Der kalte Hauch des Kommunismus

Während 40 Jahren war Bulgarien unter kommunistischer Herrschaft. Nach dem Fall der Berliner Mauer setzte auch hier ab 1990 der Übergang zu einer demokratischen Republik ein. Auf unserer Fahrt durch das Land erinnern noch immer hässliche Plattenbauten in den Vorstädten und zerfallende Kolchosen auf dem Land an diese Zeiten.

Imker in Bulgarien

Bio-Imker Gregori Kolchev hält seine Bienenvolker in einem zur Zeit des Kommunismus berühmten und berüchtigten Jagdgebiet.

Eine unheimliche Begegnung

Ganz extrem wird es, als wir bei Bienenzüchter Gregori Kolchev in der Nähe der Stadt Silistra im Nordosten Bulgariens Station machen. Schon die Zufahrt durch ein breites Gittertor jagt mir einen kalten Schauer den Rücken hinunter. Einige 100 Meter später passieren wir einen heute unbewachten Sicherheitsposten. Dann dringen wir durch verschlungene Waldwege zu einem alten Jagdhaus vor. In der düster-dunklen Stube hängen Jagdtrophäen. Auf einem Salontisch warten Whisky, Cola, Wurst, Käse und Schokolade auf uns. Wir lassen uns in die schweren Ledersofas nieder.

Jagdhütte in Bulgarien

Die Elite des Kommunismus ist nicht mehr da – heute empfangen hier die Bio-Imker Gregori Kolchev (ganz links) und Christofor Petrov (mit Hirschgeweih) ihre Jagd- und Bienenzucht-Freunde.

«In diesen Sesseln haben sich einst die kommunistische Elite Bulgariens und Staatsmänner wie Nicolae Ceausescu, Fidel Castro oder Erich Honecker nach gemeinsamer Jagd zugeprostet», erzählt uns Gregori. Irgendwie überkommt mich ein unheimliches, beklemmendes Gefühl. Ich bin erleichtert, als wir das Jagdhaus verlassen und uns Gregori seine in der Nähe stationierten Bienenstöcke zeigt.

Honig erhält gesund und fit

So richtig wohl ist mir aber erst wieder, als wir dieses unheimliche Revier verlassen. Die Reise geht weiter südwärts. Nach rund einstündiger Fahrt warten am Ende eines dschungelähnlichen Weges durch blühende Robinienwälder Kostadin Tachev und seine Frau Ginka auf uns. Was für ein Kontrast zur beklemmenden Atmosphäre im Jagdrevier: Es ist der bisher schönste Platz mit Bienenstöcken, den wir antreffen. Das Imkerpaar ist mitten im lichten Wald in einem einfachen Häuschen gerade dabei, frischen Blütenhonig zu schleudern.

Imker und Bienenhonig in Bulgarien

Das Bienenzüchterpaar Kostadin (links) und Ginka Tachev (Mitte) empfängt uns freundlich in einem wahren Imker-Paradies.

«Wir essen selber jeden Tag viel Honig. Das gibt uns Kraft und Gesundheit», sagt Kostadin. Er liebt die Natur über alles. Mit der Jagd hat er, im Gegensatz zu den meisten andern bulgarischen Imkern, nichts am Hut. «Ich kann kein Tier töten», sagt er.

Bio-Honig in Bulgarien

Frischer Honig, direkt im Wald produziert: Ginka Tacheva bereitet die mit Honig gefüllte Wabe zum Schleudern vor.

Alle Reiseberichte aus Bulgarien:

Tag 1: Ein glückliches Leben dank Bienenzucht
Tag 2: Böse Bienen und blutrünstige Zecken
Tag 3: Der kalte Hauch des Kommunismus

Böse Bienen und blutrünstige Zecken

Heute erfahren wir am eigenen Leib, mit welchen grossen und kleinen Gefahren bulgarische Bienenzüchter in ihrem Imkeralltag zu kämpfen haben. Wir sind bei Imker Asen Asenov weitab von jedem Dorf im Naturpark Rusenski Lom im Nordosten Bulgariens. Rund 200 Bienenstöcke stehen hier in und vor einem lichten Wald.

