«Bei der Biodiversität gab es die grössten Fortschritte»

Rolf Kaufmann, wie wichtig ist der Wissenstransfer vom forschenden Delinat-Institut zum praktischen Weinbau bei den Winzern?
Rolf Kaufmann:
Die ständige Weiterentwicklung des ökologischen Weinbaukonzepts durch das Delinat-Institut bringt den Winzern wichtige Impulse. Umgekehrt fördert der Informationsrückfluss vonseiten der Winzer die praxisgerechte Anpassung der Forschungsprojekte. Ebenso wichtig ist der Erfahrungsaustausch unter den Winzern. Auch da können wir über Sprachbarrieren hinweg behilflich sein.

«Ich stelle eine hohe Motivation fest»

Wissenstransfer via Winzerberater

Das Delinat-Institut unter der Leitung von Hans-Peter Schmidt unterstützt Winzer in ganz Europa durch ein umfassendes Beratungspaket bei der Umsetzung der strengen Delinat- Richtlinien. Neben jährlichen Seminaren, an denen die Winzer in den jeweiligen Ländern auf den neuesten Stand der Weinbau- und Ökologieforschung gebracht werden, besuchen die Winzerberater Rolf Kaufmann und Daniel Wyss die Weingüter mindestens einmal im Jahr. Schwerpunkt im Weinbau ist die Verbesserung der Biodiversität mit den Themen Begrünung, Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und ökologische Hotspots. Bei der Weinbereitung stehen Themen wie alkoholische Gärung, biologischer Säureabbau, Einsatz von SO2 und anderen kellertechnischen Hilfsstoffen im Vordergrund.

Die Delinat-Richtlinien gelten nicht nur als die strengsten Europas. Sie setzen auch neue Massstäbe für eine gesamtökologische Anbauform. Wie motiviert sind die Winzer, diese zu erfüllen?
Für viele Winzer sind diese Richtlinien eine Herausforderung, die sie an ihrem Ehrgeiz packt. Andererseits ist das in die Richtlinien eingebaute weinbautechnische Know-how sehr gross und bietet den meisten Betriebsleitern wertvolle Anregungen zur Verbesserung ihres Weinbaus. Ich stelle eine hohe Motivation fest, die durch die Erfolge stetig weiterwächst.

Im heissen Süden macht den Winzern nicht selten Trockenstress zu schaffen. Ist es in solchen Regionen sinnvoll, eine ganzjährige Begrünung der Weinberge zu fordern?
Wir sprechen nicht mehr von Begrünung, sondern von vegetativer Bodenbedeckung, die möglichst flächendeckend und möglichst lange Zeit im Jahr im Weinberg vorhanden sein soll. Es geht darum, durch viele Pflanzenarten die biologische Vielfalt im Boden innerhalb des Jahreszyklus möglichst lange aktiv zu erhalten. Wenn die Sommertrockenheit in Sizilien die Begrünung eintrocknen lässt, sieht das nicht mehr grün aus, doch haben wir damit die biologische Aktivität im Wurzelraum auf das mögliche Maximum ausgedehnt.

Das ist schön und gut. Aber wenn den Reben zu wenig Wasser bleibt, bekommen sie Stress und gedeihen nicht mehr richtig…
Um Trockenstress zu vermeiden, hat der Winzer die Möglichkeit, schon frühzeitig, das heisst zu Beginn der Trockenperiode im Mai, die vegetative Bodenbedeckung durch eine oberflächliche Bodenbearbeitung zu reduzieren. Dieser Eingriff beschränkt die Wasserverdunstung aus dem Boden auf ein Minimum. Den Rebstöcken wird so das Überdauern in der heissen Zeit ohne Stress ermöglicht.

«Diese Fortschritte werden am Markt noch nicht wahrgenommen.»
«Diese Fortschritte werden am Markt noch nicht wahrgenommen.»

Die Delinat-Richtlinien lassen nur einen minimalen Einsatz an biologischen Spritzmitteln wie Kupfer- und Schwefellösungen gegen Pilzkrankheiten zu. Was raten Sie jenen Winzern, die in schwierigen Jahren wie diesem nicht die halbe Ernte aufs Spiel setzen wollen?
Es kann nicht die Rede sein davon, dass die halbe Ernte auf dem Spiel steht! Wäre das so, wäre der biologische Weinbau nicht zum Erfolgsmodell geworden, das er heute darstellt. Die Winzer haben in den letzten Jahren gelernt, durch Beobachtung, Mittelwahl und verbesserte Applikationstechniken mit sehr tiefen Kupfermengen oder natürlichen Ersatzmitteln auszukommen.

