Energiespendendes Naturparadies auf dem Balkon

Was unsere Winzer auf ihren Weingütern im grossen Stil umsetzen, macht im Kleinen auch in Ihrem privaten Umfeld Sinn. Ein Garten ist ideal für eine grosse Pflanzenvielfalt mit insektenfreundlichen Wildblumen, biologischem Gemüse oder auch Reben. Auch wenn der Garten fehlt, lässt sich dies ohne Weiteres auf Ihrem Balkon, der Dachterrasse oder auf einem Flachdach bewerkstelligen. Hier bieten sich zusätzlich Möglichkeiten zur Nutzung der Sonnenenergie.

Die Delinat-Methode kann auch zuhause umgesetzt werden.

Wichtig ist, dass die Töpfe, die bepflanzt werden, genügend gross sind, und die Versorgung mit Wasser gesichert ist. Das Balkongeländer kann vom Garten her mit einer Rebe berankt werden oder sie kann in einen Topf gepflanzt und auf den Balkon gestellt werden. Eine ideale Beschattung für Balkon und Dachterrasse ist Ihnen so sicher. Wichtig: Pflanzen Sie eine robuste Rebe (PIWI), die keinen Pflanzenschutz benötigt.

Balkone sind meist regengeschützte und warme Orte. Tomaten gedeihen hier besonders gut. In kleineren Töpfen fühlen sich trockentolerante Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian und Oregano sehr wohl. Sie sind nicht nur attraktiv für Insekten, sondern bieten auch Gaumenfreuden für die Küche. Möglich sind auch Basilikum, Koriander, Schnittlauch und Petersilie, die aber mehr Wasser benötigen.

Damit Wildbienen den Balkon besuchen und Gemüse oder Obst bestäuben, sind Wildblumen in einem Topf und ein Insektenhotel ideal. Verfügen Sie über einen grossen Balkon oder eine Dachterrasse, sind grosse Töpfe mit kleinen Sträuchern, Obstbäumen oder gar eine Terrassenbegrünung mit Wildblumen möglich. Bei genügend Fläche hat auch ein Balkonkomposter Platz, falls die Möglichkeit fehlt, einen Quartierkompost zu benützen.

Nisthilfen für Fledermäuse, Meisen, Gartenrotschwänze oder anderes Gefieder steigern die Biodiversität in Ihrem privaten Umfeld noch mehr. Und diese sorgen erst noch dafür, dass Ihnen weniger Stechmücken und Fliegen um die Ohren schwirren.

Die Delinat-Richtlinien verlangen von unseren Winzern, dass sie einen Grossteil der benötigten Energie auf dem eigenen Hof aus erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Wasser) produzieren. Dies ist auch für Sie mit einer Solaranlage sehr einfach möglich. Eine grössere Anlage für Solarstrom oder Solarwärme auf dem Dach ist natürlich perfekt. Es ist aber auch möglich, sinnvoll und weniger kostenintensiv, am Geländer ein kleines Balkonkraftwerk zur Produktion von Solarstrom zu installieren. Diese sind in Deutschland schon ab zirka 500 bis 1200 Euro erhältlich, in der Schweiz etwa ab 1500 Franken.

Alle fürs Klima – ist der Weinbau in Südeuropa noch zu retten?

Winzerinnen und Winzer spüren die extremen Klimaveränderungen der letzten Jahre hautnah und sind stark davon betroffen. Sowohl monatelange Trockenheit wie auch extreme Regenfälle machen den Weinbau in Europa immer schwieriger. Es ist höchste Zeit für wirksamen Klimaschutz.

«Wir haben hier extreme Hitze und Trockenheit, und in diesem Jahr ist es besonders schlimm», erzählt Carlos Laso mit einem besorgten Gesicht. Dann wieder setzten kurze, aber heftige Starkregen ein. Dabei fliesst das eigentlich dringend benötigte Nass aber sehr schnell wieder ab, weil die ausgetrockneten Böden das Wasser nicht so schnell aufnehmen können. «Nicht bei uns auf Pago Casa Gran» sagt der Delinat-Winzer aus Valencia: «Unsere Retentionsbecken sind Gold wert.» Das Regenwasser kann in diesen Becken zurückgehalten werden und sickert langsam in die Weinberge. Andere Becken dienen zur späteren Bewässerung, wenn es nötig wird. Hinzu kommt die Begrünung der Rebengassen, welche Erosion durch Starkregen zu vermindern mag und die Speicherfähigkeit von Wasser im Boden erhöht.

Schnecke im Weinberg

Viele Weinregionen in Europa hatten diesen Sommer mit ungewöhnlich feuchtem Wetter zu kämpfen: Die anhaltenden Niederschläge im Juni sorgten zum Beispiel in Bordeaux dafür, dass der Falsche Mehltau optimale Voraussetzungen vorfand, um in den Rebbergen riesigen Schaden anzurichten. Die Pilzkrankheit verbreitete sich in einem nie vorher dagewesenen Ausmass und zerstörte innerhalb von wenigen Tagen einen Grossteil der diesjährigen Ernte. Das Delinat-Weingut Château Couronneau kann in diesem Jahr fast keine roten und nur wenige weisse Trauben ernten: Mehr als 60% Verlust lautet die Prognose für dieses Jahr. Auch hier bewahrt die Vitalität der Reben und die hohe Biodiversität das Weingut wohl vor dem Komplettverlust der Ernte. Gut auch, dass Winzer Christophe Piat immer mehr auf robuste Rebsorten setzt – künftig wird das Weingut besser gegen Pilzkrankheiten aufgestellt sein.

Extreme Wetterereignisse über Jahre hinweg bedrohen die Betriebe in ihrer Existenz: Mehrere schlechte Ernten in Kombination mit Absatz-Schwierigkeiten können schnell das Aus bedeuten. Und die Erfahrungen zeigen, dass nicht nur Weingüter um ihr Überleben kämpfen müssen, welche schon seit Jahren finanziell schlecht aufgestellt waren. Die Auswirkungen des Klimawandels bedrohen auch Top-Betriebe, der gesamte Weinbau ist davon direkt betroffen.

Delinat-Methode – Lösungsansätze für den Weinbau der Zukunft

Gewiss, Delinat-Weingüter haben im Vergleich zu ihrer Konkurrenz einen Vorsprung, denn schon seit 40 Jahren setzt sich Delinat für einen umwelt- und klimaverträglichen Weinbau ein. Erneuerbare Energien, Wasserretention, Agroforst und neue robuste Rebsorten sind wichtige Bestandteile der Delinat-Methode für den Weinbau der Zukunft. Ohne diese Massnahmen wird Weinbau in vielen Regionen künftig gar nicht mehr möglich sein – oder sich finanziell nicht mehr lohnen. Winzerinnen und Winzer müssen sich deshalb schnell an die Klimaveränderungen anpassen, sonst ist ihre Existenz akut gefährdet.

