glas mit… New Roots

Alice Fauconnet aus Frankreich und Freddy Hunziker aus der Schweiz beschliessen 2015, New Roots zu gründen: die erste vegane Molkerei der Schweiz. Knappe zehn Jahre später wurde New Roots mit dem Green Business Award ausgezeichnet.

2015 starteten Freddy Hunziker (Bild) und Alice Fauconnet mit „New Roots“, und der Vision damit Tradition für veganen, hochwertigen Käse zu begründen. (c) Susanne Goldschmid

Was hat euch inspiriert, New Roots zu gründen und Käsealternativen auf pflanzlicher Basis herzustellen? Gab es einen bestimmten Moment, der euch zum Handeln bewegt hat?

Die Reise von New Roots begann als persönliches Küchenexperiment. Nachdem wir uns über die Realität der Tierhaltung informiert hatten, wurden Freddy und ich Veganer – aber um ehrlich zu sein, haben wir Käse wirklich vermisst. Er war immer ein fester Bestandteil unserer französischen und Schweizer Ernährung! Also begannen wir, mit verschiedenen Nüssen und Fermentationstechniken zu experimentieren, fest entschlossen, den reichhaltigen, komplexen Geschmack und die Textur nachzubilden. Nach vielen nächtlichen Experimenten (und einigen sehr fragwürdigen Ergebnissen) stellten wir schliesslich einen pflanzlichen Käse her, auf den wir stolz waren. Unsere Freunde waren begeistert und ermutigten uns, ihn mit der Welt zu teilen. Und so wurde New Roots geboren!

Weintipp

In erster Linie haben wir diesen Wein wegen seines Namens ausgewählt, da der Slogan von New Roots lautet: «Die Tradition von morgen». Als wir den Wein geöffnet haben, haben wir uns gleich noch einmal in ihn verliebt – wegen seines dunklen Kirschrots, des aromatischen Geschmacks und des langanhaltenden Finishes. La Tradition de Beaurenard Rasteau AOP 2020

Käse ist in unserer Kultur stark verankert und fast unantastbar. Mit welchen Herausforderungen und Vorurteilen wurdet und werdet ihr konfrontiert?

Menschen davon zu überzeugen, dass pflanzlicher Käse genauso gut sein kann wie traditioneller Käse aus Milch, war eine unserer grössten Herausforderungen. Oft nehmen die Leute an, dass vegane Alternativen hoch verarbeitet sind oder wir irgendwie versuchen, Käsetraditionen auszulöschen. Aber die Wahrheit ist: Wir ehren diese Traditionen – wir machen Käse nur mit Pflanzen anstelle von Milch! Unser Soft White ist ein grossartiges Beispiel: Er wird mit traditionellen Fermentations- und Reifungstechniken hergestellt, was zu einem authentischen Geschmack und einer Textur führt, die selbst die skeptischsten Käseliebhaber überrascht (und bekehrt!) hat.

Alice und Freddy lernten sich in Südfrankreich kennen. Heute liefert New Roots mit Standort in der Schweiz, europaweit. (c) Susanne Goldschmid

Gab es dabei besondere Aha-Momente oder Meilensteine, die euch gezeigt haben, dass ihr trotz Widerständen auf dem richtigen Weg seid?

Ein unvergesslicher Moment war, als wir unseren Käse in einem kleinen Berglädeli sahen. Es fühlte sich an, als würde sich der Kreis schliessen – pflanzlicher Käse, der direkt neben traditionellem Käse aus Milch verkauft wird, als ob er schon immer dort hingehört hätte. Ein weiterer Meilenstein war die Erkenntnis, dass 70 Prozent unserer Kundschaft gar keine Veganer sind – sie wählen unsere Produkte einfach, weil sie den Geschmack und die Qualität lieben. Da wussten wir, dass wir nicht nur einen Nischenmarkt bedienen – wir haben etwas viel Grösseres geschaffen.

«70 Prozent unserer Kundschaft ernähren sich nicht vegan.»