Was haben die Winzer in den letzten Jahren konkret unternommen, um die Biodiversität in ihren Weinbergen zu verbessern?
Das Spektrum der getroffenen Massnahmen spiegelt die Empfehlungen der Richtlinien. Spontane oder eingesäte Begrünung wurde gezielt gefördert; Blühstreifen, Hecken und biologische Hotspots wurden angelegt; Bäume wurden gepflanzt; temporäre oder permanente Sekundärkulturen wurden in die Weinberge integriert; Schafe, Ziegen, Kühe, Hühner haben im Winterhalbjahr Auslauf in den Reben; Bienenkästen und Insektenhotels wurden aufgestellt.

Ihre Beratungen zielen nicht nur auf den Weinberg, sondern auch auf die Weinbereitung im Keller. Wo liegen die Schwerpunkte?
Spontangärung mit Naturhefen ist ein Thema. Viele Winzer vergären ihre Trauben seit eh und je auf diese Weise. Andere haben im Trend der modernen Önologie auf Reinzuchthefen umgestellt. Diese Betriebe tasten sich heute schrittweise wieder an die alte natürliche Technik heran. Praktisch ausnahmslos machen sie die Erfahrung, dass die spontan vergorenen Weine an Ausdruck und Jahrgangstypizität gewinnen. Ein wichtiges Thema ist auch der zurückhaltende Einsatz von oder der Verzicht auf Schwefel (SO2) zur Haltbarmachung der Weine. Es gibt Betriebe, die seit Jahren erfolgreich Weinbereitung ganz ohne schweflige Säure betreiben. Die Hindernisse sind weniger technischer Natur, es ist vielmehr die Abweichung vom gewohnten Geschmacksbild des ohne SO2 vinifizierten Produkts, woran auch die Kunden erst gewöhnt werden müssen. Ein weiteres Element der Unsicherheit ist die Langlebigkeit der so hergestellten Weine.

Sie sind bereits vier Jahre für Delinat als Winzerberater unterwegs. Wie hat sich die Situation auf den Weingütern innerhalb der letzten Jahre verändert? Gibt es auch Rückschläge?
Die ersten zwei Jahre waren geprägt einerseits vom Enthusiasmus eines neuen Aufbruchs, andererseits von der Unsicherheit, ob die gesteckten Ziele erreichbar seien. Die wachsende Erfahrung und die sichtbaren Erfolge führten dann zu einer Dynamik, welche die Winzer mit ihren eigenen Innovationen immer weiter ankurbeln. Natürlich gab es auch Rückschläge. Einsaaten funktionierten nicht, empfohlene Spritzmittel waren wegen nationaler Gesetzgebungen nicht erlaubt, Fehlinterpretationen der Richtlinien oder mangelnde Rückfragen führten zu Missverständnissen. Die Probleme betrafen meist einzelne Betriebe und liessen sich beheben. Hier kam der Nutzen der Beratung voll zum Tragen.

Führen Ihre Beratungsbesuche auch dazu, dass gewisse Delinat-Richtlinien geändert werden müssen, weil sie sich in der Praxis als untauglich oder zumindest als nicht ideal erweisen?
Das ist in den letzten vier Jahren seit der Einführung der neuen Richtlinien immer wieder der Fall gewesen. Es ist Teil der Arbeit des Beraterteams am Institut, unklar formulierte oder praxisferne Punkte in den Richtlinien auszumerzen, Lücken zu füllen oder einzelne Bestimmungen neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Rückmeldungen aus der Praxis der Betriebe sind dabei von höchster Wichtigkeit.

In welchen Bereichen orten Sie die grössten Fortschritte im Sinne der Delinat-Philosophie, wo die grössten Probleme?
Die grössten Fortschritte sind im Bereich der Biodiversität, der vegetativen Bodenbedeckung und beim Pflanzenschutz gemacht worden. Darin spiegeln sich Entwicklungen in der Mentalität der Winzer, die begonnen haben, ihren Weinberg und ihre Arbeit als organisches Ganzes zu sehen. Das grösste Problem besteht vielleicht darin, dass diese Fortschritte am Markt noch nicht wahrgenommen werden und die Arbeit der Winzer deshalb nicht richtig honoriert wird. Es wird noch zu wenig Wein gekauft, der wirklich höchste ökologische Ansprüche erfüllt.

