Die Hoffnungen ruhen auf den Bio-Imkern

Die Imkerei steckt in einer tiefen Krise. Vor 3 Jahrzehnten wurde die Varroamilbe nach Europa verschleppt und hat sich über den ganzen Kontinent ausgebreitet. Die Milbe, die in Ostasien als harmloser Parasit auf dem «Pelz» der krankheitsresistenten Östlichen Honigbiene lebt, bringt den europäischen Bienen den Tod. Sie setzt sich auf der Bienenbrut fest, schwächt die Völker und ist für das weltweite Bienensterben mit verantwortlich.

Diese Bienen müssen nicht hungern: In der reichhaltigen Biodiversität der Mythopia-Weinberge gibt es genug Nahrung.
Diese Bienen müssen nicht hungern: In der reichhaltigen Biodiversität der Mythopia-Weinberge gibt es genug Nahrung.

Die Milbe ist aber nicht der einzige Übeltäter: Chemische Pestizide, vor allem in der Landwirtschaft, vergiften die Nahrungsquellen der Bienen. Die zunehmende Industrialisierung in der Landwirtschaft und die wachsenden Monokulturen verringern ihr Nahrungsangebot. Zudem gibt es immer mehr Versuchsflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen, deren Wirkung auf die Bienen noch viel zu wenig bekannt ist.

Es wundert nicht, dass es vor allem im deutschsprachigen Raum immer weniger Imker gibt: Die Probleme verleiden die Freude an der faszinierenden Bienenhaltung und schmälern den Ertrag des Berufsimkers. In den letzten Jahren gibt es allerdings Anlass zur Hoffnung: In den Städten, wo die Biodiversität inzwischen oft höher ist als auf dem Land, entsteht eine neue Imkerbewegung – die Stadtimker kommen!

Dr. Marc-Wilhelm Kohfink ist Sozialwissenschaftler, Wirtschaftsjournalist und Bioland-Imker in Berlin. Er beschäftigt sich intensiv mit der Problematik. Wir befragten ihn zu den Ursachen und Lösungsansätzen.

Dr. Marc-Wilhelm Kohfink am Bienenstand
Dr. Marc-Wilhelm Kohfink am Bienenstand

Herr Dr. Kohfink, was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für das weltweite Bienensterben?
Dr. Kohfink:
Leider ist das nicht so einfach zu beantworten. Es gibt nicht die zwei oder drei Gründe, welche die Bienen weltweit umbringen. Es ist vielmehr ein ganzes Bündel, das da zusammenkommt. Die Gründe können ganz verschieden sein und unterscheiden sich von Jahr zu Jahr. Trotzdem lassen sich einige allgemeine Aussagen machen. Die Varroa-Milbe und die mit ihr übertragenen Virenerkrankungen schwächen die Bienen, so dass sie anfälliger werden. Die harten Winter der letzten Jahre führen ebenfalls zu einer höheren Sterblichkeit. Die ausgeräumte Landschaft und die Dominanz von Mais für die Erzeugung von Bio-Gas lassen die Bienen auf dem Land hungern. Wo Bienen wie in den USA vor allem der Bestäubung von riesigen Monokulturen dienen, schwächt die einseitige Ernährung die Bienen. Hinzu kommen langfristig wirkende oder unsachgemäß angewandte Pestizide, die immer wieder für ein Bienensterben sorgen. Es sind also viele Einflüsse, welche die Bienen schwächen. Nicht zuletzt sind es auch ökonomische und soziale Gründe, dass es weniger Honigbienen gibt. Es gibt nämlich einfachere Möglichkeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder seinen Lebensabend zu gestalten als mit Bienen. Weniger Imker bedeuten auch weniger Bienen.

Bringen die Zuchten der Bio-Imkerei vitalere und widerstandsfähigere Bienen hervor?
Es gibt nicht die Biobiene. Bioimker arbeiten überwiegend mit den gleichen Bienen wie konventionelle Imker. Das liegt am Paarungsverhalten der Bienenköniginnen, die auf ihrem Hochzeitsflug keinen Unterschied machen zwischen Bio-Drohnen und konventionellen Drohnen. Künstliche Besamung, die eine gezielte Zucht ermöglichte, ist in der Bio-Imkerei verboten. So unterscheidet sich die Bio-Betriebsweise vor allem in den Prozessen, die zum Biohonig führen von der konventionellen Imkerei. Wie konventionelle Imker müssen wir vor allem darauf schauen, dass wir die Belastung mit Milben gering und die Bienen so vital halten. Dafür haben wir andere Methoden zur Verfügung, die einen rückstandsfreien Bio-Honig garantieren. Außerdem machen wir einen großen Bogen um konventionelle Obstplantagen, weil die dort ausgebrachten Spritzmittel unsere Bienen gefährden würden.