Alle sind gefordert

Der ökologische Wandel in der Landwirtschaft und in unserem privaten Konsumverhalten erfordert einen starken Willen und Mut. Sauber produzierte und giftfreie Lebensmittel haben ihren Preis, doch so lange wir nur die günstigsten Lebensmittel kaufen, wird sich an der umweltschädlichen Produktion nichts ändern.

Doch auch wenn immer mehr Landwirte nachhaltig wirtschaften, wenn immer mehr Konsumentinnen verantwortungsvoll und bewusst einkaufen – das allein reicht nicht: Auch die Politik muss im Eiltempo die Klimawende ermöglichen, um die Zukunft lebenswert zu erhalten. Dazu gehören wirkungsvolle Klima- und Naturschutzgesetze, die Mobilitätswende, Abschied von fossilen Brennstoffen und vieles mehr.

Wir hoffen, dass der Druck vieler Menschen auf der Strasse und beim Einkauf am Ende auch bei der Politik ein Umdenken bewirkt. Denn der Klimawandel ist real, und eine schnelle Transformation hin zu nachhaltigen Anbaumethoden und grüner Energie braucht es nicht nur im Weinbau – sondern überall.

Weingut Lenz im Sonntagskleid

Karin und Roland Lenz, Delinat-Biodiversitätswinzer 2023, haben im Beisein von über 200 interessierten Gästen am 22. Mai den Internationalen Tag der biologischen Vielfalt auf ihrem Weingut mit einem attraktiven Programm gefeiert.

Über 200 Gäste haben auf dem Delinat-Weingut von Karin und Roland Lenz in der Ostschweiz einen eindrücklichen Tag der biologischen Vielfalt erlebt.
Über 200 Gäste haben auf dem Delinat-Weingut von Karin und Roland Lenz in der Ostschweiz einen eindrücklichen Tag der biologischen Vielfalt erlebt.

Was für ein Tag! Harmonischer und spannender hätte der Biodiversitätstag vom 22. Mai 2023 auf dem Weingut von Karin und Roland Lenz in der Ostschweiz nicht ablaufen können: Zuerst philosophierte der bekannteste Schweizer Demeter-Bauer und «Kuhflüsterer» Martin Ott unter Schatten spendenden Obstbäumen über die Lebenskreisläufe unseres Planeten. Er machte bewusst, dass sich Biodiversität hauptsächlich in Zwischenräumen abspielt und vor allem aus Vernetzung besteht. Alles, was existiert, ist miteinander verbunden: Boden, Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt. Wie das in der Praxis aussieht, erlebten die Gäste auf einem von Delinat-Winzerberater Daniel Wyss begleiteten Spaziergang durch die renaturierten Lenz-Bioweingärten, die sich in grandioser Farbenpracht präsentierten. Blühende Wildrosen wurden umschwärmt von Wildbienen, Hummeln, Wespen und Hornissen. Turmfalke, Milan, Grünspecht, Distelfinken und Amseln waren den ganzen Tag unterwegs, wie auch unzählige Libellen, Schmetterlinge und Heuschrecken. Für Staunen bei vielen sorgte die Erkenntnis, dass nur etwa 15 Prozent der Biodiversität direkt sichtbar sind – 85 Prozent spielen sich unsichtbar im Boden ab. Sichtbare Vielfalt im Weinberg lässt also gleichzeitig auf ein vielseitiges, lebendiges Bodenleben schliessen, das die Bodenfruchtbarkeit positiv beeinflusst.

Mit dem Biodiversitätswein angestossen

Spannend auch die Ausführungen zu den Langohr- und Zwergfledermäusen, die auf dem Weingut zu finden sind. Beides sind Insektenliebhaber, die Schädlinge wie die Kirschessigfliege oder den Traubenwickler verspeisen. Damit sie sich vermehrt in den Weingärten aufhalten, haben Karin und Roland 40 Jagdquartiere (Kästen) platziert und eine Fledermauswassertränke eingerichtet. Nach einem Gang durch einen Naturgarten mit Beikräutern, Stauden, Wildgehölzen und Bäumen liess man sich in der Festwirtschaft mit kulinarischen Köstlichkeiten und einem Glas Lenz-Biodiversitätswein verwöhnen, den das Weingut speziell für Delinat aus robusten Trauben, die kaum gespritzt werden müssen, gekeltert hat. Ein paar Flaschen sind noch übrig: -> Zum Biodiversitätswein 2023

Alle Beiträge der WeinLese 71

Wasserretention und Mulch helfen gegen Trockenstress im Garten

Was unsere Winzer auf ihren Weingütern im grossen Stil umsetzen, macht im Kleinen auch in Ihrem Garten Sinn. Zum Beispiel, Regenwasser versickern zu lassen oder Gemüsebeete mit Gras oder Häcksel zu mulchen. Der Klimawandel bringt bei uns übers Jahr nicht unbedingt weniger Niederschläge, aber die Verteilung verändert sich stark. Wenn es regnet, dann vielfach heftig oder über einen längeren Zeitraum viel zu wenig.

Mulch schützt vor Trockenstress

Regenwasser speichern

Wenn es im Sommer trocken ist, immer wärmer wird und auch noch das ersehnte Sommergewitter ausfällt, hilft das Konzept der «Schwammstadt». Anfallendes Regenwasser soll möglichst lokal versickern und so im Boden gespeichert werden, dass ein Absinken des Grundwasserspiegels verhindert wird. Dadurch werden hohe Abflussraten verringert, das Stadt- oder Dorfklima durch höhere Verdunstungsraten gekühlt und die Gesundheit von Bäumen und Sträuchern im Hochsommer verbessert. Leider wird in den meisten Siedlungen Regenwasser vom Dach einfach in die Kanalisation geleitet und so unnötigerweise der Kläranlage zugeführt. Hier können Sie handeln: Lassen Sie Ihr Regenwasser versickern oder leiten Sie es in einen Tank, um den Garten zu wässern oder sogar die Toiletten zu spülen. Einfamilienhäuser können so durchaus 50 Prozent Trinkwasserverbrauch einsparen. Sind Sie in Miete in einem Mehrfamilienhaus? Regen Sie bei Ihrem Vermieter an, das Dachwasser versickern zu lassen anstatt es in die Kanalisation abzuleiten. So gedeihen die Bäume und Sträucher im Garten besser und schenken Ihnen in der heissen Zeit mehr Schatten.

