Valpolicella – Pioniere im Tal der vielen Keller

Das Valpolicella ist eine reizvolle Rotweinregion im Veneto. Der Name bedeutet «Tal der vielen Keller». Einst reiften hier nur einfache Massenweine. Heute ist alles anders: Der Valpolicella ist ein begehrter Alltagswein. Der Amarone hat längst Kultstatus. Und der Ripasso befindet sich gerade im Steigflug. Rendez-vous mit drei Valpolicella-Pionieren.

Herrliche Aussicht auf das «Tal der vielen Keller».
Herrliche Aussicht auf das «Tal der vielen Keller».

Der Mann strahlt eine unwiderstehliche Autorität aus. Wir sitzen zur Mittagszeit im Ristorante «Due Nani» in Bardolino abseits vom Touristenstrom. «Hier essen die Einheimischen», sagt Emilio Fasoletti, gebürtiger Bardoliner und ehemaliger Direktor des Winzerkonsortiums Valpolicella. Mit am Tisch sitzen zwei alte Freunde: Natalino und Amadio Fasoli, Winzer aus dem Illasi-Tal. Es gehört zum erweiterten Valpolicella- Gebiet, das die Stadt Verona wie ein halboffener Mantel umgibt. Als der Wirt mit einer Auswahl schönster Primi statt den bestellten Antipasti anrückt, gibts bei Emilio kein Pardon: Obwohl uns ob der dampfenden Pasta schon das Wasser im Mund zusammenläuft, beordert er die «Fehllieferung» zurück in die Küche! «O dio», entfährt es dem Capo und weg ist er.

Delinat-Önologin Martina Korak am Mittagstisch mit den Valpolicella-Pionieren Emilio Fasoletti und den Gebrüdern Fasoli.
Delinat-Önologin Martina Korak am Mittagstisch mit den Valpolicella-Pionieren Emilio Fasoletti und den Gebrüdern Fasoli.

Emilio Fasoletti ist so etwas wie der «Mister Valpolicella». Seinen patriarchalischen Zug hat sich der ausgebildete Önologe als langjähriger Konsortiumsdirektor angeeignet. Als solcher betreute er gut 30 Jahre lang einen wilden Haufen von Winzern mit unterschiedlichsten Interessen und Anliegen. Da war ein führender Kopf mit klarer Linie und innovativem Konzept gefragt. Ansonsten hätte es der einst einfache, wenig beachtete Bauernwein aus dem Tal der vielen Keller (rund 400 sollen es sein) nie zu jenem Renommee geschafft, das er jetzt geniesst: Valpolicella, Valpolicella Superiore, Ripasso und Amarone gelten unter Liebhabern italienischer Weine heute als beliebte Tropfen mit hohem Ansehen, ganz besonders natürlich «König» Amarone.

Der Direttore und «La donna volante»

«Mister Valpolicella» Emilio Fasoletti.
«Mister Valpolicella» Emilio Fasoletti.

Dem ehemaligen Direttore gehört zweifelsohne eine Pionierrolle, wenn es um Vermarktung und Aufstieg dieses norditalienischen Weinbaugebiets geht. Als die Antipasti serviert werden, verweist er stolz auf ein altes Plakat des Consorzio, das hinter seinem Rücken an der Wand des Restaurants hängt. Es zeigt «La donna volante», eine attraktive Frau im wallenden Kleid, die für Valpolicella-Weine wirbt: «Das von Milo Manara gestaltete Plakat hat seinerzeit für viel Aufregung gesorgt, weil der Künstler den Rocksaum der Schönen ziemlich knapp gehalten hat», sagt Emilio grinsend. «Aber es hat uns geholfen, das Valpolicella bekannt und sympathisch zu machen.»

Der Sprung zum Qualitätswein

Eine andere Pionierrolle gehört Natalino und Amadio Fasoli. Nach einer mehrjährigen Experimentierphase stellten die beiden Brüder als erste der Region ihr Weingut bereits 1984 ganz auf biologischen Anbau um. Gleichzeitig gehörten sie zu den Ersten, die mit radikalen Ertragsbeschränkungen und sanfter Vinifikation den Qualitätsweinbau im Valpolicella förderten. Das zahlt sich heute noch aus. Die Fasoli-Weine geniessen weit über die Bioszene hinaus einen ausgezeichneten Ruf.

Natalino Fasoli in seinem Barrique-Keller.
Natalino Fasoli in seinem Barrique-Keller.

Winzer, die gewillt waren, auf Qualität statt auf Menge zu setzen, das war ganz im Sinne von Emilio Fasoletti: «Qualitätssteigerung war für mich stets ein zentrales Anliegen», sagt er. Gleichwohl entwickelte sich der biologische Weinbau lange Zeit nur zögerlich. «Ich habe immer alle, die sich dafür interessierten, zu den Fasolis geschickt. Die waren lange die Einzigen und hatten am meisten Erfahrung», blickt Fasoletti zurück. Erst in den letzten Jahren seiner Amtszeit habe es einen kleinen Boom gegeben, weil Bio in Mode kam. Auf dem Papier sieht die Bilanz aber nach wie vor düster aus. Natalino Fasoli: «Neben uns gibt es im ganzen Valpolicella vielleicht noch ein halbes Dutzend andere zertifizierte Betriebe. Die kontrollierte Biofläche liegt bei rund 200 Hektar.» Überaus bescheiden bei einer Gesamtrebfläche von 7000 Hektar. Natalino und Amadio glauben zwar, dass es in Wirklichkeit heute viel mehr Winzer sind, die auf den Einsatz von Chemie verzichten. Nicht zuletzt, weil «viele Leute aufschreien, wenn sie das sehen». Manch einer aber scheue einfach den Aufwand, sich zertifizieren zu lassen. Und alleine mit dem Verzicht auf Chemie und Künstdünger sei es ja auch nicht getan. Natalino: «Wer geschlossene ökologische Kreisläufe anstrebt, braucht dafür Weinberge mit intakter Biodiversität. Das wiederum bedingt viel Handarbeit, Nähe zur Natur und Verzicht auf schwere Maschinen.»

