Eine Antwort von Hermes

Im September hatten wir einen offenen Brief an den Paketdienstleister Hermes geschrieben. Der Hintergrund: Nach einer kritischen ARD-Reportage waren schwere Vorwürfe gegen den Konzern erhoben worden. Vor allem soziale Aspekte wurden angeprangert. In unserem Brief (hier als PDF-Datei) forderten wir, dass Hermes den selbst auferlegten Verhaltenskodex einhalten solle – und fragten, wie die Einhaltung des Verhaltenskodex bei den Subunternehmern zu kontrollieren sei.

Auf einer eigens eingerichteten Website versucht Hermes, die erhobenen Vorwürfe zu entkräften – und verspricht, jeglichen Beschwerden zeitnah nachzugehen.

Inzwischen ist die Antwort von Hermes eingetroffen, die Sie unten stehend lesen können. Zusätzlich hat Hermes eine Webseite mit weiteren Informationen eingerichtet: http://zusteller.hermesworld.com. Dort geht Hermes auf kritische Fragen ein und verspricht, allen Verstössen gegen diesen Verhaltenskodex nachzugehen. Ein Ombudsmann und weitere Kontaktpersonen versprechen weiter, auch anonymen Beschwerden nachzugehen, wenn ein Zusteller seinen Namen lieber nicht preisgeben möchte. Übrigens können auch Sie über das Kontaktformular auf der Webseite Beschwerden vorbringen, sollte Ihnen bei der Lieferung durch Hermes etwas merkwürdig vorkommen.

Unser Eindruck: Wenn Hermes in der Lage ist, seinen tatsächlich vorbildlichen Verhaltenskodex auch bei den Subunternehmern durchzusetzen und zu kontrollieren, könnte das Unternehmen in der Branche Richtung weisend sein – und hätte die Chance genutzt, durch die Beseitigung von Missständen zum Vorbild zu werden. Wir werden die Entwicklung verfolgen und unsere Kundinnen  und Kunden hier auf dem Laufenden halten.

Unten nun die Antwort von Hermes auf unseren Brief:

Sehr geehrter Herr Lämmler,

die Branche der Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) ist derzeit vermehrt öffentlicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere die Beschäftigungsverhältnisse bei Vertragspartnern, die innerhalb der Zustellorganisation die Auslieferung der Sendungen an den Endkunden vornehmen, sind ein häufig diskutiertes Thema. Auch Hermes war hiervon betroffen und wurde mit Einzelfällen konfrontiert, in denen Zusteller über inakzeptable Arbeitsbedingungen berichteten.

Der an uns herangetragenen Kritik haben wir uns selbstverständlich gestellt, Schlüsse daraus gezogen und in einigen Bereichen durchaus Handlungsbedarf erkannt. So verfügen wir zwar bereits heute über branchenweit einzigartige Regulative wie den verbindlichen Hermes Verhaltenskodex oder den jederzeit auch anonym ansprechbaren Ombudsmann, doch werden diese offensichtlich im Bedarfsfall noch nicht von allen Zustellern als Unterstützung wahrgenommen. Folglich haben wir damit begonnen, weitere Maßnahmen zu entwickeln, um entlang unserer Wertschöpfungskette nicht nur qualitativ, sondern auch in sozialer Hinsicht branchenweit Maßstäbe zu setzen.

Dafür analysieren wir derzeit gemeinsam mit einem renommierten Beratungsunternehmen alle internen und externen Prozesse, die für die Zusammenarbeit mit den unsererseits beauftragten über 400 Generalunternehmern bundesweit relevant sind. Ziel des Projektes mit dem Namen „Fokus“ ist es, potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten in allen Belangen unseres Zustellsystems zu erkennen. Dass dazu auch gehört, unser Verhältnis zu den Zustellern weiter zu verbessern, informative Austauschmöglichkeiten zu schaffen und – wo nötig – neue Standards für die Arbeit auf der Letzten Meile zu definieren, versteht sich von selbst. Dabei ist es unser Anspruch, diese Aspekte jederzeit verifizierbar sowie für unsere Auftraggeber auch sichtbar zu machen.

Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir in einer Organisation, die jeden Tag mit vielen tausend Menschen bis zu 1,5 Mio. Sendungen bewegt, natürlich etwas Zeit.
Gleichwohl ist es uns ein wichtiges Anliegen, Sie schon heute über unsere Planungen zu informieren. Gerne möchten wir Sie zudem auch weiterhin über die Fortschritte unseres „Fokus“-Projektes auf dem Laufenden halten.