Mulchen wirkt Wunder

Gemüse- und Blumenbeete mit Gras oder unter Bäumen und Sträuchern mit Häcksel zu mulchen, hat viele Vorteile. Ein nackter, der Sonne ausgesetzter Boden kann sich im Sommer ohne Weiteres auf 50 bis 60 °C erwärmen. Das ist zu heiss für Bodenlebewesen und viele Mikroorganismen. Ein mit Mulch bedeckter Boden erwärmt sich bei hohem Sonnenstand mindestens 20 °C weniger, speichert die Feuchtigkeit besser im Boden und aktiviert das Bodenleben, was die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt. Rasenschnitt ist sehr wertvoll im Gemüse- und Blumenbeet. Holzhäcksel kann sehr gut unter Bäumen und Sträuchern den Boden bedecken. Ist der Häcksel gut angerottet, kann er auch ins Gemüse- oder Blumenbeet ausgebracht werden. Das Mulchen hat viele Vorteile: Sie müssen weniger wässern, weil weniger Wasser verdunstet. Mulch unterdrückt unerwünschte Beikräuter, fördert die Mikroorganismen und somit das Pflanzenwachstum. Regenwürmer fühlen sich wohler mit Mulch und lockern den Boden.

Alle Beiträge der WeinLese 71

Mischkulturen für mehr Stabilität und Biodiversität im Garten

Was unsere Winzer auf ihren Weingütern im grossen Stil umsetzen, macht im Kleinen auch in Ihrem Garten Sinn. Zum Beispiel das Anlegen einer Mischkultur. Der Anbau von verschiedenen Pflanzenarten auf der gleichen Fläche bringt viele Vorteile. So können sich die Pflanzen gegenseitig unterstützen und schützen. Ein Beispiel: Eine Pflanze, die viel Schatten produziert, kann andere vor Hitze schützen. Wieder andere Pflanzen können als natürliche Schädlingsbekämpfer fungieren und so dazu beitragen, dass Schädlinge und Krankheiten minimiert werden. Die Verwendung von widerstandsfähigen, robusten Sorten verstärkt diesen Effekt.

Mischkulturen erhöhen den Ertrag und die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen

Die Mischkultur – ein Wundermittel

Durch die Verwendung von Mischkulturen werden auch verschiedene Nährstoffbedürfnisse erfüllt, was die Bodenfruchtbarkeit und die Ernteerträge erhöht. Ausserdem bieten Mischkulturen sowohl für den Gärtner als auch für Vögel und andere Tiere eine grössere Vielfalt an Nahrungsquellen. Eine reiche Biodiversität im Garten unterstützt zudem ökologische Prozesse, wie zum Beispiel die Bestäubung, den Schutz vor Bodenerosion oder den Wasserhaushalt.

Symbiosen nutzen

Symbiose ist das Zauberwort bei der Mischkultur. Eine Symbiose ist eine Beziehung zwischen verschiedenen Organismen, bei der beide Partner profitieren. Dazu ein paar Beispiele: Bodenbakterien (Knöllchenbakterien) gehen eine Symbiose ein mit Bohnen. Diese nehmen Stickstoff aus der Luft und machen diesen pflanzenverfügbar, wovon die Bohne profitiert. Im Gegenzug liefert die Bohnenpflanze den Bakterien Zucker als Nahrung.

Oder die Symbiose zwischen Pflanzen und Insekten. Unter Letzteren gibt es wichtige Bestäuber, die dazu beitragen, dass die Pflanzen Früchte tragen. Und Pflanzen, die Pollen und Nektar produzieren, locken solche Insekten an und erhöhen damit das Bestäubungspotenzial. Eine weitere wichtige Symbiose im Garten ist die Beziehung zwischen Pflanzen und Pilzen, bekannt als Mykorrhiza. Diese Pilze bilden eine symbiotische Beziehung mit den Wurzeln der Pflanzen und helfen ihnen, Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Last, but not least: Bodenbedeckende Pflanzen unterdrücken Unkraut. Sie verbessern zusätzlich die Bodenstruktur und tragen zur Bodenfruchtbarkeit bei. Erdbeeren gehören zu den bodendeckenden Nutzpflanzen.

Achten Sie also darauf, in Ihrem Garten möglichst viele Symbiosen zu nutzen. Damit erhöhen Sie sowohl die Biodiversität wie auch die Ertragskraft und die Wasserversorgung.

Die Delinat-Methode mit über 100 Richtlinien verlangt von den Winzern explizit die Förderung der Biodiversität im Rebberg. Die Delinat-Methode lässt sich im Kleinen auch bei Ihnen zu Hause umsetzen. Tipps, wie und in welchen Bereichen Sie das tun können, verrät Winzerberater Daniel Wyss in seiner neuen Kolumne, die fortan regelmässig erscheint.

Alle Beiträge der WeinLese 70:

Reben lieben Bäume

Delinat-Winzerinnen und -Winzer wissen schon lange um die grossen Vorteile, die das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern im Rebberg bringt. Diese als «Agroforst» oder «Vitiforst» bekannte Bewirtschaftungsform bekommt gerade jetzt, wo das Klima verrücktspielt, so richtig Aufwind. Agroforst ist ein Gebot der Stunde.

Reben und Bäume gedeihen auf dem Delinat-Weingut La Luna del Rospo Hand in Hand.
Reben und Bäume gedeihen auf dem Delinat-Weingut La Luna del Rospo Hand in Hand.

Reben und Bäume mögen sich – sie sind uralte Verbündete. Die Weinrebe ist von Natur aus eine wilde Liane, eine hochrankende Pflanze, die sich mit dem Baum verbindet, um sich hier zu stützen und zu gedeihen. Und die nachbarschaftliche Symbiose der für das menschliche Auge unsichtbaren unterirdischen Wurzelwelt ist besonders wertvoll. Bäume und Sträucher, die durch gleiche Mykorrhiza-Pilze (Endomykorrhiza) besiedelt werden, gedeihen gemeinsam besonders gut.

Leider wurden die Rebberge im Zuge der industriellen Revolution in baumlose Monokulturen mit nackten Böden verwandelt. Diese fatale Entwicklung trägt durch die Freisetzung von Kohlenstoff nicht nur zum Klimawandel bei, sondern führt auch zu einer Verarmung der Biodiversität in Boden und Landschaft. Die Reben selber werden dadurch schwächer und anfälliger für Krankheiten, Hitze, Trockenheit und Starkregen.

Dem Klimawandel trotzen

Bäume im Weinberg erhöhen die Vogel-Population
Bäume und Sträucher im Weinberg bieten unter anderem Lebensräume für Vögel.

Eine grosse Strukturvielfalt, wie sie mit Agroforst einhergeht, ist dagegen eine ideale Voraussetzung für reiche Biodiversität, die Lebensräume für eine vielseitige Pflanzen- und Tierwelt garantiert. Je grösser die Vielfalt, desto zahlreicher sind die Nützlinge, die Schädlinge in Schach zu halten vermögen und Pflanzenschutzmittel so weitgehend überflüssig machen. Bäume aktivieren zudem das Leben im Boden und erhöhen die Humusbildung. Im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel bieten sie zusammen mit Hecken Windschutz, reduzieren übermässige Sonneneinstrahlung und wirken als Kohlendioxid- Senke, indem CO2 im Boden gebunden wird. Bei starken Niederschlägen helfen sie, dass Regenwasser besser versickert, und – eher überraschend – sie pumpen bei grosser Trockenheit Feuchtigkeit aus der Tiefe und stellen diese auch den Reben zur Verfügung.

