Paketdienste in der Kritik

Vor 20 Jahren hat Delinat den Vertrieb in Deutschland aufgenommen und seit Beginn war die Paket-Zustellung eine Herausforderung. In der Schweiz sind diese Dienste in fester Hand von Post und Bahn, in Deutschland kämpfen viele Anbieter um den offenbar lukrativen Markt. Jeder hat Vorteile zu bieten und jeder hat seine Schwächen. Unsere Wahl fiel zu keiner Zeit leicht – in den zwei Jahrzehnten haben wir eine ganze Reihe von Alternativen ausprobiert, von DHL bis zu kleinen spezialisierten Speditionen. Letztes Jahr haben wir uns nach einigen Jahren DHL erneut für Hermes entschieden.

In Teilen der Schweiz ist eine Auslieferung durch eigene emissionsarme, mit Erdgas betriebene Leichttransportfahrzeuge bereits Realität. In Deutschland ist Delinat auf Paketdienste angewiesen.

Obwohl Hermes etwas teurer als andere ist, geht die Rechnung auf. Denn Hermes kann als einziger grosser Paketdienst sowohl die Grundleistungen erbringen (Zuverlässigkeit, Flächendeckung, Geschwindigkeit) als auch ohne Umverpackung ausliefern. Dieser zweite Punkt ist für einen Weinversender von grösster Wichtigkeit, vor allem, wenn ökologische Aspekte wichtig sind. Mit DHL mussten wir die Originalkartons öffnen, die Weine in neue, dick gepolsterte und postversandtaugliche Kartons umpacken und hatten damit nicht nur deutlich mehr Arbeit, sondern produzierten Berge von Abfall. Ein gutes Beispiel ist das DegustierService-Paket: Der Postversand verbraucht mehr als das doppelte Kartongewicht als der Hermes-Versand.

Seit ein paar Jahren zählt ein neues Kriterium zu den Entscheidungsgrundlagen: die soziale Komponente. KEP-Dienste stehen in der Kritik, die Fahrer unter lausigen Arbeitsbedingungen für viel zu wenig Geld abrackern zu lassen. Erst kürzlich hat Günter Wallraff in Undercover-Arbeit die haarsträubenden Zustände beim Paketdienst GLS  aufgezeigt. Unsere Recherche im Jahr 2011 aber hatte ergeben, dass das Problem nicht bei einzelnen Firmen, sondern in der Branche liegt. Wir fanden keinen Paketdienst, der ohne Subunternehmer auskommt. Und immer ist es die «letzte Meile», in der es zu den unwürdigen Arbeitsbedingungen kommt. Lesen Sie dazu auch unsere Beiträge Fragen an Hermes und Eine Antwort von Hermes.

Hermes hatte aber auch hier mehr als andere zu bieten. Sie hatte das Problem erkannt und stand dazu. Verschiedene Massnahmen waren bereits eingeleitet, die wohl wichtigste ein Zertifizierungs-System, das Missstände aufdecken würde. Uns war (und ist) klar: Auch Hermes hat noch grosse Mängel, bietet aber trotzdem die beste Alternative. Unsere Aufgabe sehen wir darin, auf Hermes einen permanenten Druck auszuüben, so dass die Ankündigungen nicht Lippenbekenntnisse bleiben. Wir sind zum Glück nicht die einzigen Kunden, die das tun und die Wirkung bleibt nicht aus.

Eine Antwort von Hermes

Im September hatten wir einen offenen Brief an den Paketdienstleister Hermes geschrieben. Der Hintergrund: Nach einer kritischen ARD-Reportage waren schwere Vorwürfe gegen den Konzern erhoben worden. Vor allem soziale Aspekte wurden angeprangert. In unserem Brief (hier als PDF-Datei) forderten wir, dass Hermes den selbst auferlegten Verhaltenskodex einhalten solle – und fragten, wie die Einhaltung des Verhaltenskodex bei den Subunternehmern zu kontrollieren sei.

Auf einer eigens eingerichteten Website versucht Hermes, die erhobenen Vorwürfe zu entkräften – und verspricht, jeglichen Beschwerden zeitnah nachzugehen.

Inzwischen ist die Antwort von Hermes eingetroffen, die Sie unten stehend lesen können. Zusätzlich hat Hermes eine Webseite mit weiteren Informationen eingerichtet: http://zusteller.hermesworld.com. Dort geht Hermes auf kritische Fragen ein und verspricht, allen Verstössen gegen diesen Verhaltenskodex nachzugehen. Ein Ombudsmann und weitere Kontaktpersonen versprechen weiter, auch anonymen Beschwerden nachzugehen, wenn ein Zusteller seinen Namen lieber nicht preisgeben möchte. Übrigens können auch Sie über das Kontaktformular auf der Webseite Beschwerden vorbringen, sollte Ihnen bei der Lieferung durch Hermes etwas merkwürdig vorkommen.

Unser Eindruck: Wenn Hermes in der Lage ist, seinen tatsächlich vorbildlichen Verhaltenskodex auch bei den Subunternehmern durchzusetzen und zu kontrollieren, könnte das Unternehmen in der Branche Richtung weisend sein – und hätte die Chance genutzt, durch die Beseitigung von Missständen zum Vorbild zu werden. Wir werden die Entwicklung verfolgen und unsere Kundinnen  und Kunden hier auf dem Laufenden halten.