Die Delinat-Richtlinien

Die Delinat-Richtlinien gehen weit über andere Biorichtlinien (eu, Bio Suisse, Demeter) hinaus. Neben einem Verbot von chemischsynthetischen Pflanzenschutzmitteln, von Kunstdüngereinsatz und Gentechnologie verlangen die Delinat-Richtlinien beispielsweise als einzige verpflichtend eine Förderung der Biodiversität. Die Verwendung von Kupfer und Schwefel zur Krankheitsbekämpfung im Weinberg ist vergleichsweise stark limitiert. Im Keller dürfen Hilfsstoffe nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Die Delinat-Richtlinien 2010 wurden vom wwf Schweiz und von der Stiftung für Konsumentenschutz mit dem Prädiktat «sehr empfehlenswert» ausgezeichnet. Sie basieren auf einem Modell mit drei Qualitätsstufen, das den Weingütern eine sukzessive Weiterentwicklung bis auf Stufe 3 ermöglicht. Schon Stufe 1 verlangt aber viel mehr als EU-Bio.
Mehr Infos unter www.delinat.com/richtlinien

Das Gesicht hinter der Delinat-Bilderwelt

Natur- und Reportagefotograf Patrick Rey in den Walliser Weinbergen des Delinat-Instituts
Natur- und Reportagefotograf Patrick Rey in den Walliser Weinbergen des Delinat-Instituts

Deutsch ist eine Sprache, die Patrick Rey nicht sonderlich behagt. Doch in seiner Muttersprache Französisch kommt er bei Walliser Trockenfleisch, Käse aus nahen Tälern, knusprigem Brot und einem Glas Fendant rasch ins Erzählen. Und ins Schwärmen über den reichen Fundus an Bildern, die ihm die Weinberge des Delinat-Instituts oberhalb von Sion bieten. «Draussen in der Natur, da bin ich zu Hause», sagt der 50-jährige Landschaftsgärtner, der seit ein paar Jahren mit seiner Familie mitten im Walliser Hauptort Sion wohnt. Zuvor lebte er weiter oben im kleinen Dorf Arbaz, wo Delinat- Institutsleiter Hans-Peter Schmidt mit seiner Familie zu Hause ist. «Wir haben uns dort vor einigen Jahren kennengelernt. Hans-Peter zeigte sich begeistert von meinen Fotografien, und so bin ich allmählich ein bisschen zum Hoffotografen von Delinat geworden», lacht Patrick.

Das grosse Vorbild Marcel Imsand

Traube mit Schachbrettfalter: «Die Arbeit mit dem Weitwinkel erlaubt mir, nahe an mein Sujetheranzugehen und sein natürliches Umfeld zu betonen.»
Traube mit Schachbrettfalter:
«Die Arbeit mit dem Weitwinkel erlaubt mir, nahe an mein Sujetheranzugehen und sein natürliches Umfeld zu betonen.»

Schon als 13-Jähriger war er oft mit einer Kamera unterwegs. Gleichwohl ging er beruflich einen andern Weg. «Die Fotografie wurde aber zu einer Leidenschaft, die mich nicht mehr losgelassen hat», sagt Patrick. Sein ganzes Wissen und Können hat er sich autodidaktisch mithilfe von Büchern und durch das Nacheifern von Vorbildern erarbeitet. Zu seinen Idolen gehört Marcel Imsand, einer der renommiertesten Reportagefotografen der Schweiz. Patrick Rey verbrachte seine ersten 20 Lebensjahre in Lausanne, wo es damals mit Imsands Fotografenkarriere steil bergauf ging. Patrick: «Insbesondere seine Schwarz-Weiss-Bilder haben mich immer fasziniert und inspiriert. Ich fotografiere auch heute noch viel schwarzweiss.»

Eine Frage der Geduld

Gemeiner Lein oder Flachs: «Ich arbeite gerne mit unscharfem Hintergrund. Inmitten der verschwommen leuchtenden Flachsblumen kommt die spriessende Rebe besonders schön zur Geltung.»
Gemeiner Lein oder Flachs:
«Ich arbeite gerne mit unscharfem Hintergrund. Inmitten der verschwommen leuchtenden Flachsblumen kommt die spriessende Rebe besonders schön zur Geltung.»

Die Bilder, die er für Delinat schiesst, leben jedoch stark von der Farbe. Patrick Rey: «Hier geht es weniger um Reportagefotografie als vielmehr darum, die schier unerschöpflichen, oftmals versteckten Geheimnisse der Natur in ihrer ganzen Farbenpracht einzufangen und sichtbar zu machen.» Dafür braucht es Geduld und Ausdauer. Nicht selten sitzt Patrick stundenlang in den Reben, bis ein bunter Schmetterling, ein zwitschernder Vogel, eine neugierige Heuschrecke oder eine zirpende Grille so vor der Linse auftaucht, dass er das Tier in Symbiose mit einem Rebstock oder der üppigen Begrünung zwischen den Rebstöcken ablichten kann.