Vorreiter Château Duvivier

Blühende Vielfalt auf Château Duvivier
Blühende Vielfalt auf dem Delinat-eigenen Forschungsweingut Château Duvivier.

Ob und wie Vitiforst in der Praxis funktioniert, wird in einem langjährigen Prozess auf dem Delinat-eigenen Forschungs- und Versuchsweingut Château Duvivier in der Provence untersucht. Bereits vor rund 15 Jahren mussten ganze Rebzeilen Bäumen und Hecken weichen, um die Monokultur aufzubrechen und die Biodiversität zu erhöhen. Der Klimawandel mit den damit einhergehenden Problemen führte dazu, dass Massnahmen im Sinne der Permakultur und von Agroforst noch intensiver vorangetrieben wurden. In der jüngeren Vergangenheit wurden auf Château Duvivier Teiche als Wasserretentionsbecken angelegt, um das Grundwasser anzureichern. Rund um diese Teiche, die auch als wertvolle Biotope dienen, sowie in und um die Rebberge werden nach dem Konzept von Agroforst derzeit und in den nächsten Jahren Hunderte von trockenresistenten, tiefwurzelnden und standortgerechten Laub- und Fruchtbäumen sowie Hecken angepflanzt, sodass das Weingut längerfristig zu einem lebendigen und vielseitigen Reben-Waldgarten mit Vorzeigecharakter für den Weinbau der Zukunft wird.

Agroforst im grossen Stil

Agroforst im grossen Stil wird bereits seit Jahrzehnten auf dem Delinat-Weingut Vale de Camelos im portugiesischen Alentejo betrieben. Das Weingut ist Bestandteil eines 1000 Hektar grossen Landguts, das der Bremer Reeder Horst Zeppenfeld im Jahr 1981 erworben hatte. Seit 2012 liegt die Verantwortung für das Anwesen bei seiner Tochter Antje und ihrem Mann Thorsten Kreikenbaum. Schon vor 30 Jahren wurde mit der Verwirklichung verschiedener Aufforstungsprojekte begonnen. Ehemalige ausgetrocknete Getreideflächen wurden mit autochthonen Gehölzen wie Johannisbrotbäumen, Steineichen, Korkeichen, Pinien und Olivenbäumen bepflanzt. «Im Laufe der Jahre wurden mehr als 600 Hektar neue Waldflächen geschaffen», erklärt Antje Kreikenbaum. Mit den in dieser heissen und trockenen Region extremen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel wurden auf Anregung von Delinat Massnahmen im Sinne der Permakultur und des Agroforsts nochmals intensiviert. Neben Teichen, die Regenwasser speichern, das den Reben in trockenen Zeiten zugeführt werden kann, wurden auch im Bereich der Rebberge Bäume und Sträucher gepflanzt. Für Antje Kreikenbaum sind die Vorteile offensichtlich: «Begrünung und Bewaldung bilden nicht nur Schatten und Humus, sie verbessern auch den Wasserhaushalt im Boden. Dadurch werden extreme Hitzegrade abgepuffert.» Für sie ist klar: «Das Mikroklima, die Biodiversität und auch die Bodenqualität haben sich in den letzten Jahren bei uns nachhaltig verbessert.» Aus diesem Grund behalten Permakultur und Agroforst auf der Adega Vale de Camelos auch in Zukunft eine grosse Bedeutung. Zumal Agroforst einen zusätzlichen Nutzen bietet: Ein Teil der Bäume wird wirtschaftlich genutzt. So wird etwa aus Granatäpfeln und Quitten Marmelade hergestellt, und aus Johannisbrot entsteht Sirup, Schokolade oder Brotaufstrich. In ein paar Jahren sollen auch genügend Orangen, Zitronen, Feigen und Mandeln anfallen, um daraus neue Produkte zu kreieren.

Der «Verrückte» aus dem Barolo-Gebiet

Blühende Fruchtbäume als Teil eines Weinbergs

Besonders pikant wird es, wenn einer Vitiforst in hochpreisigen und prestigeträchtigen Weinbaugebieten wie dem Barolo zum Thema macht. Delinat-Winzer Enrico Rivetto tut es, auch auf das Risiko hin, für komplett verrückt erklärt zu werden. Gute Barolo-Lagen kosten um die drei Millionen Euro pro Hektar. In einer Region, wo praktisch jeder Quadratmeter des sündhaft teuren Bodens mit einem Rebstock bepflanzt ist, Platz zu machen für Bäume und Sträucher, erscheint tatsächlich verrückt. «Das stimmt, wenn man bloss die wirtschaftliche Dimension betrachtet. Aber es gibt auch einen Reichtum, bezogen auf Landschaft und Natur», sagt Enrico Rivetto. Für ihn ist dieser nichtmonetäre Reichtum ebenso wichtig, wie vom Weinbau leben zu können. «Je mehr die biologische Vielfalt zunimmt, desto robuster und gleichzeitig widerstandsfähiger werden Agrarökosysteme. Sie sind viel besser imstande, sich an plötzliche Veränderungen durch natürliche oder von Menschenhand verursachte Störungen anzupassen. Langfristig ist das viel wertvoller, als kurzfristig möglichst viel Geld zu verdienen», ist er überzeugt. Deshalb hat er in den vergangenen Jahren ganze Rebzeilen durch Bäume und Sträucher ersetzt. Diese bilden Rückzugsgebiete für Mikro- und Makroorganismen, vermindern Erosionserscheinungen und Bodenverarmung und wirken als Windschutz.

Der Reben-Waldgarten im Piemont

Wildwuchs auf der Azienda La Luna del Rospo von Delinat-Winzerin Renate Schütz im Monferrato.
Wildwuchs auf der Azienda La Luna del Rospo von Delinat-Winzerin Renate Schütz im Monferrato.

Agroforst bedeutet, dass Bäume oder Sträucher auf derselben Fläche wie verschiedene Spezialkulturen wachsen. Solche Mischkulturen können in einer geordneten und gestalteten Form wie auf dem Weingut Rivetto daherkommen oder mehr oder weniger als «Wildnis », wie auf der 50 Kilometer Luftlinie entfernten Azienda La Luna del Rospo von Delinat-Winzerin Renate Schütz im Monferrato. Renate Schütz: «Nach meinem Verständnis habe ich nicht wirklich das, was allgemein unter Vitiforst verstanden wird: ordentlich angelegte Strauch- und Baumreihen, die sich mit den Reben abwechseln.»

Stattdessen dominiert bei ihr Wildwuchs mit Reben. «Nur die (Beeren-)Sträucher der ersten Jahre sind gekauft. Ansonsten ist alles spontaner Wuchs», erklärt die Winzerin. Zu diesen spontan gewachsenen Arten gehören wilder Pfirsich, Wildkirschen, Nussbäume, wilde Mirabellen, Maulbeeren oder auch Mispeln, Feigen, Kaki sowie bei den Sträuchern Weissdorn, Schlehen, Rosen und Brombeerhecken. Auch Bäume ohne Früchte wie Ahorn, Rosskastanien, Eichen und Robinien (die beiden Letzteren mit Vorteil etwas abseits der Reben) haben eine wichtige Funktion, sind sie doch wunderbare Bienen- und Insektenweiden.