L’ultima cena

Nachtessen bei den Fasolis
«In solchen Momenten wird einem gewahr, dass die Fasoli-Weine etwas Besonderes sind»

Nach dem Essen – den herrlich mundenden Antipasti folgte noch ein feiner Fisch aus dem Gardasee – verabschieden wir uns von «Mister Valpolicella» und lassen uns von Amadio und Natalino Fasoli durch die hügelige Landschaft des Valpolicella führen. San Giorgio ist ein kleines Hügeldorf, das einen umwerfenden Blick auf den Gardasee und die leuchtenden Rebberge des Valpolicella Classico bietet.

Kirche San Giorgio di Valpolicella
Die Kirche San Giorgio di Valpolicella gehört zu den schönsten romanischen Bauwerken im Veneto.

Hier lohnt sich auch ein Blick in die romanische Kirche. Ihre puristische, schnörkellose Schönheit ist überwältigend. Per Münzautomat geht für 50 Cent die Beleuchtung an. Über dem Eingang werden die Details des restaurierten Freskenbildes mit den zwölf Aposteln sichtbar: L’ultima cena. Auf uns wartet das letzte Abendessen dieser Valpolicella-Visite am nächsten Tag zu Hause bei Natalino Fasoli. Als wir an diesem lauen Sommerabend nach Einbruch der Dämmerung in seinem Garten eintreffen, sind schon die ganze Familie, Mitarbeiter und Freunde ums eingefeuerte Kamin versammelt. Über glühenden Holzkohlen brutzeln saftige Stücke vom Huhn und vom Kaninchen, feine Maisschnitten und allerhand Gemüse. Als alles angerichtet ist, wird dazu fast die ganze Palette der Fasoli-Rotweine kredenzt: Valpolicello, Ripasso und Amarone. Und wieder einmal wird einem auf wundersame Weise bewusst, dass die biologischen Gewächse aus dem Hause Fasoli auch heute noch ganz besondere Weine aus dem Tal der vielen Keller sind.

Valpolicella, Ripasso, Amarone

Die Anstrengungen des Consorzio Valpolicella für mehr Qualität begannen in den 1990er-Jahren Früchte zu tragen. Damals schlug die grosse Stunde des Amarone. Der dichte, gehaltvolle Wein aus rosinierten Trauben eroberte anspruchsvolle Gaumen in aller Welt und wurde zum Weinmonument des Valpolicella. Jeden Herbst opfern ihm die Winzer ihre besten Trauben. Die gesamte Rebfläche des Valpolicella beträgt 7000 Hektar. Pro Hektar dürfen maximal 4000 Kilo Trauben zu Amarone verarbeitet werden. Für eine gute Flasche Amarone braucht es bis zu vier Kilo frische Trauben, je nachdem, wie stark sie getrocknet werden. Den Amarone gibt es auch in einer süssen Variante unter dem Namen Recioto.

[caption id="attachment_10216" align="alignnone" width="570"]Der Königswein aus dem Valpolicella wird aus luftgetrockneten Trauben erzeugt. Der Königswein aus dem Valpolicella wird aus luftgetrockneten Trauben erzeugt.[/caption]

Der grosse Überflieger im Valpolicella ist im Moment der Ripasso, oft als kleiner Bruder des Amarone bezeichnet. Er entsteht aus einem Valpolicella- Jungwein, den man auf nassen Traubenhäuten des Amarone nochmals aufgären lässt. Die Nachfrage nach der preiswerten Alternative zum teuren Amarone ist weit grösser als das Angebot. Den Winzern sind allerdings auch hier die Hände gebunden: Gemäss Reglement darf höchstens doppelt so viel Ripasso produziert werden wie Amarone.

Gemacht hat sich auch der Basiswein: Aus dem einst rustikalen Bauernwein Valpolicella ist ein leichter, angenehmer Tropfen mit dezentem Nussgeschmack geworden. Ein gefälliger Wein für jeden Tag, der zu einem breiten Spektrum an Speisen passt. Zusätzlich gibt es noch den Valpolicella Superiore. Er wird in der Regel aus Trauben von besseren Lagen und alten Rebstöcken gekeltert.

Corvina, Rondinella, Molinara
Alle diese Rotweine werden aus denselben autochthonen Traubensorten erzeugt: Corvina Veronese, Rondinella und Molinara. Sie sind die typischen Traubensorten im Valpolicella. Mit einem Anteil von gegen 70 Prozent ist die Corvina die wichtigste. Die sehr aromatischen Beeren der Rondinella werden vor allem für den Recioto (die süsse Variante des Amarone) verwendet. Die Molinara wird oft für junge, frische und helle Weine verwendet. Sie muss, im Gegensatz zu den beiden andern Sorten, nicht zwingend enthalten sein in einem Wein aus dem Valpolicella.

Mehr zum Weingut Fasoli und seinen Weinen: www.delinat.com/fasoli