Härtetest bestanden

Für viele Winzer in Europa war 2021 ein äusserst schwieriges Weinjahr. Ein aussergewöhnlich nasser Sommer sorgte für grossen Krankheitsdruck im Rebberg. Die Bedingungen wurden für neue, robuste Rebsorten zu einem echten Härtetest.

Pilzkrankheiten wie der Echte und der Falsche Mehltau konnten sich bei so nassen Wetterverhältnissen, wie sie im vergangenen Sommer insbesondere in Deutschland und der Schweiz herrschten, in Windeseile exponentiell verbreiten. Konventionell arbeitende Winzerinnen und Winzer versuchten, mit Unmengen an Pestiziden die Krankheiten in den Griff zu bekommen, was mal besser, mal schlechter gelang. Für ökologisch arbeitende Winzer war es noch schwieriger, wirksamen Pflanzenschutz zu betreiben. In vielen Fällen hatten biologische Pflanzenschutzmittel wie Kupfer und Schwefel nicht ausgereicht, um die europäischen Traubensorten hinreichend zu schützen, und es mussten auch dort Ausfälle hingenommen werden.

Viel Regen führte vielerorts zu Pilzbefall.
Viel Regen führte vielerorts zu starkem Pilzbefall.

Eine bessere Ausgangssituation hatten diejenigen Winzerinnen und Winzer, die auf robuste Rebsorten setzen. Da diese pilzwiderstandsfähigen Traubensorten (PIWI) im Vergleich zu herkömmlichen Sorten wie Pinot Noir oder Merlot eine höhere Eigenresistenz gegen Krankheiten aufweisen, sind sie viel weniger anfällig gegen Pilzkrankheiten.

Abschied von traditionellen Sorten

Das Delinat-Weingut von Karin und Roland Lenz im Kanton Thurgau setzt seit Jahren auf resistente Traubensorten; bereits rund 80 Prozent der Anbaufläche besteht aus PIWIs (siehe Video mit Roland Lenz). Dies hat sich speziell im Jahr 2021 ausgezahlt, sie retteten dort quasi die Ernte. Roland Lenz blickt zurück auf einen schwierigen Sommer: «Am 13. Juli hatten wir einen Hagelschlag und anschliessend fünf Tage ununterbrochen Regen. Der Pilz konnte in den aufgeweichten Blättern überall eindringen, die europäischen Traubensorten sind regelrecht eingebrochen.» Die robusten Rebsorten hätten jedoch ihre Schutzmechanismen aktiviert und sich besser gegen den Pilzbefall wehren können. «Es gibt sogar robuste Sorten, die wir komplett unbehandelt über die Runden gebracht haben», so Roland Lenz. Er hat sich deshalb entschieden, so schnell wie möglich sämtliche europäischen Reben auszureissen, um in naher Zukunft nur noch auf resistente Traubensorten zu setzen. Das Weingut Lenz ist eines der ersten grösseren Weingüter in Europa, das diesen Schritt wagt.

Voller Ertrag bei guter Qualität

Auch der Delinat-Winzer Timo Dienhart an der Mosel war froh, dass er bereits vor einigen Jahren die pilzwiderstandsfähige Rebsorte Sauvignac in seinen Weinbergen gepflanzt hat. Dort gab es im letzten Jahr im Juni nicht weniger als 20 Regentage, und der Falsche Mehltau hat dort gewütet wie noch selten zuvor. Während Riesling und Pinot Noir dem Mehltaupilz trotz Behandlungen mit biologischen Pflanzenschutzmitteln fast nicht standhalten konnten und es grössere Ausfälle gab, zeigten die Sauvignac-Reben eine gute Resistenz, insbesondere gegen Peronospora (Falscher Mehltau): «Der Joker in unserem Portfolio war dieses Jahr ganz klar der Sauvignac. Der bekam wirklich keine Peronospora, da ist kein einziger Ölfleck zu finden gewesen. Es gab vollen Ertrag in sehr guter Qualität», so Timo Dienhart. Erwähnenswert bei dieser resistenten Traubensorte ist auch die Arbeitseinsparung: «Da kann man im Prinzip von halbiertem Aufwand ausgehen. Und es kostet deutlich weniger Nerven», fügt der Delinat-Winzer hinzu.

Zukunft gehört robusten Sorten

Gesundes Traubengut trotz schlechten Wetterverhältnissen: Resistente Rebsorten haben sich auf dem Weingut Hirschhof dieses Jahr bewährt.
Gesundes Traubengut trotz schlechten Wetterverhältnissen: Resistente Rebsorten haben sich auf dem Weingut Hirschhof dieses Jahr bewährt.