Die Vorteile von Agroforst

Weinberge, welche von Wäldern umgeben sind, bieten zustätzliche Vorteile.
Die Weinberge von Delinat-Winzer António Lopes Ribeiro sind umgeben von Wäldern und Büschen.

Seit vielen Jahren schon propagieren die Delinat-Richtlinien das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern in den Reben. Konkret: Auf einem 3-Schnecken- Weingut (höchste Anforderungen) darf kein Rebstock weiter als 80 Meter von einem Baum entfernt stehen. Zudem braucht es mindestens einen 30m2 grossen, zusammenhängenden Biodiversitäts-Hotspot mit Baum sowie 40 Büsche pro Hektar Reben. Das Konzept von Agroforst/Vitiforst (Reben-Waldgarten) wurde anlässlich eines Delinat-Winzerseminars in Frankreich im Frühling 2022 vertieft, um für die Herausforderungen des Klimawandels noch besser gerüstet zu sein. Denn Agroforst bietet folgende Vorteile:

  • Ausgleich von Wetterextremen
  • Steigerung der Biodiversität
  • Förderung von Nützlingen
  • Attraktivität als Bienenweide
  • Windschutz
  • Habitat von Fledermäusen, die Schädlinge wie den Traubenwickler in Schach halten
  • Reduktion übermässiger Sonnenstrahlung
  • Temperaturreduktion an Hitzetagen
  • Aktivierung des Bodenlebens und Bildung von Humus
  • Förderung der Mykorrhiza-Pilze und des Wurzelvolumens der Reben
  • Positive Beeinflussung des Wasserhaushalts
  • Kohlendioxidsenke durch Einlagerung von CO2 im Boden

Damit im Rebberg die volle Wirkung dieser positiven Effekte erreicht wird, enthalten die Delinat-Richtlinien konkrete Punkte wie eingangs erwähnt zum Thema «Agroforst». Mehr zum Thema finden Sie hier: www.delinat.com/agroforst

Bäumige Schlossweine

WeinLese-Angebot

Nachhaltige und zukunftsgerechte Bewirtschaftungsmethoden wie Permakultur und Agroforst werden auf dem Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier in der Provence bereits seit Jahren praktiziert und auf ihre Wirkung hin überprüft. Um die neu entstandenen Teiche zur Nutzung von Regenwasser in den Rebbergen wurden und werden weiterhin viele Bäume und Sträucher gepflanzt. In diesem Umfeld entstehen die feinen Weine von Château Duvivier. Wir haben für Sie das Paket «Bäumige Schlossweine» geschnürt.

-> Zum WeinLese-Angebot

Alle Beiträge der WeinLese 69:

Pflanzen Sie Bäume und Sträucher!

Schwerpunktthema dieser WeinLese-Ausgabe ist das Thema «Agroforst/ Vitiforst». Es geht darum, mit dem Pflanzen von Bäumen und Sträuchern den Weinberg in einen «Reben-Waldgarten» mit hoher Biodiversität zu verwandeln. Auch Sie können zu Hause in Ihrem Garten einheimische Bäume und Sträucher pflanzen und mit der Schaffung wertvoller Biotope innerhalb der Siedlung oder des Dorfes einen wichtigen Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten.

Der Baum – ein Tausendsassa

Eine Eiche beispielsweise, die Trockenheit sehr gut widersteht, bietet Lebensraum für 500 Arten von Insekten, Käfern und Spinnen und produziert Samen als Nahrung für Vögel und andere Tierarten. Ein stattlicher Baum verdunstet zudem viel Wasser und kühlt damit seine Umgebung um bis zu 15 °C im Sommer. Er ist somit auch für uns Menschen viel wertvoller als ein Sonnenschirm, der zwar auch Schatten spendet, aber die Luft darunter nicht kühlt. Motivieren Sie Ihre Nachbarn, ebenfalls Bäume zu pflanzen, die den Sitzplatz, die Quartierstrasse, die Hausfassaden oder Asphaltflächen beschatten. So lässt sich die Umgebungshitze effektiv reduzieren. Bäume bieten aber noch mehr Vorteile. Sie entziehen der Luft CO2 und binden den Kohlenstoff ins Holzwachstum ein. Gleichzeitig produzieren Bäume mithilfe des Sonnenlichts Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen. Ein grosser Baum kann auch bis zu einer Tonne Feinstaub, Bakterien und Sporen aus der Luft filtern. Dies alles sind Gründe, weshalb es im Sommer so angenehm ist, unter einem Baum zu arbeiten oder sich auszuruhen.

Kein Platz für Bäume?

Ist Ihr Garten zu klein für grosse Bäume, können Sie auch einen Speierling, eine Elsbeere, einen Feldahorn, einen Schneeball-Ahorn, eine Weide, einen Fruchtbaum oder Sträucher pflanzen. Auch damit schaffen Sie Biodiversität, Lebensräume für viele Tiere und optische Hingucker. Verfügen Sie über keinen Garten, aber über einen Balkon? Auch dann können Sie zur Biodiversität beitragen. Ein Wildstrauch wie die Felsenbirne oder eine Kletterpflanze wie die Waldrebe im Topf bringen Schatten und Lebensraum für Insekten. Wildkräuter wie Rosmarin und Thymian oder auch Gartenkräuter bieten Nahrung für Insekten und sind eine schöne Bereicherung für die Küche. Meisen- und Fledermauskasten oder ein Insektenhotel bieten wertvolle Nistmöglichkeiten.

Alle Beiträge der WeinLese 69:

Das perfekte Weingut

Weingüter, die das Ökosystem stärken statt zerstören. Dieses ambitionierte Ziel verfolgt Delinat gemeinsam mit seinen rund hundert Partnerwinzern in ganz Europa seit 40 Jahren. In allen relevanten Bereichen sind bereits grosse Fortschritte erzielt worden. Gleichwohl bleibt noch viel zu tun. Unsere Vision: Das perfekte Weingut ist ein buntes Naturparadies als funktionierendes Ökosystem. Es bindet CO2 aus der Luft, lagert es im Boden in Form von Humus ein und produziert keinen Abfall. Alle Verbrauchsmaterialien werden wiederverwendet. Alle pflanzlichen Stoffe gehen zurück in den Weinberg und bauen Humus auf. Die gesamte Energie wird auf dem Hof aus erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Wasser) produziert und versorgt alle Maschinen und Geräte. Weintransporte sind CO2-neutral, Weinflaschen und Verpackungsmaterial werden wiederverwendet.