Unten nun die Antwort von Hermes auf unseren Brief:

Sehr geehrter Herr Lämmler,

die Branche der Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) ist derzeit vermehrt öffentlicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere die Beschäftigungsverhältnisse bei Vertragspartnern, die innerhalb der Zustellorganisation die Auslieferung der Sendungen an den Endkunden vornehmen, sind ein häufig diskutiertes Thema. Auch Hermes war hiervon betroffen und wurde mit Einzelfällen konfrontiert, in denen Zusteller über inakzeptable Arbeitsbedingungen berichteten.

Der an uns herangetragenen Kritik haben wir uns selbstverständlich gestellt, Schlüsse daraus gezogen und in einigen Bereichen durchaus Handlungsbedarf erkannt. So verfügen wir zwar bereits heute über branchenweit einzigartige Regulative wie den verbindlichen Hermes Verhaltenskodex oder den jederzeit auch anonym ansprechbaren Ombudsmann, doch werden diese offensichtlich im Bedarfsfall noch nicht von allen Zustellern als Unterstützung wahrgenommen. Folglich haben wir damit begonnen, weitere Maßnahmen zu entwickeln, um entlang unserer Wertschöpfungskette nicht nur qualitativ, sondern auch in sozialer Hinsicht branchenweit Maßstäbe zu setzen.

Dafür analysieren wir derzeit gemeinsam mit einem renommierten Beratungsunternehmen alle internen und externen Prozesse, die für die Zusammenarbeit mit den unsererseits beauftragten über 400 Generalunternehmern bundesweit relevant sind. Ziel des Projektes mit dem Namen „Fokus“ ist es, potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten in allen Belangen unseres Zustellsystems zu erkennen. Dass dazu auch gehört, unser Verhältnis zu den Zustellern weiter zu verbessern, informative Austauschmöglichkeiten zu schaffen und – wo nötig – neue Standards für die Arbeit auf der Letzten Meile zu definieren, versteht sich von selbst. Dabei ist es unser Anspruch, diese Aspekte jederzeit verifizierbar sowie für unsere Auftraggeber auch sichtbar zu machen.

Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir in einer Organisation, die jeden Tag mit vielen tausend Menschen bis zu 1,5 Mio. Sendungen bewegt, natürlich etwas Zeit.
Gleichwohl ist es uns ein wichtiges Anliegen, Sie schon heute über unsere Planungen zu informieren. Gerne möchten wir Sie zudem auch weiterhin über die Fortschritte unseres „Fokus“-Projektes auf dem Laufenden halten.

Sollten Sie darüber hinaus Fragen an uns haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Fragen an Hermes

Der Lagerumzug ist inzwischen geschafft: Alle Weine, die aus dem Euroraum kommen, werden jetzt zentral in Weil am Rhein gelagert. Die Frankenpreise können jetzt zweimal jährlich (mit Erscheinen des Katalogs) dem in Schwierigkeiten geratenen Euro angepasst werden, und die dezentrale Auslieferung in der Schweiz befindet sich im Aufbau. Die ersten Holprigkeiten bei Sendungen an Kunden sind überwunden, und so langsam könnte wieder Normalität einkehren.

Selbständige Paketboten wurden in Einzelfällen von Hermes-Subunternehmern unfair bezahlt. Ein offener Brief an Hermes soll helfen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Es hat sich allerdings eine weitere Klippe aufgetan, die bewältigt werden will. Im Blogartikel zum Lagerumzug wurde lebhaft diskutiert. Das schwierige Thema Paketdienstleister kam auf den (virtuellen) Tisch: Schon lange arbeiten wir in Deutschland mit Hermes zusammen, mit durchaus positiven Erfahrungen. Diese Zusammenarbeit hatten wir mit dem Lagerumzug erweitert, denn nur Hermes war in der Lage, unsere ökologischen Anforderungen zu erfüllen. Da Hermes die Ware nicht wie andere Dienstleister über Förderbänder holpern lässt, kommen die Pakete mit etwa der Hälfte des Verpackungsaufwands aus. Bekräftigt in dieser Entscheidung wurden wir noch durch die Stiftung Warentest, wo Hermes im Dezember 2010 als bester Paketdienstleister abschnitt.

Etwa zeitgleich mit unserem Lagerumzug wurde in der ARD eine Reportage ausgestrahlt, die ernst zu nehmende Vorwürfe gegen Hermes erhob. Vor allem soziale Aspekte, die Ausbeutung der Paketboten durch den Konzern wurde angeprangert. Aufmerksame Kundinnen und Kunden forderten uns auf, darauf zu reagieren – am besten den Paketdienstleister zu wechseln. Da die Verhältnisse bei anderen aber auch nicht wesentlich besser sind und die Leistungen nicht optimal, halten wir unsere Strategie aber für wirkungsvoller.

Indem wir Druck auf Hermes ausüben, arbeiten wir daran, die Verhältnisse dort zu verbessern. Nur so können wir etwas ändern. Wir haben deshalb Hermes in einem offenen Brief aufgefordert, die Einhaltung des selbst auferlegten Verhaltenskodex bei ihren Subunternehmern einzufordern. Diesen Brief haben wir hier als PDF-Datei bereit gestellt. Die Empfängeradresse ist dort einzusehen. Wenn Sie es für richtig halten: Üben auch Sie Druck auf Hermes aus, die Verhältnisse zu ändern. Sobald eine Reaktion von Hermes eintrifft, werden wir diese selbstverständlich hier veröffentlichen.