Mit ökologischen Hotspots gegen Monokultur

Durch die industrielle Landwirtschaft sind ganze Kulturlandschaften aus Rationalisierungsgründen ausgeräumt worden: Hochstammbäume und Hecken wurden aus dem Weg geräumt, offene Bachläufe, Gräben und Teiche zugeschüttet. Geschlossene Naturkreisläufe wurden zerstört. Die Artenvielfalt ist der Monokultur gewichen. Diese Entwicklung machte auch vor dem Weinbau nicht halt.

Hotspot Kräuterinsel

Für eine artenreiche Flora und Fauna: Kräuterinsel im Weinberg von Maggio Vini auf Sizilien

Die Delinat-Richtlinien verlangen eine Rückkehr zu artenreicher Kleinstruktur im Weinberg. Monokulturen sollen aufgelöst und mit verschiedenen Strukturelementen durchbrochen werden. Durch das Anlegen von sogenannten Hotspots wird die Biodiversität gefördert.

Zu diesen Hotspots gehören Bäume mitten im Rebberg. Sie üben sowohl auf Vögel wie Insekten und andere Tiergruppen eine hohe Anziehungskraft aus und fördern dauerhaft die Wiederbesiedlung des ökologischen Habitats. Zudem fungieren sie als Sporenfänger, von wo aus Hefen und andere Pilze sich im Weinberg ausbreiten können. Die Vielfalt natürlicher Hefen zur Weinbereitung und die Konkurrenz für Schadpilze nehmen zu. Pro Hektar sollte mindestens ein Baum inmitten der Reben und mehrere kleinere Fruchtbäume am Rand gepflanzt werden.

Ebenfalls wertvolle Hotspots sind Kräuterinseln, Stein- und Holzhaufen, Teiche, Bienenhotels und Nistkästen. Werden solche Strukturelemente angelegt, erhalten Reptilien, Amphibien, Insekten und Vögel wertvolle Lebensräume, was wiederum viel zu einer artenreichen Fauna und Flora im Weinberg beiträgt.

Richtlinien 1: Biologisch aktive Böden als Basis
Richtlinien 2: Begrünung garantiert lebendige Weinberge
Richtlinien 3: Mit ökologischen Hotspots gegen Monokultur
Richtlinien 4: Sekundärkulturen – der Weinberg als Mischgarten

Biologisch aktive Böden als Basis

Die Bio-Richtlinien der EU, aber auch bekannte Biolabel, enthalten keine konkreten Bestimmungen zur Förderung der Biodiversität. Beim Umgang mit dem Boden im Weinberg beschränken sie sich mehr oder weniger auf ein Verbot von Kunstdüngereinsatz.

Biologisch aktiver Boden

Biologisch aktiver Boden im Weingut Harm in der Wachau

 

Biologisch aktive Böden sind jedoch die Basis für artenreiche Weinberge mit intakten natürlichen Kreisläufen. Die Delinat-Richtlinien verlangen deshalb die Förderung der biologischen Aktivität und Vielfalt der Böden durch geeignete Bewirtschaftungsmassnahmen. Der Winzer verpflichtet sich beispielsweise, seine Böden durch zurückhaltende Bearbeitung und durch dauerhafte Begrünung gegen Erosion, Auswaschung, Verdunstung und somit vor unnötigen Nährstoffverlusten zu schützen.

Was dem Weinberg durch die Ernte an Kraft und Nährstoffen entzogen wird, muss ihm in nachhaltiger Form zurückgegeben werden. Dafür kommt für Delinat-Winzer ausschliesslich bioaktive Düngung in Frage wie Kompost, Pflanzenkohle, Kräutertees oder Mulch. Grundsätzlich verboten sind: Mineraldünger, Düngekonzentrate, Herbizide und Gülle. Viehmist soll vor dem Ausbringen unbedingt kompostiert, zumindest aber 1 Jahr getrocknet werden.