Illustrationen: Barbara Dziadosz

Delinat-Winzerberater Daniel Wyss zeigt auf den folgenden Seiten auf, was das perfekte Weingut im Detail ausmacht, und verrät, wie nahe Delinat-Winzer schon dran sind.

Lebendiger Boden

Ein lebendiger, gesunder Boden ist die Grundlage für ein natürlich funktionierendes Ökosystem mit reicher Biodiversität. Unsere Vision: Der Boden wird mithilfe der regenerativen Landwirtschaft und der Permakultur so gepflegt, dass Humus aufgebaut und grosse Mengen von CO2 gebunden werden. Humus und Begrünung erhöhen die Stabilität, die Wasserinfiltration und -speicherfähigkeit des Bodens, verhindern Erosion und verbessern die Fruchtbarkeit. Düngung und Bewässerung werden überflüssig.

Das Bewusstsein für intakte Böden ist auf dem Weingut Harm in der Wachau besonders ausgeprägt. Andreas Harm ist Agronom und Bodenspezialist: «Die Milliarden von Lebewesen in einem gut strukturierten Boden stehen im direkten Austausch mit der Rebe und der Weinbergflora. Wenn das System funktioniert, übernimmt die Begrünungspflanze die Funktion des Nährstofflieferanten», erklärt er. Dank sanfter und behutsamer Bodenbearbeitung und einer vielfältigen Begrünung verfügen alle Delinat-Weingüter schon heute über fruchtbare, lebendige Böden mit reichem Wurzelwerk.

Reiche Biodiversität

Biodiversität im Weinberg

Drei Bereiche machen die Biodiversität aus: die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme mit Gewässern, Wiesen, Wäldern, Bergen Steppen und Wüsten. Unsere Vision: Die Reben wachsen in einer Art «Waldgarten», der so vielfältig ist, dass die Rebflächen selber zu ökologischen Ausgleichsflächen werden. Unsere Weinberge sind Naturparadiese mit vielen Bäumen, Sträuchern, Früchten, Beeren, Kräutern und Gemüse. Strukturelemente wie Trockenmauern, Stein- und Holzhaufen oder Biotope bilden Habitate für eine reichhaltige Insekten- und Tierwelt.

Schon recht nahe an diesem Idealbild sind beispielsweise die Azienda La Luna del Rospo im Piemont, Château Duvivier in der Provence oder die Bodega Albet i Noya im Penedès. Aber auch auf allen anderen Delinat-Weingütern wird die Biodiversität grossgeschrieben, denn nur so wird der Weinberg zu einem sich weitgehend selbstregulierenden Ökosystem, das qualitativ hervorragende Weine mit echter Terroirqualität ermöglicht. Wo nötig werden schrittweise Massnahmen ergriffen, um die Biodiversität zu verbessern.

Taubenschwänzchen

Tiere und Mischkulturen

Der Weinberg der Zukunft wird von Schafen beweidet

Der Weinberg als solcher wäre eine Monokultur. Für Jahrzehnte wachsen Reben auf der gleichen Parzelle. Eine Fruchtfolge, durch die sich der Boden regenerieren kann, gibt es nicht. Die Monokultur lässt sich aber durch verschiedene Massnahmen aufbrechen. Unter anderem durch Weidewirtschaft und Integration von Mischkulturen. Unsere Vision: Raufutter verzehrende Tiere wie Schafe und Ziegen veredeln die Gräser und Kräuter, die im Weinberg wachsen, und geben Nährstoffe und Mikroorganismen in den Kreislauf zurück. Mischkulturen in Form von Oliven, Fruchtbäumen, Beeren, Gemüse und Getreide erhöhen die natürliche Vielfalt im und um den Rebberg und stärken den natürlichen Kreislauf.

Ein Paradebeispiel für Weinberge als Mischkulturen ist die Azienda Maggio in Sizilien. Hier wechseln Reben ab mit Olivenhainen, Orangen- und Mandarinenbäumen, Pinien, Akazien sowie Kräuterinseln und Bienenstöcken. Auf der Domaine Lignères in Südfrankreich, der Adega Vale de Camelos im portugiesischen Alentejo und der Bodega Quaderna Via in der Navarra sorgen auch Schafe für Abwechslung und Vielfalt.

Schafe im Weinberg

Resistente Traubensorten

PIWI-Rebe kommen ohne Pflanzenschutzmittel aus

Die Rebe ist keine Maschine, die Dünger in Wein verwandelt. Sie ist ein lebender Organismus, dessen Gesundheit und Kraft stark von lebendigen Böden und biologischer Vielfalt abhängt. Doch im 19. Jahrhundert wurden Krankheiten wie der Echte und der Falsche Mehltau aus Amerika eingeschleppt, gegen die sich traditionelle europäische Reben ohne Hilfe von chemisch-synthetischen oder biologischen Spritzmitteln nicht zu schützen wissen. Unsere Vision: Alte widerstandsfähige oder starke pilztolerante Rebsorten liefern ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hochwertige Trauben, aus denen genussvolle Weine entstehen.

In der jüngeren Vergangenheit gelang es, neue Rebsorten zu züchten, die nicht nur durch gute Mehltau-Resistenz, sondern auch durch geschmackliche Qualität überzeugen. Zu den Vorreitern für den Anbau solcher PIWI-Reben gehören Roland Lenz vom gleichnamigen Weingut in der Ostschweiz, der spanische Biowein-Pionier Josep Maria Albet i Noya und Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof in Rheinhessen.

PIWI-Reben auf dem Weingut Lenz

Autarke Weinkeller

Autarker Weinkeller

Es gibt viele Kniffe und Tricks, um im Weinkeller mit technischen Hilfsmitteln, Geräten, Enzymen und künstlichen Aromastoffen selbst aus minderwertigem Traubengut trinkbare Weine herzustellen. Unsere Vision: Auch im Weinkeller hat die Natur Vorrang. Hochwertiges Traubengut wird mithilfe von Naturhefen und mit möglichst wenigen Eingriffen vinifiziert. Auf technische Filtration und Schönung der Weine wird verzichtet. In der Kellerei gibt es keine Pumpen und keinen Abfall. Alles Wasser wird biologisch geklärt und zur Bewässerung verwendet. Maische, Rappen und Hefen aus der Vinifikation gehen zurück in den Weinberg. Der Keller wird energieautark mithilfe von erneuerbarer Energie betrieben.

Mehrere Delinat-Winzer sind bereits nahe an einem energieautarken Betrieb. So kann etwa das Weingut zur Römerkelter an der Mosel eine vorbildliche Klimabilanz vorweisen. Winzer Timo Dienhart: «Mit der Nutzung von Sonnenstrom, Erdwärme und Eisspeichern ist unser Betrieb bis dato rechnerisch zu mehr als 100 Prozent energieautark.» Ähnliches gilt für die Azienda Le Contrade im Veneto, wo William Savian praktisch den ganzen Energiebedarf mithilfe der Sonne deckt.