Morgens um fünf Uhr im Weinberg

Regenbogen: «Schönes Licht ist nicht nur glänzend und strahlend, sondern auch rasch vergänglich. Dieser Regenbogen dauerte nur ein paar Sekunden.»
Regenbogen:
«Schönes Licht ist nicht nur glänzend und strahlend, sondern auch rasch vergänglich. Dieser Regenbogen dauerte nur ein paar Sekunden.»

Auf Fotopirsch geht er am liebsten am frühen Morgen. Im Frühling und Sommer sitzt er manchmal schon morgens um fünf Uhr zwischen den Rebstöcken und beobachtet, wie die Natur erwacht. «Wie sich das Licht an einem schönen Tag bis nach dem Sonnenaufgang stetig verändert, ist absolut einzigartig. Das sind wundervolle Momente, in denen die spektakulärsten Bilder entstehen», erzählt der passionierte Naturfotograf. Bald sind Brot, Käse und Trockenfleisch aufgegessen, die Flasche Fendant geleert. Patrick packt seinen Fotorucksack, verabschiedet sich und bricht auf zu einem Ort, der ihm im sanften Licht der untergehenden Sonne neue, spektakuläre Naturbilder verspricht.

Rebstock mit Baumpieper: «Dieses Bild hat mir viel Geduld abverlangt. Ständig auf der Suche nach Nahrung in der üppigen Vegetation des Rebbergs, war der Baumpieper nur einen kurzen Moment unverdeckt sichtbar.»
Rebstock mit Baumpieper:
«Dieses Bild hat mir viel Geduld abverlangt. Ständig auf der Suche nach Nahrung in der üppigen Vegetation des Rebbergs, war der Baumpieper nur einen kurzen Moment unverdeckt sichtbar.»

Fotos von Patrick Rey unter:
www.capteurs-de-nature.com

Patrick Reys Bilderwelt bei Delinat

Der Walliser Landschaftsgärtner und Naturfotograf Patrick Rey prägt seit 2008 die Bilderwelt von Delinat. Seine faszinierenden Makroaufnahmen von Fauna und Flora aus den mit reicher Biodiversität gesegneten Weinbergen des Delinat-Instituts in Arbaz oberhalb von Sion bereichern insbesondere das Magazin Weinlese und die Broschüren des DegustierService, wo Patrick Rey meistens das Umschlagbild beisteuert. DegustierService-Kunden kommen so regelmässig in den Genuss faszinierender Naturbilder aus dem Wallis. Mehr zu diesem überaus beliebten Weinpaket, das es in sechs verschiedenen Varianten gibt, unter: www.delinat.com/degustierservice

Hühner im Weinberg

Hühner im Weinberg

Seit einigen Wochen haben wir am Delinat-Institut eine spannende Sekundärkultur ausgetestet: die Haltung von freilaufenden Hühnern in mobilen Ställen. Die Hühner werden in den fahrbaren Ställen alle drei bis vier Wochen von einer Parzelle zur nächsten gefahren. Solar gesteuert, geht morgens die Stalltür automatisch auf und schliesst sich in der Abenddämmerung, sodass die Hühner tagsüber die üppige Begrünung zwischen den Reben bewirtschaften. So werden nicht nur Arbeitszeit und Treibstoff für die Bodenbearbeitung eingespart. Die derzeit 35 natürlich ernährten Hennen liefern auch Dünger für die Reben und legen täglich rund 30 Eier. Ein unter Strom gesetzter Netzzaun schützt die Hühner vor Füchsen, Hunden und Dachsen.

Heidelbeeren-Experiment am Delinat- Institut

Neben Heidelbeeren werden auf dem Delinat-Institut bereits andere Sekundärkulturen wie z.B. Tomaten und Kürbisse angebaut.
Neben Heidelbeeren werden auf dem Delinat-Institut bereits andere Sekundärkulturen wie z.B. Tomaten und Kürbisse angebaut.

Heidelbeeren-Experiment am Delinat- Institut. In den Weinbergen des Delinat- Instituts wurde im Frühjahr ein Versuch mit Heidelbeeren als Sekundärkultur zwischen den Reben gestartet. Die Krux: Heidelbeeren bevorzugen saure Böden, während die Reben auf basischen Böden wachsen. Durch den Einsatz von Terra Preta (Pflanzenkohle-Substrat) sowie Mykorrhiza- Pilzen scheint es allerdings zu gelingen, den Heidelbeeren gute Wachstumsbedingungen zu schaffen. «Jedenfalls sind sie gut angewachsen und werden schon bald eine erste kleine Ernte liefern», erklärt Institutsleiter Hans-Peter Schmidt. Als Sekundärkulturen wachsen in den Rebbergen des Forschungsinstituts bereits Erdbeeren, Himbeeren, Aronia, Pfirsiche, Kartoffeln, Tomaten und Kürbisse und einiges mehr.