Ähnlich positive Erfahrungen mit resistenten Rebsorten hat Delinat-Winzer Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof in Rheinhessen gemacht: Bei ihm haben sich vor allem die robusten Sorten Regent und Saphira trotz der widrigen Wetterverhältnisse sehr gut gehalten. Dort verzeichnete der Delinat-Winzer praktisch keine Ausfälle, während andere Sorten wie Merlot dem Krankheitsdruck nicht standhalten konnten. Tobias Zimmer kann sich eine Zukunft ohne robuste Rebsorten auf seinem Weingut nicht mehr vorstellen: «Wir setzen bereits auf einen zukünftig höheren PIWI-Anteil und werden im Jahr 2022 noch einmal 0,5 Hektar der robusten Rebsorte Hibernal anpflanzen.» Er kann sich gut vorstellen, dass die Nachfrage nach neuen Sorten bei anderen Winzern im Hinblick auf das schwierige Jahr 2021 steigen könnte: «Vor allem bei meinen Öko-Kollegen ist die Überlegung sehr gross», sagt Tobias Zimmer. Bei konventionellen Kollegen sei aber leider das Interesse immer noch sehr verhalten.

Die Wetterextreme im Sommer 2021 waren äusserst herausfordernd für die Winzer. Es ist erneut deutlich geworden, dass ökologischer Weinbau ohne die neuen, resistenten Sorten fast nicht möglich ist. Und obwohl auch bei diesen Sorten die Resistenz zum Teil nicht ausgereicht hat und mit biologischem Pflanzenschutz unterstützt werden musste, waren diese Rebsorten doch eine grosse Entlastung für die Winzer. Sie sorgten fast überall für stabilere Erträge, weniger Arbeitsaufwand und weniger Stress bei den Winzern.

Aktuelle Video-Beiträge zu neuen Rebsorten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.

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Wie Carlos Laso dem Klimawandel dank Permakultur trotzt

Es war vor ziemlich genau vier Jahren, als ich Carlos Laso bei einem Beraterbesuch auf seinem Weingut Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia ein Bewässerungskonzept nach dem Konzept der Permakultur präsentiert habe. Carlos spürte in seinen Weinbergen schon damals die Auswirkungen des Klimawandels deutlich: Entweder herrschte während ausgedehnten Trockenperioden Wassermangel, was zu grossem Stress bei den Reben führte, oder es fiel sintflutartig Regen, der zu Überschwemmungen und Erosion im Weinberg führte.

Permakultur und Wassermanagment

Planung des ersten Retentionsbecken nach den Prinzipien der Permakultur.
Das Beobachten und Planen sind zwei zentrale Aspekte der Permakultur. Delinat-Winzerberater Daniel Wyss (Mitte) unterstützt Carlos Laso (rechts) bei der Umsetzung des Wassermanagements.

Carlos Laso ist ein innovativer Winzer mit einer unglaublichen Offenheit für neue Ideen. Innert kürzester Zeit setzte er das vorgeschlagene Bewässerungskonzept nach den Prinzipien der Permakultur um, legte Teiche und Versickerungsgräben an, die das Regenwasser speichern und dann nach und nach an die Reben abgeben. Das Ganze schien bestens zu funktionieren, bis sich im Herbst 2019 das spanische Wetterphänomen «La Gota Fría» über seinen Reben entlud: Sintflutartige Regenfälle, wie sie in den letzten drei Jahrzehnten nie vorgekommen waren, überfluteten die neu geschaffenen Rückhaltebecken, füllten sie mit Sedimenten und beschädigten sie teilweise erheblich. Carlos liess alles wieder instand stellen und hob weitere Becken und Gräben aus. Kaum war alles wieder im Lot, folgte im Januar dieses Jahres bereits der nächste Härtetest. Sturm Gloria, unüblich für diese Jahreszeit, füllte wiederum alle Becken. Dieses mal ohne Beschädigungen.

Retentionsbecken verhindern den Trockenheitsstress auf dem Weingut Pago Casa Gran
Verschiedene Retentionsbecken helfen dabei, dass Wasser langfristig auf dem Gelände zu speichern.

In Sommer dann eine freudige Überraschung: Eine Grundwasserquelle, die auf dem Familienbetrieb bis in die 1960er Jahre intakt war, dann aber versiegte, sprudelt jetzt wieder. Für Carlos ist klar, dass das Grundwasserreservoir einerseits durch die in den letzten Jahren ausgehobenen Retentionsbecken und Gräben sowie durch die ausgiebigen Regenfälle in diesem Frühjahr aufgefüllt wurde. Selbst jetzt im Hochsommer sprudelt noch Wasser aus der alten Quelle. Motiviert durch diesen Erfolg, treibt Carlos den Ausbau der Permakultur-Massnahmen immer weiter. Er verfügt jetzt über total neun Teiche, der grösste misst 30 x 60 m.

Üppige Vegetation dank Permakultur-Massnahmen
Die üppige Vegetation in den Weinbergen von Pago Casa Gran beweist, dass nicht nur die Reben von den den angelegten Retentionsbecken profitieren.

Das Beispiel von Pago Casa Gran zeigt, wie wichtig es ist, Wasser dann zurückzuhalten, wenn es verfügbar ist. Die Verfügbarkeit von Wasser in trockenen Regionen ist essenziell für die optimale Reifung der Trauben. Bei zu grossem Trockenstress zeigen sich überreife Aromen, zu tiefe Säurewerte und unreife Tannine. Kann kein Wasser zugeführt werden, bleibt oft nur die vorzeitige Ernte noch nicht optimal reifer Trauben. Die Verfügbarkeit von Wasser ist aber auch im Frühjahr von grosser Bedeutung für die gesamte Entwicklung der Rebe während des Vegetationszyklus.