Sie imkern in der Grossstadt Berlin. Ist die Biodiversität und damit die Lebensgrundlage der Bienen in der Stadt inzwischen besser als auf dem Land?
Beides kann ganz klar mit «Ja» beantwortet werden. Das hängt damit zusammen, dass die Stadtnatur nicht in erster Linie der Volksernährung dient sondern auch der Erholung und der Freizeitgestaltung. In Berliner Stadthonig werden im Durchschnitt 26 verschiedene Pollen gefunden, in Honig vom Land rund 20. In städtischen Gärten und an städtischen Straßen blüht eben auch manches exotische Gewächs wie z. B. der japanische Schnurbaum. Hinzu kommen allerlei Wildkräuter auf Brachflächen und Pflanzen in schwierigen Biotopen z. B. auf begrünten Dachflächen. Um den Bienen auf dem Land das Überleben zu sichern, werden dort jetzt Blühstreifen angelegt und gefördert. Dabei geht es aber nicht nur um Bienen sondern auch um Überlebensräume für Niederwild wie z. B. den Feldhasen. Solche Krücken brauchen wir in der Stadt nicht.

Hans-Peter Schmidt, Leiter des Delinat-Instituts, empfiehlt die Anlage von Fenstergärten, um die Biodiversität im unmittelbaren Lebensumfeld zu fördern. Können auch Bienen von Fenstergärten profitieren?
Das können sie auf jeden Fall. Viele Balkonkästen mit Geranien sind für die Bienen nichts mehr als eine bunte Wüste. Es gibt im Handel Saatmischungen, die unter anderem Kornblumen-, Buchweizen- und Sonnenblumensamen enthalten. Sie blühen kontinuierlich den ganzen Sommer hindurch. Gute Bienenweidepflanzen sind alle Korbblütler und Blumen mit ungefüllten Blüten. Außerdem empfiehlt sich statt der beliebten Knospenheide besser Heidekraut, das richtig aufblüht. Bienenfreundlich angelegt, lockt ein solcher Fenstergarten auch noch andere Blütenbesucher an wie z. B. Schmetterlinge und Schwebfliegen.

Delinat-Winzer engagieren sich für die Biodiversität im Weinberg. Gibt es weitere Lösungsansätze in der Landwirtschaft?
Die gibt es glücklicherweise. An Biodiversität interessierte Landwirte arbeiten heute an Alternativen zur Maiswüste. So können z. B. Sonnenblumen als Untersaat verwendet werden. Außerdem scheint die Pflanze mit dem sympathischen Namen „Durchwachsende Silphie“ eine vielversprechende Alternative zum Mais zu sein. Die schnellwachsende Robinie ist eine ideale Kultur für Kurzumtriebsplantagen, die zur Herstellung von Holzhackschnitzeln genutzt werden. Anders als die Pappel ist sie eine erstklassige Bienenweide. Außerdem nutzt der Trend zur Biolandwirtschaft unseren Bienen, indem z. B. Biolandwirte keine Pflanzenschutzmittel gegen Beikräuter im Getreide einsetzen und die Kornblumen blühen lassen. Es ist also nicht alles verloren.

Würden Sie interessierte Menschen dazu ermuntern, selbst (Hobby-)Imker zu werden? Und wenn ja, womit sollten sie anfangen?
Generell sind mehr Imker wünschenswert, wobei besonders auf dem Land Imker gebraucht werden. Interesse indes allein reicht nicht. Imker zu sein, heißt auch Verantwortung zu übernehmen. Außerdem erfordert eine Imkerei auch einige Investitionen. Mit einer Leine, einer Schüssel und einer Bürste wie beim Hund ist es da nicht getan. Ich empfehle, zunächst einen Kurs zu besuchen und parallel dazu ein Einsteigerbuch zu lesen. Beim Kurs ist es ganz wichtig, dass die Interessenten auch direkt an den Bienen arbeiten dürfen, um zu erkennen, ob das etwas für sie ist oder nicht. Ideal ist ein Imkerpate in den ersten Jahren. Erfahrungen zeigen, dass fünf Jahre notwendig sind, um richtig imkern zu können. Aber ein Imker lernt eigentlich nie aus. Die Bienen überraschen einen immer wieder.

Vielen Dank, Dr. Kohfink. Allen Leser/innen, die sich mehr mit dem Thema beschäftigen möchten, empfehlen wir gern Ihr Blog und Ihr Buch «Bienen halten in der Stadt».