Sollten Sie darüber hinaus Fragen an uns haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Metze
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7 comments

  1. Ich selbst war ein sogenannter Satbetreiber für die HLG. Der Hermeskonzern ist hier eindeutig das schwarze Schaf in der Branche. Die kostengünstigen Zustellungen werden auf dem Rücken der Subunternehmer ausgetragen, die dann wiederum ihren Zustellern diese Dumpinglöhne zahlen(müssen). Der von der HLG herrausgebrachte Verhaltenskodex ist nichts weiter als Augenwischerei. In der Praxis wird dem Subunternehmer zuwenig bezahlt. Das ist nach wie vor so! Die HLG hat gegenüber den anderen Paketdienstleistern einfach ein zu geringes Paketaufkommen um gerechte Preise zu zahlen. Die Qualität der Paketzustellung ist dem Konzern dabei fast völlig egal. Ein verantwortlicher HLG Bezirksleiter sagte zu mir : Sie sind zu teuer. Wir können uns keine Auslieferqualität von 96% leisten. Es genügen uns 90%. O-Ton: „dann bleibt eben mal was liegen“ Das heisst im Klartext, der Kunde wartet auf sein Paket aber Hermes kann sich die pünktliche Zustellung nicht leisten.

  2. Es ist Sonntag Mittag, es klingelt. Vor der Tür steht der Hermes Zusteller und bringt ein Delinat Päckchen. Ich bin erstaunt und frage: „Sie arbeiten heute?“ Ein resigniertes Schulterzucken und eine gemurmelte Antwort. Der Mann ist aus Osteuropa.
    Natürlich gibt es mehrer Möglichkeiten wieso der Mann am Sonntag kommt. Der Fernsehbeitrag hat aber zu einem kritischen Aufmerken geführt.
    Grundsätzlich sollten Menschen für ihre Arbeit ausreichend entlohnt werden. Die früheren Standards werden seit geraumer Zeit in ganz Europa abgebaut.
    Welche Welt wollen wir?

  3. Ich bin auf jeden Fall bereit, für die Paketzustellung mehr zu bezahlen, wenn Delinat sich entschließt, den Zustelldienst nach sozialen Kriterien auszusuchen.
    Es darf ja nicht sein, dass ein Mensch bei einer 40-Stundenwoche nicht seinen Lebensunterhalt, geschweige denn, den einer Familie bestreieten kann.
    Ich hoffe, dass das Thema noch einmal in einer Dokumentationssendung aufgegriffen wird.
    Die Vorweihnachtszeit bietet sich ja an!

  4. Ich bin lieber bereit, Porto zu zahlen, wenn das hilft, Hungerlöhne zu vermeiden.
    Die Forderung, dass Delinat mit seinen vielen Aufträgen mehr Einfluss nehmen sollte auf diese Dumpinglöhne, unterstütze ich sehr.
    Ich hoffe ebenfalls, dass auch die Winzer auf ihre Kosten kommen, daher finde ich, dass Preise unter 5 Euro, wie in Ihrer Umfrage erfragt, sicher nicht zu einer besseren ökologischen Anbauweise beitragen.

  5. Es geht hier erst mal nicht um Preise oder Zustellqualität. Es geht auch nicht um Leistungsversprechen in Hochglanzbroschüren oder Internetauftritten. Ich als Endverbraucher mache mir im Zweifelsfall selbst ein Bild. Fragen wir also die Betroffenen, jeder also seine Zusteller. Für mich ergibt sich da sehr schnell ein klares Bild. Faire Löhne werden in der Branche meist nur dort gezahlt, wo ein Tarifvertrag einer Gewerkschaft existiert. Dort wo über Subunternehmer und Scheinselbständige zugestellt wird, können sich die Menschen davon meist nicht lang über Wasser halten. Meinen DHL-Zusteller kenn ich seit Jahren. Der hat sicher keinen leichten Job, schon allein deshalb, weil ich meine Pakete in den dritten Stock gebracht bekomme. Er kommt seit 15 Jahren, so lange ich hier wohne. Die Zusteller anderer Unternehmen schaffen es selten in den ditten Stock und wenn, dann ist es meist jemand neues, der sich dann den Weg zum ersten und leider häufig auch zum letzten mal machte. Der Nachbar im Erdgeschoss wäre schon reich, wenn er für die Zwischenlagerung der Pakete etwas nehmen würde. Ich weiß, wie der Stundenlohn bei der Post ist, und habe drei Bekannte die für Hermes bzw. UPS gefahren sind. Ich kann nur jedem empfehlen, macht euch Gedanken nicht nur was und wo ihr kauft, sondern interessiert euch auch mal für die Menschen, die für euch die Ware herstellen, verpacken, verkaufen und überreichen. Am Ende der Dienstleistungskette stehen wir …, Gott sei Dank, nicht immer nur vor einem Automaten. Delinat zielt aus meiner Beobachtung nicht auf die Schnäppchenjäger sondern vermittelt eher den Eindruck, das nachhaltig und ökologisch produzierte Ware auch selbverständlich seinen Preis hat. Die Waren kann man eben auch nicht um die Ecke kaufen. Somit ist der Versand der Produkte, ein unmittelbar beinflussbare Größe der Geschäftstrategie von Delinat und somit gestaltbar. Die Kosten des Versandes, und auch hier eines fairen Geschäftsmodells, sind aus meiner Sicht im Verhältnis zum sonstigen Engagement von Delinat und dem Warenwert der Produkte eher marginal. Die meisten zahlen gerne und fast selbstverständlich einen höheren Preis für Produkte aus ökologischer Herstellung auch wenn dies nicht immer zwingend so sein müßte. Hier vertraue ich auf Delinat, weil ich in der Regel die Produktion nicht beobachten kann. Den Zusteller aber erlebe ich und kenne ihn sicherlich eher als den Weinbauern. Stellt sich also für mich die Frage, ist mein bisheriges Vertrauen in die Seriösität der Aussagen von Delinat berechtigt. Sieht es am anderen Ende der Lieferkette vielleicht ähnlich zweifelhaft aus. Ich meine, Delinat sollte sich nicht damit begnügen auf die Website von Hermes zu verweisen, sondern sich selbst ein Bild von der Einhalung von Sozialstandards machen