Einwandfreie Ökobilanz

Noch immer ist die Weinwirtschaft stark mit fossilen Brennstoffen und der Erzeugung von Abfallprodukten verbunden. Unsere Vision: Alle Energie, die auf einem Weingut benötigt wird, stammt aus Sonne, Wind, Biomasse oder Wasserkraft. Alle Maschinen und Geräte werden mit eigener, erneuerbarer Energie betrieben. Alle Weintransporte über lange und kurze Strecken erfolgen per Bahn oder mit Wasserstoff- oder Elektrofahrzeugen. Flaschen und Kartons werden wiederverwertet.

Einwandfreie Ökobilanz dank Transport auf der Schiene

Viele Delinat-Weingüter arbeiten bereits intensiv mit erneuerbaren Energien. Weinbergtaugliche Elektrotraktoren haben es aber noch nicht zu Serienreife gebracht. Beim Weintransport vom Winzer zum Konsumenten wird bis Ende Jahrzehnt mit einem Durchbruch von Elektro- und Wasserstoff-LKWs gerechnet (siehe Interview mit Transportunternehmer Hans-Peter Dreier). Bei den Verpackungen hat Delinat ein Rückgabesystem entwickelt. Die Weinkartons können bis zu sechsmal wiederverwendet werden. Derzeit laufen Bestrebungen für eine Mehrfachverwendung von Weinflaschen. Anzustreben ist eine makellose Ökobilanz auf allen Ebenen.

Weinempfehlungen aus den blühenden Naturparadiesen der Delinat-Winzer

Auf dem Weg zum ökologisch perfekten Weingut keltern Delinat-Winzer schon heute genussvolle Weine aus blühenden Weinparadiesen. Entdecken Sie sechs verschiedene Tropfen aus Europas Weinbergen mit reichster Biodiversität.

Château Duvivier Les Hirondelles
Der Rotwein vom Delinat-Forschungsweingut versprüht den Duft der Provence: Garrigue und Waldbeeren prägen die Assemblage von Winzer und Kellermeister Erik Bergmann. Passt gut zu Huhn mit gerösteten Cashewkernen und Oliven, Eintopfgerichten und Hartkäse.

Bonarossa
Umsäumt von Orangen-, Mandarinen- und Olivenbäumen, herrlich duftenden Kräutergärten und blühender Flora in den Rebgassen, verströmen die Weinberge von Massimo Maggio auf Sizilien Natur pur. Der elegante, geschmeidige Nero d‘Avola ist ein perfekter Pasta-Wein.

Vinya Laia
Die Magie dieser Ikone von Biopionier Josep Maria Albet i Noya aus Spanien begeistert mit seinem südlichen Charme Delinat-Weinliebhaber seit über 20 Jahren. Ein Vergnügen zu Hähnchen mit Kartoffelpüree, Linseneintopf und katalanischen Kichererbsen.

La Luna del Rospo Bric Rocche
Die besten Trauben im wilden Naturparadies von Renate Schütz stammen von über 50 Jahre alten Rebstöcken der Spitzenlage Bric Rocche. Daraus entsteht dieser elegante, fruchtige und aromatische Barbera. Harmoniert ausgezeichnet mit Ossobuco, Polenta und Pecorino.

Roches d‘Aric
Möglichst viel der Natur überlassen, lautet die Devise von Jean und Anne Lignères auf ihrer Domaine im Languedoc. Dafür werden sie mit ausdrucksstarken, wuchtigen und finessenreichen Weinen belohnt. Harmoniert bestens mit Lamm, Ratatouille und Cassoulet (Bohneneintopf).

Wie Carlos Laso dem Klimawandel dank Permakultur trotzt

Es war vor ziemlich genau vier Jahren, als ich Carlos Laso bei einem Beraterbesuch auf seinem Weingut Pago Casa Gran im Hinterland von Valencia ein Bewässerungskonzept nach dem Konzept der Permakultur präsentiert habe. Carlos spürte in seinen Weinbergen schon damals die Auswirkungen des Klimawandels deutlich: Entweder herrschte während ausgedehnten Trockenperioden Wassermangel, was zu grossem Stress bei den Reben führte, oder es fiel sintflutartig Regen, der zu Überschwemmungen und Erosion im Weinberg führte.

Permakultur und Wassermanagment

Planung des ersten Retentionsbecken nach den Prinzipien der Permakultur.
Das Beobachten und Planen sind zwei zentrale Aspekte der Permakultur. Delinat-Winzerberater Daniel Wyss (Mitte) unterstützt Carlos Laso (rechts) bei der Umsetzung des Wassermanagements.

Carlos Laso ist ein innovativer Winzer mit einer unglaublichen Offenheit für neue Ideen. Innert kürzester Zeit setzte er das vorgeschlagene Bewässerungskonzept nach den Prinzipien der Permakultur um, legte Teiche und Versickerungsgräben an, die das Regenwasser speichern und dann nach und nach an die Reben abgeben. Das Ganze schien bestens zu funktionieren, bis sich im Herbst 2019 das spanische Wetterphänomen «La Gota Fría» über seinen Reben entlud: Sintflutartige Regenfälle, wie sie in den letzten drei Jahrzehnten nie vorgekommen waren, überfluteten die neu geschaffenen Rückhaltebecken, füllten sie mit Sedimenten und beschädigten sie teilweise erheblich. Carlos liess alles wieder instand stellen und hob weitere Becken und Gräben aus. Kaum war alles wieder im Lot, folgte im Januar dieses Jahres bereits der nächste Härtetest. Sturm Gloria, unüblich für diese Jahreszeit, füllte wiederum alle Becken. Dieses mal ohne Beschädigungen.

Retentionsbecken verhindern den Trockenheitsstress auf dem Weingut Pago Casa Gran
Verschiedene Retentionsbecken helfen dabei, dass Wasser langfristig auf dem Gelände zu speichern.

In Sommer dann eine freudige Überraschung: Eine Grundwasserquelle, die auf dem Familienbetrieb bis in die 1960er Jahre intakt war, dann aber versiegte, sprudelt jetzt wieder. Für Carlos ist klar, dass das Grundwasserreservoir einerseits durch die in den letzten Jahren ausgehobenen Retentionsbecken und Gräben sowie durch die ausgiebigen Regenfälle in diesem Frühjahr aufgefüllt wurde. Selbst jetzt im Hochsommer sprudelt noch Wasser aus der alten Quelle. Motiviert durch diesen Erfolg, treibt Carlos den Ausbau der Permakultur-Massnahmen immer weiter. Er verfügt jetzt über total neun Teiche, der grösste misst 30 x 60 m.

Üppige Vegetation dank Permakultur-Massnahmen
Die üppige Vegetation in den Weinbergen von Pago Casa Gran beweist, dass nicht nur die Reben von den den angelegten Retentionsbecken profitieren.