Imker in Bulgarien

Imker Asen Asenov zeigt uns Relikte aus vergangenen Zeiten – hier ein ehemaliger Bienenstock. Ich schütze mich angesichts der vitalen Bienen lieber mit professioneller Vollmontur (rechts).

Ist es der Lärm einer alten Mähmaschine in der Nähe, der die Bienen verrückt macht? Jedenfalls gebärden sie sich in höchstem Masse aggressiv. Da hilft nur gute Schutzkleidung. Die schwarze, kurze Hose von Delinat-Reporter Hans Wüst ist aber das pure Gegenteil.

Bienenhonig in Bulgarien

Aggressive Bienen: Gute Schutzkleidung tut Not.

Ein Fotoshooting mit mir und dem Imker fällt einer Bienenattacke zum Opfer. Fotograf Hans sucht fluchtartig das Weite. Mit einem Stich in die linke Wade kommt er letztlich noch glimpflich davon. Mir selber bleiben glücklicherweise geschwollene Körperteile erspart. Dafür entdecke ich am Abend im Hotel eine kleine, schwarze Zecke, die sich draussen in der wilden und teilweise noch unberührten bulgarischen Natur an meinem Körper festgesaugt hat.

Schlangenbändiger

Mit stechenden Bienen und beissenden Zecken sind die Imker im Frühling fast täglich konfrontiert. Schon etwas spezieller ist die Begegnung, die uns Bienenzüchter und Hobbywinzer Marcho Alexandrov in seiner Pergola in dramatischem Jägerlatein schildert. Er hält in der Nähe des Tichasees knapp 100 Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt 40 Bienenvölker.

Schlangenfaenger

Marcho Alexandrov züchtet nicht nur Bienen, er ist auch Hobbywinzer und «Schlangenbändiger».

Vor ein paar Tagen wurde er in seinem Garten von einer 1,5 Meter langen Würgeschlange bedroht. Mit einem gezielten Stockschlag gelang es ihm, die seinen Aussagen zufolge tödliche Gefahr zu bändigen. Zum Beweis, dass er uns keine Räubergeschichte auftischt, führt er uns auf eine Wiese, greift ins hohe Gras und hebt das tote Reptil in die Höhe. Dann stossen wir mit seinen sehr speziellen Weinen, die er ausschliesslich für den Eigenkonsum keltert, auf ein gutes Honigjahr 2011 an.

Alle Reiseberichte aus Bulgarien:
Tag 1: Ein glückliches Leben dank Bienenzucht
Tag 2: Böse Bienen und blutrünstige Zecken
Tag 3: Der kalte Hauch des Kommunismus

Ein glückliches Leben dank Bienenzucht

Für einmal bin ich nicht in Sachen Wein, sondern zusammen mit unserem Reporter Hans Wüst in Sachen Bio-Honig in Bulgarien unterwegs. Was beim Wein Standard ist, gilt auch hier: Wir wollen vor Ort erfahren, in welchem Umfeld die verschiedenen Honige entstehen, welche Menschen dahinterstecken und wie sie produziert werden. Den Zeitpunkt für die Reise habe ich bewusst gewählt: Jetzt stehen die grossflächigen Robinienwälder in voller Blüte. Die Bienen umschwärmen die weissen Blüten und holen sich den Nektar für den beliebten Akazienhonig.

Akazien in Bulgarien

Zurzeit blühen in Bulgarien die Robinien (Falsche Akazie). Aus dem Nektar produzieren die Bienen den beliebten Akazienhonig.

Kundiger Reiseführer

In Sofia treffen wir unseren englisch sprechenden Honig-Partner Gerasim Dochev, der uns in die entlegensten Winkel Bulgariens zu den Bienenzüchtern führt. Die Imker sind einfache Bauersleute, die neben bulgarisch höchstens noch etwas russisch sprechen. So sind wir froh um die Reiseführer- und Dolmetscherqualitäten von Gerasim, der uns auf dieser Reise mit seinem grossen geschichtlichen Hintergrundwissen und einigen Abstechern zu historischen und kulturellen Stätten auch viel über die bulgarische Kultur und Geschichte vermittelt.

Bauernfuhrwerk in Bulgarien

Die Bilder auf dem Land erinnern an alte Zeiten: Viele Bauern sind noch mit Ross und Wagen unterwegs aufs Feld.