Forschungs-Weinberg Mythopia

Im Sommer 2012 wurde in 3Sat ein kurzer Bericht über das Delinat-Institut gezeigt. Leider nur 5 Minuten! Das reicht doch nicht, da gibt es doch viel mehr zu wissen und zu erfahren. Abhilfe folgte prompt von Delinat selbst: Kurz darauf erschien ein E-Mail, mit der Einladung, sich doch mal das Freiluftlabor Mythopia  anzuschauen. Na wunderbar, als ob meine Gedanken gelesen wurden.

Claudio Niggli führte engagiert, fachlich kompetent und mit Leidenschaft durch die Weinberge des Delinat-Instituts.

Claudio Niggli will uns am 15. September durch das Gelände führen. Und dann kommt dieser Tag: traumhaftes Wetter. Es sind bis zu 23 Grad angesagt, Sonne den ganzen Tag. Wunderbar! Das Treffen ist am Bahnhof in Sion. Dort steht für die mit dem Zug Angereisten ein Bus bereit.

Wir fahren direkt mit dem Auto zum Weinberg. Im Wallis angekommen, nach Sion, dann weiter nach St. Leonard, und dann links ab den Hügel hoch. Nach 300m treffen wir auf ein Gruppe Wanderer, wie uns scheint. Weit gefehlt, es war die Besuchsgruppe, die mit dem Bus hätte hochgefahren werden sollen. Der Bus war zu gross, um die engen Kurven zum Weinberg umrunden zu können. Da passt es gut, dass wir mit dem Fahrzeug gekommen sind. Flugs drei weitere Personen eingeladen, und nach oben gebracht. Immerhin 3 km. Nach kurzer Zeit waren wir dann oben am Weinberg versammelt.

Claudio beginnt die Führung mit einer Erklärung über die Anfänge des Weinbergs, wie es zu den Ideen kam, und was die Motivation hinter dieser Versuchsanlage ist. Der geneigte Delinat Leser kennt das natürlich aus dem WeinLese-Magazin, aber hier ist es zum Anfassen!

In den nächsten 2 Stunden sollten wir also alles Wissenswerte erfahren. Etwas über die Geschichte des Walliser Weinanbaus, von Chasselas, Gamay und Pinot Noir, über die Potentiale und auch die Ängste, und was das alles mit dem Institut zu tun hat. Um alles genauer zu erläutern, führt uns Claudio den Weinberg hinauf.

Claudio ist jung, wie wir später erfahren durften – wir brauchen etwas länger, um beim Aufstieg hinterher zukommen!

An den Rebzeilen erfahren wir, wie der Gedanke der ökologischen Weinerzeugung im Delinat-Institut umgesetzt wird. Praktisch, dass gleich neben Mythopia konventioneller Weinanbau betrieben wird. Dort die kahlen, toten Böden, teilweise vom Hubschrauber gespritzt, mit oberirdischen Wasserverteilern, und hier halt Mythopia. Sehr anschaulich:

Die Bodenkultur mit der Begrünung durch verschiedenste Pflanzen, die unterirdische Bewässerung, die Einbeziehung von Nützlingen, die Methoden zur Bekämpfung des falschen und des echten Mehltaus, Bodenerosion,  Pflanzenkohle (Terra Preta), und alles, was wir sonst noch so wissen möchten. Uns begegnet hier die Aronia, der Weinbergpfirsich, Erdbeeren oder auch Tomaten. Dort sehen wir Schmetterlinge, es gibt erstaunlich viele Grashüpfer, wir sehen Eidechsen. Der Weinberg lebt !

Klar, man kann alles auf den Webseiten des Delinat-Instituts oder auch im Ithaka Journal nachlesen. Hier ist es anschaulich und begreifbar dargestellt. Claudio nimmt eine Handvoll Boden und zeigt uns den Unterschied zu den Nachbarn mit konventionellem Anbau. Er zupft hier ein paar Blätter ab, zeigt uns die gesunden oder auch die vom Mehltau befallenen Pinot Noir-Trauben, weist auf die verschiedenen Pflanzen und Tiere hin, beschreibt die Zusammenhänge im Naturkreislauf, die Erfolge und auch die Misserfolge, oder die Vor- und Nachteile für Weinbauern, die ja immer auch unter  ökonomischen Druck stehen. Claudio macht das fachlich exzellent, und mit Passion! Da wird kein Programm abgespult, man spürt den Idealismus und die Begeisterung für dieses Institut. Nach ca. 2 Stunden kommen wir oben am Weinberg zum Ende der Führung, und uns erwartet ein gedeckter Tisch.