Und was ist euer bisher grösstes Erfolgserlebnis? Und auf welche Produkte seid ihr besonders stolz?

Einer unserer grössten Erfolge ist, wie gut unsere Käsesorten über die vegane Community hinaus angenommen wurden. Wenn ich einen persönlichen Favoriten auswählen müsste, würde ich sagen, unser Fondue und Raclette. Das sind absolute Schweizer Klassiker, und sie so nachzubilden, dass die Menschen ihre Traditionen beibehalten können – nur auf eine ethischere und nachhaltigere Weise – macht mich unglaublich stolz. Zu sehen, wie Familien um ein Caquelon mit unserem Fondue zusammenkommen und gemeinsam essen, ist die schönste Belohnung, die wir uns wünschen können.

New Roots scheint, ähnlich wie Delinat, mehr anzustreben, als nur nachhaltige Produkte anzubieten. Bio allein reicht nicht. Was bedeutet das für euch konkret?

Für uns geht Nachhaltigkeit über die Bio- Zertifizierung hinaus. Es geht darum, auf allen Ebenen Verantwortung zu übernehmen – von der Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen über die Verwendung recycelter Verpackungen bis hin zu regenerativen landwirtschaftlichen Praktiken. Wir glauben, dass Tradition und Innovation sich nicht ausschliessen. Wir können das Erbe der Käseherstellung ehren und es gleichzeitig in etwas verwandeln, das Tiere, Menschen und den Planeten respektiert.

Viele ihrer Kunden ernährten sich nicht vegan, so die Gründer. Sie setzen auf New Roots, wegen des guten Geschmacks (c) New Roots

Welche Trends und Entwicklungen wünscht ihr euch und wie könnte sich das Konsumverhalten der Menschen in den nächsten Jahren verändern?

Ich wünsche mir, dass die Menschen zu einem bewussteren Konsum übergehen. Nicht nur aus ethischen Gründen, sondern weil sie die verfügbaren Alternativen wirklich lieben. Die Nachfrage nach pflanzlichen Produkten wächst. Da die Menschen sich der ethischen und ökologischen Auswirkungen von Milchprodukten immer bewusster werden, denke ich, dass sie auf natürliche Weise zu hochwertigen, traditionell hergestellten pflanzlichen Käsesorten greifen werden. Die Vorstellung, dass «veganer Käse kein echter Käse ist», verschwindet langsam. Ich hoffe, dass sie in Zukunft nicht mehr zur Debatte stehen wird.

Wo seht ihr New Roots in zehn Jahren? Wie sieht eure Traumvorstellung von einer nachhaltigeren Welt aus?

In zehn Jahren möchten wir, dass New Roots ein international führender Anbieter von pflanzlichem Käse ist. Aber über unser eigenes Wachstum hinaus träumen wir von einer Welt, in der Ethik und Nachhaltigkeit nicht nur Optionen sind, sondern der Standard. Eine Welt, in der Unternehmen den Planeten und alle seine Bewohner, menschliche und nichtmenschliche, priorisieren. Wir glauben fest daran, dass Lebensmittel eine Kraft für das Gute sein können. Wir wollen dazu beitragen, eine Zukunft zu gestalten, in der gutes Essen und ethisches Essen Hand in Hand gehen.

New Roots – die Traditionen von morgen erfinden

Alice Fauconnet und Freddy Hunziker treffen sich in Südfrankreich. Freddy ist zu dem Zeitpunkt Downhill-Fahrer, Alice studiert Sozialanthropologie in Paris. Bald diskutieren sie über Tierrechte, Veganismus und andere Dinge. 2015 gründen die beiden New Roots, die erste vegane Molkerei der Schweiz. Inzwischen sind ihre Produkte in ganz Europa verfügbar. Aus dem kleinen Pilotprojekt ist ein nachhaltiges, zukunftsträchtiges Unternehmen geworden, das von vielen idealistischen Köpfen getragen und weiterentwickelt wird. newroots.ch