  6. Machen wir uns nichts vor, DHL oder all die anderen sind auch nicht besser.

    Das Problem sind wir, die Kunden. Wenn ich im Internet bestelle will ich
    a) meistens einen Preisvorteil, oder
    b) ich bekomme den Artikel nicht in meiner Stadt (Dorf).

    Wenn ich mir einen Preisvorteil erhoffe, möchte ich natürlich nicht, dass dieser Preisvorteil von den Versandkosten wieder zu nichte gemacht wird.

    Was kann ich tun? Meinen Händler vor Ort fragen ob er mir den Artikel besorgen kann und gegebenenfalls einen höheren Preis zahlen. Vorteil: Je mehr ich vor Ort einkaufe, desto günstiger werden auch die Preise und er ist gegenüber dem Internet wieder konkurrenzfähig. Plus eine solide Beratung.

    Das schönste daran ist aber, man kommt mit den Menschen ins Gespäch und erhält oft neue Erkenntnisse.

    Blöd nur, dass es einfach zu bequem ist am Computer ein zukaufen. Aber ehrlich, wie viel Zeit verschwendet man mit Recherche! Lieber ein paar Mark mehr ausgeben und wieder und unter Leute kommen.

    Um wieder zu Thema zurück zu kommen. Nur hilft es dem Zusteller nichts, wenn ich mich nicht über eine schlechte Leistung (die auch schlecht vom Kunden bezahlt wird) beschwere. Das gleiche gilt auch für prekäre Arbeitsverhältnisse. So lange nicht auf Missstände hingewiesen wird, wird sich auch nichts ändern. Im Einzelfall ist das für den Betroffenen natürlich bedauerlich.

    Ich bevorzuge DHL nur aus dem Grund, da ich mir die Ware an eine Packstation senden lassen kann und so dem Zusteller unnötige Zustellversuche erspare.

  7. Hermes versucht nun, die Kritik auf „Einzelfälle“ zu reduzieren. Wer sich aber den Paketzustellermarkt anschaut, erkennt schnell, daß hier – und zwar gerade auch von Hermes – ganz gezielt Dumping betrieben wird, das sich nicht nur auf die Service- und Lieferqualität der Zustellung auswirkt, sondern unverschämterweise die Zusteller auch noch in Form von Aufstockergeld aus der Sozialkasse mitfinanziert, weil die gezahlten Entlohnungen nicht zum Leben ausreichen. Der Milliardär Otto wird also reicher, weil er sein Geschäftsmodell darauf fusst, daß seine Paketzustellung durch die Allgemeinheit mit bezahlt werden.
    Um das mit Zahlen zu untermauern: Ein Zusteller bekommt pro Paket eine Entlohnung von 50-60 Cent pro Stück – ohne sonstige Entlohnung und es wird auch nicht mehr, wenn er ein Paket wegen Abwesenheit bis zu drei Mal zustellen muß. Durchschnittlich kann man von 10 Zustellungen pro Stunde ausgehen. Ein Zusteller verdient also bei einer 40-Stunden-Woche rund 1.000 Euro brutto pro Monat (Westlohn). Wenn Hermes nun diesen Menschen ihren Verhaltenskodex vor die Nase hält, macht mich das nur noch mehr wütend. Es ist so zynisch wie einem Querschnittsgelähmten zu sagen, er könne sich seinen Rollstuhl im nur über die Treppe erreichbaren 1.Stock abholen. Es gilt hier zu erkennen: Die Zustellprobleme sind systemimmanent, kausal hervorgerufen durch die vorsätzlich miserable Bezahlung durch Hermes. Ich werde mich jedenfalls hüten, einen dieser armen Zusteller beim Ombudsmann oder sonstwo anzuschwärzen. Es gibt eine eindrucksvolle Studie eines Stuttgarter Beratungsunternehmens zu den ganz und gar vergleichbaren Bedingungen im Briefmarkt (PDF: http://www.input-consulting.com/download/200612_Liberalisierung-Prekarisierung-Briefmarkt_Input.pdf), die belegen, daß man wenn man so prekär arbeitet, am Besten nicht auffällt, sonst wird für ihn alles noch schlimmer.
    Ich habe sehr gerne das Angebot von Delinat angenommen, meinen Wein weiterhin durch DHL zustellen zu lassen. So komme ich mir bei der Anlieferung nicht als Ausbeuter vor. Lieber würde ich es sehen, wenn Delinat wieder ganz auf DHL umstellen würde.

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