Es gibt leckeren Tomatensalat und danach ein Raclette, begleitet vom Mythopia-Wein.

Alle Teilnehmer haben nun die Möglichkeit, den Erfahrungsaustausch zu intensivieren. Wo ginge das besser als bei einer leckeren Mahlzeit im Weinberg? Claudio wird mit uns am Ende dann noch die weiteren Weine des Instituts degustieren.

Das war ein super Ausflug ins Wallis, und allemal die Reise wert. Vielen Dank Claudio!

Von Volker Nowarra, Delinat-Kunde

PS.: Der Fotograf Patrick Rey begleitet die Entwicklung Mythopias seit über 5 Jahren. In seiner Mythopia-Galerie hat er einige der schönsten Bilder ausgewält, die Sie unter folgendem Link betrachten können: Mythopia-Galerie.

Einstein interessiert sich für Pflanzenkohle

Am 24. November 2011 hat das Schweizer Fernsehen im Wissenschaftsmagazin «Einstein» eine Reportage über die Arbeit des Delinat-Instituts gesendet. Hauptthema war die Produktion und der Einsatz von Pflanzenkohle im Weinbau. Der Beitrag zeigt leicht verständlich, wie Pflanzenkohle aus Grünabfällen entsteht und welche grossen ökologischen Erwartungen in dieses Substrat gesetzt werden.

Am Delinat-Institut laufen mehrere Versuche, welche das Potenzial von Pflanzenkohle als Boden- und Qualitätsverbesserer im Weinbau sowie ihre Wirkung als Treibhausgas-Bremse ausloten. Das Wissenschaftsmagazin Einstein will das Projekt weiterverfolgen und plant einen zweiten Beitrag, sobald die Versuche erste Aufschlüsse über die Auswirkungen von Pflanzenkohle auf die Weinqualität liefern.

Anmerkungen:

  • Im Filmbeitrag ist noch von «Biokohle» die Rede. Hersteller und Forscher haben sich inzwischen auf den neuen Begriff «Pflanzenkohle» geeinigt. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Für Kundinnen und Kunden, die kein Schweizerdeutsch verstehen: Nach dem Vorspann geht es auf Hochdeutsch weiter.

Das Delinat-Forschungs-Netzwerk

Wie lassen sich praktisch identische ökologische und wirtschaftliche Probleme in Weinbaugebieten mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und Bodenbeschaffenheiten lösen? Mit dieser zentralen Frage beschäftigt sich das Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming intensiv. Es geht darum, neuen Methoden der Begrünung, der Bodenaktivierung, der Biodiversifizierung und der Reduktion von Klimagasen zum Durchbruch zu verhelfen – europaweit.

Weingut Mosel

Timo Dienhart, engagierter Jungwinzer an der Mosel, hat bereits einige Biodiversitäts-Projekte auf den Weg gebracht. Hier zeigt er ein in die Rebzeile integriertes Insektenhotel.

Vier Delinat-Modellweingüter

Das Delinat-Institut im Wallis wählt dafür einen pragmatischen Ansatz: Die in den erwähnten Bereichen bereits bestehende und bewährte Forschungspartnerschaft mit dem Weingut von Château Duvivier in Frankreich wird auf drei weitere Güter in Ländern mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ausgedehnt. Zu neuen Delinat-Modellgütern werden somit ein sommertrockenes Gut in Spanien (Pago Casa Gran, Valencia), ein extrem sommertrockenes italienisches Gut (Maggio Vini, Sizilien) sowie ein regenreicheres deutsches Gut (Römerkelter, Mosel.

Ausbildungszentren für Delinat-Winzer

Das Institut und die vier Weingüter bilden neu das Delinat-Forschungs-Netzwerk. Sie nehmen an gemeinsamen, vom Delinat-Institut koordinierten wissenschaftlichen Versuchen teil, um die Praxistauglichkeit neuer Methoden für einen klimaneutralen Qualitätsweinbau mit hoher Biodiversität international unter Beweis zu stellen. Konkret geht es zum Beispiel um den Einsatz von Biokohle, die Optimierung der Begrünungssysteme und die Entwicklung neuer Mischkulturen.