Durch diese Vorgaben werden lebendige Böden und damit die Voraussetzungen für einen stabilen, möglichst autonomen Nährstoffzyklus im Weinberg geschaffen. In einem lebendigen Boden arbeiten in jedem Gramm der Krume Milliarden Mikroorganismen an der Schliessung der Nährstoffkreisläufe und für die Gesundheit der Pflanzen. Die Delinat-Richtlinien widmen sich ihrem Schutz und ihrer Förderung.

Richtlinien 1: Biologisch aktive Böden als Basis
Richtlinien 2: Begrünung garantiert lebendige Weinberge
Richtlinien 3: Mit ökologischen Hotspots gegen Monokultur
Richtlinien 4: Sekundärkulturen – der Weinberg als Mischgarten

Winzertreffen auf Sizilien

Starke Regenfälle und Überschwemmungen auf Sizilien machten Mitte März nicht nur die Anreise zum diesjährigen Winzertreffen bei MaggioVini in Vittoria ziemlich kompliziert, sie beeinflussten auch das Programm.

Winzer-Treffen Italien 2012 bei Salustri

Winzerberater Rolf Kaufmann (Delinat, 4.v.l.) mit den italienischen Winzern im Weinberg.

Schwerpunkt: Delinat-Richtlinien

Unser Winzerberater Rolf Kaufmann präsentierte die Neuerungen 2012 bei den Delinat-Biorichtlinien. Diese werden aufgrund von neuen Erkenntnissen laufend weiterentwickelt und verbessert. Weiter konnte Rolf über neue Projekte auf verschiedenen italienischen Weingütern und erste Erfahrung mit dem Einsatz von Pflanzenkohle als Bodenverbesserer berichten. Diese weisen darauf hin, dass die Rebe auf einen mit Pflanzenkohle angereicherten Boden mehr Nährstoffe aufnimmt, was sich sehr positiv auf die Gärung auswirken kann.

Praktischer Anschauungsunterricht

Das Weingut von Massimo Maggio ist als italienischer Partner im Forschungsnetzwerk des Delinat-Instituts prädestiniert für praktischen Anschauungsunterricht. Daher wurde viel Zeit in die Betriebsbesichtigung investiert. So konnten die andern Winzer Ideen sammeln, die sie auch auf dem eigenen Weingut umsetzen können. Besonders beeindruckend war für uns alle, wie es Massimo im heissen und trockenen Sizilien immer wieder schafft, mit unterschiedlichen Einsaaten und Begrünungsversuchen die Biodiversität in seinen Weinbergen optimal zu fördern.

Grosses Interesse zeigten die Winzer auch für alternative Spritzmittel gegen den falschen Mehltau, wie sie Winzer Walter Fromm in der Toskana getestet hat. Winzer Claudio Menicocci aus der Region Lazio nördlich von Rom präsentierte seinerseits einen Versuch mit Brutkästen. Mit der Förderung der Biodiversität durch Pflanzen von Bäumen und Büschen und dem Installieren von Brutkästen im Weinberg möchte er herausfinden, ob dadurch der Weinberg als Habitat für Vögel attraktiver wird.

Bezeichnung «Biowein» offiziell erlaubt

Der Begriff «Biowein» war aus EU-Optik bisher nicht gestattet. Der Grund: Es existierten zwar bereits spezielle Richtlinien für den ökologischen Weinanbau, nicht aber für die Vinifikation. Obwohl Delinat schon seit vielen Jahren eigene, strenge Richtlinien für beide Bereiche anwendet, durften auch unsere Weine auf der Etikette bloss mit dem Hinweis «hergestellt mit Trauben aus ökologischem Anbau» bezeichnet werden.

EU Bio-Siegel

Noch dürfen Weine mit dem EU-Bio-Siegel nicht als »Biowein» bezeichnet werden.

Ab Ernte 2012 ist nun die Bezeichnung «Biowein» und die Verwendung eines entsprechenden EU-Bio-Logos offiziell erlaubt. Dies, nachdem die zuständige EU-Kommission Anfang Jahr spezielle Anforderungen für die Verarbeitung von Bioweintrauben erlassen hat. Die Delinat-Richtlinien werden dadurch keineswegs überflüssig – die EU-Anforderungen sind sowohl für den Weinberg wie auch für die Vinifikation deutlich lascher.