Bilder wie vor 100 Jahren

Erste Station ist das kleine, abgelegene Dorf Chilnov im Naturpark Rusenski Lom im Nordosten Bulgariens. Auf dem Weg zu Bienenzüchter Nuereitin Nieziew wird rasch klar, wie ärmlich und einfach das ländliche Leben in Bulgarien bis heute geblieben ist. Viele Bauern sind noch immer mit Ross und Wagen unterwegs. Nuereitin zeigt uns seine hellblauen und gelben Bienenstöcke inmitten blühender Robinien. Hier summt und brummt es – die Produktion von Akazienhonig läuft in diesem Frühling auf Hochtouren. Ganz anders als im letzten Jahr, als die Ernte von Akazienhonig wegen starken Regenfällen und tiefen Temperaturen fast vollständig ausgefallen war.

Imker in Bulgarien

Nuereitin Nieziew mitten in seinen Bienenstöcken unter blühenden Robinien. Vom weltweiten Bienensterben sind seine Völker bisher verschont geblieben.

Gesunde Bienenvölker

Fast schüchtern erzählt der 42-Jährige von seinem einfachen Leben als Bienenzüchter. Seine 150 Bienenvölker produzieren neben Akazien- vor allem auch Lindenhonig. Probleme mit Krankheiten oder Bienensterben kennt er kaum: «Ich züchte alle meine Königinnen selber. Ausserdem ernähren sich meine Bienen im Winter vom eigenen Honig. Es gibt keine Zufütterung», nennt er neben der intakten Natur zwei weitere Gründe für die robuste Gesundheit seiner Völker. Die Bienenzucht ermöglicht Nuereitin und seiner Familie eine gute Existenz. Seine Ansprüche sind allerdings bescheiden. «Ich war bisher erst einmal in meinem Leben in Sofia, im Ausland noch überhaupt nie», sagt er. Dann steigt er in seinen 14jährigen Lada und führt uns über löchrige Strassen zu den nächsten Imkern.

Alle Reiseberichte aus Bulgarien:
Tag 1: Ein glückliches Leben dank Bienenzucht
Tag 2: Böse Bienen und blutrünstige Zecken
Tag 3: Der kalte Hauch des Kommunismus

Ernteausfälle beim Akazienhonig

Bienen sind für ihren grossen Fleiss bekannt. Doch in den Robinienwäldern Bulgariens und Norditaliens, wo sie üblicherweise reichlich Nektar für den beliebten Akazienhonig finden, blieben sie in diesem Jahr fast arbeitslos.

In Bulgarien gibt es riesige Mischwälder, die von Robinien (Robinia pseudoacacia, falsche Akazie oder Scheinakazie) dominiert werden. Bienen lieben den Nektar ihrer Blüten.

Wegen aussergewöhnlich viel Regen und tiefer Temperaturen im Winter und Frühjahr konnten die Blüten kaum Nektar produzieren, den die Bienen zur Honigproduktion benötigen. „Das gab es in Bulgarien in den vergangenen 14 Jahren nie mehr. Wir konnten heuer bloss 10 Prozent der üblichen Menge an Akazienhonig ernten“, sagt Imker Gerasim Dotchev, der Delinat mit Bio-Honig beliefert. In Ungarn und Rumänien stellten sich dieselben Probleme und auch aus den Robinienwäldern Norditaliens tönt es wenig erfreulich: „Die Ernte war äusserst schlecht. Daher ist dieses Jahr überhaupt kein Akazienhonig verfügbar“, meldet unser Lieferant Alessandro Lanza aus Verona.

Delinat hat vorgesorgt

Somit zeichnen sich beim Akazienhonig Engpässe ab und die Preise dürften anziehen. Wir haben jedoch vorgesorgt und von der letztjährigen, sehr guten und reichlichen Ernte etwas mehr eingekauft. Deshalb sind wir nun in der glücklichen Lage, Sie weiterhin mit biologischem Akazienhonig beliefern zu können – zu den bisherigen Preisen.

Bei den übrigen Honigtypen gibt es keine Ernteprobleme, melden unsere Imker übereinstimmend. Das Bienenjahr 2010 hat sich sowohl in den Ostländern als auch in Norditalien und Spanien normalisiert, so dass mit guter Qualität und ausreichender Menge gerechnet werden kann.