Gleichzeitig werden alle Modellgüter zum Ausbildungszentrum für die Delinat-Winzer des jeweiligen Landes. Um ihre Vorbildfunktion wahrnehmen zu können, sollen sie möglichst rasch die höchste Qualitätsstufe der Delinat-Richtlinien (3 Schnecken) erreichen. Ziel ist, dass andere Delinat-Weingüter sukzessive nachziehen und ebenfalls dieses ambitiöse Niveau erreichen.

Ein spannendes Jahr, das Flügel verleiht

2010 – von der Uno zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt – geht dem Ende entgegen. Was ändert sich? Vielen Menschen ist klar geworden, was Biodiversität überhaupt ist: Artenvielfalt. Viele sind auch einverstanden, dass diese Vielfalt des Lebens erhalten und geschützt werden muss. Aber geschieht das auch wirklich? Tatsache ist: Die Biodiversität nimmt weltweit weiterhin ab – vielfach schleichend und kaum wahrnehmbar.

Biodiversität im Weinbau

Der Weinberg der Zukunft fördert die Artenvielfalt – und ist eine wahre Augenfreude.

Delinat setzt sich, fokussiert auf den Weinbau, seit Jahren für mehr Biodiversität ein. Wir werden das auch in den kommenden Jahren und damit weit über das Uno-Biodiversitätsjahr hinaus tun. Dies in der Überzeugung, damit den Weinbau zu fördern, der nicht nur die besten Weine hervorbringt, sondern als einziger auch nachhaltig und somit zukunftstauglich ist.

Ein bewegtes Jahr

Im 2010 ist viel passiert, das uns ermutigt, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Ins qualitativ hochwertige Weinsortiment fanden neue Perlen Eingang – wie der Canta Rasim. Mit neuen, gesunden Produkten aus der hierzulande noch kaum bekannten Aroniabeere konnte eine sinnvolle Brücke zum Weinbau geschlagen werden. Verschiedene Delinat-Weingüter pflanzen Aronia-Sträucher als Sekundärkultur in ihren Rebbergen an und erhöhen so die Biodiversität.

Aroniabeeren

Die kleine Aroniabeere kann schon fast als Symbol für einen erfolgreichen Weinberg in Biodiversität gelten: Ideal als Sekundärkultur geeignet, ergibt sie schmackhafte und gesunde Produkte.

Die Delinat-Homepage sowie die Weindepots in St. Gallen, Bern und Olten sind zu lebendigen Orten der Begegnung und des Verweilens geworden. Das Internet dank Blog-Forum, Weinquiz und der Möglichkeit, Weine persönlich zu bewerten – die Depots dank breitem Degustationsangebot und spannenden Veranstaltungen.

Delinat-Institut: Wegweiser in die Zukunft

Besonders stolz sind wir auf das Delinat-Institut, das seit 2009 auf einem Walliser Weingut praxisnah am Weinberg der Zukunft arbeitet und Winzer in ganz Europa mit Beratung und individueller Problemlösung unterstützt. Am Institut sind auch die neuen Delinat-Biorichtlinien 2010 entstanden. Obwohl weltweit die ambitiösesten, kommen sie bei unsern Biowinzern gut an und fordern zum friedlichen Wettstreit um die bestmögliche Umsetzung heraus. Vom WWF Schweiz und von der Stiftung für Konsumentenschutz sind die neuen Richtlinien mit Höchstnoten und einem «Sehr empfehlenswert» bedacht worden.

Mit Schwung ins 2011

Am allermeisten freut uns aber, dass jedes Jahr mehr Kundinnen und Kunden all unsere Bemühungen honorieren, indem sie auf Delinat-Weine setzen. Immer mehr Leute entdecken die besonderen Qualitäten und das ausgezeichnete Preis-Leistungsverhältnis dieser Weine aus gesunder Natur. Für diese Treue und die vielen wertvollen Weiterempfehlungen während des ganzen Jahres bedanken wir uns herzlich. Das gibt uns den nötigen Mumm, auch nach 30 Jahren noch mit jugendlichem Schwung auf dem eingeschlagenen Weg ins neue Jahr einzubiegen.

Hilfreiche Düfte im Weinberg

In den Rebbergen des Delinat-Instituts werden nicht nur Trauben, sondern auch viele verschiedene Kräuter geerntet. Diese verarbeiten wir zu Spezialitäten wie Kräutersalz und Minzesirup. Dabei gilt es, die luftgetrockneten und gemahlenen Blätter zu einer harmonischen Mischung zu verarbeiten. In einer Blinddegustation wählten wir aus fünf Mischungen die ausgewogenste aus.

Kräutergarten auf Mythopia

Der grosse Kräutergarten auf Mythopia liefert Schmackhaftes und hilft der Natur.