Weinberg in Biodiversität

Dazu sagt das EU-Siegel nichts: Biodiversität im Weinberg nach Delinat-Richtlinien

Die wichtigsten Unterschiede der neuen EU-Kellerrichtlinien zu jenen von Delinat:

  • EU-Bio erlaubt höhere Mengen von Schwefel (SO2) zur Haltbarmachung des Weins.
  • Die EU-Richtlinien lassen mehr Hilfsstoffe zu wie z.B. Phosphate als Hefenährstoffe, Enzyme zur besseren Saft- und Extraktausbeute, Kupfersulfat als Schönungsmittel oder Ascorbinsäure, Gummiarabikum und Kaliumbitartrat als Stabilisatoren.
  • Delinat hat strengere Limiten bei der Chaptalisation (Aufzuckerung) sowie bezüglich Weinsäure- und Apfelsäuremenge.
  • Umkehrosmose zur Mostkonzentration ist bei EU-Bio erlaubt, bei Delinat nicht.

Weine, die das Delinat-Schnecken-Logo tragen, bieten also auch weiterhin deutlich mehr Gewähr, dass sie nicht einfach minimale Bio-Anforderungen erfüllen, sondern aus Weinbergen mit grosser Biodiversität und von Winzern stammen, die auch im Keller eng mit der Natur verbunden bleiben. Die anspruchsvollen Delinat-Richtlinien finden Sie hier.

Mit erhöhter Pulsfrequenz auf Tournee

Zu meinen Kernaufgaben gehört es, unsere Winzer in Spanien, Frankreich und Deutschland in ökologischen Belangen zu beraten und ihnen bei der Umsetzung der anspruchsvollen Delinat-Biorichtlinien zu helfen. Neu dagegen ist für mich die Rolle als Biowein-Botschafter: Für «Delinat on tour» reise ich durch Deutschland, um Kundinnen und Kunden von unserer Arbeit am Weinberg der Zukunft zu berichten – und natürlich habe ich die ein oder andere Flasche zur Degustation dabei.

Biohotel Alter Wirt

Das Biohotel Alter Wirt in München bot nicht nur den passenden Rahmen für Delinat on tour, sondern auch äusserst leckere Häppchen für den kulinarischen Genuss.

Gerade  von meinen Winzerberatungen in Südfrankreich zurück, konnte ich an den letzten Tour-Stationen in München und Stuttgart aus dem Vollen schöpfen und  über die aktuellen spannende Forschungsprojekte berichten.

Die Besucher waren bei beiden Anlässen entweder beruflich oder privat ökologisch engagiert und daher stiessen die strengen und ambitiösen Delinat-Richtlinien auf grosses Interesse – deren Einhaltung soll die Weinberge unserer Winzer wieder in intakte Ökosysteme verwandeln.

Kupfer und Schwefel im Bio-Weinbau?

Da ich die Winzer genau zu diesem Thema berate, kam schnell ein reger Austausch zustande. Auch kritische Fragen wurden gestellt – vor allem zum Einsatz von Kupfer und Schwefel gegen den echten und falschen Mehltau im Weinberg. Auf beides können leider auch wir nicht völlig verzichten. Ich konnte das Publikum aber informieren, dass wir intensiv an einer Mengenreduktion arbeiten und forschen. Unsere Richtlinien begrenzen die ausgebrachten Mengen bereits massiv. Durch den Einsatz von Kalium und Natriumbicarbonat beim flüssigen Schwefel sowie von Gesteinsmehl beim Stäubeschwefel konnten wir eine Reduktion der ausgebrachten Mengen von 50% erzielen.