Das Beispiel von Pago Casa Gran zeigt, wie wichtig es ist, Wasser dann zurückzuhalten, wenn es verfügbar ist. Die Verfügbarkeit von Wasser in trockenen Regionen ist essenziell für die optimale Reifung der Trauben. Bei zu grossem Trockenstress zeigen sich überreife Aromen, zu tiefe Säurewerte und unreife Tannine. Kann kein Wasser zugeführt werden, bleibt oft nur die vorzeitige Ernte noch nicht optimal reifer Trauben. Die Verfügbarkeit von Wasser ist aber auch im Frühjahr von grosser Bedeutung für die gesamte Entwicklung der Rebe während des Vegetationszyklus.

Klimawandel: Einen Monat früher ernten

Ernte bereits im Sommer, verbrannte Trauben, hohe Alkoholwerte – der Klimawandel setzt dem Weinbau zu und treibt ihn immer stärker nordwärts. Wie Delinat-Winzer mit diesem Phänomen umgehen.

Ohne Bewässerung ist Weinbau im Süden Portugals kaum mehr möglich. Auf dem Weingut Vale de Camelos wurden deshalb bereits vor 20 Jahren Teiche angelegt, um das Regenwasser zu sammeln.

Josep Maria Albet i Noya, Biopionier der ersten Stunde aus Katalonien, sammelt seit 20 Jahren fein säuberlich Erntedaten verschiedener Parzellen und Rebsorten. Sie zeigen für sein Weingut, das auf dem 41. Breitengrad und somit in einer gemässigten Weinbauzone liegt, eine klare Tendenz: Der Erntezeitpunkt verschiebt sich immer mehr nach vorne in den Sommer hinein. Heute wird im Vergleich zu 1991 je nach Traubensorte 10 bis 25 Tage früher geerntet. Zwar gibt es immer wieder Jahre mit Ausschlägen in die andere Richtung. Doch der allgemeine Trend ist klar: Wurde die früh reifende Chardonnay-Traube zu Beginn der 1990er Jahre normalerweise ab dem 5. September gelesen, ist dies heute meist vor dem 25. August der Fall. Bei der mittelfrüh reifenden Tempranillo-Traube ist der Erntezeitpunkt sogar deutlich über 20 Tage vorgerückt. Beim spätreifenden Cabernet Sauvignon ist es weniger ausgeprägt (zirka 10 Tage früher).

Auch weiter nördlich, etwa in den auf dem 49. und 50. Breitengrad liegenden Weinbaugebieten Rheinhessen und Mosel, wird tendenziell früher geerntet. «Wir haben noch nie so früh begonnen wie 2018», sagt Tobias Zimmer vom Weingut Hirschhof in Rheinhessen. Die Lese begann bereits am 22. August. Erntestart ist hier normalerweise zwischen Anfang und Mitte September. Noch weiter nördlich, an der Mosel, war der früheste Erntebeginn auf dem Weingut zur Römerkelter in den Jahren 2011 und 2017 (jeweils Ende August). 2018 begann die Lese am 11. September, das ist eine Woche früher als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre.

Weinbau wandert nordwärts

Wertvolle Aufzeichnungen: Erntedaten der Bodega Albet i Noya über die letzten 20 Jahre zeigen, wie sich die Traubenlese immer mehr nach vorne verschiebt.

Die generell höheren Temperaturen und die raschere Traubenreife führen auch dazu, dass sich der Weinbau in Europa ständig weiter nach Norden verschiebt. Noch im letzten Jahrhundert galten nur Regionen zwischen dem 30. und 50. Breitengrad als für den Weinbau geeignet. Die Mosel auf dem 50. Breitengrad war lange Zeit so ziemlich das nördlichste Anbaugebiet Europas. Mittlerweile wird Weinbau auch in Holland, England und Dänemark, also bis zum 55. Breitengrad, betrieben. In England wird heute Schaumwein auf hohem Niveau erzeugt. Und seit 2008 gibt es sogar einen Weinberg an der Südküste von Norwegen am 58. Breitengrad.

Die sich verändernden klimatischen Bedingungen mit monatelangen Trockenperioden, extremen Niederschlägen, tendenziell früherer Traubenreife und einer Verschiebung der Anbaugrenze nordwärts stellt vor allem die Winzer im Süden vor grosse Herausforderungen. Es wird immer schwieriger, leichte Weine mit moderatem Alkoholgehalt zu keltern, weil die Trauben durch die rasche Reife schon sehr früh viel Zucker enthalten. Werden sie früh geerntet, ist die phenolische Reife nicht optimal, und wichtige Aromastoffe fehlen. Wartet man zu, drohen sie zu «verkochen», und es fehlt an Säure. Aber nicht nur die Trauben, auch die Böden leiden: Fällt nach langen Trockenperioden starker Regen, ist die Erosionsgefahr besonders hoch.

Wie die Winzer reagieren

Delinat-Weingüter haben schon vor Jahren mit geeigneten Massnahmen reagiert. So hat das Weingut Vale de Camelos im Süden Portugals bereits vor 20 Jahren Erddämme gebaut, die drei Seen mit 35 Hektar Wasseroberfläche entstehen liessen. Die Seen werden nur mit Regenwasser gespeist und dienen der Bewässerung von Reben und Oliven. Weil die klimabedingten Veränderungen hier auf dem 38. Breitengrad besonders ausgeprägt sind, werden nach der Lehre der Permakultur derzeit weitere Massnahmen ergriffen, um die Wasserretentionsfähigkeit der Böden zu verbessern und der fortschreitenden Wüstenbildung entgegenzuwirken.

Carlos Laso hat auf seinem Weingut Pago Casa Gran in der Region Valencia (39. Breitengrad) in den letzten Jahren ebenfalls Retentionskanäle und -teiche gebaut, in denen das Regenwasser aufgefangen wird und anschliessend langsam versickern und die Böden lange feucht halten kann. Schöner Zusatzeffekt: Schon im zweiten Jahr nach Umsetzung dieser Massnahmen hat sich der Grundwasserspiegel erhöht.

Auf dem Delinat-eigenen Château Duvivier in der Provence (43. Breitengrad) hat sich das Klima so verändert, dass die Trauben in der Regel zwei Wochen früher reif sind als früher. Auch hier wird ein ausgeglichener Wasserhaushalt immer wichtiger. Deshalb wurde im Herbst 2018 zusammen mit den Permakulturexperten Josef Holzer und Jens Kalkhof begonnen, eine Wasserretentionslandschaft in und rund um die Rebflächen umzusetzen (siehe Bericht «Permakultur – eine neue Dimension»).

Neben Massnahmen, die darauf abzielen, Humusaufbau und Wasseraufnahmefähigkeit der Böden zu verbessern, bleiben den Winzern weitere Möglichkeiten, klimabedingten Herausforderungen zu begegnen. Dazu gehören etwa die Wahl neuer Traubensorten, der Verzicht auf Entlaubung der Traubenzone oder das Ausweichen auf Nord- und Ostlagen bei der Neupflanzung von Rebbergen.