Kräuter dienen uns darüber hinaus zu Forschungszwecken. So soll ein Teil der Ernte in Zukunft zu ätherischen Ölen verarbeitet werden. Diese können dann auf ihre Eignung als Pflanzenschutzmittel getestet werden. Fenchelöl hat schon manchem Winzer gegen Mehltau geholfen, und es ist bekannt, dass Lavendelöl das Wachstum von Pilzen hemmen kann. Eine gross angelegte Versuchsreihe könnte helfen, diese Vermutung zu verifizieren. Wer weiss: Vielleicht schützen schon bald wohlriechende Provence-Brisen die Reben vor Mehltau – statt stinkender Schwefeldämpfe.

Kräutergärten als Nektarquelle

Aromakräuter sind für uns aber nicht nur kulinarische Bereicherung und spannendes Forschungsfeld – sie sind auch ökologisch wertvolle Nebenkulturen im Weinberg. Salbei und Lavendel gelten im Wallis zwar nicht als heimische Kräuter. Trotzdem bieten sie unzähligen Insekten eine Nektarquelle.

Ein Bläuling profitiert mitten zwischen Rebzeilen vom reichen Nektarangebot des Lavendels.

Im Hochsommer ist es eine Freude, im Kräutergarten dem emsigen Treiben von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen an den Blüten zuzuschauen. Bei der Ernte lassen wir etwa ein Viertel der Blütenstände stehen, damit den Insekten nicht auf einen Schlag die Nahrungsgrundlage entzogen wird. So profitieren Mensch und Natur von Weinbergen in Biodiversität.

Rolojack – intelligente Walze im Weinberg

Es grünt und blüht, es summt und flattert in den Rebbergen auf der Domaine des Delinat-Instituts im Wallis. Hier wird die artenreiche Begrünung zwischen den Rebzeilen weder gemäht noch gemulcht, sondern gewalzt. Dafür haben wir eigens den Rolojack entwickelt. Der Einsatz der neuartigen Lamellenwalze zwischen den Rebzeilen bewährt sich bestens: Der Rolojack schneidet die Pflanzen nicht ab, sondern bricht sie mehrmals und walzt sie anschliessend platt auf den Boden. So bleiben die Pflanzen mit den Wurzeln verbunden und sterben nicht sofort ab. Die Halme werden geknickt, was den Saftfluss und damit den Wasserverbrauch reduziert. So eine halb lebendige Mulchschicht schützt den Boden effizient vor dem Austrocknen.

Herzstück des Rolojack ist eine mit geschwungenen, stumpfen Klingen ausgestattete Walze, die durch hydraulischen Druck die Bodenbegrünung abknickt und auswalzt, ohne dabei die Halme zu zerschneiden.

Der Rolojack wurde 2009 vom Delinat-Institut entwickelt. Er wird derzeit in Frankreich hergestellt, wo bereits knapp 50 Weingüter mit dieser Maschine arbeiten und parallel dazu auf die Saatmischungen und Begrünungsstrategien des Delinat-Institutes setzen. Zu den Kunden gehören so namhafte Güter wie Château D’Yquem, Château Arnaud (St. Emilion) oder Château Lilian Ladoys (Médoc), die zwar noch nicht biologisch arbeiten, sich aber mehr und mehr von den Erfolgen des Qualitätsmanagements im Weinbau mit Biodiversität überzeugen lassen.

Es ist toll zu beobachten, wie die verschiedensten Blumen einer artenreichen Bienenmischung auch mehrere Tage nach dem Walzen am Boden munter weiterblühen ohne sich wieder aufzurichten. Im Vergleich zum Mähen (oder auch Mulchen) ist das Walzen für die Artenvielfalt im Weinberg wahrlich ein Meilenstein, denn nützliche Insekten können sich trotz Bearbeitung der Reben weiterhin am Nektar laben. Welch ein Unterschied zu den kahlgespritzten Weinbergen nebenan!

Das Bild links zeigt die Bienenbegrünung vor dem Walzen mit dem Rolojack – rechts nach dem Walzen. Für eine grössere Ansicht klicken Sie bitte auf das Bild.

Auf dem Delinat-Weingut hat die Begrünung Tradition. Dank einer Saatwahl mit geeigneten Pflanzen steigt nicht nur die Artenvielfalt, es kann auch auf Düngung verzichtet werden. Die Nährstoffkreisläufe sind nahezu geschlossen. Unsere Weinbergsböden unterscheiden sich enorm von jenen der Nachbarn. Die Unterschiede kann man mit allen Sinnen wahrnehmen: Unsere Erde fühlt sich anders an, zeigt eine andere Farbe und riecht ganz anders. Vive la nature!