Biokohle als Bodenverbesserer

Der Einsatz von Biokohle zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit hat viele beeindruckt. Wie so oft wurde ich gefragt, wo man denn Biokohle beziehen könne, um im eigenen Garten damit zu experimentieren. Leider konnte ich (noch) nicht mit Bezugsquellen dienen – für einen Verkauf an Endverbraucher wird noch nicht genug produziert. Erste Versuche mit gestampfter Holzkohle, die man mit Kompost vermischt, sind aber durchaus möglich.

Gute Resonanz in München…

Im Biohotel Alter Wirt in München interessierten sich 40 Personen für die aktuellsten Trends im Bioweinbau. Die abschliessende Degustation war nicht nur für mich ein Höhepunkt. Ich war einmal mehr beeindruckt, dass unser Wein aus gesunder Natur unsere Kundinnen und Kunden auch qualitativ begeistert. Mich begeisterten zusätzlich das Ambiente und das konsequent umgesetzte Konzept im Biohotel Alter Wirt. Es hat mir eine erholsame Nacht beschert.

… und in Stuttgart

Davon konnte ich auch zwei Wochen später noch zehren, als ich mich auf den Weg nach Stuttgart machte. Weil die Bahnstrecke Basel – Freiburg gesperrt war, musste ich mit erhöhtem Puls einen Umweg in Kauf nehmen. Den 43 Weinliebhabern, die im Stuttgarter Bio-Restaurant Lässig während dreiviertel Stunden gedulden mussten, schien die Warterei nichts auszumachen. Sabine Lässig und ihr Team verstanden es zum Glück bestens, die Gäste bei Laune zu halten. Auch die abschliessende Degustation  entschädigte für die Wartezeit.

Die nächsten Tour-Termine:
Berlin am 4. Juni -> mehr Info
Freiburg am 10. Juni -> mehr Info

Das Delinat-Forschungs-Netzwerk

Wie lassen sich praktisch identische ökologische und wirtschaftliche Probleme in Weinbaugebieten mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und Bodenbeschaffenheiten lösen? Mit dieser zentralen Frage beschäftigt sich das Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming intensiv. Es geht darum, neuen Methoden der Begrünung, der Bodenaktivierung, der Biodiversifizierung und der Reduktion von Klimagasen zum Durchbruch zu verhelfen – europaweit.

Weingut Mosel

Timo Dienhart, engagierter Jungwinzer an der Mosel, hat bereits einige Biodiversitäts-Projekte auf den Weg gebracht. Hier zeigt er ein in die Rebzeile integriertes Insektenhotel.

Vier Delinat-Modellweingüter

Das Delinat-Institut im Wallis wählt dafür einen pragmatischen Ansatz: Die in den erwähnten Bereichen bereits bestehende und bewährte Forschungspartnerschaft mit dem Weingut von Château Duvivier in Frankreich wird auf drei weitere Güter in Ländern mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ausgedehnt. Zu neuen Delinat-Modellgütern werden somit ein sommertrockenes Gut in Spanien (Pago Casa Gran, Valencia), ein extrem sommertrockenes italienisches Gut (Maggio Vini, Sizilien) sowie ein regenreicheres deutsches Gut (Römerkelter, Mosel.

Ausbildungszentren für Delinat-Winzer

Das Institut und die vier Weingüter bilden neu das Delinat-Forschungs-Netzwerk. Sie nehmen an gemeinsamen, vom Delinat-Institut koordinierten wissenschaftlichen Versuchen teil, um die Praxistauglichkeit neuer Methoden für einen klimaneutralen Qualitätsweinbau mit hoher Biodiversität international unter Beweis zu stellen. Konkret geht es zum Beispiel um den Einsatz von Biokohle, die Optimierung der Begrünungssysteme und die Entwicklung neuer Mischkulturen.

Gleichzeitig werden alle Modellgüter zum Ausbildungszentrum für die Delinat-Winzer des jeweiligen Landes. Um ihre Vorbildfunktion wahrnehmen zu können, sollen sie möglichst rasch die höchste Qualitätsstufe der Delinat-Richtlinien (3 Schnecken) erreichen. Ziel ist, dass andere Delinat-Weingüter sukzessive nachziehen und ebenfalls dieses ambitiöse Niveau erreichen.